L 7 SO 2709/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 732/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2709/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die normative Zuflussbestimmung des § 82 Abs. 7 Satz 1 SGB XII, wonach einmalige Einnahmen, bei denen für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen erbracht worden sind, im Folgemonat berücksichtigt werden, ist sowohl nach dem Wortlaut als auch nach der Gesetzesbegründung zwingend. Hiervon kann auch nicht aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung abgewichen werden.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juli 2021 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung einer Leistungsgewährung für den Monat Juni 2020 und die diesbezügliche Erstattungsforderung des Beklagten.

Bei dem 1994 geborenen, unter gesetzlicher Betreuung stehenden Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 festgestellt und ihm sind die Merkzeichen „G“, „H“ sowie „B“ zuerkannt. Die Deutsche Rentenversicherung B hat bei ihm eine seit Geburt bestehende volle Erwerbsminderung festgestellt und mangels Erfüllung der erforderlichen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt (Bescheid vom 31. August 2012, Bl. 571 ff. Verw.-Akte). Der Kläger steht bei dem Beklagten in laufendem Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), Viertes Kapitel. Er lebte jedenfalls bis Juli 2020 in Untermiete bei seiner Mutter zu einem monatlichen Mietzins von aktuell 175,00 EUR (Bruttowarmmiete).

Mit Bescheid vom 5. Juni 2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum Juli 2019 bis Juni 2020 in einer Höhe von 671,08 EUR monatlich, wobei ihm ohne die direkt an seine Mutter als Vermieterin überwiesenen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) ein Zahlbetrag von 496,08 EUR zugeordnet wurde (Bl. 397 ff. Verw.-Akte). Für den Juni 2020 erhielt der Kläger die Leistungen am 26. Mai 2020, nunmehr – nach Anhebung des Regelbedarfs und entsprechend des Mehrbedarfs nach § 42 i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII – Leistungen mit einem ihm zugeordneten Zahlbetrag von 505,44 EUR und damit in einer Gesamthöhe von 680,44 EUR (Bl. 423 Verw.-Akte, Bl. 30 f. Senatsakte). Mit Bescheid vom 3. Juni 2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum Juli 2020 bis Juni 2021 mit einer monatlichen Höhe von 680,44 EUR (Bl. 409 ff. Verw.-Akte).

Am 16. Juni 2020 ging auf dem Taschengeldkonto des Klägers ein Betrag von 5.000 EUR ein (Bl. 419 Verw.-Akte), was der damalige Betreuer des Klägers dem Beklagten mit Schreiben vom 8. Juli 2020 mitteilte. Im Weiteren übersandte der Betreuer ein Schreiben der Mutter des Klägers – als Bevollmächtigte ihres Vaters, mithin des Großvaters des Klägers – vom 27. Juli 2020, nach welchem der Kläger sich durch Fälschung der Unterschrift ihres Vaters unrechtmäßig einen Betrag von 5.000 EUR überwiesen habe (Bl. 441 Verw.-Akte). Die von dem Überweisungsbetrag nach Entdeckung noch verbliebenen 2.000 EUR überwies der Betreuer des Klägers zurück (Bl. 451; zum Ganzen auch Beschluss des Amtsgerichts Rastatt – Vollstreckungsgericht – vom 21. September 2020 – 3 M 6576/18, Bl. 465 ff. Verw.-Akte).

Mit Schreiben vom 7. Oktober 2020 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass nach klägerseitiger Ausgabe von 3.000 EUR des erschlichenen Geldes und einer Sicherstellung von lediglich 2.000 EUR, dies – der Betrag von 3.000 EUR – einmalig im Zuflussmonat Juni 2020 als Einkommen zu berücksichtigen sei und hörte ihn zu der beabsichtigten Rückforderung von 680,44 EUR für den Juni 2020 an.

Nach einer diesbezüglichen Stellungnahme des nunmehrigen Betreuers des Klägers hob der Beklagte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26. November 2020 den Bewilligungsbescheid vom 5. Juni 2019 für den Monat Juni 2020 in voller Höhe auf und forderte von dem Kläger die Erstattung von 680,44 EUR. Bei dem Kläger sei bislang kein monatliches Einkommen berücksichtigt worden. Am 16. Juni 2020 seien seinem Konto 5.000 EUR gutgeschrieben worden, von denen er tatsächlich über 3.000 EUR verfügt habe. Diese 3.000 EUR stellten Einkommen dar, das bei der Grundsicherungsleistung zu berücksichtigen gewesen wäre. Auf die Anwendung der Regelung des § 82 Abs. 7 Satz 2 SGB XII werde zugunsten des Klägers verzichtet. Da es sich um eine gebundene Entscheidung handele, die der Behörde im Regelfall keinen Ermessensspielraum einräume, sei der Verwaltungsakt vollständig aufzuheben gewesen. Eine atypische Fallkonstellation sei erkennbar nicht gegeben.

Den Widerspruch des Klägers vom 30. November 2020 (Bl. 489 Verw.-Akte) wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2021 unter Vertiefung der Begründung des Ausgangsbescheides zurück. Auch illegal im Rahmen einer Straftat erzielte Einnahmen stellten Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts dar (Hinweis auf SG Duisburg, Urteil vom 29. Mai 2020 – S 49 AS 3304/19 –). Sozialhilfe im Allgemeinen sei nur dann zu gewähren, wenn sämtliche Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft seien. Behelfe sich jemand selbst — und zwar egal ob mit legalen oder illegalen Methoden — bestehe kein, oder eben ein geringerer Anspruch auf die aus allgemeinen Steuermitteln finanzierte Sozialhilfe, bzw. Grundsicherung.

Gegen diese am 9. Februar 2021 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 4. März 2021 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Mit Urteil vom 26. Juli 2021 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 26. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2021 aufgehoben und die Berufung gegen diese Entscheidung zugelassen, da sie auf einer Abweichung vom Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 25. Juni 2014 – L 2 AS 2373/13 – beruhe. Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintrete. Sowohl die grundsätzliche Voraussetzung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse als auch die für die vom Beklagten verfügte Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit erforderliche anspruchsschädliche Erzielung von Einkommen seien hier dann gegeben, wenn es sich bei der am 16. Juni 2020 zu Gunsten des Klägers erfolgten Kontogutschrift über 5000 EUR um seinen Grundsicherungsanspruch im Juni 2020 ganz oder teilweise ausschließendes Einkommen gehandelt hätte. Das sei aber nicht der Fall. Zwar teile das Gericht die Auffassung des Beklagten, dass es sich bei dieser Gutschrift um nach § 82 SGB XII zu berücksichtigendes Einkommen handele. Dieses Einkommen sei aber für den Anspruch des Klägers auf Grundsicherung für Juni 2020 rechtlich unerheblich. Es stelle somit keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. § 82 Abs. 7 Satz 1 SGB XII bestimme nämlich, dass einmalige Einnahmen, bei denen für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der Einnahme erbracht worden seien – wie hier für Juni 2020 – im Folgemonat berücksichtigt werden. Demnach habe die einmalige Einnahme vom 16. Juni 2020 den Anspruch des Klägers auf Grundsicherungsleistungen nicht im Zuflussmonat Juni, sondern erst im bzw. ab Juli 2020 ausgeschlossen. Zwar habe der 2. Senat des LSG Baden-Württemberg in dem Urteil vom 25. Juni 2014 (L 2 AS 2373/13) die Auffassung vertreten, dass § 11 Abs. 3 Satz 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) – die Parallelvorschrift zu § 82 Abs. 7 S. 1 SGB XII im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende – nach seinem Sinn und Zweck nicht anwendbar sei, wenn die Einnahme der Verwaltung erst in einem Zeitpunkt bekannt werde, in dem eine Berücksichtigung für den Folgemonat nicht mehr möglich sei. Hier verbleibe es bei den allgemein gültigen Regelungen und somit einer Berücksichtigung im Zuflussmonat. Dem sei aber nicht zu folgen. Der vom LSG Baden-Württemberg postulierten „einschränkenden Auslegung“ stehe der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegen. Aber auch im Wege der Rechtsfortbildung, hier im Sinne der teleologischen Reduktion, lasse sich die Nichtanwendung von § 82 Abs. 7 S. 1 SGB XII im Falle einer rückwirkenden Aufhebung des Bewilligungsbescheids nicht begründen. Eine solche würde voraussetzen, dass die Vorschrift nach ihrem Wortsinn auch Sachverhalte erfasse, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen solle, weil ihre Anwendung auch in diesen Fällen ihrem gesetzgeberischen Sinn und Zweck, ihrer Entstehungsgeschichte und dem Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen zuwiderlaufen würden. Allein der Umstand, dass der Zweck eines Gesetzes im Falle seiner Anwendung auf bestimmte Sachverhalte nicht erreicht werde, sei angesichts des abstrakt-generellen Charakters von Gesetzen keineswegs ungewöhnlich und rechtfertige es nicht schon, das betreffende Gesetz in diesen Fällen nicht anzuwenden. Zwar könne der hier zu beurteilende § 82 Abs. 7 Satz 1 SGB XII den Zweck der Verwaltungsvereinfachung im Falle rückwirkender Aufhebungen von Bewilligungsbescheide nicht erfüllen. Es trete aber auch nicht die gegenteilige Folge ein, denn die Anrechnung von einmaligen Einnahmen im Folgemonat mache Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen für die Verwaltung weder schwieriger noch aufwändiger als bei einer Berücksichtigung im Zuflussmonat. Vor allem aber spreche die Gesetzesbegründung dagegen, dass der Gesetzgeber zwischen den Fällen einer möglichen Korrektur im Folgemonat und einer rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung hätte differenzieren wollen. Danach sei „in diesem Fall“ (d.h. wenn die Leistungsauszahlung für den Zuflussmonat bereits erfolgt ist) „die einmalige Einnahme generell im Folgemonat als Einkommen zu berücksichtigen“ (Hinweis auf BR-Drs. 344/15, S. 29). Auch das Bundessozialgericht (BSG) gehe für das SGB II offenbar nunmehr davon aus, dass die gesetzlich vorgeschriebene Berücksichtigung einmaliger Einnahmen im bzw. ab dem Folgemonat auch für rückwirkende Aufhebungs- und Erstattungsbescheide gelte, wie sich aus dem Urteil vom 24. August 2017 ergebe (Hinweis auf B 4 AS 9/16 R).

Am 19. August 2021 hat der Beklagte gegen dieses Urteil des SG Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Die Regelung des § 82 Abs. 7 Satz 1 SGB XII sei ursprünglich auch eingeführt worden, um aufwändige Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen möglichst zu vermeiden. Aus dem Gesetzentwurf zur Vorgängerregelung des § 82 Abs. 4 SGB II gehe hervor, dass bei der Berücksichtigung von einmaligen Einnahmen für alle Leistungen nach dem SGB XII klargestellt werde, dass in Fällen, in denen die Leistung für den Zuflussmonat bereits gezahlt worden sei, eine Anrechnung im Folgemonat erfolge (Hinweis auf BR-Drs. 344/15, S. 12.). Verwaltungsaufwändige Verrechnungen der Überzahlung in den Folgemonaten könnten dadurch vermieden werden. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme im Folgemonat nur dann zu erfolgen habe, wenn das Ziel der gesetzlichen Regelung – die Vermeidung einer aufwändigen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung – noch erreicht werden könne. So habe es auch das LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 25. Juni 2014 gesehen. Zwar sei gegen dieses Urteil Berufung (gemeint: Revision – Anm. d. Senats) eingelegt worden, allerdings setze sich das diesbezügliche Urteil des BSG vom 24. April 2015 – B 4 AS 32/14 R – mit dieser speziellen Thematik nicht mehr auseinander. Das spätere BSG-Urteil vom 24. August 2017 – B 4 AS 9/16 R – stelle zwar fest, dass sich die Frage, in welchem Zeitraum zufließendes Einkommen zu berücksichtigen sei und daher eine wesentliche Änderung der Verhältnisse bewirke, nach dem materiellen Recht des jeweiligen Buches des SGB richte und deshalb in dem dort zu klärenden Fall eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung jeweils für den Folgemonat zu erfolgen habe. Eine nähere Begründung sei diesbezüglich jedoch nicht erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juli 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verfahrensakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet über die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, vom SG bindend zugelassene (§ 144 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Beklagten im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 26. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2021 zurecht aufgehoben. Denn die damit seitens des Beklagten verfügte Aufhebung des Bescheides vom 5. Juni 2019 für den Juni 2020 und die darauf aufbauende Erstattungsforderung über 680,44 EUR erweisen sich als rechtswidrig.

Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides vom 5. Juni 2019 lagen nicht vor. Rechtsgrundlage der – insoweit formell rechtmäßig nach Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 SGB X ergangenen – Aufhebungsentscheidung des Beklagten ist § 48 SGB X.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X), der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X), soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).

Vorliegend fehlt es hinsichtlich des mit dem Bescheid vom 5. Juni 2019 festgesetzten Leistungsanspruchs für den Juni 2020 an einer wesentlichen Änderung in den bei Bescheiderlass bestehenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Eine solche liegt insbesondere nicht in der – als Ansatzpunkt einzig in Betracht kommenden – Überweisung eines Guthabens von 5.000 EUR auf das Taschengeldkonto des Klägers am 16. Juni 2020 vom Konto eines Dritten – dem Großvater des Klägers – bzw. dem erfolgten Verbrauch eines Anteils von 3.000 EUR. Hierbei kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob diese während des laufenden Leistungsbezuges erfolgte – und damit nicht als Vermögen im Sinne von § 90 SGB XII zu wertende (vgl. zur Abgrenzung: BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 – B 14 AS 101/11 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 47, juris Rdnr. 19 m.w.N.) – und nach der Aktenlage unrechtmäßig erwirkte Gutschrift als im Rahmen der Leistungsgewährung zu berücksichtigendes einmaliges Einkommen des Klägers i.S.d. § 82 SGB XII einzustufen ist oder gegebenenfalls aufgrund einer darauf lastenden Rückzahlungsverpflichtung nicht (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2000 – B 11 AL 31/99 R –, SozR 3-4100 § 137 Nr. 12, SozR 3-4100 § 138 Nr. 15, juris Rdnr. 23 ff.). Denn auch bei einer Einstufung dieses Vermögenszuwachses als Einkommen im sozialhilferechtlichen Sinn ist es vorliegend nicht für den Juni 2020, sondern erst für den Juli 2020 zu berücksichtigen, da der Kläger die Grundsicherungsleistungen für den Juni 2020 bereits am 26. Mai 2020 erhalten hat, der Zufluss des Betrags von 5.000 EUR (bzw. des im Weiteren verbrauchten Betrages von 3.000 EUR) erst am 16. Juni 2020 erfolgt ist. Dies ergibt sich aus der normativen Zuflussbestimmung des § 82 Abs. 7 Satz 1 SGB XII, der festlegt, dass einmalige Einnahmen, bei denen für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der Einnahme erbracht worden sind, im Folgemonat berücksichtigt werden (Schmidt in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 82 SGB XII – Stand: 1. Februar 2020 – Rdnr. 53). Diese Regelung ist sowohl nach dem Wortlaut als auch nach der Gesetzesbegründung zwingend (vgl. auch Schlette in Hauck/Noftz SGB XII, § 82 Rdnr. 128; Grube/Wahrendorf/Flint/Giere, 7. Aufl. 2020, SGB XII § 82 Rdnr. 117; Siebel-Huffmann in BeckOK SozR, 66. Ed. 1. Dezember 2021, SGB XII § 82 Rdnr. 41).

Für ein Abweichen von der gesetzlichen Vorgabe ergibt sich auch unter Berücksichtigung ihres Sinns und Zwecks – namentlich der Verwaltungsvereinfachung, insbesondere der Vermeidung von Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen – kein tragfähiger Ansatzpunkt. Insbesondere genügt das bloße Nichterreichen des Regelungsziels der Vermeidung von Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen in einem Fall wie dem Vorliegenden – in dem der Verwaltung ein Einkommenszufluss erst bekannt wird, wenn eine Berücksichtigung auch für den Folgemonat nicht mehr möglich ist – noch nicht, eine Abweichung von dem klaren Gesetzeswortlaut zu rechtfertigen. Hierzu wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem Urteil vom 26. Juli 2021 Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG), welche sich der Senat zu eigen macht. Im Übrigen wäre auch die von der Beklagten insoweit unter Heranziehung des Urteils des 2. Senat des LSG Baden-Württemberg vom 25. Juni 2014 (L 2 AS 2373/13) vertretene und in Abhängigkeit von dem ggf. nur schwer festzustellenden und von Zufälligkeiten abhängenden Zeitpunkt der verwaltungsseitigen Kenntnis eines Vermögenszuwachses eintretende Ausnahme zu § 82 Abs. 7 Satz 1 SGB XII dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung abträglich. Es verbleibt daher insgesamt und auch für den Fall einer nachträglichen Aufhebungsentscheidung bei einer Berücksichtigung des Zuflusses einmaliger Einnahmen erst im Folgemonat, soweit für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen erbracht worden sind. Eine Berücksichtigung bereits im Monat des Zuflusses kommt demgegenüber nicht in Betracht, wie auch das BSG mit Urteil vom 24. August 2017 (– B 4 AS 9/16 R –, SozR 4-4200 § 11b Nr. 10, SozR 4-7610 § 1835a Nr. 1, SozR 4-4200 § 11a Nr. 2, juris Rdnr. 18) für die Parallelregelung zu § 82 Abs. 7 Satz 1 SGB XII in § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II klargestellt hat. Soweit der Beklagte hierzu eine eingehendere Begründung seitens des BSG vermisst, ist diese vorliegend bereits mit dem Gesetzeswortlaut hinreichend gegeben.

Mangels rechtmäßiger Aufhebungsentscheidung bezüglich der Grundsicherungsleistungen des Klägers für den Juni 2020 ist vorliegend auch die darauf aufbauende Erstattungsentscheidung (§ 50 SGB X) des Beklagten rechtswidrig und aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
Saved