Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 5.000,00 € bestimmt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines aufsichtsrechtlichen Verpflichtungsbescheides, mit welchem die Beklagte die buchhalterische Zuordnung von Darlehensgewährungen der Klägerin an ihre Beteiligungsgesellschaften beanstandet hat.
Bei der Klägerin handelt es sich um einen bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger. Aufsichtsbehörde ist das Bundesamt für Soziale Sicherheit (BAS), bis 2019 noch als Bundesversicherungsamt (BVA) bezeichnet, dessen Rechtsträger die Beklagte ist und das als Bundesoberbehörde die Rechtsaufsicht über die bundesunmittelbaren Träger der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Unfallversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung führt.
Die Klägerin unterhält diverse Tochtergesellschaften. Bei einer dieser Tochtergesellschaften handelt es sich um die C und Kinderkliniken D gGmbH (CKD gGmbH), deren Gesellschaftszweck nach § 2 Abs. 1 des vorgelegten Gesellschaftsvertrages (GesV) der Betrieb des Krankenhauses C und der Kinderklinik D sowie der Rehaklinik S einschließlich Ausbildungsstätten sowie sonstiger Nebeneinrichtungen und Nebenbetriebe ist. Ausweislich § 2 Abs. 4 GesV ist die Gesellschaft zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks notwendig und nützlich erscheinen und nach Maßgabe der für die Gesellschaft geltenden gesetzlichen Bestimmungen zulässig sind. Sie dient der Aufgabenerfüllung des beteiligten Sozialversicherungsträgers (§§ 30, 85 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V]). Nach § 6 Abs. 1, 2 GesV beträgt das Stammkapital der Gesellschaft 2 Millionen (Mio.) €, von denen die Klägerin 1,45 Mio. € (72,5%) und die Stadt H 550.000,00 € (27,5%) übernommen haben. Gemäß § 6 Abs. 3 GesV darf der Geschäftsanteil der Sozialleistungsträger oder ihrer Verbände nicht weniger als 50% betragen, soweit neben ihnen auch private Dritte Gesellschafter sind. Die Gesellschafterversammlung nach §§ 9 Nr. 3, 19 Abs. 3 Satz 2 GesV fasst ihre Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit (Ausnahme § 19 Abs. 3 Satz 3 GesV: Beschlüsse über § 20 Abs. 1a) bis f) bedürfen der Einstimmigkeit und nach § 20 Abs. 1g) bis i) dann der Einstimmigkeit, soweit der Betriebsteil Kinderklinik betroffen ist). Die Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung folgen maßgeblich aus § 20 GesV. Die Gesellschaft unterhält zudem nach §§ 9 Nr. 2, 11 Abs. 1 Satz 1 GesV einen Aufsichtsrat mit insgesamt 15 Mitgliedern; acht Sitze stehen der Klägerin zu, fünf der Stadt H und zwei dem Betriebsrat der Gesellschaft. Seine Beschlüsse fasst der Aufsichtsrat gleichfalls grundsätzlich gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 GesV mit einfacher Stimmenmehrheit (Ausnahme nach § 14 Abs. 1 Satz 3 GesV: Beschlüsse über § 15 Abs. 3a), c) und e) bedürfen der ¾-Mehrheit der anwesenden Mitglieder, ebenso im Fall des § 15 Abs. 4b), soweit der Betriebsteil Kinderklinik betroffen ist.). Die Zuständigkeiten folgen aus § 15 GesV. Im Übrigen wird auf den Inhalt des GesV Bezug genommen.
Die Klägerin gewährte u.a. der CKD gGmbH Darlehen; so mit Darlehensvertrag vom 7./21. Juli 2004 (DV 2004) in Höhe von 1,9 Mio. € zum Zweck des Kaufs von „Tiefgaragenstellenplätzen auf einem benachbarten Grundstück“ sowie (der) Errichtung einer "Zentralen Sterilisation" in den Betriebsräumen des Darlehensnehmers“ gemäß § 1 Abs. 1, 2 DV 2004. Gemäß § 3 Abs. 1 DV 2004 wurde das Darlehen mit einem Zinssatz von 4,5% p.a. verzinst. Die monatliche Rate für Zins- und Tilgung betrug 9.000,00 €, und die Laufzeit umfasste den Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Dezember 2013, § 3 Abs. 4 DV 2004. Hinsichtlich der Kündbarkeit (§ 4), der Aufrechnung und Abtretbarkeit (§ 5) sowie der weiteren Regelungen wird auf den Inhalt des Vertrag Bezug genommen.
Das BVA erteilte mit Bescheid vom 28. Juni 2004 die beantragte Genehmigung für die Darlehensgewährung.
Die Klägerin begann sodann im Jahr 2012, sämtliche gewährte Darlehen für gemeinnützige Zwecke (§ 83 Abs. 1 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) vom Verwaltungsvermögen (Konto [Kto.] 0741) in die Rücklage (Kto. 0419) zu buchen. Darunter fiel auch das Darlehen gemäß DV 2004.
Im Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO AG über die Prüfung der Jahresrechnung für das Geschäftsjahr 2012 (Anhang zur Jahresrechnung – Punkt 2.3 Abs. 1) heißt es dazu zunächst:
„Die für gemeinnützige Zwecke vergebenen Darlehen, die im Vorjahr unter Konto 0741 nachgewiesen wurden, wurden im Geschäftsjahr 2012 sachgerecht dem Kto. 0419 zugeordnet.“
In den Analysierenden Darstellungen (Anl. IV, Seite 12) ist ausgeführt:
„Bei den anderen Geldanlagen handelt es sich um neun Darlehen an sechs verschiedene Beteiligungsgesellschaften, die in der aktuellen Jahresrechnung erstmals der Kontengruppe 04 zugeordnet wurden. […]. In Vorjahren erfolgte der Ausweis beim Verwaltungsvermögen. Der Umgliederung zugrunde liegt die Einschätzung, dass die Beträge in Anwendung des § 83 SGB IV nicht dem Verwaltungsvermögen, sondern der Rücklage zugeordnet werden müssen. Die Voraussetzungen in § 83 Abs. 1 SGB IV werden bei diesem Darlehen erfüllt. Die Vergabe der Darlehen wurde vom BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt.“
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO AG testierte die Jahresrechnung 2012 und die nachfolgenden Jahresrechnungen der Klägerin nach Prüfung uneingeschränkt. Ab dem Jahr 2014 begann die Klägerin zusätzlich auch die Beteiligungen an ihren Beteiligungsgesellschaften vergleichbar umzubuchen.
Im Anschluss an die Laufzeit des vorgenannten Darlehens gewährte die Klägerin der CKD gGmbH mit Darlehensvertrag vom 13. Januar 2014 ein weiteres Darlehen über 1.633.903,28 € (§ 1 Abs. 1 DV 2014), welches gleichfalls auf die oben beschriebene Art auf Kto. 0419 als Rücklage durch die Klägerin verbucht wurde. Erneut wurde als Zweckverwendung gemäß § 1 Abs. 2 DV 2014 die Errichtung einer zentralen Sterilisation sowie die Parkraumbewirtschaftung benannt, obgleich aus dem Antrag auf Genehmigung vom 11. November 2013 als Verwendung die „OP-Erweiterung Fachbereich Neurochirurgie“ hervorgeht. Das Darlehen löste den seit 2004 zwischen den Vertragsparteien bestehenden Darlehensvertrag zum 1. Januar 2014 ab, § 2 DV 2014. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 DV 2014 wurde das Darlehen jetzt mit einem Zinssatz von 2,3% p.a. verzinst. Die monatliche Rate für Zins- und Tilgung betrug weiterhin 9.000,00 €, § 3 Abs. 4 DV 2014. Als Laufzeit wurde ein Zeitraum von zehn Jahren bis zum 31. Dezember 2023, § 4 DV 2014 vereinbart. Zur Kündbarkeit vereinbarten die Vertragsparteien in § 5 Abs. 1 und 2 DV 2014 wörtlich folgendes:
„1. Die Darlehensnehmerin kann das Darlehen unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten ganz oder teilweise kündigen.
2. Die Darlehensgeberin ist berechtigt, das Darlehen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit der Wirkung sofortiger Fälligkeit ganz oder teilweise zu kündigen, wenn:
a) die Darlehensnehmerin vorsätzlich oder fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat, die für die Darlehensgewährung von Bedeutung waren,
b) die Darlehensnehmerin mit der Zahlung einer Zins- und Tilgungsrate ganz oder teilweise länger als zwei Monate in Verzug bleibt,
c) die Darlehensnehmerin eine sonstige Verpflichtung aus diesem Vertrag verletzt hat, es sei denn, dass die Verletzung auf Umständen beruht, die sie nicht zu vertreten hat,
d) über das Vermögen der Darlehensnehmerin ein Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgewiesen wird,
e) die Darlehensgeberin nicht mehr mehrheitlich am Gesellschaftsvermögen der Darlehensnehmerin beteiligt ist.
Weitere Kündigungsgründe bestehen nicht.
Zur Aufrechnung mit Gegenansprüchen, zur Zurückbehandlung der Zins- und Tilgungsleistungen und zur Abtretung von Ansprüchen aus dem Vertrag ist die Darlehensnehmerin nicht ohne vorherige Zustimmung der Darlehensgeberin berechtigt, § 6 DV 2014. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Vertrages Bezug genommen.
Die Klägerin beantragte die Genehmigung des Darlehens für einen OP-Erweiterung in der Neurochirurgie mit Schreiben vom 11. November 2013. Das BVA erteilte der Klägerin die Genehmigung zur Gewährung des Darlehens zu dem Zweck „Errichtung einer zentralen Sterilisation sowie die Parkraumbewirtschaftung“ gemäß den vereinbarten Konditionen nach § 83 Abs. 1 Nr. 7 SGB IV (Bescheid vom 29. Januar 2014). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte erklärt, dass der gemeinnützige Zweck auch bei der eigentlichen Darlehensnutzung „OP-Umbau“ gewahrt und das Darlehen auch diesbezüglich genehmigt worden wäre.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2014 griff das BVA die Frage des Buchungsstandortes der Darlehen an Beteiligungsgesellschaften auf. Es verwies auf den Stand der gewährten Darlehen zum Stichtag 31. Dezember 2013 (Kto. 0419 – ca. 25,9 Mio. €) und führte aus, dass die Klägerin als Krankenkasse zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit eine Rücklage zu bilden habe, § 261 SGB V. Diese sei getrennt von den übrigen Mitteln so anzulegen, dass sie für den in § 261 Abs. 1 SGB V genannten Zweck verfügbar seien. Darlehen seien nicht nur nach § 83 Abs. 1 SGB IV zu beurteilen, sondern insbesondere auch hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der Krankenkasse. Ein Darlehen widerspreche Sinn und Zweck der Rücklage, wenn es langfristig gewährt werde und über die Mittel nicht innerhalb des Haushaltsjahres verfügt werden könne. Sei dies der Fall, könnten die Darlehen nicht der Rücklage zugeordnet werden, sondern sie seien entsprechend als Verwaltungsvermögen umzubuchen.
Die Klägerin reagierte mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 und verwies darauf, dass die Umbuchung der Darlehen im Jahr 2012 sei auf der Basis der gesetzlichen Vorgaben des § 83 Abs. 1 SGB IV erfolgt sei. Die Darlehen seien aus der Rücklage für gemeinnützige Zwecke gewährt worden. Dies sei durch das BVA im Rahmen der jeweiligen Genehmigungen bestätigt worden (z.B. Bescheid des BVA vom 3. Juli 2012, Az. V 1 – 59022. 6-180/2000). Die Anlage der Rücklage entspreche den gesetzlich geregelten Liquiditätserfordernissen. Es bestünden keine ernsthaften Zweifel, dass ein Teil der Rücklage auch längerfristig gebunden werden dürfe. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO AG habe für die Jahresrechnung 2012 (§ 77 Abs. 1a Satz 5 SGB IV) einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Dadurch sei die grundsätzliche Zustimmung zum o.g. Sachverhalt (Umbuchung der Darlehen in die Rücklage) zum Ausdruck gebracht worden. Darüber hinaus sei die Umbuchung Gegenstand eines Gespräches mit Vertretern der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gewesen. Sie, die Klägerin, gewähre in der Regel denjenigen Beteiligungsgesellschaften Darlehen, an denen sie zu mindestens 50% beteiligt sei. Hierdurch bestehe ein ausreichendes Durchgriffsrecht auf die Entscheidungen dieser Gesellschaften. Folglich könne sie nach ihrer Rechtsauffassung die vertraglich eingeräumten Sonderkündigungsrechte der Darlehensnehmer für den Fall der Inanspruchnahme nach § 261 Abs. 3 SGB V ausüben. Zudem gebe es den Beschluss der Selbstverwaltung der Klägerin, die Darlehensvergaben auf max. 25% der Mindestrücklage zu begrenzen. Der Darlehensstand zum 31. September 2014 habe sich auf 25,338 Mio. € belaufen. Insofern folge die Zuordnung der Darlehensrücklage dem Wortlaut der Rechtsgrundlage (§ 83 SGB IV) und den Genehmigungen des BVA. Darlehensgewährungen aus der Rücklage widersprächen nicht dem in § 261 SGB V genannten Zweck.
Das BVA erwiderte mit Schreiben vom 18. Mai 2015: Anlass für ihr aufsichtsbehördliches Tätigwerden sei nicht die Gewährung von Darlehen an sich, sondern ihre Zuordnung zur Rücklage. Eine längerfristige Geldanlage der Rücklage zuzuordnen sei nur dann zulässig, wenn die Mittel innerhalb des Haushaltsjahres auch tatsächlich verflüssigt werden können. Anlagen, die für die Zwecke der Rücklage nicht zur Verfügung stünden, dürften nicht als Rücklage ausgewiesen werden. Hier komme nur eine Zuordnung zum Verwaltungsvermögen (§ 263 Abs. 2 SGB V) in Betracht. Eine allgemeine Zuordnungsregelung von Darlehen zur Rücklage enthalte § 83 SGB IV eben nicht. Unabhängig davon, dass die Verfahrensweise vom Wirtschaftsprüfer in der Vergangenheit nicht beanstandet worden sei, sei es erforderlich, für jedes gewährte Darlehen zu prüfen, ob die erforderliche Liquidierbarkeit vorliege, d.h. die Darlehensforderung uneingeschränkt abtretungsfähig sei. Nur in diesem Fall dürfe die Forderung der Rücklage zugeordnet werden. Andernfalls müsse sie dem Verwaltungsvermögen zugeordnet werden. Eingedenk dessen bat das BVA die Klägerin um Überprüfung der Zuordnung von Darlehensforderungen.
Mit „1. Nachtrag zum Darlehensvertrag vom 13. Januar 2014 zur Finanzierung der „Zentralen Sterilisation und Tiefgaragenstellplätze“ vom 17. August 2015 (Nachtrag DV) vereinbarten die Klägerin und die CKD gGmbH im Hinblick auf beschriebenen Konflikt wörtlich folgende Änderung des DV 2014, nämlich,
„den bestehenden Vertrag um ein Sonderkündigungsrecht der Darlehensgeberin zu ergänzen für den Fall, dass die Betriebsmittel der L erschöpft sind. Die Vertragsparteien kommen daher überein, den § 5 Abs. 2 entsprechend zu ergänzen. Der § 5 des Vertrages wird wie folgt geändert:
§ 5
Kündbarkeit des Darlehens
„1. Die Darlehensnehmerin kann das Darlehen unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten ganz oder teilweise kündigen.
2. Die Darlehensgeberin ist berechtigt, das Darlehen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit der Wirkung sofortiger Fälligkeit ganz oder teilweise zu kündigen, wenn:
a) die Darlehensnehmerin vorsätzlich oder fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat, die für die Darlehensgewährung von Bedeutung waren,
b) die Darlehensnehmerin mit der Zahlung einer Zins- und Tilgungsrate ganz oder teilweise länger als zwei Monate in Verzug bleibt,
c) die Darlehensnehmerin eine sonstige Verpflichtung aus diesem Vertrag verletzt hat, es sei denn, dass die Verletzung auf Umständen beruht, die sie nicht zu vertreten hat,
d) über das Vermögen der Darlehensnehmerin ein Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgewiesen wird,
e) die Darlehensgeberin nicht mehr mehrheitlich am Gesellschaftsvermögen der Darlehensnehmerin beteiligt ist,
f) die Betriebsmittel der knappschaftlichen Krankenversicherung der Darlehensgeberin nicht den Anforderungen des § 260 SGB V entsprechen.
Weitere Kündigungsgründe bestehen nicht […].“
Klägerin und beklagte Aufsichtsbehörde tauschten im Laufe des Jahres 2015 noch mehrfach ihre Rechtspositionen – auch im Hinblick auf die Bewertung des o.g. Nachtrages zum DV 2014 – aus; Einigung wurde nicht erzielt.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2016 führte das BVA eine sog. aufsichtsrechtliche Beratung der Klägerin nach § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV durch. Die Aufsichtsbehörde stellte darin die aus ihrer Sicht einschlägige Rechtslage dar, nahm Stellung zu den in dem vorangegangenen Diskurs aufgeworfenen Fragen und forderte abschließend die Klägerin auf, schriftlich zu bestätigen, dass die gewährten Darlehen an die Beteiligungsgesellschaften (Kto. 0419) in das Verwaltungsvermögen (Kto. 0741) innerhalb einer angemessenen Frist bis zum 19.Februar 2016 umgebucht würden. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Beratung Bezug genommen.
Die Klägerin teilte daraufhin mit (Schreiben vom 16. Februar 2016), dass die Rechtmäßigkeit der aufsichtsrechtlich geforderten Zuordnung der gewährten Darlehen in ihr Verwaltungsvermögen weiterhin in Abrede gestellt werde. Die geforderte Bestätigung der Umbuchung werde nicht erfolgen. So habe die Rücklage gerade nicht die Aufgabe, über das Haushaltsjahr hinweg die notwendigen Mittel zur Deckung der zu erwartenden Ausgaben bereit zu stellen; vielmehr seien die Beiträge so zu bemessen, dass aus den Betriebsmitteln die Deckung der Ausgaben möglich sei (§ 220 Abs. 1 SGB V). Sie sehe ihre Rechtsposition auch durch die „Empfehlungen für die Erstellung einer Anlagerichtlinie einer Krankenkasse“ des BVA vom 25. Februar 2014 (Punkt 5.2) gestützt, denn dort heiße es:
„Die Mittel der Rücklage können ggf. mittel- bis langfristig angelegt werden. Diese müssen bereit stehen, um im zeitlichen Verlauf absehbare Liquiditätsengpässe im Zahlungsverkehr vermeiden oder abwenden zu können. Die Anlage hat gem. den §§ 80 SGB IV zu erfolgen.“
Durch die klägerischen Mehrheitsbeteiligungen an den Gesellschaften, die die Darlehen erhielten, könne sie die eingeräumten Sondertilgungsrechte der Darlehensnehmer mit Hilfe des Durchgriffsrechts für den Fall der Inanspruchnahme des § 261 Abs. 3 SGB V ausüben. Soweit sich die Beklagte auf ein Schreiben berufe, wonach die sofortige Entziehung der auslaufenden Darlehen mit erheblichen Härten verbunden wäre, sei dies nicht zu verallgemeinern. Das dort in Rede stehende Darlehen sei stets auf ein Jahr befristet gewesen, da innerhalb dieses Zeitraumes die Veräußerung eines nicht mehr benötigten Grundstücks vorgesehen gewesen sei. Der Verkauf habe jedoch nicht binnen eines Jahres realisiert werden können. Ein Vergleich mit dem Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) führe zu keinem anderen Ergebnis. Während in § 172b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII ausdrücklich gemeinnützige Darlehen als Teil des Verwaltungsvermögens aufgeführt worden seien, fehle dies in §263 SGB V. Die Neuregelung folge „nur“ weitgehend dem § 263 SGB V, aber nicht vollständig.
Nachdem das BVA unter dem 2. März 2016 die Klägerin auch zu der Frage der Zuordnung der Beteiligungen zur Rücklage aufsichtsrechtlich beraten hatte, erließ sie unter dem 23. März 2016 einen Verpflichtungsbescheid, wonach die Klägerin gemäß §§ 89 Abs. 1 Satz 2, 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wie folgt verpflichtet wurde,
„die gewährten Darlehen an ihre Beteiligungsgesellschaften (Stichtag 31. Dezember 2014 => 33,6 Million €) von der Rücklage (Kto. 0419) in das Verwaltungsvermögen (Kto. 0741) umzubuchen. Die Bestätigung sowie die entsprechenden Buchungsbelege sind dem BVA bis zum 26. April 2016 vorzulegen.“
Den per Postzustellungsurkunde der Klägerin am 24. März 2016 zugestellte Bescheid begründete die Aufsichtsbehörde u.a. wie folgt: Die Vorgehensweise der Klägerin, die gewährten und im Bescheid einzeln bezeichneten Darlehen an Beteiligungsgesellschaften in der Rücklage (Kto. 0419) auszuweisen sei mit den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen unvereinbar und verletze geltendes Recht im Sinne von § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Nach § 261 SGB V (§ 365 Reichsversicherungsordnung [RVO] a.F.) habe die Krankenkasse zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit eine Rücklage zu bilden. Ausgehend von der Zweckbestimmung der Rücklage, die Liquidität und die Beitragssatzstabilität im laufenden Haushaltsjahr sicherzustellen, könne eine längerfristige Anlage grundsätzlich nicht erfolgen; die Anlagepolitik habe sich im Wesentlichen im kurzfristigen Bereich zu orientieren. Die Kassen würden daher in der Praxis primär ihre Rücklage im Bereich der kurzfristigen Geldanlagen (Kontengruppe 01), also mit einer Kündigungsfrist bzw. Laufzeit bis zu einem Jahr, anlegen. Hier dürften insbesondere Terminanlagen, Spareinlagen, Fondsanlagen kurzfristige Wertpapiere bzw. Wertpapiere mit kurzer Restlaufzeit von Bedeutung sein. Dies bestätige auch die Gesetzesbegründung zu § 365 Abs. 6 RVO (Verweis auf Begründung zum Gesetz über die Verwaltung der Mittel der Träger der Krankenversicherung [KVMG] vom 15. Dezember 1979, Bundestags-Drucksache [BT-Drs.] 8/3126, Seite 12). Die nunmehr in Rede stehenden Darlehen für gemeinnützige Zwecke seien im Katalog der zulässigen Anlageformen (§ 83 Abs. 1 Nr. 7 SGB IV) enthalten. Sie hätten einen langfristigen Charakter und dienten insbesondere der Finanzierung von Baumaßnahmen an Krankenhäusern der Klägerin. Da es sich vorliegend nicht um Mittel der Rücklage handele, sei der von Seiten der Klägerin erwähnte Verweis auf die „Empfehlungen für die Erstellung einer Anlagerichtlinie einer Krankenkasse“ des BVA vom 25. Februar 2014 (Punkt 5.2) nicht zielführend. Diese unterstrichen gerade, dass die gesetzlichen Liquiditätserfordernisse auch bei mittel- und langfristigen Anlagen zwingend zu beachten seien.
Den o.g. Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 8/3126, Seite 13) sei ferner zu entnehmen, dass auch sonstige langfristige Anlagen als Verwaltungsvermögen (§ 263 SGB V/ § 367 RVO a.F.) gelten würden. Beispielhaft seien Beteiligungen an gemeinsamen Einrichtungen genannt. Die (damaligen) Spitzenverbände der Krankenkassen u.a. hätten im Rahmen eines Gemeinsamen Rundschreibens vom 20. Dezember 1979 die vermögensrechtlichen Auswirkungen des KVMG zum Umfang des Verwaltungsvermögens folgendes dargestellt:
„Als Verwaltungsvermögen nach § 367 Abs. 2 RVO […] gelten z.B. Familienheimdarlehen an Bedienstete in Form von Beteiligungen an gemeinsamen Einrichtungen. Bei einer Beteiligung an gemeinsamen Einrichtungen sowie bei Darlehen für gemeinnützige Zwecke sind die Vorschriften der §§ 30, 80 und 85 SGB IV sowie des § 25 SVHV zu beachten; Voraussetzung sei, dass die Beteiligung der Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben der Krankenkassen dient. Eine Zuordnung dieser Vermögensteile zu den Betriebsmitteln oder der Rücklage sei in der Praxis im Hinblick auf die lange Laufzeit solcher Anlagen kaum denkbar.“
Die z.B. an Krankenhaus-Beteiligungsgesellschaften gewährten Darlehen sollten die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der eigenen Einrichtungen sichern (u.a. langfristige Finanzierung von Baumaßnahmen), die gesellschaftsrechtlich im Eigentum der Klägerin stünden und vermögensrechtlich in der Bilanz des Trägers ausgewiesen würden. Folglich werde durch die gewährten Darlehen an die eigenen Einrichtungen deren Fortbestand gesichert.
Der bilanzielle Ausweis der gewährten Darlehen für gemeinnützige Zwecke in der Rücklage verstoße auch gegen die Bestimmungen des Kontenrahmens für die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift über das Rechnungswesen in der Sozialversicherung (SRVwV) seien für die Buchungen im Sachbuch die Bestimmungen des Kontenrahmens für die GKV zugrunde zu legen. Diese untergesetzliche Norm bestimme, dass Darlehen, welche die Krankenkasse in Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben gewähre, dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen seien (Kto. 0741). Stattdessen habe die Klägerin seit 2012 die Darlehen für gemeinnützige Zwecke unter Kto. 0419 verbucht. Demnach seien auch nach den vorgenannten Bestimmungen zum Kontenrahmen die Darlehen für gemeinnützige Zwecke dem Verwaltungsvermögen (Kto. 0741) zuzuordnen.
Auch der Vergleich mit dem novellierten Vermögensrecht in der gesetzlichen Unfallversicherung ergebe, dass der bilanzielle Ausweis der gewährten Darlehen in der Rücklage nicht zulässig sei. Das BVA habe eine einheitliche Verfahrensweise in der Sozialversicherung für gleich gelagerte Sachverhalte sicherzustellen. Es sei insofern auf das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung vom 30. Oktober 2008 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drs. 16/9154, Seite 9, 30) hinzuweisen. Danach umfasse das Verwaltungsvermögen auch die gemeinnützigen Darlehen (§ 172b Abs. 1 Nr. 2 SGB VII [hier insbesondere die Darlehen von Berufsgenossenschaften an ihre BG-Unfallkliniken]). Nach der Zielsetzung des Gesetzgebers solle dadurch die Darstellung der Vermögenstatbestände transparenter und mit den anderen Sozialversicherungszweigen (§ 263 SGB V) besser vergleichbar werden (BT-Drs. a.a.O., Seite 32).
Soweit die Klägerin ausführe, die gewährten Mittel aus den Darlehensverträgen könnten durch eine Sonderkündigungsklausel unverzüglich von den Beteiligungsgesellschaften angefordert und zur Stellung der Betriebsmittel herangezogen werden, sei bereits darauf verwiesen worden (Schreiben vom 6. November 2015), dass die sofortige Einziehung des auslaufenden Darlehens u.a. für die M GmbH mit erheblichen Härten verbunden wäre (Folge: Stundungsvereinbarung). Die Klägerin habe dort die gewährten Mittel nicht zurückerhalten. Das im Raum stehende Sonderkündigungsrecht sei rechtlich zudem unzulässig und damit im Rahmen der parallel beantragten Darlehensprolongationen nicht genehmigungsfähig. Der Regelungsentwurf verstoße gegen § 490 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der das außerordentliche Kündigungsrecht des Darlehensgebers regele. Danach sei eine außerordentliche Kündigung nur zulässig, wenn in den Vermögensverhältnissen der Darlehensnehmerin eine wesentliche Verschlechterung eintrete. Eine wesentliche Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen der Darlehensgeberin berechtige nicht zur außerordentlichen Kündigung.
Es sei auch nicht zutreffend, dass der Klägerin mangels eindeutiger Gesetzeslage ein Beurteilungsspielraum zustehe. Eine Einschätzungsprärogative des Versicherungsträgers bestehe vor allem dann, wenn die betreffenden Rechtsnormen unbestimmte Rechtsbegriffe enthielten. Im vorliegenden Fall sei die Zuordnung von Vermögensanlagen zur Rücklage in § 261 SGB V geregelt. § 261 SGB V sei gegenüber § 83 SGB IV die vorrangige Spezialregelung.
Im Anschluss erläuterte die Aufsichtsbehörde ihre Ermessenserwägungen. Die Umbuchung der gemeinnützigen Darlehen von Vermögensmassen in die Rücklage habe zu einer entsprechenden Erhöhung dieser Vermögensmasse geführt (31. Dezember 2014 ca. 33,6 Millionen €). In der Öffentlichkeit stelle die Klägerin sich so dar, als ob sie über ein entsprechend höheres Rücklagevermögen verfügen und dieses z.B. auch kurzfristig für Einnahme- und Ausgabeschwankungen zur Verfügung stehe (§ 261 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Dies sei indes nicht der Fall und vermittle ein nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögenssituation der Klägerin (§ 77 Abs. 1a Satz 1 SGB IV). Ferner sei eine Vergleichbarkeit mit den Jahresabschlüssen anderer gesetzlicher Krankenkassen nicht mehr gegeben, wenn die Klägerin ihre gemeinnützigen Darlehen nicht mehr dem Verwaltungsvermögen, sondern der Rücklage zuordne. Es lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass auch nur eine einzige andere bundesunmittelbare Krankenkasse ebenfalls ihre gewährten gemeinnützigen Darlehen in die Rücklage gebucht habe. Der vorliegende Verpflichtungsbescheid sei auch aufgrund der Verweigerungshaltung die geforderte Umbuchung vorzunehmen und eine entsprechende Erklärung abzugeben verhältnismäßig. Ein milderes Mittel zur Behebung des rechtswidrigen Zustandes als die vorliegende Aufsichtsverfügung sei nicht ersichtlich. Es sei auch geeignet, erforderlich und angemessen, um der durch die Rechtsverletzung eingetretenen Situation zu begegnen. Auf die weiteren Erwägungen im Bescheid wird Bezug genommen.
Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 21. April 2016 zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) erhobenen Klage gewandt. Sie führe gemäß § 167 SGB V die Krankenversorgung u.a. als Trägerin von Eigeneinrichtungen nach § 140 SGB V durch. Diese seien den medizinischen Erfordernissen in den letzten Jahren anzupassen gewesen (§ 140 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Dazu seien Umbauarbeiten und weitere Investitionen erforderlich gewesen. Die aufgelisteten Darlehen seien von dem Beklagten genehmigt worden. Sie seien aus der Rücklage finanziert worden, was gleichfalls genehmigt worden sei. Seit dem Jahr 2014 verbuche sie die Beteiligungen an ihren Gesellschaften und seit 2012 – im Bereich GKV – die an diese gewährten Darlehen in der Rücklage (Kontengruppe 04) unter Bezug auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 SGB IV. Die Beklagte gehe zu Unrecht von der Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens aus. Gemäß § 261 SGB V müsse sie eine Rücklage zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit bilden. Um Rücklagen in ausreichender Höhe vorzuhalten, bestimme § 261 Abs. 2 Satz 2 SGB V, dass die Rücklage mindestens ¼ einer Monatsausgabe (MA) tragen müsse. Sie halte sich daran, wie sich aus der nachfolgenden tabellarischen Übersicht ergebe:
Jahr |
Rücklagesoll |
Rücklage 31.12 |
Rücklage in % einer MA |
davon Darlehn |
%-Anteil der Darlehn an Rücklage |
%-Anteil an der MA |
2011 |
131,85 Mio. |
131,85 |
25 |
0 |
0 |
|
2012 |
134,28 Mio. |
134,28 |
25 |
27,46 Mio. |
20,46% |
20,46% |
2013 |
137,69 Mio. |
137,69 |
25 |
25,09 Mio. |
18,22% |
18,22% |
2014 |
140,81 Mio. |
318,11 |
56,4 |
33,61 Mio. |
10,57% |
23,87% |
2015 |
148,50 Mio. |
311,98 |
52,5 |
27,49 Mio. |
8,81% |
18,51% |
Sie habe im Jahr 2011 Teile der Rücklagen wegen erheblicher Schwankungen der Betriebsmittel in Anspruch genommen. Die liquiden Bestandteile der Rücklage, die bis zum Jahr 2013 zur Erreichung des Rücklagesolls gedient hätten, seien ab 2014 den Betriebsmitteln zugeführt worden. Auch aktuell – so die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung – seien die Darlehen weiterhin in der Rücklage gebucht. Die Beklagte verlange nun die Umbuchung, was eine Reduktion der Rücklage zur Folge habe. Werde bedacht, dass die im Parallelrechtsstreit streitgegenständlichen Beteiligungen ebenfalls zurückgebucht werden müssten, würde das Rücklagesoll gemäß § 261 Abs. 2 SGB V künftig nicht mehr erfüllt. Sie – die Klägerin – müsste, um die Rücklage binnen der gesetzlichen Vierjahresfrist wieder aufzufüllen, gegebenenfalls den Zusatzbeitrag um 0,2 bis 0,4% erhöhen. Dies hätte bei dem Versicherten eine Mehrbelastung zur Folge, ohne dass die Leistungsseite davon profitiere.
Die beklagte Aufsichtsbehörde habe sie mit Schreiben vom 22. Januar 2016 nicht ausreichend beraten. Dort werde bereits nicht aufgezeigt, weshalb sämtliche der im Verpflichtungsbescheid aufgelisteten Darlehen für die Rücklage ungeeignet seien. Auch die Beklagte habe in früheren Schriftwechseln die Aufnahme von Darlehensforderungen in die Rücklage durchaus für möglich erachtet, vorausgesetzt die Mittel seien kurzfristig verfügbar. Die Aufsichtsbehörde führe selbst in ihrem Prüfbericht nach § 274 SGB V vom 17. März 2016 aus, dass sie – die Klägerin – große Bestände ihres Vermögens in „sehr kurzfristigen Termingeldern mit einer Laufzeit von bis zu einem Monat“ anlege, und beanstandet, dass trotz ansteigender Geldanlagebestände kaum längerfristige Anlagen getätigt worden seien. Dann sei es widersprüchlich, sie – die Klägerin – gleichzeitig zu verpflichten, werthaltige Darlehen aus der Rücklage herauszunehmen und in das Verwaltungsvermögen umzubuchen. Der Verpflichtungsbescheid enthalte im Tenor eine Frist. Eine solche Frist sei nicht Gegenstand des Beratungsschreibens gewesen.
Es liege auch keine Rechtsverletzung im Sinne des § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vor. Das Recht werde nur dann verletzt, wenn ihre, der Klägerin, verantwortlichen Entscheidungsträger zwingende gesetzliche Vorgaben außer Acht ließen. Das Rücklagesoll gemäß § 261 Abs. 2 SGB V belaufe sich hier auf einen Betrag von rund 143,5 Mio. €. Das Gesetz bestimme in § 261 Abs. 6 SGB V hingegen nicht, was es bedeute, die Rücklage so anzulegen, dass sie für den nach Abs. 1 genannten Zweck verfügbar sei. Der Wortlaut stelle insofern keine Anforderungen an die Liquidität. In § 261 Abs. 1 SGB V sei von Leistungsfähigkeit die Rede. Die Leistungsfähigkeit sei seitens des BSG (Urteil vom 17. Juli 1985 – 1 RR 8/84) als finanzielle Fähigkeit einer Krankenkasse bezeichnet worden, entsprechende Regel- und Mehrleistungen vergleichbarer Kassen zu gewähren. Diese Definition passe spätestens seit Einführung des einheitlichen Beitragssatzes und des Gesundheitsfonds nicht mehr.
Weder § 261 SGB V noch § 83 SGB IV verlangten, dass Darlehen für gemeinnützige Zwecke kurzfristig verfügbar sein müssten. Das Gesetz erlaube die Anlage der Rücklage in Darlehen für gemeinnützige Zwecke, § 83 Abs. 1 Nr. 7 SGB IV. Soweit die Beklagte das Verständnis aus § 261 SGB V herauslese, dass jede Krankenkasse ihre Rücklage derart nutzen können müsse, dass sie unterjährig vollständig zur Verfügung stehe, um Schwankungen auszugleichen, sei dies offensichtlich unzutreffend. Sie habe in dem Verwaltungsvermögen entsprechend langfristige Einrichtungen aufgelistet, so wie es § 263 SGB V gebiete. Aus dieser Norm und dem Sinn und Zweck des Verwaltungsvermögens könne nicht im Umkehrschluss entnommen werden, dass § 83 Abs. 1 Nr. 7 SGB IV entgegen seinem Wortlaut restriktiv verstanden werden müsse. Richtig sei, dass die Darlehen auch im Verwaltungsvermögen hätten verbucht werden können. Dies schließe ihre Buchung in die Rücklage aber nicht aus.
Der Beklagten sei auch nicht darin beizutreten, dass das Sonderkündigungsrecht gemäß § 490 BGB nicht zulässig sei. § 490 Abs. 1 BGB regele ein außerordentliches Kündigungsrecht des Darlehensgebers. Diese Vorschrift schränke nicht das Recht der Parteien ein, im Darlehensvertrag Kündigungsgründe/-rechte zu vereinbaren. Das ergebe schon der systematische Zusammenhang der §§ 488 und 490 BGB. § 488 Abs. 3 BGB überlasse es den Vertragsparteien, Kündigungsgründe/-fristen zu vereinbaren.
Die Darlehen seien abtretbar. Die Beklagte habe selbst zunächst darauf abgestellt, dass die Darlehen einen langfristigen Charakter hätten und dass ein Sonderkündigungsrecht vorliegen müsse. Nachdem die Sonderkündigungsbefugnisse vertraglich festgelegt worden seien, habe die Beklagte im genannten Schreiben vom 16. November 2015 auf § 307 BGB verwiesen. Danach sei das vereinbarte Sonderkündigungsrecht unzulässig, da damit missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten der Vertragspartner durchgesetzt würden. Diese Überlegung überzeuge schon deshalb nicht, da die Rücklage darauf abziele, unterjährige Schwankungen auszugleichen, welche die sofortige Erhöhung des Zusatzbeitrages zur Folge haben könnten. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihre Argumentation aus dem Verwaltungsverfahren.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2016 hinsichtlich des Darlehens zu Buchstabe a 1. Spiegelstrich aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertieft ihre Argumentation aus dem Verpflichtungsbescheid. Ergänzend trägt sie vor: Die Umbuchungsentscheidung im Jahr 2012 habe aus ihrer Sicht keinen rechtlichen, sondern einen wirtschaftlichen Hintergrund. Dem Bericht über die Prüfung der Jahresrechnung der Klägerin für das Geschäftsjahr 2012 (Bereich Krankenversicherung) sei zu entnehmen, dass diese zum Stichtag 31. Dezember 2012 nicht über die gesetzlich geforderte Mindestrücklage in Höhe von ca. 134,28 Mio. € (25%) verfügt habe. Erst durch die Umbuchung der gemeinnützigen Darlehen von Kto. 0741 (Verwaltungsvermögen) auf Kto. 0419 (Rücklage) in Höhe von ca. 27,46 Mio. € habe die Klägerin die gesetzliche Vorgabe erfüllt. Die Betriebsmittel zum Stichtag 31. Dezember 2012 hätten ca. 10,9 Million € betragen. Eine analoge Vorgehensweise der Klägerin sei zum Stichtag 31. Dezember 2014 mit der Beteiligung an gemeinnützigen Einrichtungen erfolgt.
Im Übrigen genüge das Beratungsschreiben den Anforderungen an eine aufsichtsrechtliche Beratung im Sinne des § 89 Abs. 1 SGB IV. Sie habe in diesem Schreiben die individuellen und speziellen Verhältnisse der Klägerin berücksichtigt und entsprechend begründet darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen die Klägerin durch ihr Handeln das Recht verletzt habe. Überdies habe sie dargelegt, durch welche möglichen Maßnahmen die Klägerin die vorliegende Rechtsverletzung beheben könne.
Die Klägerin lasse unbeachtet, dass gemäß § 83 Abs. 1 HS 1 SGB IV die Besonderheiten der jeweiligen Zweige der Sozialversicherung vorrangig zu beachten seien (z.B. §§ 259 bis 263 SGB V, § 217 SGB VI, §§ 172 bis 172c SGB VII), mithin hier die §§ 261, 263 SGB V. Für die rechtliche Bewertung sei unerheblich, ob die Darlehen für gemeinnützige Zwecke kurz-, mittel- oder langfristig gewährt wurden oder verfügbar seien. Aufgrund der vorrangigen gesetzlichen Regelungen der §§ 261, 263 SGB V seien die Darlehen daher dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen. Zudem laufe das Sonderkündigungsrecht ins Leere, da die Eigeneinrichtungen ohnehin nicht in der Lage seien, die auslaufenden Darlehen an die Klägerin zurückzuzahlen, da dies eine erhebliche Härte bedeute.
Sie – die beklagte Aufsichtsbehörde – habe sich im Hinblick auf den Prüfbericht nach § 274 SGB V auch nicht widersprüchlich verhalten. Dort habe sie eine von der Aufsichtstätigkeit zu unterscheidende, eigenständige Prüfung durchgeführt, die nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie weiterführende Überlegungen fördern sowie Orientierungs- und Entscheidungshilfe geben solle.
Die gesetzte Frist im Verpflichtungsbescheid sei zudem ausreichend und geeignet gewesen, um die geforderten Umbuchungen vorzunehmen. Aus ihrer Sicht sei nicht nachvollziehbar, weshalb unterjährige Umbuchungen von der Rücklage in das Verwaltungsvermögen nicht möglich seien. Vermeintliche wirtschaftliche Auswirkungen bei der Klägerin seien in diesem Zusammenhang unerheblich, da der rechtskonforme Zustand wiederherzustellen sei.
Es sei auch nicht nachvollziehbar, woraus die Klägerin ein Wahlrecht bei der Zuordnung zur Rücklage oder dem Verwaltungsvermögen ableite. § 172b SGB VII könne zur Interpretation des § 83 SGB IV herangezogen werden. Inwieweit der Verpflichtungsbescheid unverhältnismäßig sei, sei nicht nachvollziehbar. Soweit sich die Klägerin nunmehr auf die Genehmigung der Satzungsänderung mit dem Ergebnis der Senkung des Zusatzbeitrages von 1,3% auf 1,1% berufe, sei Hintergrund der erteilten Genehmigung, dass zu diesem Zeitpunkt die Klägerin auch ohne Berücksichtigung der in unzulässiger Weise in der Rücklage gebuchten Darlehen und Beteiligungen über ausreichende Finanzreserven nach § 261 SGB V verfügt habe. Soweit die Klägerin anführe, dass die Genehmigung zu einer Darlehnsprolongation erteilt worden sei, sei anzumerken, dass nur ein Bescheid erlassen wurde, in welchem zwei verschiedene Darlehen genehmigt wurden.
Der Senat hat u.a. die im Streitzeitraum geltende Satzung der Klägerin, ihre Jahresabrechnungen für 2011/12, einschließlich des Berichts über die Jahresrechnung für das Geschäftsjahr 2012 und des Prüfberichts nach § 274 SGB V vom 17. März 2016, die Darlehensverträge mit der CKD gGmbH und deren Genehmigungen sowie den Gesellschaftsvertrag der CKD gGmbH beigezogen.
Der Senat hat sodann u.a. die Verfügung betreffend das vorliegend streitbefangene Darlehen abgetrennt (Beschluss vom 11. Januar 2021). Das ursprüngliche Verfahren L 11 KR 630/17 KL ruht (Beschluss vom 11. Juni 2021) ebenso wie das zweite abgetrennte Verfahren hinsichtlich der aufsichtsrechtlichen Verfügung für die Verbuchung des weiteren Darlehens an die CKD gGmbH in Höhe von 9,2 Mio. € (L 11 KR 34/21 KL, Beschluss vom 24. März 2021). Die diesbezüglich beantragte und abgelehnte Darlehensverlängerung ist durch den Senat gleichfalls zum Ruhen gebracht worden (L 11 KR 632/17 KL, Beschluss vom 19. Februar 2020). Der Senat hat die Verfahren L 11 KR 630/17 KL, L 11 KR 632/17 KL, L 11 KR 34/21 KL und L 5 KR 308/21 KL (jeweils LSG NRW) zum Verfahren beigezogen.
Auf ergänzende Nachfrage des Senats hat die Klägerin ausgeführt, dass kein ausdrücklicher Beschluss existiere, wonach Darlehnsvergaben auf max. 25% der Mindestrücklage zu begrenzen seien. Es handele sich um eine Begrenzung, die verwaltungsintern vereinbart worden sei.
Nach vorheriger Anhörung hat der Senat den Beteiligten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen (Beschluss vom 9. März 2022). Die Beklagte hat von dieser Gestattung Gebrauch gemacht.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Beteiligten befragt. Die Beklagte hat erklärt, dass der Bescheid vom 23. März 2016 dahingehend zu verstehen sei, dass die Umbuchungsverfügung mit Wirkung für die Zukunft gemeint sei. Mit dem Begriff der Buchungsbelege in Satz 2 des Bescheides sei die Vorlage von entsprechend aussagekräftigen Sachbuchauszügen gemeint gewesen. Die Klägerin hat erläutert, dass die reine Umbuchung als solche unproblematisch sei. Dabei handele es sich um einen täglichen Vorgang. Es werde ein Buchungsbeleg erstellt, d.h. die Anordnung an die Buchhaltung, einen bestimmten Vorgang vorzunehmen. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten sowie der beigezogenen Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
A. Die Anträge im Klageverfahren sind wirksam im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellt. Soweit die Beteiligten nicht persönlich im Gerichtssaal vertreten gewesen sind, sondern von ihren Behördensitz aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen haben, war dies gemäß § 110a Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 9. März 2022 zulässig.
B. Streitgegenständlich ist nach Abtrennung durch den Senat der Bescheid vom 23. März 2016, soweit er die durch die beklagte Aufsichtsbehörde ausgesprochene Verpflichtung der Klägerin betrifft, das Darlehen an ihre Beteiligungsgesellschaft, die CKD gGmbH, in Höhe von 1.633.903,28 Mio. € gemäß Darlehnsvertrag vom 13. Januar 2014 und Nachtrag vom 17. August 2015 (Buchstabe a 1. Spiegelstrich des Bescheides vom 23. März 2016) von der Rücklage (Kto. 0419) in das Verwaltungsvermögen (Kto. 0741) umzubuchen und die Bestätigung sowie die entsprechenden Umbuchungsbelege der Beklagten bis zum 26. April 2016 vorzulegen.
Hinsichtlich der Abtrennbarkeit der sich auf die jeweils gewährten Darlehen beziehenden Verfügung der Beklagten bestehen keine Bedenken. Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt sich vorliegend nicht allein eine auf sämtliche Darlehen bezogene abstrakte Rechtsfrage, sondern sind die jeweiligen Darlehen insbesondere im Hinblick auf die Frage ihrer jeweiligen Liquidierbarkeit im Rahmen von Einzelbetrachtungen zu bewerten. Auch ist nicht erkennbar, dass die Beklagte in ihren Ermessenserwägungen eine Gesamtabwägung vorgenommen hat, die gegen eine Teilbarkeit sprechen könnte. Dass hingegen aus Sicht der Beklagten sämtliche Darlehen umzubuchen sind, spricht gerade nicht gegen eine Trennung des Streitstoffes.
Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist demgegenüber die im Verfahren L 5 KR 308/21 KL streitige Frage der anteiligen Heranziehung von Finanzreserven der Krankenkasse gemäß § 272 SGB V. Streitbefangen ist dort der Bescheid des BAS vom 26. März 2021, wonach die Klägerin verpflichtet worden ist, Finanzreserven i.H.v. 186.909.555,25 € den Einnahmen des Gesundheitsfonds zuzuführen, wobei dieser Betrag mit den nach § 16 Abs. 5 der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung auszuzahlenden Zuweisungen im Zeitraum von April bis Dezember 2021 in monatlich gleichen Teilbeträgen verrechnet wurde. Demgemäß werden gemäß § 272 Abs. 1 Satz 1 SGB V den Einnahmen des Gesundheitsfonds nach § 271 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Jahr 2021 Mittel aus den Finanzreserven der Krankenkassen nach § 260 Abs. 2 Satz 1 zugeführt, indem 66,1 % der Finanzreserven nach § 260 Abs. 2 Satz 1 SGB V jeder Krankenkasse, die zwei Fünftel des durchschnittlich auf einen Monat entfallenden Betrags der Ausgaben für die in § 260 Abs. 1 Nr. 1 genannten Zwecke überschreiten, herangezogen werden. Maßgebende Berechnungsgrundlage sind dabei die von den Krankenkassen für das erste Halbjahr 2020 nach Abschluss des zweiten Quartals 2020 vorgelegten vierteljährlichen Rechnungsergebnisse, die der GKV-Spitzenverband dem Bundesministerium für Gesundheit am 14. August 2020 übermittelt hat, § 272 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
Der o.g. Bescheid ist im vorliegenden Klageverfahren nicht streitbefangen. Er ändert oder ersetzt auch nicht den hier streitigen Bescheid vom 23. März 2016 i.S.d. § 96 SGG. Stattdessen handelt es sich um eine Konsequenz der durch die Klägerin getroffenen und vorliegend teilweise zu überprüfenden Entscheidung, bestimmte Positionen in der Rücklage zu verbuchen. Ob diese Folgewirkung rechtmäßig ist, ist letztlich im Verfahren L 5 KR 308/21 KL zu beurteilen.
C. Die Klage, für die das LSG erstinstanzlich zuständig ist (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG), ist zulässig.
I. Bezüglich der statthaften Klageart kann der Senat offenlassen, ob die Anfechtung des Verpflichtungsbescheids, bei dem es sich um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) handelt, im Rahmen der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG oder der Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG erfolgt. Die Aufsichtsklage ist eine besondere Form der Anfechtungsklage, soweit sie – wie hier – auf Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde gerichtet ist (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 A 2/20 R – BSGE 132, 114, Rn. 14). Danach kann eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, dass die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreitet (vgl. zur Praxis des BSG: Söhngen in: jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 54 Rn. 61ff.; Hessisches LSG, Urteil vom 15. Mai 2014 – L 1 KR 56/13 KL – juris).
II. Die Aufsichtsanordnung hat sich nicht durch Zeitablauf (dazu 1.) oder "auf andere Weise" (dazu 2.) erledigt. Nach § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
1. Angesicht der obigen Auslegung der im Verwaltungsakt getroffenen Verfügung, wonach die Klägerin zu einer unterjährigen Umbuchung des Darlehens von der Rücklage (Kto. 0419) in das Verwaltungsvermögen (Kto. 0741) zum nächstmöglichen künftigen Zeitpunkt verpflichtet werden sollte, gilt die Anordnung bereits ihrem Wortlaut nach als unbefristet. Lediglich die Vorlage der Buchungsbelege wurde unter eine Frist bis zum 26. April 2016 gestellt. Diese Frist dient jedoch ersichtlich – neben der Beschleunigung des Verfahrens – auch der Klarstellung, bis zu welchem Zeitpunkt die Klägerin (noch) nicht mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen muss. Die Klägerin ist trotz Fristablaufs weiterhin verpflichtet, der Anordnung nachzukommen (BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019 – B 1 A 1/19 R – BSGE 129, 135, Rn. 14f.).
2. Die aufsichtsbehördliche Anordnung hat sich auch nicht auf andere Weise erledigt. Von einer Erledigung "auf andere Weise" ist auszugehen, wenn der Verwaltungsakt nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu entfalten oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist. Die Aufsichtsanordnung verpflichtet die Klägerin als Adressatin unverändert zu einer bestimmten Handlung („Umbuchung und Nachweis“). Bei einer solchen Handlungspflicht tritt regelmäßig keine Erledigung ein, solange der Adressat dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist (BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019 – a.a.O., Rn. 16). Dass der Zweck der Aufsichtsanordnung anderweitig erreicht worden wäre, ist nicht erkennbar. Stattdessen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie mit Blick auf die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage weiterhin an ihrer Rechtsansicht und damit auch aktuell an der Verbuchung des Darlehens in der Rücklage (Kto. 0419) festgehalten habe.
III. Die als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung ausgestattete Klägerin konnte die Klage zulässigerweise erheben, weil sie schlüssig dargelegt hat, die beklagte Aufsichtsbehörde habe mit ihrer Anordnung das Aufsichtsrecht überschritten. Die Klagefrist einer Anfechtungsklage ist ebenfalls gewahrt. Der vorherigen Durchführung eines Vorverfahrens bedarf es nicht (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG).
D. Die Klage ist unbegründet, denn der Bescheid des Beklagten erweist sich nicht als rechtswidrig und verletzt die Klägerin mithin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
I. Ermächtigungsgrundlage des Bescheides ist § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Wird durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt, soll die Aufsichtsbehörde nach § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zunächst beratend darauf hinwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt. Kommt der Versicherungsträger dem innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben.
II. Das BVA war für den Erlass der Aufsichtsverfügung zuständig.
1. Die Zuständigkeit des BVA (jetzt: BAS) für den Erlass der Aufsichtsverfügung gegenüber der Klägerin als einem bundesunmittelbaren Versicherungsträger (vgl. Engelhard in jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. 2021, § 90 Rn. 32) ergibt sich aus § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV.
2. Diese Zuständigkeitsnorm schließt die hier zu beurteilende anlassbezogene Aufsichtsverfügung ein. Sie beschränkt sich nicht etwa auf die gemäß § 274 Abs. 1 Satz 1 SGB V mindestens alle fünf Jahre durch das BAS vorzunehmenden Prüfungen der Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung der seiner Aufsicht unterstehenden Krankenkassen und deren Arbeitsgemeinschaften zu prüfen. Sowohl der Wortlaut („mindestens“) wie auch das geltende Opportunitätsprinzip zeigen, dass dadurch die Prüfung einzelner Vorgänge außerhalb turnusmäßig stattfindender Geschäftsprüfungen nicht ausgeschlossen werden sollen.
III. Die Aufsichtsverfügung ist materiell rechtmäßig. Die Buchung des durch Darlehensvertrag vom 13. Januar 2014 i.V.m. dem Nachtrag vom 17. August 2015 gewährten Darlehen an die CKD gGmbH in die Rücklage (Kto. 0419) statt in das Verwaltungsvermögen (Kto. 0741), eine Handlung im Sinne von § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, stellt eine Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung dar (1.). Diese hat die Klägerin trotz Beratung (2.) nicht innerhalb angemessener Frist behoben (3.). Das BVA darf daraufhin berechtigt, die Klägerin zur Behebung der Rechtsverletzung zu verpflichten (4.) und hat dies ermessensfehlerfrei getan (5.).
1. Die Regelungen über die zutreffende Buchung des von der Klägerin gewährten Darlehens gehören zu den Rechtsvorschriften, deren Verletzung die Aufsichtsbehörde beanstanden kann [a)]. Ausgehend vom hier maßgeblichen Begriff der „Rücklage“ [b)] stellt es eine Rechtsverletzung dar, das hier streitbefangene Darlehen in die Rücklage (Kto. 0419) zu buchen [c)].
a) Der Begriff „Recht“ im Sinne des § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV erschließt sich aus § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Danach erstreckt sich die Aufsicht auf die Beachtung „von Gesetz und sonstigem Recht, das für den Versicherungsträger maßgebend ist“. Eine „Rechtsverletzung“ liegt folglich dann vor, wenn der Versicherungsträger gegen zwingende Vorschriften in den für ihn maßgeblichen Gesetzen oder sonstigem Recht verstoßen hat. Maßgebend für die Beurteilung des Anspruchs auf Aufhebung der Verpflichtungsanordnung ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, wenn sich – wie hier – die Anordnung nicht durch Zeitablauf oder auf andere Art und Weise erledigt hat (BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019 – B 1 A 3/19 R – a.a.O. – Rn. 9).
aa) Zu den vom Versicherungsträger zu beachtenden Rechtsvorschriften, deren Verletzung die Aufsichtsbehörde prüfen kann, gehört auch die Geschäfts- und Rechnungsführung (§ 88 Abs. 1 SGB IV). Der Begriff der Geschäftsführung umfasst dabei die laufenden Verwaltungsgeschäfte (§ 36 Abs. 1 SGB IV). Gegenstand der Prüfung ist mithin maßgeblich die Durchführung der dem Versicherungsträger nach dem Sozialgesetzbuch obliegenden Aufgaben, in erster Linie also das mit der Aufbringung, der Verwendung und Anlage der Mittel zusammenhängender Verwaltungshandeln (Engelhard/Bockholdt in: jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. 2021, § 88 Rn. 24). Zur Rechnungsführung gehört auch die Jahresrechnung (Engelhard/Bockholdt, a.a.O., Rn. 31 m.w.N.).
bb) Rechtsgrundlage der Jahresrechnung einer Krankenkasse (KK) ist § 77 SGB IV (hier in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Versorgungsstrukturgesetz [GKV-VStG] vom 22. Dezember 2011, BGBl I 2983 m.W.v. 1. Januar 2012). Die Versicherungsträger schließen für jedes Kalenderjahr zur Rechnungslegung die Rechnungsbücher ab und stellen auf der Grundlage der Rechnungslegung eine Jahresrechnung auf (§ 77 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Die Jahresrechnung einer KK hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der KK zu vermitteln (§ 77 Abs. 1a Satz 1 SGB IV). Das Gesetz bestimmt hierfür in Anlehnung an das Handelsrecht (vgl. § 252 Handelsgesetzbuch [HGB]) die Grundsätze, die bei der Bewertung der in der Jahresrechnung ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten zu beachten sind (§ 77 Abs. 1a Satz 3 SGB IV).
Ausführungsbestimmungen über die Grundsätze nach Satz 3 können daneben in die Rechtsverordnung nach § 78 Satz 1 SGB IV aufgenommen werden, soweit dies erforderlich ist, um eine nach einheitlichen Kriterien und Strukturen gestaltete Jahresrechnung zu schaffen und um eine einheitliche Bewertung der von den KKn aufgestellten Unterlagen zu ihrer Finanzlage zu erhalten (§ 77 Abs 1a Satz 4 SGB IV). Die Jahresrechnung ist von einem Wirtschaftsprüfer oder einem vereidigten Buchprüfer zu prüfen und zu testieren (§ 77 Abs 1a Satz 5 SGB IV).
Die Bundesregierung hat von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats für die Sozialversicherungsträger mit Ausnahme der Bundesagentur für Arbeit Grundsätze über die Aufstellung des Haushaltsplans, seine Ausführung, die Rechnungsprüfung und die Entlastung sowie die Zahlung, die Buchführung und die Rechnungslegung zu regeln. Darauf beruhen die Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung (SVHV) und die Sozialversicherungs-Rechnungsverordnung (SVRV). Nach § 18 Abs. 3 SVRV haben die Träger der Krankenversicherung ihrer Jahresrechnung einen Anhang nach § 29a SVHV beizufügen. § 29a Abs. 1, 2 SVHV bestimmt u.a. die Verbindlichkeit und den Inhalt des Kontenrahmens, dessen nähere technische Ausgestaltung nach § 29a Abs. 3 SVHV aus § 25 Abs. 2 Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über das Rechnungswesen in der Sozialversicherung (SRVwV vom 15. Juli 1999, BAnz. 1999 Nr. 145 S. 13126) folgt, wonach von KKn für Buchungen im Sachbuch der „Kontenrahmen für die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung“ (Kontenrahmen) zugrunde zu legen ist, der sich aus der Anlage 1 der SRVwV ergibt. Die Vorgaben des für die KKn maßgeblichen Kontenrahmens (Anlage 1 zu § 25 SRVwV) stehen mit höherrangigem Recht in Einklang (BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019 – B 1 A 2/19 R – a.a.O., Rn. 17).
cc) Der danach verbindliche Kontenrahmen ist numerisch nach dem Dezimalsystem aufgebaut. Er gliedert sich in Klassen (einstellig), Gruppen (zweistellig), Arten (dreistellig) und Konten (vierstellig). Er bestimmt, dass unter 01 („Kurzfristige Gelanlagen“) Anlagen von Betriebsmitteln und Rücklage unter 01 und 04 bis 06 zu buchen sind. Nach Ziff. 1 sind bei der Anlage von Betriebsmitteln die §§ 80 und 81 SGB IV nach Maßgabe des § 260 Abs. 3 SGB V (§ 51 Abs. 1 KVLG 1989) und bei der Anlage der Rücklage die §§ 80, 82 und 83 SGB IV nach Maßgabe des § 261 Abs. 6 SGB V (§ 51 Abs. 1 KVLG 1989) zu beachten. Unter Gruppe 04 sind „andere Geldanlagen (ohne 074 und 08)“ zu buchen; 041 erfasst „Darlehen (ohne 042)“ und 0419 unterfallen „Darlehen an Sonstige“. Daraus folgt, dass auf dem Kto. 0419 Darlehen dann zu buchen sind, wenn es sich um Rücklagen handelt. Ansonsten bedarf es der Buchung des Darlehens auf Kto. 0741 („Sonstige Darlehen“ innerhalb des Verwaltungsvermögens).
b) Ein Darlehen erfüllt nur dann die Voraussetzungen des Begriffs „Rücklage“ und kann mithin unter Kto. 0419 gebucht werden, wenn es innerhalb eines Haushaltsjahres ohne Verlust liquidiert werden kann, entweder weil es nur noch eine unterjährige Restlaufzeit hat oder weil es im Bedarfsfall vorzeitig ohne Verlust liquidiert, d.h. sicher verfügbar gemacht werden kann. Dabei versteht sich die erste Alternative insofern von selbst, als es sich bei einer unterjährigen Laufzeit ohnehin um eine „kurzfristige Geldanlage“ im Sinne von Gruppe 01 des Kontenrahmens handelt. Die zweite alternativ erfüllbare Voraussetzung ergibt sich zwar nicht aus einer Legaldefinition des Begriffs „Rücklage“ [aa)], erschließt sich aber aus den der Rücklage der KKn zugeschriebenen Funktionen [bb)] und der historischen Entwicklung der maßgebenden Vorschrift des § 261 SGB V [cc)]. Anderweitige, insbesondere systematische Erwägungen sprechen nicht gegen dieses Verständnis des Rücklagenbegriffs [dd)].
aa) Allerdings ist der Begriff der Rücklage im Kontenrahmen nicht definiert. Der Kontenrahmen verweist nur unter der Gruppe 01 Ziff. 1 auf die §§ 80, 82 und 83 SGB IV und § 261 Abs. 6 SGB V. Aber auch § 261 SGB V wie die §§ 80, 82 und 83 SGB IV definieren den Begriff der Rücklage nicht unmittelbar, sondern setzen ihn voraus.
bb) Konturen gewinnt der Begriff mithin erst über die ihm gesetzlich für den jeweils maßgeblichen Versicherungszweig zugeschriebenen Funktionen. Da es sich vorliegend bei der Klägerin um eine Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, ist vorrangig auf § 261 SGB V abzustellen. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 82 SGB IV, wonach die Versicherungsträger „nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige“ eine Rücklage bereitzuhalten haben.
Damit insofern ein Mittel der KK i.S.d. § 259 SGB V als Rücklage bezeichnet wird, muss es nach § 261 SGB V (in der seit dem 1. April 2020 maßgebenden Fassung durch das GKV-FKG) folgende Anforderungen erfüllen: Es muss zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der KK geeignet sein (§ 261 Abs. 1 SGB V). Es muss ferner in Anspruch genommen werden können, wenn Einnahme- und Ausgabeschwankungen innerhalb eines Haushaltsjahres nicht durch die Betriebsmittel ausgeglichen werden können (§ 261 Abs. 3 Satz 1 SGB V) sowie um „während des Haushaltsjahres“ Erhöhungen des Zusatzbeitrages zu vermeiden (§ 261 Abs. 3 Satz 2 SGB V).
Der Senat kann dabei offenlassen, ob dem Merkmal der „Sicherstellung der Leistungsfähigkeit“ überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt oder ob dieses Kriterium letztlich bereits in den Anforderungen an die Liquidität der Rücklage aufgeht. Dafür spricht jedenfalls, dass in § 82 SGB IV der Fall, dass Einnahme- und Ausgabeschwankungen durch den Einsatz der Betriebsmittel nicht mehr ausgeglichen werden können, einen Unterfall der Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit („insbesondere“) darstellt. Jedenfalls kann dem Wortlaut des § 261 SGB V als notwendige Bedingung für die Rücklageneigenschaft entnommen werden, dass es sich um Mittel handeln muss, die innerhalb eines Haushaltsjahres liquidiert, d.h. verfügbar gemacht werden können. Insofern bedarf es keines Rückgriffs auf § 82 SGB IV, um den Rücklagebegriff zu definieren (a.A. Baierl in: jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 261 Rn. 20). Auch das in § 80 SGB IV genannte Merkmal der Liquidität wird in § 261 SGB V aufgegriffen und hinreichend konkretisiert.
cc) Die historische Betrachtung bestätigt das gefundene Ergebnis.
(1) Zunächst hat der Gesetzgeber den Begriff der „Rücklage“ aus § 365 RVO übernommen (vgl. BT-Drs. 11/2237, Seite 228 FraktE-GRG). In den Gesetzesmaterialien wurde diesbezüglich ausdrücklich klargestellt, dass an dem gefundenen Begriff festgehalten werden sollte (BT-Drs. 8/3126, Seite 12 RegE-KVMG: „Um dem Zweck der Rücklage zu entsprechen, die Liquidität der Krankenkassen sicherzustellen, wenn Einnahme- und Ausgabeschwankungen innerhalb eines Haushaltsjahres nicht durch die Betriebsmittel ausgeglichen werden können, werden die Krankenkassen in der Regel kurzfristige Anlagearten für das Rücklageguthaben wählen müssen. Insoweit kommen die Anlagearten nach § 83 SGB IV nicht in Betracht“.).
(2) Im Anschluss ist § 261 SGB V in vielfacher Hinsicht verändert worden ist, ohne dass jedoch das zentrale Merkmal der Liquidität innerhalb des laufenden Haushaltsjahres in diesen Prozess miteinbezogen worden ist. Sofern sich die Rahmenbedingungen der Finanzierung der GKV geändert haben (z.B. Einführung des Gesundheitsfonds), hat der Gesetzgeber darauf wiederholt reagiert. Dies geschah allerdings maßgeblich durch Regelungen zur Höhe der Rücklage, nicht durch solche, die die Definition oder Funktion des Rücklagebegriffs als solchen betrafen. So ist zunächst mit der Einführung des § 261 SGB V zum 1. Januar 1989 die Mindestrücklage von der Hälfte auf ein Viertel des durchschnittlich auf den Monat entfallenden Betrags der Ausgaben abgesenkt worden (§ 261 Abs. 2 Satz 2 SGB V i.d.F. des GRG). Zum 1. Januar 2009 ist im Sinne einer Soll-Vorschrift die Inanspruchnahme der Rücklage zur Vermeidung von Erhöhungen des Zusatzbeitrags nach § 242 SGB V eingeführt worden (§ 261 Abs. 3 Satz 2 SGB V i.d.F. des GKV-WSG, dazu BT-Drs. 16/3100, S. 167). Zum 1. Januar 2012 haben die KKn mit dem GKV-VStG die Möglichkeit erhalten, die durch § 261 Abs. 4 Satz 1 SGB V vorgeschriebene Rücklagenauffüllung ausnahmsweise auf länger als vier Jahre zu strecken (vgl. dazu BT-Drs. 17/8005, S. 127). Zum 15. Dezember 2018 ist als Folge des neu eingeführten § 260 Abs. 4 SGB V die bis dahin in § 261 Abs. 2 Satz 2 SGB V geregelte Rücklagenobergrenze entfallen (vgl. dazu Regierungsentwurf zum GKV-VEG, BT-Drs. 19/4454, S. 29). Schließlich ist zum 1. April 2020 in § 261 Abs. 2 Satz 2 SGB V die Mindestrücklage nochmals, nunmehr auf ein Fünftel, abgesenkt worden, während gleichzeitig die Auffüllungsverpflichtung in § 261 Abs. 4 SGB V auf die Hälfte des Rücklagensolls erhöht wurde (vgl. hierzu im Einzelnen Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum GKV-FKG, BT-Drs. 19/17155, S. 132 zu Nr. 18a). Keine dieser vielfältigen Änderungen und die dazu veröffentlichten Begründungen lässt erkennen, dass sich am Zweck der Rücklage, die Liquidität der KKn unterjährig sicherzustellen, durchgreifend etwas ändern sollte.
dd) Anderweitige, insbesondere systematische Überlegungen sprechen jedenfalls nicht gegen das Erfordernis der verlustfreien Liquidierbarkeit innerhalb des laufenden Haushaltsjahres.
(1) Etwas anderes folgt zunächst nicht aus den §§ 82, 83 SGB IV. Zwar formuliert § 83 Abs. 1 Nr. 4 und 7 SGB IV Anforderungen insbesondere an die Sicherheit von Anlagen i.S.d. § 80 SGB IV, allerdings stellt die Vorschrift wie bereits § 82 SGB IV klar, dass den spezifischen Regelungen für den jeweiligen Versicherungsträger nach ihren Sozialgesetzbüchern jeweils Vorrang zukommt („soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist und die Anlage den dort geregelten Liquiditätserfordernissen entspricht“). Entsprechendes ist auch den Gesetzesmaterialien zu § 365 RVO zu entnehmen, wonach die Anlagearten des § 83 SGB IV „nicht in Betracht“ kommen (BT-Drs. 8/3126, Seite 12 RegR-KVMG).
(2) Auch aus den „Empfehlungen für die Erstellung einer Anlagerichtlinie einer Krankenkasse“ des BVA vom 25. Februar 2014 (Punkt 5.2) folgt nichts anderes. Dort heißt es: „Die Mittel der Rücklage können ggf. mittel- bis langfristig angelegt werden. Diese müssen bereitstehen, um im zeitlichen Verlauf absehbare Liquiditätsengpässe im Zahlungsverkehr vermeiden oder abwenden zu können. Die Anlage hat gemäß den §§ 80 SGB IV zu erfolgen.“ Der Verweis auf § 80 SGB IV stellt dabei klar, dass auch das Liquiditätserfordernis zu wahren ist. Im Übrigen handelt es sich um eine rechtsunverbindliche Empfehlung zur Rücklage.
c) Das durch Vertrag vom 13. Januar 2014 i.V.m. dem Nachtrag vom 17. August 2015 gewährte Darlehen an die CKD gGmbH erfüllt diese Anforderungen nicht.
aa) Bei der Beurteilung dieser Frage steht der Klägerin kein der Aufsicht nur beschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu.
(1) Da § 89 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IV voraussetzt, dass das Vorliegen einer Rechtsverletzung positiv feststeht, fehlt es an einer solchen, wenn die Aufsichtsbehörde zwar eine andere Rechtsauffassung als der Versicherungsträger vertritt, die Rechtsanwendung durch diesen als Träger mittelbarer Staatsverwaltung (§ 4 Abs. 1 SGB V) jedoch zumindest vertretbar ist. Es ist der Aufsichtsbehörde daher verwehrt, ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen der beaufsichtigten Körperschaft zu setzen, sofern Rechtsfragen zum Anlass einer Beanstandung genommen werden, die bislang weder das Gesetz noch die Rechtsprechung in eindeutiger Weise beantwortet hat. Ein Sozialversicherungsträger erfüllt seine Aufgaben in eigener Verantwortung allerdings nur im Rahmen der Gesetze und des sonstigen für sie maßgeblichen Rechts (§ 29 Abs. 3 SGB IV). Der Bewertungsspielraum des beaufsichtigten Sozialversicherungsträgers bei seinen Entscheidungen mit wirtschaftlicher Tragweite wird demnach durch diese rechtlichen Vorgaben begrenzt. Die Verletzung der den Sozialversicherungsträger danach bindenden Vorgaben unterliegt grundsätzlich der aufsichtsrechtlichen Beanstandung i.S.d. § 89 SGB IV (BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 1 A 1/08 R – BSGE 102, 281, Rn. 16; Engelhard in jurisPK-SGB IV, § 89 Rn. 21, 23 m.w.N.).
Ein Bewertungsspielraum des Sozialversicherungsträgers hinsichtlich der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ einer haushalts- bzw. vermögensrechtlich relevanten Handlung ist infolgedessen nur dann aufsichtsrechtlich hinzunehmen, wenn dafür entsprechende Gestaltungsspielräume eröffnet sind, indem z.B. ein unbestimmter Rechtsbegriff verwendet wird, der mehrere Auslegungen zulässt und dessen Auslegung noch ungeklärt ist. Der Bewertungsspielraum des beaufsichtigten Sozialversicherungsträgers endet dagegen, wenn er gegen allgemein anerkannte Maßstäbe verstößt, die diesen Spielraum engen oder ausschließen; eine solche Grenzüberschreitung stellt regelhaft eine grundsätzlich der aufsichtsrechtlichen Beanstandung unterliegenden Rechtsverletzung i.S.d. § 89 SGB IV dar (BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 A 2/05 R – SozR 4-2400 § 80 Nr. 1).
(2) Eingedenk dessen ist für die Beurteilung des streitgegenständlichen Darlehens ein Bewertungsspielraum der Klägerin nicht anzuerkennen. Kernstreitpunkt ist vorliegend die Frage, ob das bezeichnete Darlehen die Fähigkeit besitzt, während des Haushaltsjahres den Betriebsmitteln zugeführt zu werden, um Einnahme- und Ausgabeschwankungen auszugleichen und insbesondere Erhöhungen des Zusatzbeitrages zu vermeiden. Es ist nicht erkennbar, welche unbestimmten Rechtsbegriffe dabei eine Rolle spielen, die Bewertungsspielräume eröffnen. Dies hat auch die Klägerin nicht dargelegt.
bb) Der insofern eröffneten Prüfung der Aufsichtsbehörde, ob die Klägerin das von ihr gewährte Darlehen zutreffend als Rücklage angesehen hat, steht nicht die Bindungswirkung des (bestandskräftigen) Genehmigungsbescheids vom 29. Januar 2014 entgegen. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte „die Gewährung eines Darlehens an die C und Kinderklinik D GmbH (CKD) für die Errichtung einer zentralen Sterilisation in den Betriebsräumen der CKD sowie die Parkraumbewirtschaftung […] nach § 83 Abs. 1 Nr. 7 SGB IV bis zu einer Höhe von 1.633.903,28 € […] genehmigt.“
Im Rahmen der Auslegung vom Empfängerhorizont kann dem Bescheid nicht entnommen werden, dass die Beklagte mit ihm zudem die Rücklagefähigkeit des Darlehens bestätigen wollte. Mittels Verweises auf § 83 Abs. 1 Nr. 7 SGB IV hat die Beklagte nur, wenn auch in verkürzter Form, auf die in § 85 Abs. 1 SGB IV geregelte Genehmigungsbedürftigkeit von „Darlehen für gemeinnützige Zwecke“ Bezug genommen. § 85 SGB IV eröffnet die Prüfung der Genehmigungsmöglichkeit eines Darlehens, nicht hingegen dessen bilanztechnische Behandlung.
cc) Der streitbefangene Darlehensvertrag erfüllt die Anforderungen an die Liquidität einer Rücklage nicht.
(1) Er hat zunächst – auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – keine lediglich einjährige Restlaufzeit. Vielmehr endet diese erst zum 31. Dezember 2023. Er ist nach den getroffenen Vereinbarungen im Vertrag vom 13. Januar 2014 i.V.m. dem Nachtrag vom 17. August 2015 auch nicht innerhalb eines Jahres für die Klägerin ordentlich kündbar. § 5 Abs. 1 DV 2014 i.d.F des Nachtrages gewährt nur der Darlehensnehmerin, der CKD gGmbH, ein ordentliches Kündigungsrecht.
(2) Soweit die Klägerin vorträgt, dass es einen Beschluss der Selbstverwaltung gebe, wonach die Darlehensvergaben auf max. 25% der Mindestrücklagen zu begrenzen wäre, führt dies im Hinblick auf die Anforderungen an das streitrelevante Darlehen zum einen nicht weiter. Zum anderen konnte der Vortrag auf Nachfrage des Senats auch nicht belegt werden. Die Klägerin hat diesbezüglich schriftsätzlich mitgeteilt, dass ein solcher Beschluss nicht vorgelegt werden könne. Es handele sich um eine interne Vereinbarung.
(3) Das Darlehen kann auch nicht im Bedarfsfall vorzeitig, d.h. innerhalb des Haushaltsjahres ohne Verlust liquidiert, d.h. sicher verfügbar gemacht werden.
(a) Diese Eigenschaft haben die Vertragsparteien dem Vertrag insbesondere nicht mittels §5 Abs. 2f) DV 2014 i.d.F des Nachtrages verliehen. Danach ist die Klägerin als Darlehensgeberin berechtigt, das Darlehen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit der Wirkung sofortiger Fälligkeit ganz oder teilweise zu kündigen, wenn die Betriebsmittel der knappschaftlichen Krankenversicherung der Darlehensgeberin nicht den Anforderungen des § 260 SGB V entsprechen.
Der Senat kann zunächst offenlassen, ob eine Vereinbarung eines außerordentlichen Kündigungsrechts des Darlehensgebers über die in § 490 Abs. 1 BGB genannten Gründen hinaus möglich ist. Gegen die von der Beklagten angenommene Unwirksamkeit könnte allerdings sprechen, dass es sich, soweit erkennbar, weder um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. §§ 305, 310 Abs. 1 BGB handelt, noch ein Verbraucher i.S.d. § 13 BGB involviert ist, so dass nur die Schranke des § 138 BGB einschlägig wäre, die allerdings nicht tangiert sein dürfte. Die Frage, ob die Ausübung des Sonderkündigungsrechts im Einzelfall gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde, dürfte hingegen von der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der Klausel zu trennen sein (Schwintowski in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 490 Rn. 25). Der Senat muss sich gleichfalls nicht mit der Frage beschäftigen, ob die Änderung des Darlehensvertrages vom 17. August 2015 nicht erneut der Genehmigung nach § 85 Abs. 1 SGB IV unterlegen hätte, da der Genehmigungsbescheid vom 29. Januar 2014 ausdrücklich nur auf den ursprünglichen Darlehensvertrag Bezug nimmt, und welche Folgen eine ggf. insoweit fehlende Genehmigung für die Wirksamkeit des Vertrages hätte. Denn jedenfalls ist nach der Regelung des § 5 Abs. 2f) DV 2014 i.d.F des Nachtrages völlig unklar, unter welchen Voraussetzungen der Kündigungstatbestand eintreten soll. Damit genügt er gerade nicht den bereits formulierten Voraussetzungen an eine kurzfristige und damit auch rechtssichere Liquidierbarkeit.
Zunächst ist der Verweis der Klausel auf § 260 SGB V zu unbestimmt. Es ist bereits nicht erkennbar, auf welche Fassung des § 260 SGB V die Vertragsparteien abstellen wollten; auf § 260 SGB V i.d.F. vom 26. Mai 1994 und damit zur Zeit der Vereinbarung oder i.S.e. dynamischen Verweisung auf die jeweils gültige Fassung im Zeitpunkt der darauf gestützten Kündigungserklärung. Jedenfalls trifft § 260 SGB V in seinen verschiedenen Absätzen erkennbar diverse Regelungen, welche die Betriebsmittel betreffen. Im Rahmen der erforderlichen Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) ist nicht sichtbar, welche dieser Anforderungen allein oder in Kombination fortfallen müssen, um das Kündigungsrecht auszulösen. In der Präambel des Nachtrages heißt es, dass § 5 für den Fall zu ergänzen sei, dass die Betriebsmittel der Klägerin erschöpft seien. Wann das der Fall sein soll, bleibt indes offen. Geregelt werden sollte offenbar, dass das Darlehen gekündigt werden kann, wenn die Gefahr besteht, dass das Rücklagesoll nicht mehr erfüllt wird. Dieser Regelungsgehalt ist dem Vertragstext aber selbst i.S. einer Andeutung nicht zu entnehmen.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass es sich bei der Klägerin um die Mehrheitsgesellschafterin der Darlehensnehmerin handelt, die ggf. durch gesellschaftsrechtliche Einflussnahme zu ihren Gunsten das Entstehen von Streitigkeiten über den Eintritt des Kündigungstatbestandes verhindern kann. Dies dürfte offensichtlich gegen die Interessen der Darlehensnehmerin und damit gegen die der Klägerin obliegenden gesellschaftsrechtlichen (Treu-)Pflichten verstoßen.
Lediglich ergänzend und nicht tragend weist der Senat darauf hin, dass er die Zweifel der Beklagten, ob im Falle einer plötzlichen Fälligkeit des Darlehens dieses tatsächlich realisierbar wäre, nachvollziehen kann. Die Beklagte hat insofern auf einen Fall (Medizinische Zentrum Städteregion Aachen GmbH) verwiesen, bei dem eine Kündigung zu erheblichen wirtschaftlichen Härten geführt habe. Folge sei eine Stundungsvereinbarung, aber keine liquiden Mittel gewesen. Bedenken dahingehend, dass es auch im vorliegenden Fall zu einer solchen Entwicklung kommen könnte, hat die Klägerin jedenfalls nicht plausibel ausgeräumt.
(b) Auch der Umstand, dass die Darlehensforderung abtretbar ist, führt ihre Liquidierbarkeit innerhalb des Haushaltsjahres nicht herbei. § 6 DV 2014 schränkt die Abtretbarkeit zwar lediglich hinsichtlich der Darlehensnehmerin ein. Auch wenn Abtretungen von Darlehensforderungen generell zulässig sind, ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass eine kurzfristige – nicht verlustreiche – Veräußerung des vorliegenden gemeinnützigen (!) Darlehens realistisch möglich ist. Problematisch bleibt zudem, dass die Abtretung einer Darlehensforderung an eine Nicht-Bank (z.B. einen ausländischen Investor) regelmäßig zu einer Inhaltsänderung, Änderung der Forderung und damit zu einem Ausschluss der Abtretung nach § 399 Alt. 1 BGB führen könnte (Schwintowski in: jurisPK-BGB, a.a.O., § 488 Rn. 92).
2. Über die Rechtsverletzung hat die beklagte Aufsichtsbehörde die Klägerin auch in ausreichender Weise beraten.
a) Die Verpflichtung zur vorherigen Beratung ist Ausdruck des Bemühens um partnerschaftliche Kooperation zwischen Selbstverwaltung und Aufsicht. Das danach erforderliche partnerschaftliche Zusammenwirken und die dem Versicherungsträger einzuräumende Möglichkeit, die Aufsichtsbehörde durch Darlegung des eigenen Rechtsstandpunktes dazu zu bewegen, von weiteren Aufsichtsmaßnahmen Abstand zu nehmen, macht eine auf die speziellen Verhältnisse des betroffenen Versicherungsträgers abgestellte Individualisierung der Beratung unumgänglich. Folglich hat die Beratung die individuellen und speziellen Verhältnisse des Versicherungsträgers zu berücksichtigen. Ein begründeter Hinweis muss enthalten, dass und aus welchen Gründen gerade durch sein Handeln oder Unterlassen das Recht verletzt worden ist. Ferner erfordert sie eine Darlegung der dem Versicherungsträger möglichen Maßnahmen, mit welchen er in rechtlich zulässiger Weise die nach Meinung der Aufsichtsbehörde vorliegende Rechtsverletzung beheben kann (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – B 10 A 1/02 R – SozR 4-2400 § 89 Nr. 2; BSG, Urteil vom 20. Juni 1990 – 1 RR 4/89 – BSGE 67, 85; BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 A 2/05 R – SozR 4-2400 § 80 Nr. 1; BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 A 1/03 R – BSGE 94, 221; vgl. insgesamt: Engelhard in: jurisPK-SGB IV, § 89 Rn. 42 ff.).
b) Die Aufsichtsbehörde hat im Beratungsschreiben vom 22. Januar 2016 unter eingehend begründeter Benennung der – noch im Berufungsverfahren weiterhin bestehenden – Rechtsverletzung eine Frist bis zum 19. Februar 2016 für die schriftliche Bestätigung der Klägerin gesetzt, dass sie die gewährten Darlehen und damit auch das streitrelevante Darlehen von der Rücklage in das Verwaltungsvermögen umbucht. Dabei hat sie ihre Rechtsauffassung ausführlich dargelegt und sich dabei sowohl mit den individuellen Besonderheiten als auch den bereits zuvor ausgetauschten Argumenten der Klägerin detailliert auseinandergesetzt. Der klägerische Einwand, dass die Beratung aus ihrer Sicht nicht stimmig sei, stellt die Beratung an sich nicht in Frage, denn entgegen der Ansicht der Klägerin erfüllt sie auch dann die nötigen Kriterien. Ob die dort vertretene Rechtsansicht richtig ist, ist letztlich Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Es ist auch unschädlich, dass die Aufsichtsbehörde im Rahmen der Beratung zunächst nur die Bestätigung der (künftig durchzuführenden) Umbuchung verlangte, während der Verpflichtungsbescheid die Umbuchung und diesbezügliche Belege fordert. Denn die diesbezügliche rein faktische Umsetzung wäre für die Klägerin ohne weitere Beratung möglich gewesen. So hat der Leiter Finanzen/zentrales Controlling der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Befragen des Senates erklärt, die Umbuchung als solche sein kein Problem, sondern ein täglicher Vorgang, bei dem ein Buchungsbeleg erstellt werde.
3. Die Klägerin hat die Rechtsverletzung nicht innerhalb angemessener Frist behoben. Es bestehen keine Bedenken gegen die Angemessenheit der ihr im Beratungsschreiben vom 22. Januar 2016 gesetzte Frist bis zum 19. Februar 2016. Zum einen befanden sich die Beteiligten zu dieser Thematik bereits seit Oktober 2014 im Dialog, zum anderen wurde nur die Erklärung verlangt, die Umbuchung vorzunehmen.
4. Als Rechtsfolge durfte die Aufsichtsbehörde die Klägerin im Wege der Aufsichtsverfügung verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben (§ 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).
a) Gegen die gewählte Art der Behebung, nämlich die Umbuchung des Darlehens von der Rücklage (Kto. 0419) in das Verwaltungsvermögen (Kto. 0741) bestehen keine Bedenken. Mit der Umbuchung würde die von der Klägerin begangene Rechtsverletzung beseitigt und das Darlehen ordnungsgemäß gebucht.
b) Die auferlegte Verpflichtung zur Umbuchung ist von der Klägerin auch ohne Weiteres zu erfüllen. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, bezieht sich die Verpflichtung auf eine Umbuchung für die Zukunft. Sie ist erkennbar von der Klägerin auch in diesem Sinne verstanden worden.
c) Ebenfalls keine Bedenken bestehen gegen die Verpflichtung, die Bestätigung sowie die entsprechenden Buchungsbelege bis zum 26. April 2016 vorzulegen. Gemäß § 5 Abs. 1 SVRV müssen alle Buchungen belegt sein. Belege für Buchungen, denen kein Zahlungsvorgang zugrunde liegt, bestehen aus der Buchungsanordnung (Nr. 1) und den sonstigen die Buchung begründenden Unterlagen (Nr. 2). Belege im Sinne der Absätze 1 und 2 können dabei auch elektronisch erzeugte Dateien oder Datensätze sein, § 6 Abs. 2, 3 SVRV. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1, 2 i.V.m. § 18 SRVwV sind diese Belege zu nummerieren und geordnet und sicher aufzubewahren bzw. bei elektronisch erzeugten Dateien oder Datensätzen ist insbesondere sicherzustellen, dass die Daten verfügbar sind und innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht und ausgedruckt werden können. Dementsprechend hat die Klägerin gegen die technische Umsetzbarkeit der Aufsichtsverfügung auf ausdrückliche Nachfrage des Senates in der mündlichen Verhandlung auch keine Bedenken gehabt. Dass angesichts des vom BVA verlangten Umbuchungs- und Belegvorgangs die hierfür gesetzte Frist bis zum 26. April 2016 unangemessen gewesen sein könnte, ist nicht erkennbar.
d) Aus den genannten Gründen bestehen auch keine die Wahrung des Bestimmheitserfordernisses (§ 33 Abs. 1 SGB X) keine Bedenken.
5. Das BVA hat schließlich das ihr eingeräumte Ermessen rechtmäßig ausgeübt, gegen die zutreffend festgestellte Rechtsverletzung einzuschreiten (§ 89 Abs 1 Satz 2 SGB IV). Sie traf – formal hinreichend begründet (§ 35 Abs. 1 SGB X) – eine Ermessensentscheidung, hielt dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens ein und hat von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
a) Die Aufsichtsbehörde hat ihr Ermessen (hinsichtlich des „ob“ und des „wie“) erkannt. Sie hat ausführlich ihre Beweggründe und im Rahmen der Abwägung die widerstreitenden Interessen dargestellt. Soweit die Klägerin diesbezüglich vorträgt, sie habe keine Wettbewerbsverzerrung betrieben, welche die beklagte Aufsichtsbehörde in ihre Ermessenserwägungen einstellt, sondern ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt, ist dieser Einwand angesichts der begangenen Rechtsverletzung unzutreffend.
b) Die Maßnahme war auch verhältnismäßig. Insbesondere war diese zur Erreichung des legitimen Zwecks – Behebung der bereits dargestellten Rechtsverletzung der Klägerin – geeignet und erforderlich. Ein milderes Mittel ist ebenfalls nicht erkennbar. Auch die Klägerin hat keinerlei Vorschläge unterbreitet, auf welche andere und für sie schonendere Weise die von ihr begangene Rechtsverletzung behoben werden könnte. Soweit sie vorträgt, im Falle einer Umbuchung das Rücklagesoll gemäß § 261 Abs. 2 SGB V nicht mehr erfüllen zu können, ist zum einen auf § 261 Abs. 4 SGB V hinzuweisen und zum anderen darauf, dass die Klägerin hinreichend Zeit hatte, sich auf die Verpflichtung zur Umbuchung einzustellen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, im Hinblick auf die Frage der Definition des Rücklagenbegriffs des § 261 SGB V im Verhältnis zu § 82 SGB IV zugelassen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz.