1. Durch den Vertragsbeitritt nach § 127 Abs. 2a SGB V kommt zwischen Krankenkasse und beitretendem Hilfsmittelerbringer ein eigenständiger Vertrag zustande, der inhaltlich von dem Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V abhängig ist, zu dem der Beitritt erklärt worden ist.
2. Ein Teilbeitritt zu einem Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V ist nur für räumlich oder sächlich abtrennbare Versorgungsbereiche, insbesondere für einzelne Produktgruppen, zulässig. Unliebsame Vertragsklauseln können über einen Teilbeitritt nicht abbedungen werden.
3. Auch wenn die Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Verträge nach § 127 SGB V nicht schon grundsätzlich ausgeschlossen ist (anders noch Sächsisches LSG, Beschluss vom 29.10.2015 – L 1 KR 37/15 B ER – juris Rn. 79 ff.), so lässt sich doch über die §§ 305 ff. BGB eine Vertragsfiktion nicht erreichen.
4. Hilfsmittelerbringer sind seit 01.04.2007 nicht berechtigt, Blutzuckerteststreifen ohne Vertrag nach § 127 SGB V abzugeben und zu marktüblichen Preisen abzurechnen.
5. Die leistungsrechtliche Gleichstellung von Blutteststreifen mit Arzneimitteln in § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V ändert nichts daran, dass sie im Leistungserbringungsrecht zugleich als Applikationshilfen und damit wie Hilfsmittel behandelt werden.
Blutzuckerteststreifen – kein Beitritt zu einem Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V unter Ausschluss unerwünschter Klauseln – kein Anspruch eines Hilfsmittelerbringers auf Vergütung von Blutteststreifen ohne Vertrag nach § 127 SGB V
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- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 28. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
Streitig ist der Beitritt zu Verträgen über die Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 127 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis 10.05.2019 geltenden Fassung sowie die Berechtigung zur Abgabe von Blutzuckerteststreifen zu marktüblichen Preisen ohne Vertrag nach § 127 SGB V.
Die Klägerin ist eine Leistungserbringerin im Sinne des § 126 SGB V, die bundesweit in der Versorgung von an Diabetes erkrankten Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen tätig ist. Sie ist gemäß § 126 Abs. 1a SGB V präqualifiziert für die Versorgungsbereiche 03BR (Spritzen und Zubehör, Pens), 03ER (Pumpensysteme) und 21BR (Messgeräte zur Lungenfunktionsmessung, Blutdruckmessgeräte, Blutgerinnungsmessgeräte/ Blutzuckermessgeräte, Personenwaagen, Sprachausgaben zu Messgeräten) innerhalb der Produktgruppen 03 (Applikationshilfen) und 21 (Messgeräte für Körperzustände) im Sinne des Hilfsmittelverzeichnisses.
Die Beklagte, eine gesetzliche Krankenkasse mit bundesweit rund 500.000 Versicherten, machte im Februar 2014 ihre Absicht zum Abschluss von Verträgen nach § 127 Abs. 2 SGB V zur Versorgung
- mit Hilfsmitteln der Produktgruppen 03 und 21 sowie mit Produkten gemäß § 31 SGB V bei insulinpflichtigem Diabetes und
- mit Hilfsmitteln zur Insulinpumpentherapie
öffentlich bekannt. Auf Anforderung der Klägerin hin übersandte ihr die Beklagte am 04.02.2014 Angebotsunterlagen für beide Verträge. Die Klägerin machte mit Schreiben vom 19.02.2014 Anmerkungen zu den beiden Vertragsentwürfen und regte ein "offenes Gespräch" sowie einen "regen Gedankenaustausch" an. Im März und April 2014 fanden Vertragsverhandlungen mit verschiedenen Leistungserbringern, darunter auch der Klägerin (Gesprächstermine vom 10.03.2014, 21.03.2014 und 23.04.2014), statt. Zu einer Einigung zwischen der Klägerin und der Beklagten kam es nicht.
Mit Wirkung zum 01.05.2014 schloss die Beklagte
- mit der Firma Y.... sowie einem weiteren Leistungserbringer jeweils einen "Vertrag über die Versorgung mit Hilfsmitteln der PG 03 und PG 21 sowie mit Produkten gemäß § 31 SGB V bei insulinpflichtigem Diabetes" – AC/TK 19 00 041 und 19 00 040 – (im Folgenden: Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie) und
- mit der Firma X.... einen "Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V über die Versorgung mit Hilfsmitteln zur Insulinpumpentherapie" – AC/TK 19 00 030 – (im Folgenden: Vertrag Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie).
Mit Schreiben vom 06.05.2014 informierte die Beklagte die Klägerin über den Abschluss dieser Verträge und bot ihr jeweils einen Vertragsbeitritt an.
Die Klägerin lehnte mit Schreiben vom 28.08.2014 einen Beitritt zu diesen Verträgen ab und forderte die Beklagte zu weiteren Verhandlungen über die Vertragsinhalte auf. Die Beklagte erklärte unter dem 04.09.2014, die Vertragsverhandlungen seien abgeschlossen. Gleichwohl fanden in der Folgezeit Gespräche statt, in denen aber keine Einigung erzielt werden konnte.
Mit Schreiben vom 19.11.2014 erklärte die Klägerin den Beitritt zu den "beiden" Verträgen, "jedoch unter Protest und Ausschluss" bestimmter Regelungen (wobei sie die Bezeichnung der Verträge vertauschte). Beim Vertrag Hilfsmitteln zur Insulinpumpentherapie verwahrte sie sich gegen folgende Bestimmungen:
"§ 2 Geltungsbereich und Beitrittsvoraussetzungen
...
(4) Dieser Vertrag gilt neben der erstunterzeichnenden Krankenkasse auch für Krankenkassen, die diesem Vertrag schriftlich beigetreten sind (Anlage 6). Der Beitritt erfolgt zum nächsten ersten eines Monats, sofern dieser spätestens am 15. des letzten Monats bestätigt wurde.
(5) Voraussetzung für die Geltung dieses Vertrages für die beigetretenen Leistungserbringer und Krankenkassen ist, dass der Vertrag zwischen der erstunterzeichnenden Krankenkasse und dem erstunterzeichnenden Leistungserbringer besteht und nicht gekündigt worden ist."
Beim Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie schloss sie folgende Bestimmungen aus:
"§ 2 Geltungsbereich und Beitrittsvoraussetzungen
...
(5) Dieser Vertrag gilt neben der erstunterzeichnenden Krankenkasse auch für Krankenkassen, die diesem Vertrag schriftlich beigetreten sind (Anlage 5). Der Beitritt erfolgt zum nächsten ersten eines Monats, sofern dieser spätestens am 15. des letzten Monats bestätigt wurde.
(6) Voraussetzung für die Geltung dieses Vertrages für die beigetretenen Leistungserbringer und Krankenkassen ist, dass der Vertrag zwischen der erstunterzeichnenden Krankenkasse und dem erstunterzeichnenden Leistungserbringer besteht und nicht gekündigt worden ist.
…
§ 18 Rechnungslegung und Begleichung
…
(3) Eine Überschreitung der Frist nach Abs. 1 um bis zu einen Monat berechtigt die Krankenkasse, den Gesamtbruttobetrag dieser Verordnungsblätter um 10 Prozent zu kürzen. Eine Überschreitung der Frist nach Abs. 1 um mehr als einen Monat bis vier Monate berechtigt die Krankenkasse, den ursprünglichen Gesamtbruttobetrag dieser Verordnungsblätter um jeweils weitere 20 Prozent je angefangenen Überschreitungsmonat zu kürzen. Nach Ablauf dieser Frist entfällt ein Anspruch auf Bezahlung."
Darüber hinaus erklärte die Klägerin beim zuletzt genannten Vertrag ihren Beitritt "unter Ausschluss der Preisregelung zu den Blutzuckerteststreifen" (Teil B des Vertrages), weil das Gesetz dafür kein zwingendes Vertragserfordernis vorsehe.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 25.11.2014 mit, ein Beitritt zu einem Vertrag nach § 127 Abs. 2a SGB V sei nur "zu den gleichen Bedingungen" möglich, weil ansonsten ein neuer Vertrag geschlossen würde, dem die übrigen Leistungserbringer ebenfalls beitreten könnten. Der Abschluss unter Einschränkungen stelle daher keinen Beitritt dar. Das darin liegende Angebot zum Abschluss neuer Verträge werde aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ausdrücklich abgelehnt. Die Beklagte setzte ihre Versicherten darüber in Kenntnis, dass die Klägerin nicht ihr Vertragspartner sei und forderte von dieser, es zu unterlassen, ihre Versicherten über eine angebliche Vertragspartnerschaft zu unterrichten.
Die am 19.12.2014 von der Klägerin beim Sozialgericht (SG) Dresden beantragte Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat dieses mit Beschluss vom 05.02.2015 – S 51 KR 934/14 ER – abgelehnt.
Am 17.02.2015 hat die Klägerin beim SG Klage erhoben auf Feststellung der Wirksamkeit des Vertragsbeitritts unter Ausschluss der Klauseln hinsichtlich des Beitrittsrechts für andere Krankenkassen, der Abhängigkeit des Vertrags vom Erstunterzeichnervertrag sowie der Blutzuckerteststreifen und auf Feststellung ihrer Berechtigung, Blutzuckerteststreifen auch ohne Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V abgeben und zu den marktüblichen Preisen abzurechnen zu dürfen.
Im Eilverfahren hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 29.10.2015 – L 1 KR 37/15 B ER – der Beschwerde der Klägerin insoweit stattgegeben, als es festgestellt hat, dass die Klägerin längstens bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens berechtigt sei, Blutzuckerstreifen im Sinne des § 31 SGB V an die Versicherten der Beklagten auch ohne Abschluss eines Vertrages nach § 127 Abs. 2 SGB V abzugeben und entsprechend dem Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie abzurechnen.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgebracht, sie sei mit Erklärung vom 19.11.2014 wirksam sowohl dem Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie als auch dem Vertrag Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie beigetreten. Sie habe von dem Beitritt die beanstandeten Klauseln und die Blutzuckerteststreifen ausnehmen dürfen. Die Beklagte sei nicht berechtigt, ihre – der Klägerin – Teilhabe- und Versorgungsberechtigung von unwirksamen oder rechtswidrigen Klauseln abhängig zu machen. Andernfalls würde ihr der Zugang zur Regelversorgung unter Verletzung ihrer von Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Berufsfreiheit willkürlich verwehrt und zugleich gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Die Beklagte habe bei der Vertragsgestaltung die ihr vom Gesetz gesetzten Grenzen nicht beachtet und ihre Vertragsposition rechtsmissbräuchlich ausgenutzt. Indem sie weitere Vertragsverhandlungen ablehne und auf einen Beitritt zu den bereits abgeschlossenen Verträgen verweise, diktiere sie die Bedingungen einseitig. Die von ihr – der Klägerin – beanstandeten Klauseln seien nicht von § 127 Abs. 2 SGB V gedeckt und verstießen gegen § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Öffnungsklausel für weitere Krankenkassen sei unwirksam, weil ein solches Beitrittsrecht nur im Einvernehmen mit den Leistungserbringern vereinbart werden könne. Mit der Abhängigkeit vom Erstunterzeichnervertrag werde dem Erstunterzeichner ein Wettbewerbsvorsprung eingeräumt, der die beitretenden Leistungserbringer benachteilige und deren Vertragspartnerschaft vom Willen eines Dritten abhängig mache. Da Blutzuckerteststreifen im Sinne des § 31 SGB V weder Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V noch diesen gleichgestellt seien, könne für sie das Beitrittsrecht nach § 127 Abs. 2a SGB V keine Anwendung finden. Auch sei ein Teilbeitritt unter Ausschluss von Teil B des Vertrages Hilfsmittel zur Diabetestherapie zulässig, weil es sich dabei um einen abgrenzbaren Versorgungsbereich handele.
Die Beklagte hat erwidert, auch mit der Klägerin habe es diskriminierungsfreie Vertragsverhandlungen gegeben, welche diese für sich nicht habe zielführend nutzen können, weshalb sie nunmehr den abgeschlossenen Verträgen unterworfen sei, sofern sie ihnen beitrete. Einen Anspruch auf Vertragsschluss zu den von ihr gewünschten Bedingungen habe die Klägerin nicht. Den streitigen Verträgen sei die Klägerin nicht wirksam beigetreten. Ein Beitritt sei nach § 127 Abs. 2a SGB V nur "zu den gleichen Bedingungen" zulässig. Dies setze voraus, dass die geltenden Vertragsbestimmungen vom Beitretenden akzeptiert würden, und erlaube es nicht, dass er einzelnen Klauseln ausdrücklich widerspreche. Auch aus der grundrechtlich geschützten Teilhabe- und Versorgungsberechtigung entstehe kein Recht auf Beitritt unter Abbedingung einzelner Vertragsklauseln. Darüber hinaus seien die von der Klägerin beanstandeten Klauseln weder vor dem Hintergrund der §§ 305 ff. BGB – die ohnehin nicht anwendbar seien – noch der Vorschriften des SGB V rechtswidrig. Das Beitrittsrecht anderer Krankenkassen lasse die Rechtsstellung der Klägerin unberührt und erweitere den Versorgungsbereich auf ansonsten nicht realisierbare Verträge, so dass die Erstunterzeichner mit dieser Klausel sehr einverstanden gewesen seien. Ebenso wenig sei die Abhängigkeit vom Erstunterzeichnervertrag rechtlich zu beanstanden. Zwar schließe jeder beigetretene Leistungserbringer nach § 127 Abs. 2a SGB V einen eigenen Vertrag mit der Krankenkasse. Doch könne ein Beitrittsvertrag nach § 127 Abs. 2a SGB V nicht losgelöst vom Erstunterzeichnervertrag betrachtet werden. Ein Beitritt zum Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie unter Ausschluss seines Teils B sei nicht zulässig, weil es sich dabei nicht um einen klar abgrenzbaren Versorgungsbereich handele. Vielmehr bildeten die Blutzuckermessgeräte, die Gegenstand von Teil A des Vertrages seien, und die Blutzuckerteststreifen, die Gegenstand von dessen Teil B seien, eine zwingende Einheit. Der Klägerin stehe auch kein Recht zu, die Versicherten der Beklagten ohne vertragliche Abrede mit Blutzuckerteststreifen zu versorgen und dafür eine marktübliche Vergütung zu verlangen. Die Versorgung mit diesen Teststreifen dürfe über einen Vertrag nach § 127 SGB V erfolgen. Die Teststreifen seien den Applikationshilfen zuzuordnen und daher wie Hilfsmittel zu behandeln.
Zum 01.02.2017 hat die Beklagte Änderungen der beiden streitigen Verträge mit den Erstunterzeichnern ausgehandelt. Dabei ist das Beitrittsrecht für weitere Krankenkassen gestrichen und die Abhängigkeit vom Erstunterzeichnervertrag (in § 2 Abs. 5 des Vertrages Hilfsmittel zur Diabetestherapie und § 2 Abs. 4 des Vertrages Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie) wie folgt neu geregelt worden:
"Voraussetzung für den Beitritt zum Vertrag durch den Leistungserbringer ist, dass der Vertrag zwischen der Krankenkasse und dem erstunterzeichnenden Leistungserbringer besteht."
Die Klägerin ist zum 01.02.2017 dem geänderten Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie unter Ausschluss von Teil B (Blutzuckerteststreifen) und zum 01.03.2017 dem geänderten Vertrag Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie ohne Einschränkungen beigetreten. Die Beklagte hat den Vertragsbeitritt mit Schreiben vom 17.02.2017 anerkannt und betont, mangels Vertragsbeitritts bestehe weiterhin keine Versorgungs- und Abrechnungsberechtigung für Blutzuckerteststreifen.
Mit Urteil vom 28.07.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Feststellungsklage sei auch hinsichtlich des zweiten Antrages zulässig. Eine Leistungsklage, die vorrangig wäre, sei nicht möglich, weil die Ansprüche der Klägerin von der Beklagten zwar vorläufig erfüllt worden seien, jedoch Rückforderungsansprüche im Raum stünden. Die Klage sei hinsichtlich beider Anträge unbegründet. Die Klägerin sei weder dem Vertrag Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie noch dem Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie wirksam unter Ausschluss der von ihr genannten Klauseln beigetreten. Gemäß § 127 Abs. 2a Satz 1 SGB V sei ein Beitritt nur "zu den gleichen Bedingungen" möglich. Das Gesetz regele nicht, wie der Beitritt des Leistungserbringers zu einem Vertrag konkret durchgeführt werde. Anders als bei einem individuellen Vertragsschluss bestehe auf jeden Fall nicht die Möglichkeit, den Inhalt des bereits mit einem anderen Leistungserbringer geschlossenen Vertrages zu bestimmen. Ein Beitritt könne nur zu einem bestimmten Vertrag erfolgen, andernfalls läge der Abschluss eines vollständig neuen Vertrages vor. Die Klägerin sei den streitigen Verträgen nicht "zu den gleichen Bedingungen" beigetreten, da sie ausdrücklich bestimmte Regelungen der Verträge ausgeschlossen habe. Es handele sich nicht um einen zulässigen Teilbeitritt. Ein solcher sei nur unter engen Voraussetzungen, insbesondere bezüglich einzelner Produktgruppen, nicht aber bezüglich einzelner Hilfsmittel, zulässig. Im vorliegenden Fall wäre damit zwar ein Teilbeitritt zu Teil A des Vertrages Hilfsmittel zur Diabetestherapie zulässig; denn Teil B dieses Vertrages betreffe ausschließlich die Versorgung mit Blutzuckerteststreifen, die einen gesonderten Bereich darstelle. Dies führe jedoch zu keinem wirksamen Teilbeitritt, weil die Klägerin darüber hinaus auch einzelne Klauseln, die den ganzen Vertrag bzw. dessen Teil A beträfen, ausgeschlossen habe. Für die Fiktion eines wirksamen Vertragsbeitritts wegen des von der Klägerin behaupteten Vertragsdiktats durch die Beklagte fehle es an einer Rechtsgrundlage. Ebenso wenig führe ein von der Klägerin behaupteter Verstoß gegen § 307 BGB zu einem fingierten Vertragsbeitritt. Zum einen seien bei koordinationsrechtlichen Verträgen die §§ 305 ff. BGB schon nicht anwendbar. Zum anderen handele es sich bei den von der Klägerin ausgeschlossenen Vertragsbestimmungen nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Denn sie seien von der Beklagten mit den Erstunterzeichnern des Vertrages ausgehandelt worden. Die Tatsache, dass nach dem Vertragsschluss mit dem Erstunterzeichner der Klägerin nur noch der Beitritt nach § 127 Abs. 2a Satz 1 SGB V offenstehe, mache den Vertrag nicht zu einer AGB. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen sei der Vertragsbeitritt nicht als wirksam anzusehen. Keine der von der Klägerin ausgeschlossenen Regelungen verletze deren Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) oder Gleichheitsrecht (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, Blutzuckerteststreifen auch ohne Abschluss eines Vertrages nach § 127 Abs. 2 SGB V abzugeben und zu den marktüblichen Preisen gegenüber der Beklagten abzurechnen. Eine ohne Vertragsabschluss bestehende Versorgungsberechtigung der Klägerin bestehe nicht. Eine Versorgungsberechtigung ergebe sich nicht unmittelbar aus § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V, weil es sich dabei um eine Norm des Leistungsrechts handele, aus der ein Leistungserbringer keine Rechte ableiten könne. Das Gesetz gehe in § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V davon aus, dass die Versorgung durch die Apotheken erfolge, weil es das Wahlrecht der Versicherten für Leistungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausdrücklich auf Apotheken beschränke, für die ein Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V gelte. Hieraus folge jedoch nicht, dass eine vertragliche Regelung mit anderen Leistungserbringern über die Versorgung mit Blutzuckerteststreifen vom Gesetz ausgeschlossen sei. Die Einordnung der Blutzuckerteststreifen in die Leistungskategorien des SGB V sei schwierig und widersprüchlich. Einerseits handele es sich bei ihnen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) um sog. Geltungsarzneimittel, weshalb die Versorgung in § 7 Arzneimittel-Richtlinie geregelt sei. Andererseits seien sie nach Ansicht des Gemeinsamen Bundesausschusses Medizinprodukte; und die Krankenkassen hätten Teststreifen von Beginn an als Zubehör bzw. Applikationshilfen zu Hilfsmitteln behandelt. Die Versorgung mit Blutzuckerteststreifen sei deshalb nicht gesondert im 4. Kapitel des SGB V geregelt, weil der Gesetzgeber keine Notwendigkeit dafür gesehen habe. Vielmehr habe er, wie sich aus den Gesetzmaterialien ergebe, die Handhabung der Krankenkassen gebilligt, die Teststreifen wie Hilfsmittel zu behandeln. Daher sei davon auszugehen, dass eine Berechtigung zur Versorgung mit Blutzuckerteststreifen für Apotheken nach den Verträgen gemäß § 129 SGB V bestehe und für sonstige Leistungserbringer nur auf Grundlage von Verträgen nach § 127 SGB V beruhen könne. Ein Abrechnungsanspruch ergebe sich damit ohne eine vertragliche Grundlage für die Klägerin nicht.
Gegen das ihr am 11.09.2017 zugestellte Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer am 04.10.2017 eingelegten Berufung.
Mit am 02.10.2017 bei der Beklagten eingegangen Schreiben ist die Klägerin auch Teil B (Blutzuckerteststreifen) des Vertrages Hilfsmittel zur Diabetestherapie mit sofortiger Wirkung beigetreten, was die Beklagte mit Schreiben vom 19.10.2017 bestätigt hat.
Die Klägerin bringt vor, sie sei sehr wohl mit ihrer Erklärung vom 19.11.2014 wirksam den beiden Verträgen beigetreten. Da sie anders als die Erstunterzeichner die Verträge nicht mit der Beklagten habe aushandeln können, handele es sich bei den streitigen Klauseln um AGB im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Leistungserbringern müsse zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Teilhabeberechtigung aus Art. 12 Abs. 1 GG ein Vertragsbeitritt unter Ausschluss von rechtswidrigen, nicht von der Vertragskompetenz gedeckten oder gegen § 307 BGB verstoßenden Klauseln möglich sein. Mit einem uneingeschränkten Beitritt hätte sie das Recht, die Klauseln im Nachgang zu beanstanden, verloren, weil sie diese dann akzeptiert hätte. Die Versorgungsberechtigung für Blutzuckerteststreifen sei nicht von dem Abschluss eines Vertrages nach §§ 126,127 SGB V abhängig. Entgegen der Rechtsauffassung des SG seien Blutzuckerteststreifen nach § 31 Abs. 1 SGB V weder Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V noch wie Hilfsmittel zu behandeln und fielen daher auch nicht unter das Vertragsregime der §§ 126, 127 SGB V. Dies habe das LSG bereits in dem Beschluss vom 29.10.2015 – L 1 KR 37/15 B ER – so entschieden. Der Gesetzgeber habe die Befugnis der sonstigen Leistungserbringer zur Abgabe von Blutzuckerteststreifen bewusst nicht vom Abschluss eines Vertrages abhängig gemacht. Gegen einen Vergütungsausschluss bei fehlender vertraglicher Grundlage bestünden verfassungsrechtliche Bedenken.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 28. Juni 2017 aufzuheben und festzustellen, dass
1. die Klägerin mit Erklärung vom 19. November 2014 den beiden streitgegenständlichen Verträgen wirksam mit den Maßgaben beigetreten ist, dass der Beitritt unter Ausschluss der Klauseln hinsichtlich
- des Beitrittsrechts für andere Krankenkassen
- der Abhängigkeit des Vertrages vom Erstunterzeichnervertrag sowie
- hinsichtlich des Vertrages "über die Versorgung mit Hilfsmitteln der PG 03 und PG 21 sowie mit Produkten gemäß § 31 SGB V bei insulinpflichtigem Diabetes" nur in Bezug auf Hilfsmittel (Teil A des Vertrages) wirksam geworden ist,
2. die Klägerin berechtigt ist, Blutzuckerteststreifen im Sinne des § 31 SGB V auch ohne Abschluss eines entsprechenden Rahmenvertrages nach § 127 SGB V abzugeben und zu den maßüblichen Preisen abzurechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin sei den Verträgen nicht wirksam beigetreten. Entgegen dem SG sei ein Beitritt nur zu Teil A des Vertrages Hilfsmittel zur Diabetestherapie nicht erfolgt, weil sich die Klägerin an dem Wortlaut ihrer Erklärung vom 19.11.2014 festhalten lassen müsse, in der der Ausschluss der Regelungen zu den Blutzuckerteststreifen ausdrücklich auf den Vertrag Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie bezogen worden sei. Davon unabhängig sei ein Teilbeitritt nicht möglich, weil Blutzuckerteststreifen und die dazugehörigen Hilfsmittel keine klar voneinander abgrenzbaren Versorgungsbereiche oder Produktgruppen darstellten. Die Klägerin habe entgegen § 127 Abs. 2a SGB V den Beitritt nicht "zu den gleichen Bedingungen" erklärt, weil sie einzelne Klauseln ausgeschlossen habe, ohne hierzu berechtigt zu sein. Ein Verstoß gegen Bindungen des AGB-Recht liege schon deshalb nicht vor, weil dieses vorliegend keine Anwendung finde. Für eine Verletzung grundrechtlich geschützter Teilnahmerechte der Klägerin sei nichts ersichtlich. Die Klägerin habe nicht substantiiert vorgetragen, warum die Regelung von Blutzuckerteststreifen und zugehörigen Hilfsmitteln sowie die beiden beanstandeten Klauseln für sie nicht hinnehmbar seien. Es wäre der Klägerin ohne weitere Nachteile zuzumuten gewesen, den Beitritt uneingeschränkt zu erklären und die beiden beanstandeten Klauseln in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung zu stellen. Zutreffend habe das SG erkannt, dass Blutzuckerteststreifen dem Vertragsregime der §§ 126,127 SGB V unterfielen und die Versorgungsberechtigung von einem Vertrag abhängig gemacht werden könne. Zwar seien Blutzuckerteststreifen selbst keine Hilfsmittel, unterfielen aber als Zubehör im Sinne des § 97 BGB zu Hilfsmitteln dem Leistungsanspruch aus § 33 SGB V, weil das Hilfsmittel (Blutzuckermessgerät) ohne diese nicht benutzt werden könne. Ohne Vertragsschluss nach § 127 SGB V bestehe für die Klägerin weder eine Versorgungs- noch eine Abrechnungsberechtigung. Auch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Vergütung zu marktüblichen Preisen komme nicht in Betracht.
Dem Senat haben die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Akten des Eilverfahrens (S 51 KR 934/14 ER, L 1 KR 37/15 B ER) vorgelegen. Hierauf und auf die in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
1. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist hinsichtlich beider Anträge zulässig.
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vorliegt, der Kläger ein (qualifiziertes) Interesse an der Feststellung hat und er sein Rechtsschutzbegehren effektiv nicht durch eine vorrangige Klageart erreichen kann. Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG sind die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen (BSG, Urteil vom 07.12.2006 – B 3 KR 5/06 R – juris Rn. 16; Urteil vom 06.03.2003 – B 11 AL 27/02 R – juris Rn. 13; Urteil vom 13.07.1999 – B 1 A 1/99 R – juris Rn. 12; Urteil vom 15.12.1987 – 6 RKa 14/87 – juris Rn. 10). Zur Klärung rein abstrakter Rechtsfragen darf eine Feststellungsklage nicht erhoben werden (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2017 – B 12 KR 13/15 R – juris Rn. 31; Urteil vom 20.12.2001 – B 4 RA 50/01 R – juris Rn. 30). Gegenstand einer Feststellungsklage können neben der Gültigkeit eines konkreten Vertrages auch das Bestehen und der Umfang konkreter Rechtspositionen aus dem Vertrag sein (vgl. BSG, Urteil vom 27.10.2009 – B 1 KR 4/09 R – juris Rn. 15; Urteil vom 01.09.2005 – B 3 KR 3/04 R – juris Rn. 16; Urteil vom 22.07.2004 – B 3 KR 12/04 R – juris Rn. 16; Urteil vom 10.07.1996 – 3 RK 29/95 – juris Rn. 18). Selbst die Feststellung einzelner Elemente eines Rechtsverhältnisses (Elementenfeststellungsklage) ist zulässig, wenn sicher anzunehmen ist, dass dadurch der Streit der Beteiligten insgesamt bereinigt wird (BSG, Urteil vom 08.09.2015 – B 1 KR 27/14 R – juris Rn. 24). Ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne des § 55 Abs. 1 SGG ist jedes nach der Sachlage vernünftige Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann (BSG, Urteil vom 10.08.2021 – B 2 U 1/20 R – juris Rn. 12; Urteil vom 18.05.2011 – B 3 P 5/10 R – juris Rn. 38).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Feststellungsklage hinsichtlich des Antrages 1 zulässig, weil es sich bei der Wirksamkeit des Beitritts zu einem Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis handelt (vgl. Lungstras in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl., § 127 Rn. 24). Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung besteht, obwohl für die Zeit ab 01.02.2017 (Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie) bzw. 01.03.2017 (Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie) zwischen den Beteiligten kein Streit mehr über die Wirksamkeit des Vertragsbeitritts besteht, nachdem die Klägerin den Beitritt zu den zum 01.02.2017 gerade hinsichtlich der streitigen Klauseln geänderten Verträgen ohne Einschränkungen – wenn auch weiterhin unter Ausschluss der Regelungen zu den Blutzuckerteststreifen – erklärt und die Beklagte dies mit Schreiben vom 17.02.2017 anerkannt hat. Obwohl damit vergangene Rechtsverhältnisse im Streit stehen, können auch diese Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BSG, Urteil vom 21.03.2018 – B 6 KA 44/16 R – juris Rn. 26). In entsprechender Anwendung der zur Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) entwickelten Grundsätze genügt ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann, wobei ein Feststellungsinteresse insbesondere zur Durchsetzung von Folgeansprüchen (Präjudizialität) und bei Wiederholungsgefahr in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 21.03.2018 – B 6 KA 44/16 R – juris Rn. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 55 Rn. 15b). Für ein berechtigtes Interesse an der Feststellung genügt die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage, auch wenn aus dem (abgeschlossenen) Rechtsverhältnis keine Rechtsfolgen mehr hergeleitet werden können (BSG, Urteil vom 09.04.2019 – B 1 KR 3/18 R – juris Rn. 17). Dies ist hier hinsichtlich des Antrages 1 der Fall, weil sich die Frage, ob ein Vertragsbeitritt nach § 127 Abs. 2a SGB V (seit 11.05.2019: § 127 Abs. 2 SGB V) wirksam unter Ausschluss einzelner Klauseln erklärt werden kann, zwischen den Beteiligten erneut stellen kann.
Hinsichtlich des Antrages 2 scheitert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht an dem grundsätzlichen Vorrang der Leistungsklage. Der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren, obwohl er – anders als in § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – keinen ausdrücklichen Niederschlag im Gesetzestext gefunden hat (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 32/13 R – juris Rn. 12). Der Subsidiaritätsgrundsatz dient der Vermeidung überflüssiger Prozesse, weil das Feststellungsurteil nicht vollstreckbar ist und andere Klagearten daher bei typisierender Betrachtungsweise einen effektiveren Rechtsschutz bieten (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R – juris Rn. 11). Ist eine Leistungsklage möglich, ist daher in der Regel das Feststellungsinteresse zu verneinen (BSG, Urteil vom 13.03.2001 – B 3 P 10/00 R – juris Rn. 35). Ausnahmen werden vom Subsidiaritätsgrundsatz gemacht, wenn die Feststellungsklage einen weitergehenden Rechtsschutz ermöglicht (BSG, Urteil vom 20.12.2018 – B 3 KR 11/17 R – juris Rn. 20) oder wenn ohne die Feststellungsklage eine abschließende Streitbeilegung nicht möglich ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 55 Rn. 19b). Im vorliegenden Fall macht zwar die inzwischen beim SG anhängige Klage der Beklagten auf Erstattung der Beträge, die von ihr für Blutzuckerteststreifen gezahlt wurden, die von der Klägerin vom 09.11.2014 bis 28.10.2015 an Versicherte der Beklagten abgegeben wurden (Az. S 30 KR 1315/17), deutlich, dass mit der Feststellungsklage der Streit nicht im Ganzen bereinigt werden kann. Das SG hat gleichwohl die Feststellungsklage nicht für subsidiär gehalten, weil eine Leistungsklage, die vorrangig wäre, nicht möglich sei, da die Beklagte aufgrund des LSG-Beschlusses vom 29.10.2015 – L 1 KR 37/15 B ER – vorläufig bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens (mithin vom 29.10.2015 bis 11.09.2017) zur Erfüllung von Vergütungsansprüchen der Klägerin für die Abgabe von Blutzuckerteststreifen verpflichtet sei. Dies trifft zu. Denn sind von einem Beklagten bereits aufgrund einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG vorläufig Leistungen erbracht worden, kann er deshalb nicht in einem Hauptsacheverfahren erneut zur Leistung verurteilt werden; es bedarf lediglich der Feststellung, dass der Beklagte die Leistungen nicht nur vorläufig zu Recht erbracht hat (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R – juris Rn. 11). In einem solchen Fall steht einer Feststellungsklage der Subsidiaritätsgrundsatz nicht entgegen. Die Gefahr einer überflüssigen Klage besteht nicht. Hat die Klage Erfolg, steht fest, dass der Beklagte zu Recht leistete. Eine Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen scheidet dann aus (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R – juris Rn. 12). Die Beklagte hat denn auch noch nicht für die Zeit ab dem Beschluss vom 29.10.2015 – anders als für die vorhergehende Zeit – gegen die Klägerin eine Erstattungsklage erhoben. Folglich steht für die Zeit ab 29.10.2015 der Subsidiaritätsgrundsatz der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen, was genügt.
2. Die Feststellungsklage ist unbegründet. Die Klägerin ist weder wirksam den streitigen Verträgen über die Versorgung von Hilfsmitteln nach § 127 Abs. 2 SGB V in der bis 10.05.2019 geltenden, hier weiter anzuwendenden Fassung beigetreten (dazu a) noch ist sie berechtigt, Blutzuckerteststreifen ohne Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V abzugeben und zu marktüblichen Preisen abzurechnen (dazu b).
a) Die Klägerin ist mit ihrer Erklärung vom 19.11.2014 weder dem Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie noch dem Vertrag Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie wirksam beigetreten.
(1) Rechtsgrundlage der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Hilfsmittelerbringern und deren vertragsrechtlicher Ausgestaltung sind §§ 126, 127 SGB V. Ursprünglich sah das Gesetz dort ein um fakultative Vertragselemente ergänztes Zulassungsregime vor. Dieses wurde durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) ab 01.04.2007 in ein Vertragsmodell überführt. Nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der bis 10.05.2019 geltenden Fassung dürfen Hilfsmittel an Versicherte nur auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs. 1, 2 und 3 SGB V abgegeben werden. Bei den Verträgen bestand in der hier streitigen Zeit (November 2014 bis Februar 2017) ein dreistufiges System:
- § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V sah den Abschluss von Verträgen "im Wege der Ausschreibung" vor, soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist.
- Soweit Ausschreibungen nicht durchgeführt werden, hatten nach § 127 Abs. 2 SGB V die Krankenkassen oder ihre Verbände oder Arbeitsgemeinschaften Rahmenverträge mit entweder einzelnen Leistungserbringern oder Verbänden von Leistungserbringern oder sonstigen Zusammenschlüssen von Leistungserbringern zu schließen über "die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung".
- Konnte hierdurch eine zumutbare Versorgung im Einzelfall nicht gewährleistet werden, sah § 127 Abs. 3 SGB V zu deren Sicherstellung Einzelvereinbarungen vor.
Dieses dreistufige System von Ausschreibung, Rahmenvertrag und Einzelvereinbarung reduzierte das Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 06.05.2019 (BGBl. I S. 646) zum 11.05.2019 auf ein zweistufiges System, indem es die bis dahin in § 127 Abs. 1 SGB V geregelte Ausschreibungsoption abschaffte. Seither haben die Krankenkassen die Hilfsmittelversorgung ihrer Versicherten im Wege von Rahmenverträgen (§ 127 Abs. 1 SGB V in der ab 11.05.2019 geltenden Fassung) mit Beitrittsmöglichkeit (§ 127 Abs. 2 SGB V in der ab 11.05.2019 geltenden Fassung) sicherzustellen; daneben besteht weiterhin die Möglichkeit einer Einzelvereinbarung (§ 127 Abs. 3 SGB V). Den Vertragsbeitritt sah das Gesetz auch in der hier streitigen Zeit nur bei Rahmenverträgen vor.
§ 127 Abs. 2a Satz 1 SGB V in der bis 10.05.2019 geltenden Fassung bestimmt, dass Leistungserbringer den Verträgen nach § 127 Abs. 2 Satz 1 SGB V zu den gleichen Bedingungen als Vertragspartner beitreten können, soweit sie nicht auf Grund bestehender Verträge bereits zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Durch den Vertragsbeitritt nach § 127 Abs. 2a SGB V kommt ein eigenständiger Vertrag zwischen Krankenkasse und beitretendem Hilfsmittelerbringer zustande. Denn während ein Vertragsbeitritt im Zivilrecht dadurch gekennzeichnet ist, dass an dem Vertrag eine weitere Person mit den Rechten und Pflichten einer Vertragspartei beteiligt wird (Kieninger in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 398 Rn. 192; Herresthal in: BeckOGK BGB, § 311 Rn. 147 ff.), ist ein solches Einrücken in die volle Rechtsstellung des Leistungserbringers, mit dem der Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V geschlossen wurde, von § 127 Abs. 2a SGB V nicht gewollt. Denn § 127 Abs. 2a SGB V räumt dem beitretenden Leistungserbringer keine Möglichkeit ein, über den Inhalt des Vertrages mitzubestimmen, sondern erlaubt den Beitritt allein "zu den gleichen Bedingungen", wie sie mit dem anderen Hilfsmittelerbringer vertraglich vereinbart wurden. Folglich entsteht durch den Beitritt ein eigenständiges Schuldverhältnis, das mit dem nach § 127 Abs. 2 SGB V abgeschlossenen Vertrag nicht identisch, sondern nur von ihm inhaltlich abhängig ist. Insoweit gleicht die Situation derjenigen beim Beitritt von Leistungserbringern zu den von der Rechtsprechung zugelassenen Kollektiverträgen im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 132a SGB V), durch den ebenfalls ein eigenständiger Vertrag zwischen beitretendem Leistungserbringer und Krankenkasse zustande kommt (BSG, Urteil vom 17.07.2008 – B 3 KR 23/07 R – juris Rn. 26). Allerdings wird dort davon ausgegangen, dass der Beitritt nicht bereits durch einseitige Erklärung des Leistungserbringers bewirkt wird; vielmehr gibt der Leistungserbringer mit der Erklärung, dem Kollektivvertrag beizutreten, ein Angebot auf Abschluss eines Versorgungsvertrages nach § 132a SGB V ab, das die Krankenkasse nach Prüfung der Voraussetzungen für einen wirksamen Beitritt noch annehmen muss (BSG, Urteil vom 24.01.2008 – B 3 KR 2/07 R – juris Rn. 24; vgl. auch BSG, Urteil vom 24.01.2008 – B 3 KR 2/07 R – juris Rn. 24, wonach die Krankenkasse vorab ihre Zustimmung erteilen kann). Diese rechtliche Konstruktion dient dazu, kollektivvertragliche Regelungen in einem Versorgungsbereich zu ermöglichen, dessen gesetzliches Leitbild der Einzelvertrag ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.11.2010 – B 3 KR 1/10 R – juris Rn. 39). Sie ist auf den Beitritt zu einem Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V mit einem einzelnen Hilfsmittelerbringer nicht übertragbar. Bei dem in § 127 Abs. 2a SGB V eingeräumten Beitrittsrecht handelt es sich daher um ein Gestaltungsrecht, das durch eine einseitige Willenserklärung gegenüber der Krankenkasse ausgeübt wird, und nicht um ein Vertragsangebot, das einer Annahmeerklärung der Krankenkasse bedarf (Lungstras in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl., § 127 Rn. 19; Nusser in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 127 SGB V Rn. 35; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.02.2012 – L 9 KR 389/11 B ER – juris Rn. 8).
Durch den Beitritt nach § 127 Abs. 2a SGB V kommt ein eigenständiger Vertrag (Beitrittsvertrag) "zu den gleichen Bedingungen" wie in dem nach § 127 Abs. 2 SGB V verhandelten Vertrag (Verhandlungsvertrag) zustande. Dem beitrittswilligen Hilfsmittelerbringer räumt § 127 Abs. 2a SGB V ein Beitrittsrecht ein, aber kein Bestimmungsrecht über die vertraglichen Bedingungen der Versorgung der Versicherten; vielmehr hängt der Beitrittsvertrag inhaltlich von dem Verhandlungsvertrag ab. Zu Recht wird allerdings davon ausgegangen, dass auch ein Teilbeitritt zu einem Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V möglich sein muss (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2012 – L 1 KR 18/12 B ER – juris Rn. 37 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.04.2011 – L 16 KR 7/11 B ER – juris Rn. 30; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.03.2011 – L 11 KR 4724/10 ER-B – juris Rn. 31; Lungstras in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl., § 127 Rn. 20; Nolte in: Kasseler Kommentar, § 127 SGB V Rn. 14; Nusser in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 127 SGB V Rn. 25; Schneider in: jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 127 Rn. 39; Weber, NZS 2011, 53 ff.). Allerdings kann über einen Teilbeitritt nicht jede unliebsame Vertragsklausel abbedungen werden. Vielmehr ist ein Teilbeitritt nur für sächlich oder räumlich abtrennbare Versorgungsbereiche, insbesondere für einzelne Produktgruppen, zulässig. Dahinter steht die Erwägung, dass andernfalls eine Krankenkasse durch Einbeziehung mehrerer oder im Extremfall aller Versorgungsbereiche den Kreis der möglichen Vertragspartner auf einige wenige Hilfsmittelerbringer beschränken und den Beitritt kleiner Leistungserbringer gegen die Intentionen des Gesetzgebers durch eine de-facto-Vergabe ausschließen könnte (Lungstras in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl., § 127 Rn. 20). Der Teilbeitritt kann daher zulässigerweise nur für abtrennbare Versorgungsbereiche erklärt werden, für diese allerdings nur "zu den gleichen Bedingungen" wie in dem Verhandlungsvertrag. Werden dagegen einzelne Klauseln des Vertrages von der Beitrittserklärung ausgenommen, kommt entsprechend der Wertung des § 150 Abs. 2 BGB ein Beitrittsvertrag nicht zustande, sondern wird der bestehende Vertrag mit dem anderen Hilfsmittelerbringer nur zur Grundlage eines eigenen Vertragsangebots. Dieses Angebot bedarf der Annahme durch die Krankenkasse und führt in diesem Fall nicht zu einem Beitrittsvertrag nach § 127 Abs. 2a SGB V, sondern zu einem (neuen) Verhandlungsvertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V.
(2) Einen im vorbezeichneten Sinne wirksamen Beitritt zu den beiden streitigen Verträgen hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 19.11.2014 nicht erklärt.
Zwar wäre – wie das SG zutreffend erkannt hat – ein Teilbeitritt nur zu Teil A des Vertrages Hilfsmittel zur Diabetestherapie zulässig. Denn der damit ausgeschlossene Teil B des Vertrages betrifft mit den Blutzuckerteststreifen einen abtrennbaren Produktbereich. Die hiergegen von Beklagtenseite vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Die von Teil B des Vertrages erfassten Blutzuckerteststreifen mögen im Sinne von § 97 BGB Zubehör der von Teil A des Vertrages erfassten Blutzuckertestgeräte sein und beide nicht unabhängig voneinander zu ihrem bestimmungsmäßigen Zweck benutzt werden können. Es mag auch sein, dass alle sonstigen Leistungserbringer im Bereich der Diabetesversorgung Blutzuckerteststreifen und -geräte aus einer Hand anbieten und praktisch kein Leistungserbringer nur Blutzuckertestgeräte ohne die dazugehörigen Teststreifen anbietet. Dies bedeutet aber nicht, dass Teststreifen und Testgeräte eine untrennbare Einheit darstellen. Dagegen spricht in rechtlicher Hinsicht schon § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V, der Blutzuckerteststreifen wie Arzneimittel und damit anders behandelt als die Blutzuckermessgeräte, die allein § 33 SGB V zugeordnet werden können. Auch in tatsächlicher Hinsicht sind Testgeräte und Teststreifen versorgungstechnisch sehr wohl voneinander abgrenzbar, zumal – wie die Beklagte selbst vorgebracht hat – der wirtschaftliche Schwerpunkt in der ihrer Natur nach auf Dauer angelegten Diabetesversorgung eindeutig bei den Blutzuckerteststreifen liegt. Dafür dass dem hier streitigen Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie eine Mischkalkulation zwischen Testgeräten und -streifen zugrunde liegt, die einem Teilbeitritt entgegenstehen könnte (zu diesem Gedanken: Lungstras in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl., § 127 Rn. 20), hat die Beklagte nichts vorgebracht und ist auch sonst nichts ersichtlich. Soweit die Beklagte die Klägerin an dem Wortlaut ihrer Erklärung vom 19.11.2014 festhalten lassen will, in der der Ausschluss der Regelungen zu den Blutzuckerteststreifen ausdrücklich auf den Vertrag Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie bezogen wurde, ist dem entgegenzuhalten, dass nach dem auch im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren § 133 BGB bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen ist und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Bei Betrachtung des gesamten Schreibens vom 19.11.2014 wird klar, dass die Klägerin bei den Überschriften über den von ihr ausgeschlossenen Vertragsvorschriften offensichtlich die Bezeichnungen der Verträge vertauscht hat. Denn nicht nur die Preisregelung zu den Blutzuckerteststreifen befindet sich nicht in dem Vertrag Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie, sondern auch sämtliche zitierten Vorschriften haben ihren Regelungsort in dem jeweils anderen Vertrag.
Dennoch führt die Erklärung vom 19.11.2014 bei keinem der beiden Verträge zu einem wirksamen Beitritt. Denn die Klägerin hat von dem Beitritt nicht nur bei einem Vertrag einen abgrenzbaren Produktbereich ausgenommen, sondern bei beiden Verträgen ausdrücklich Klauseln ausgeschlossen, die die Gesamtregelung des jeweiligen Vertrages betreffen – nämlich die Klauseln hinsichtlich des Beitrittsrechts für andere Krankenkassen, der Abhängigkeit des Vertrags vom Erstunterzeichnervertrag und der Rechnungskürzungen bei Fristüberschreitungen. In einem solchen Fall kommt – wie bereits ausgeführt – entsprechend der Wertung des § 150 Abs. 2 BGB ein Beitrittsvertrag nicht zustande.
(3) Der Beitritt zu den streitigen Verträgen ist auch nicht deshalb als wirksam anzusehen, weil die von der Klägerin beanstandeten Klauseln gegen § 307 BGB verstoßen.
Allerdings ist die Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Verträge nach § 127 SGB V nicht schon grundsätzlich ausgeschlossen. Soweit der Senat in dem Beschluss vom 29.10.2015 (L 1 KR 37/15 B ER – juris Rn. 79 ff.) eine andere Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht weiter fest. Seitdem das AGB-Recht in das BGB integriert wurde, kommt eine Klauselkontrolle bei der Verwendung standardisierter Verträge über die dynamische Verweisung in § 61 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 62 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) auch bei öffentlich-rechtlichen Verträgen grundsätzlich in Frage. Eine Klauselkontrolle ist deswegen allerdings nicht stets zulässig. Denn die Vorschriften des BGB gelten nach § 61 Satz 2 SGB X, § 62 Satz 2 VwVfG nicht unmittelbar, sondern sind nur entsprechend anwendbar. Es ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine vergleichbare Interessenlage für eine Heranziehung der §§ 305 ff. BGB spricht oder ob umgekehrt öffentlich-rechtliche Grundsätze einer solchen möglicherweise entgegenstehen (vgl. Thiele in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Aufl., § 62 Rn. 26). Die in diesem Zusammenhang immer wieder ins Feld geführten §§ 55, 58 SGB X und §§ 56, 59 VwVfG (Engelmann in: Schütze, SGB X, 9. Aufl., § 61 Rn. 14; Bonk/Neumann/Siegel in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 62 Rn. 33; Fehling in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 62 VwVfG Rn. 15) stehen der Heranziehung von §§ 305 ff. BGB nicht entgegen. Trotz partieller Gleichgerichtetheit in der Zielsetzung (Schutz des Vertragspartners) unterscheiden sich beide Regelungskomplexe in den Regelungsgegenständen und Kontrollmaßstäben, weshalb sie sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern richtigerweise in einem wechselseitigen Ergänzungsverhältnis stehen (Bauer in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 62 VwVfG Rn. 67). Soweit vielfach bei koordinationsrechtlichen Verträgen eine entsprechende Anwendung der §§ 305 ff. BGB mangels einer dem Zivilrecht entsprechenden Interessenlage prinzipiell abgelehnt wird (Kämmerer in: BeckOK VwVfG, § 62 Rn. 24; Bonk/Neumann/Siegel in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 62 Rn. 32; Engelmann in: Schütze, SGB X, 9. Aufl., § 61 Rn. 14), mag dies bei koordinationsrechtlichen Verträgen zwischen Verwaltungsträgern zutreffen, nicht aber bei koordinationsrechtlichen Verträgen zwischen Staat und Bürger (Fehling in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 62 VwVfG Rn. 13), die, wie gerade das Sozialrecht mit seiner Vielzahl von Verträgen zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern – unter anderem in § 127 SGB V – zeigt, keinesfalls nur eine theoretische Kategorie sind. Gerade bei koordinationsrechtlichen Verträgen mit Leistungserbringern wird noch eher als bei subordinationsrechtlichen Verträgen mit Leistungsempfängern eine Klauselkontrolle in Betracht kommen. Diese ist zwar, weil Leistungserbringer meist Unternehmer sein werden, nach § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB beschränkt und mag dann wenig gewinnbringend sein, wenn zum Beleg der unangemessenen Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB auf Vorschriften des öffentlichen Rechts Rückgriff genommen werden muss. Der Rückgriff auf das AGB-Recht kann aber durchaus einen Mehrwert haben. So lässt sich etwa über ihn die unter Umständen ungünstige Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit des Vertrages (§ 58 Abs. 3 SGB X) vermeiden, indem ausschließlich die benachteiligende Klausel für unwirksam erklärt wird (§ 306 Abs. 1 BGB).
Eine Kontrolle der von der Klägerin beanstandeten Klauseln am Maßstab des § 307 BGB kommt gleichwohl nicht in Betracht. Denn diese setzt voraus, dass AGB in vertragliche Beziehungen einbezogen wurden, was hier nicht der Fall ist. Zwar spricht einiges dafür, dass es sich – entgegen dem SG – bei den Bedingungen in Verträgen nach § 127 Abs. 2 SGB V für die beitrittswilligen Leistungserbringer um AGB handelt. Dies bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung, weil die AGB-Kontrolle immer das Zustandekommen eines Vertrages voraussetzt. Auch wenn der Begriff "Vertragsbedingungen" in der Legaldefinition der AGB (§ 305 Abs. 1 BGB) nicht in einem engen Sinne ausschließlich Bestandteile eines Vertrages erfasst, so muss doch immer ein Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung bestehen (Lehmann-Richter in: BeckOGK BGB, § 305 Rn. 87). Dies ist dann nicht der Fall, wenn – wie hier – das Zustandekommen des Vertrages an § 150 Abs. 2 BGB scheitert. Eine Vertragsfiktion – wie sie die Klägerin letztlich begehrt – lässt sich folglich über die §§ 305 ff. BGB nicht erreichen.
(4) Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen kann die Klägerin nicht beanspruchen, dass der Beitritt zu den streitigen Verträgen aufgrund der Erklärung 19.11.2014 als wirksam anzusehen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil. Auch im Berufungsverfahren hat die Klägerin nichts Konkretes dazu vorgetragen, warum es ihr aus verfassungsrechtlichen Gründen unzumutbar gewesen sein sollte, zunächst ohne Einschränkungen den Beitritt zu den beiden Verträgen zu erklären und im Nachgang eine gerichtliche Kontrolle der von ihr beanstandeten Klauseln in die Wege zu leiten. Von Rechts wegen wäre sie daran nicht gehindert gewesen. Anders als sie im Berufungsverfahren vorgebracht hat, hätte der vorbehaltslose Beitritt keineswegs den Verzicht auf eine nachgehende Klauselkontrolle bedeutet. Hinzu kommt, dass die Klägerin in dem Schreiben vom 19.11.2014 bei dem Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie auch noch dessen § 18 Abs. 3 ausdrücklich vom Beitritt ausgeschlossen hat. Da sie diese Klausel im gerichtlichen Verfahren überhaupt nicht mehr beanstandet hat, scheiterte an diesem Ausschluss der Beitritt zum Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie ohnehin schon.
b) Die Klägerin ist nicht berechtigt, Blutzuckerteststreifen ohne Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V abzugeben und zu marktüblichen Preisen abzurechnen.
Die Teilnahme an der Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten setzt grundsätzlich das Bestehen eines Vertrages des Leistungserbringers mit der Krankenkasse voraus. Denn nach § 2 SGB V stellen die Krankenkassen ihren Versicherten die Sach- und Dienstleitungen, auf die sie Anspruch haben, als solche zur Verfügung (Absatz 2 Satz 1). Um dies zu bewirken, schließen die Krankenkassen mit den Leistungserbringern Verträge (Absatz 2 Satz 3). Dieser Grundsatz ist im 4. Kapitel des SGB V näher ausgestaltet und kennt in bestimmten Versorgungsbereichen Ausnahmen.
Eine Ausnahme davon, dass die Versorgungsberechtigung einen Vertrag des Leistungserbringers mit der Krankenkasse voraussetzt, macht das Gesetz bei den Blutzuckerteststreifen nicht.
Diese Teststreifen erwähnt das Gesetz ausschließlich in § 31 SGB V. Diese leistungsrechtliche Bestimmung weist insoweit in das Leistungserbringungsrecht, als nach § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V die Versicherten für die Versorgung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V – mithin auch für diejenige mit Harn- und Blutteststreifen – unter den Apotheken frei wählen können, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V Geltung hat. Hierauf verweist § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V, weil die Leistungsberechtigung der Apotheken in der Einbeziehung in den Geltungsbereich dieses Vertrages ihre Rechtsgrundlage hat (vgl. Volkwein in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 3. Aufl., § 129 SGB V Rn. 3). Hätte die Regelung des § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V für die Versorgung mit Blutteststreifen abschließenden Charakter, dürften sie von anderen Leistungserbringern nicht erbracht werden. Dies ist indessen nicht der Fall.
Vielmehr lässt das Gesetz eine Versorgung mit Blutzuckerteststreifen auch durch Hilfsmittelerbringer zu, mit denen allerdings – wie sich aus § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V unmissverständlich ergibt – ein Vertrag nach § 127 SGB V bestehen muss. Möglich ist dies deshalb, weil die Blutteststreifen zwar leistungsrechtlich von § 31 Abs. 1 Satz SGB V den Arzneimitteln gleichgestellt sind, sie zugleich aber als Applikationshilfen den Charakter von Hilfsmitteln haben. Denn in § 31 SGB V wurden die Blutteststreifen erstmals durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) aufgenommen – allerdings nicht in Absatz 1, sondern in Absatz 3 zur Klarstellung, dass für sie keine Zuzahlung zu leisten ist. Ein Bedürfnis hierfür sah der Gesetzgeber, weil nach damaligem Arzneimittelrecht Blutteststreifen als Arzneimittel galten (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 AMG in der ab 01.01.1988 geltenden Fassung), sie im Krankenversicherungsrecht von den Krankenkassen aber den Applikationshilfen zugeordnet und somit wie Hilfsmittel behandelt wurden, wodurch sie zuzahlungsfrei waren, während für Arzneimittel Zuzahlungen zu leisten waren (BT-Drucks. 12/3937, S. 12). Der Gesetzgeber wollte die Verwaltungspraxis der Krankenkassen nicht ändern, sondern zusätzlich absichern. Aufnahme in § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V fanden die Blutteststreifen erst mit dem 2. GKV-Neuordnungsgesetz vom 30.06.1997 (BGBl. I S. 1520). Hintergrund dafür war, dass mit diesem Gesetz der Leistungsanspruch aus § 31 SGB V auf die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln beschränkt wurde (vgl. BT-Drucks. 13/6087, S. 23), wovon Harn- und Blutteststreifen allerdings nicht betroffen sein sollten (kritisch zur Aufnahme dieser Teststreifen in § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V – "systemwidrig" – Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 31 SGB V Rn. 23). Arzneimittelrechtlich waren diese Teststreifen bis zur Neufassung des § 2 Abs. 2 AMG zum 28.01.2022 weiterhin Geltungsarzneimittel, seither sind sie Medizinprodukte (In-vitro-Diagnostika – vgl. Pitz in: jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 31 Rn. 55). Der Blick auf die Regelungsgeschichte macht deutlich, dass die leistungsrechtliche Gleichstellung der Blutteststreifen mit den Arzneimitteln daran nichts ändern soll, dass sie zugleich – mithin gerade auch im Leistungserbringungsrecht – als Applikationshilfen und damit wie Hilfsmittel behandelt werden.
Kann also die Versorgung mit Blutzuckerteststreifen nicht nur durch Apotheken erfolgen, sondern auch durch Hilfsmittelerbringer, so setzt dies seit Einführung des Vertragsmodells in den §§ 126, 127 SGB V ab 01.04.2007 voraus, dass mit dem Hilfsmittelerbringer ein Vertrag besteht (§ 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Anders verhielt es sich noch nach der zuvor geltenden Rechtslage, über die der Senat in seinem Urteil vom 24.08.2011 – L 1 KR 74/09 – zu entscheiden hatte. Auch in diesem Urteil ging der Senat davon aus, dass die Berechtigung von Hilfsmittelerbringern zur Versorgung Versicherter mit Blutzuckerteststreifen ungeachtet § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V ihre Rechtsgrundlage in den §§ 126, 127 SGB V hat (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 24.08.2011 – L 1 KR 74/09 – juris Rn. 27). Das vor dem 01.04.2007 nach §§ 126, 127 SGB V geltende Zulassungsmodell ließ es allerdings zu, dass trotz Versorgungsberechtigung ein vertragsloser Zustand besteht. Allein aus diesem Grunde hat der Senat eine Vergütung ohne Bestehen eines Vertrages über die Versorgung mit Blutzuckerteststreifen zugesprochen. Dies ist nach dem ab 01.04.2004 und damit in der streitigen Zeit geltenden Vertragsmodell nicht mehr möglich, weil dieses nicht mehr eine Versorgungsberechtigung über eine gesonderte Zulassung, sondern ausschließlich durch einen Vertrag kennt (§ 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der ab 01.04.2007 geltenden Fassung).
Hing daher die Berechtigung der Klägerin zur Versorgung der Versicherten mit Blutzuckerteststreifen in der streitigen Zeit von dem Bestehen eines Vertrages nach § 127 SGB V mit der Beklagten ab, der aber nicht bestand, so kann sie von dieser für eine gleichwohl erfolgte Versorgung deren Versicherter keine Vergütung beanspruchen – und zwar auch nicht auf bereicherungsrechtlicher Grundlage oder über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Denn es ist höchstrichterlich geklärt, dass Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen Vorschriften erbracht worden sind, die bestimmte formale oder inhaltliche Voraussetzungen aufstellen, eine Abgeltung selbst dann nicht beanspruchen können, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden sind (BSG, Urteil vom 12.08.2021 – B 3 KR 8/20 R – juris Rn. 20; Urteil vom 20.04.2016 – B 3 KR 23/15 R – juris Rn. 32; Urteil vom 17.11.2015 – B 1 KR 12/15 R – juris Rn. 23; Urteil vom 23.06.2010 – B 6 KA 7/09 R – juris Rn. 67; Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 22/07 R – juris Rn. 21; Urteil vom 24.01.2008 – B 3 KR 17/07 R – juris Rn. 28). Dies gilt zwar nur, wenn zwingende Gründe die Einhaltung von formalen oder inhaltlichen Voraussetzungen erfordern, weil sonst die Funktionsfähigkeit des Systems der Leistungserbringung in Frage gestellt würde (BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 15/06 R – juris Rn. 17). Dies ist aber insbesondere bei der Zulassung zur Leistungserbringung und der Einhaltung ihrer Reichweite der Fall (BSG, Urteil vom 24.01.2008 – B 3 KR 17/07 R – juris Rn. 28 ff.). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Klägerin in der streitigen Zeit über keinen ihre Versorgungsberechtigung begründenden Vertrag mit der Beklagten verfügte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.