L 17 U 131/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 17 U 913/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 131/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 44/22 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 02.03.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

 

I.

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

 

Die 1960 geborene Klägerin wohnt in der T-Straße 5 in X. Ihre Arbeitsstätte, eine Kirchengemeindeverwaltung, befindet sich in der B-Straße in I. Die Klägerin verbrachte das Wochenende vom 25.11.2016 bis zum Morgen des 27.11.2016, einem Montag, in C in Niedersachsen. Sie reiste am Morgen von C ab mit dem Ziel, zunächst nach Hause zu fahren, um dort einen Schlüssel und verschiedene Unterlagen zu holen, welche sie für die Verrichtung ihrer Arbeitstätigkeit benötigte, und sodann zu ihrer Arbeitsstätte zu fahren. Arbeitsbeginn sollte an jenem Tag für die Klägerin um 11 Uhr sein. Um 08.55 Uhr erlitt die Klägerin auf dem Weg zu ihrer Wohnung (Fahrabschnitt der Bundesstraße 01 in Richtung X etwa acht Kilometer vor der Stadt) einen Verkehrsunfall.

 

Mit Bescheid vom 20.03.2017 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen: Der Umstand, dass der Unfall sich nicht auf dem Weg von der Wohnung der Klägerin zur Arbeitsstätte ereignet habe, sondern auf dem Weg ausgehend von dem deutlich weiteren Ort C schließe eine Anerkennung als Arbeitsunfall aus. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Sie meinte, ihr Fall dürfe nicht anders beurteilt werden als der Fall eines Angestellten, der am Arbeitsplatz angekommen feststelle, dass er Unterlagen vergessen habe, und nach Hause umkehre, um dieselben zu holen. Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft von der Arbeitgeberin der Klägerin ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2017 wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück: Der deutlich längere Anfahrtsweg von C stehe einer Anerkennung als Arbeitsunfall entgegen. Ebenfalls entgegen stünde, dass nach der ihr von der Arbeitgeberin erteilten Auskunft die Klägerin um die Erforderlichkeit gewusst habe, zunächst nach Hause und dann zur Arbeitsstätte zu fahren.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 06.10.2017 Klage beim Sozialgericht (SG) erhoben. Sie hat im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

 

Die Beklagte hat ihre Entscheidung für rechtmäßig gehalten.

 

Die Klägerin hat schriftsätzlich wörtlich beantragt,

 

den Bescheid der Beklagten vom 20.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2017, zugestellt am 15.09.2017, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und das Ereignis vom 27.11.2016 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Sozialgesetzbuch VII – Gesetzliche Unfallversicherung – anzuerkennen.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Mit Urteil vom 02.03.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt:

„Bei dem streitbefangenen Ereignis vom 27.11.2016 hat es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Eine versicherte Tätigkeit ist nach Maßgabe von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Im vorliegenden Fall ist der Tatbestand der zitierten Vorschrift schlechterdings nicht erfüllt. Das Ereignis, welches bei der Klägerin zu einem Gesundheitsschaden geführt hat, hat sich weder auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte noch auf dem Weg von ihrer Arbeitsstätte zugetragen, sondern auf dem Weg von C zu ihrer Wohnung. Eine Erweiterung des Tatbestandes der zitierten Norm dahin, dass auch Wege von einem dritten Ort zur Wohnung versichert seien, wenn dort Arbeitsmaterialien aufgenommen werden sollten, besteht nicht. Entsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob dieser dritte Ort weit entfernt ist oder nahe zur Wohnung des Versicherten liegt.

Einer Auseinandersetzung der Kammer mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.11.2018 (B 2 U 7/17 R, juris) bedurfte es ebenso wenig, weil die Klägerin in jenem Fall auf einem nach § 8 Abs.1 S.1 SGB VII geschützten Betriebsweg verunfallt ist und nicht auf einem Weg i.S.v. § 8 Abs.1 S.2 Nr.1 SGB VII.“

 

Am 17.03.2021 ist der Klägerin dieses Urteil zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 26.03.2021 eingelegte Berufung. Zu deren Begründung wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und weist darauf hin, „Weg“ sei die Strecke zwischen einem Start- und Zielpunkt. Bei allen (Hin-)Wegen setze § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII den Ort der versicherten Tätigkeit als Zielpunkt fest („nach“), lasse aber zugleich den Standpunkt offen, sodass anstelle der Wohnung auch ein anderer (sog. „dritter“) Ort Ausgangspunkt sein könne, sofern sich der Versicherte an diesem Ort mindestens zwei Stunden aufgehalten habe. Zwischen dem in jedem Einzelfall zu ermittelnden Startpunkt und dem gesetzlich festgelegten Zielpunkt sei nicht der Weg an sich, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf der Strecke zwischen beiden Punkten mit der Handlungstendenz, den jeweils versicherten Ort zu erreichen. Wäre der Unfall auf dem direkten Weg der Klägerin von C, wo sie sich länger als zwei Stunden aufgehalten habe, zu dem neuen Gemeindezentrum geschehen, wäre sie bei dem Sichfortbewegen auf dem direkten Weg zwischen diesen beiden Punkten verunfallt. Auf die Einzelheiten wird Bezug genommen.

 

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

das Urteil des SG Dortmund vom 02.03.2021 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 20.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 27.11.2016 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Sozialgesetzbuch VII anzuerkennen.

 

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Autounfall der Klägerin stelle keinen Arbeitsunfall dar, da er weder als Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII noch als Unfall auf einem Betriebsweg nach § 8 Abs. 1 S.1 SGB VII unter Versicherungsschutz stünde. Auf die Einzelheiten der Erläuterungen wird Bezug genommen.

 

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 09.07.2021, dem Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 21.07.2021, zu einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

 

Mit Schreiben vom 11.08.2021 hat der Prozessbevollmächtigte auf das in der Terminvorschau des BSG vom 10.08.2021 genannte Verfahren B 2 U 2/20 R sowie auf den Terminsbericht Nr. 32/21 Ziffer 2 zur gesetzlichen Unfallversicherung hingewiesen. Dort sei das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das LSG zurückgewiesen worden, weil das objektive Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem dritten Ort bei einer entsprechenden subjektiven Handlungstendenz unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung stehe, ohne dass es auf einen wertenden Angemessenheitsvergleich mit der üblichen Wegstrecke, den Zweck des Aufenthalts am dritten Ort, die Beschaffenheit der Wege, das benutzte Verkehrsmittel, den Zeitaufwand, das Unfallrisiko oder weitere Kriterien ankomme.

 

Hierauf hat das LSG mit Schreiben vom 12.08.2021 den Hinweis erteilt, dass die Klägerin vorliegend nicht auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz, sondern auf dem Weg nach Hause verunglückt sei. Es handele sich insofern um eine grundlegend andere Konstellation als in dem vom BSG entschiedenen Fall, wo sich die Kläger möglicherweise auf dem unmittelbaren Weg zur beruflichen Tätigkeit befunden haben. Es verbleibe daher bei den Hinweisen im Schriftsatz vom 09.07.2021.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

 

 

 

II.

Der Senat konnte nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden.

 

 

 

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

 

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2017 ist rechtmäßig.

 

Bei dem Ereignis vom 27.11.2016 hat es sich nicht um einen Arbeitsunfall i.S.d. § 8 SGB VII gehandelt.

 

Arbeitsunfälle nach Abs. 1 S. 1 der Norm sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Eine versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

 

In Übereinstimmung mit dem SG ist auch nach Überzeugung des Senates vorliegend der Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII offenkundig nicht erfüllt. Das Ereignis, welches bei der Klägerin zu einem Gesundheitsschaden geführt hat, hat sich weder auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte noch auf dem Weg von ihrer Arbeitsstätte zugetragen, sondern auf dem Weg von einem dritten Ort, nämlich von C zu ihrer Wohnung. Eine Erweiterung des Tatbestandes der zitierten Norm dahin, dass auch Wege von einem dritten Ort zur Wohnung versichert seien, wenn dort Arbeitsmaterialien aufgenommen werden sollten, existiert nicht. Vor diesem Hintergrund ist es nach Ansicht des Senates, entgegen der Überzeugung der Klägerin, unerheblich, ob dieser dritte Ort weit entfernt ist oder nahe zur Wohnung des Versicherten liegt.

 

Auch aus dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren ergibt sich keine für sie günstigere Entscheidung, da es sich im Wesentlichen wiederholt und der Sachverhalt zwischen den Beteiligten hingegen unstreitig ist. Zur Vermeidung weiterer Wiederholungen verweist der Senat vor diesem Hintergrund auf die zutreffenden Ausführungen in der sozialgerichtlichen Entscheidung, die er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG) sowie auf seine Hinweise vom 09.07.2021 und vom 12.08.2021.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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