L 15 U 439/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 37 U 400/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 439/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 2/23 R
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.05.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Streitig ist ein Anspruch auf Verletztengeld.

 

Der 1957 geborene Kläger war von 1975 bis 1988 aktiver Profifußballer und absolvierte anschließend eine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Seit 1994 betreibt er in H eine Praxis für Physiotherapie und Krankengymnastik. Er beschäftigt ein Team von angestellten Physiotherapeuten und hat bis Ende 2014 selbst als Physiotherapeut mitgearbeitet. Seine Ehefrau ist in der Praxis im administrativen Bereich tätig. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2016 weisen für den Kläger folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit/freiberuflicher Tätigkeit aus:

 

Kalenderjahr

Selbstständige Arbeit/Freiberufliche Tätigkeit

Gewerbebetrieb

2013

134.551,00 €

-25.773,00 €

2014

159.560,00 €

-2.629,00 €

2015

156.109,00 €

-7.411,00 €

2016

140.174,00 €

18.899,00 €

 

Bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit/freiberuflicher Tätigkeit handelt es sich um den steuerrechtlich relevanten Gewinn aus der Tätigkeit des Klägers als Betreibers einer Praxis für Physiotherapie und Krankengymnastik.

 

Die Beklagte hat bei dem Kläger als Folge der bei ihr versichert gewesenen Beschäftigung als Berufsfußballspieler eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV; nachfolgend BK 2102) anerkannt und zahlt dem Kläger aus Anlass dieser BK seit dem 29.07.2013 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vom Hundert (Bescheide vom 08.01.2014, 26.03.2014 und 14.06.2016). Seit dem 22.12.2014 bescheinigt ihm sein behandelnder Orthopäden Dr. R darüber hinaus Arbeitsunfähigkeit infolge der BK 2102. Auf Nachfrage der Beklagten teilte Dr. R dieser im März 2015 mit, er halte den Kläger für nicht geeignet, die Physiotherapie-Tätigkeit auf Dauer auszuüben, so dass der Kläger auf Dauer arbeitsunfähig sei.

 

Der Kläger schätzte in einem Gespräch mit der Beklagten am 10.03.2015 den Anteil seiner Mitarbeit als Physiotherapeut an seiner gesamten Tätigkeit für den Betrieb auf etwa 80 v. H. ein. Mit Schreiben vom 15.04.2015 bat die Beklagte die AOK, dem Kläger für die Zeit vom 22.12.2014 bis zum 31.03.2015 kalendertäglich Verletztengeld unter Berücksichtigung des § 47 SGB V i. H. v. 80,00 € nach einem Regelentgelt (= Bemessungsentgelt) von 100,00 €, das sich als Vorschuss aus den zu erwartenden Einnahmen aus dem Jahr 2013 ergebe, zu zahlen. Eine mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Durchschrift dieses Schreibens wurde dem Kläger zur Kenntnis übersandt. Dieser legte anschließend eine „terminbezogene Mitarbeiter-Statistik“ für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2014 vor, in der die Anzahl der Termine mit insgesamt 24.760 und für den Kläger mit 473 angegeben wird. Auf Nachfrage der Beklagten zum Umfang seiner Mitarbeit als Physiotherapeut teilte der Kläger mit Schreiben vom 28.09.2015 mit, dass die übersandte Statistik den Umfang seiner therapeutischen Tätigkeit nicht richtig und vollständig wiedergebe. Sie diene lediglich dazu, einen groben Überblick der Leistungen seiner Mitarbeiter zu bekommen. Die Statistik werde auch nicht zu Abrechnungszwecken verwendet, sie werde daher auch nicht akribisch geführt. Sofern Patienten den Therapeuten wechseln oder vertretungsweise von einem anderen Therapeuten behandelt würden, so werde dies in der Regel nicht erfasst. Seine eigene therapeutische Tätigkeit sei weit über die erfassten Behandlungstermine hinausgegangen. Tatsächlich sei es so, dass Patienten von Ärzten geschickt würden mit der Bitte, diese zu befunden, sodass seitens der Ärzte entsprechende Verordnungen ausgestellt und Therapien eingeleitet werden könnten. Diese Befundungen seien ausschließlich seine persönliche Aufgabe gewesen. Seine langjährige Erfahrung und auch seine Position als Inhaber des Unternehmens seien im Übrigen der Grund dafür gewesen, dass Patienten immer wieder den Wunsch geäußert hätten, dass er persönlich die Behandlung übernehme oder begleite, insbesondere in Fällen, in denen seit einiger Zeit keine Fortschritte zu erzielen gewesen seien. Häufiger sei es allerdings vorgekommen, dass seine Mitarbeiter selbst ihn darum gebeten hätten, bei der oder den nächsten Behandlung (en) mit dabei zu sein und gemeinsam mit dem eigentlich zuständigen Mitarbeiter zu behandeln. Dabei habe er dann meist selbst Hand angelegt und seine Mitarbeiter insoweit auch angeleitet. Insbesondere bei guten Patienten oder persönlichen Bekannten habe er im Rahmen der Behandlungen mitgewirkt und auch bei schwerstbehinderten Patienten stets Hilfestellung geleistet. Bei spontanen Ausfällen seiner Therapeuten, z. B. bei Krankheit, sei er eingesprungen und habe deren Termine übernommen. Die vorgenannten Tätigkeiten würden in der Mitarbeiter-Statistik nicht erfasst. Seine Tätigkeit als Therapeut schätze er rückblickend auf ca. 60 bis 70 v. H. ein.

 

Mit Bescheid vom 01.12.2015 lehnte die Beklagte die Gewährung von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 35 SGB VII i. V. m. § 33 SGB IX ab. Zur Begründung führte sie aus, sie könne nach den ihr bekannten Fakten nicht erkennen, dass durch den Wegfall der physischen Arbeitskraft des Klägers das Unternehmen derart in Gefahr gerate, dass eine wesentliche Verschlechterung der Situation des Unternehmens drohe. Der Name des Klägers sei auch bei einem Wegfall seiner konkreten Mitarbeit als Physiotherapeut mit der Qualität seines Unternehmens verbunden. Daher sehe sie ihn im jetzigen Unternehmen weiter auf Dauer eingegliedert. Die Notwendigkeit der Aufnahme einer weiteren selbstständigen Tätigkeit zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes sei nicht erkennbar. Dass er sich weiterbilden wolle, sei seine persönliche Entscheidung und begründe nicht die Unterstützung durch die Beklagte. Der Bescheid wurde bindend.

 

Mit weiterem Bescheid vom 08.03.2016 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztengeld aus Anlass der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ab dem 22.12.2014 ab. Zur Begründung führte sie aus, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gebe es keine geteilte Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger sei trotz des Wegfalls der Arbeitskraft als Physiotherapeut in der Lage, sein Unternehmen weiterzuführen und erziele daraus wie bisher seine Einnahmen. Ob durch den Wegfall seiner therapeutischen Arbeitskraft tatsächlich ein konkreter Einkommensverlust entstehe, lasse sich letztendlich nicht konkret nachweisen. Der Erfolg des Unternehmens hänge von vielen Faktoren ab. Der Kläger werde trotz der Folgen der BK weiter als Führungsperson in seinem Unternehmen tätig mit allen Notwendigkeiten, die eine solche Position fordere (Mitarbeitergespräche, Entscheidungen treffen, Präsenz gegenüber den Kunden zeigen etc.). Aus diesem Grund bestehe keine Arbeitsunfähigkeit als Unternehmer und daher auch kein Anspruch auf eine Verletztengeldzahlung. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2016 als unbegründet zurück.

 

Der Kläger hat am 29.09.2016 Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben und vorgetragen, er sei seit dem 22.12.2014 dauernd arbeitsunfähig im Sinne von § 45 SGB VII. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit sei nach den zum Krankenversicherungsrecht entwickelten Kriterien auszulegen. Arbeitsunfähigkeit sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 44 SGB V gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten könne. Bei der Beurteilung sei nach § 2 Abs. 1 S. 2 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt hätten. Seine bisherige Tätigkeit in seinem Betrieb sei von der Tätigkeit als Physiotherapeut maßgeblich dominiert gewesen. Die von ihm übersandte Mitarbeiter-Statistik spiegele dies nicht wieder. Dass er trotz der massiven Folgen der BK als organisatorische Führungsperson in seinem Unternehmen tätig bleiben könne, ändere nichts an dieser Betrachtung. Es sei unerheblich, dass er diese organisatorische Komponente trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch ausüben könne. Es sei zwar richtig, wenn die Beklagte in der Begründung des Bescheides vom 08.03.2016 darauf hinweise, dass es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keine geteilte Arbeitsunfähigkeit gebe. Die Beklagte stelle jedoch in Abweichung vor diesem Grundsatz gerade fest, dass eine Arbeitsunfähigkeit als Unternehmer nicht bestehe. Mit der einseitigen Zuweisung des Tätigkeitsbildes auf die funktionelle Unternehmerrolle werde die Beklagte der tatsächlichen Situation nicht gerecht. Sie spalte die Arbeitsfähigkeit des Klägers sachwidrig auf. Er sei selbstständig tätiger Physiotherapeut und im wirtschaftlichen Sinne Unternehmer, aber nicht im kranken- oder unfallversicherungsrechtlichen Sinne. Die Eigenschaft als Unternehmer treffe, wenn überhaupt, nur auf das Zuordnungsmerkmal für die freiwillige Versicherung zu. Ihm sei deshalb gem. § 47 Abs. 5 SGB VII ein Verletztengeld je Kalendertag in Höhe des 450. Teils des Jahresarbeitsverdienstes zu gewähren. Insbesondere sei es nicht Voraussetzung für die Zahlung von Verletztengeld, dass im Einzelfall ein konkret nachweisbarer Einkommensverlust vorliege. Vielmehr gehe es um die abstrakte Berechnung eines Erwerbsschadens. Zum Umfang seiner Tätigkeit seit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit sei darauf hinzuweisen, dass er in den ersten vier bis fünf Monaten seiner Arbeitsunfähigkeit höchstens insgesamt 10 Stunden im Betrieb gewesen sei und in dieser Zeit überhaupt keine Tätigkeiten verrichtet, sondern nur ab und zu Präsenz gezeigt habe. Erst seit April 2015 schließe er morgens auf uns sichte die Post. Er halte sich seither maximal zwei Stunden täglich im Betrieb auf, um Kundenkontakt zu halten und den Mitarbeitern bei Rückfragen zur Verfügung zu stehen. Er habe daher seit Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Prinzip regelmäßig nicht mehr getan, als morgens aufzuschließen und im Rahmen zeitlich eingeschränkter Präsenz nach dem Rechten zu sehen und seinen Mitarbeitern für Rückfragen zur Verfügung zu stehen.

 

Die Beklagte hat im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 13.02.2018 den Bescheid vom 08.03.2016 dahingehend abgeändert, dass der Anspruch auf Verletztengeld aus Anlass der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ab dem 01.04.2015 abgelehnt wird.

 

Der Kläger hat sinngemäß schriftsätzlich beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.08.2016 und des Bescheides vom 13.02.2018 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab dem  01.04.2015 Verletztengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat auf Ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen.

 

Das Sozialgericht hat im Termin am 13.02.2018 den Kläger angehört und dessen ehemalige Mitarbeiter O und N als Zeugen vernommen. Wegen der Angaben des Klägers und der Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.02.2018 Bezug genommen.

 

Mit Urteil vom 09.05.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Kläger seit dem 22.12.2014 arbeitsunfähig im Sinne von § 45 Abs. 1 S. Nr. 1 1. Alt. SGB VII gewesen sei. Denn dem Kläger stehe kein Verletztengeldanspruch gegen die Beklagte zu, da sein Arbeitseinkommen, welches den Verletztengeldanspruch übersteige, auf den Verletztengeldanspruch anzurechnen sei. Für den Kläger ergebe sich ein monatlicher Verletztengeldanspruch in Höhe von 5.600,00 € bzw. von 6.400,00 € ab 01.01.2015. Nach den vorliegenden Einkommensteuerbescheiden habe der Kläger in den Jahren ab 2013 ein monatliches Einkommen erzielt, das stets den monatlichen Anspruch auf Verletztengeld überstiegen habe. Zwar habe das BSG zu § 561 Abs. 1 S. 1 RVO a.F. mehrfach entschieden, dass nach Sinn und Zweck der §§ 560 ff. RVO a. F. davon auszugehen sei, dass ein Einkommensverlust in Höhe des in der Satzung für freiwillig versicherte Unternehmer bestimmten Jahresarbeitsverdienstes entstanden sei, sofern die Arbeitskraft eines im Betrieb voll mitarbeitenden Unternehmers für einen nicht unbedeutenden Zeitraum ausfalle (Urteil vom 23.08.1973, BSGE 36,133,135 und Urteil vom 24.02.1982, BSGE 53, 127, 132). Diese Rechtsprechung sei nicht auf § 52 Abs. 1 SGB VII zu übertragen. Die Kammer schließe sich insoweit dem Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 31.05.2002 (S 7 U 32/99) an.

 

Gegen die seinem Prozessbevollmächtigten am 09.07.2019 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 06.08.2019 Berufung eingelegt. Er trägt vor, nach der herrschenden Auffassung in der Literatur sei ein anzurechnendes Arbeitseinkommen auf solches Einkommen beschränkt, das dem Unternehmer aufgrund eigener Betätigung in dem Unternehmen (wie vor der Arbeitsunfähigkeit) zugeflossen sei. Der Argumentation des Sozialgerichts, dass der Wortlaut des § 52 Nr. 1 SGB VII keinen Hinweis darauf enthalte, dass von einem Unternehmer erzieltes Arbeitseinkommen nur dann angerechnet werden solle, wenn es auf persönlicher Arbeitsleistung des Unternehmers beruhe, könne nicht gefolgt werden. Tatsächlich ergebe sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 52 Nr. 1 SGB VII, wonach das angerechnete Einkommen „gleichzeitig erzielt“ sein müsse, dass eine Anrechnung nur stattfinde, wenn der Betroffene das Einkommen tatsächlich, also durch seine persönliche Tätigkeit, erzielt habe. Dass dieses Arbeitseinkommen aus der versicherten Tätigkeit heraus erzielt sein müsse, dürfte daneben selbstverständlich sein. Seine versicherte Tätigkeit sei die eines Physiotherapeuten gewesen. Mit seiner Arbeitskraft aus dieser Tätigkeit sei er seit dem 22.12.2014 ausgefallen. Es könne deshalb im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu § 560 a. F. RVO unterstellt werden, dass er wegen der Arbeitsunfähigkeit in Höhe des Verletztengeldes kein eigenes Arbeitseinkommen erzielt habe. Damit habe sich seine Arbeitsunfähigkeit für das Unternehmen nachteilig ausgewirkt und zu einem Schaden in Form von geringeren Einkünften geführt. Dass andere Personen des Betriebes, nämlich seine übrigen Mitarbeiter während seiner Arbeitsunfähigkeit eingesprungen seien, schließe die Leistungsverpflichtung der Beklagten nicht aus. Das BSG mache die Annahme eines fiktiven Einkommensverlustes von zwei Voraussetzungen abhängig: Der Unternehmer müsse im Betrieb vor dem Arbeitsunfall persönlich mitgearbeitet haben und die Arbeitsunfähigkeit müsse sich auf einen nicht unbedeutenden Zeitraum erstreckt haben. Beide Voraussetzungen lägen hier vor. Er habe im Betrieb vor dem Arbeitsunfall persönlich in seiner versicherten Tätigkeit als Physiotherapeut mitgearbeitet und die Arbeitsunfähigkeit habe sich auf einen nicht unbedeutenden Zeitraum erstreckt, denn sie bestehe durchgehend seit dem 22.12.2014, jedenfalls über den Leistungszeitraum des Verletztengeldes von insgesamt 78 Wochen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass sein Unternehmen nur durch den überobligatorischen Arbeitseinsatz seiner Mitarbeiter am Ende doch noch ertragsfähig geblieben sei. Rechne man seine eigene Arbeitskraft fiktiv hinzu, würde das Unternehmen über die mit den Steuerbescheiden hinaus dargelegten Einkünfte nach gewöhnlichem Lauf der Dinge voraussichtlich höhere Einkünfte erzielt haben. Er habe in seiner versicherten Tätigkeit als Physiotherapeut seit seiner Arbeitsunfähigkeit nicht mehr persönlich im Unternehmen mitgearbeitet. In den ersten vier bis fünf Monaten seiner Arbeitsunfähigkeit bis Mitte März 2015 sei er höchstens insgesamt 10 Stunden im Betrieb gewesen. Er habe nur ab und zu Präsenz gezeigt. Ab April 2015 habe er morgens aufgeschlossen und die Post gesichtet. Er habe sich seither an zwei bis drei Tagen in der Woche für etwa eine oder eineinhalb Stunden im Betrieb aufgehalten, um Kundenkontakt zu erhalten und den Mitarbeitern für Fragen zur Verfügung zu stehen. Seine eigene Tätigkeit habe also lediglich der informellen Mitarbeiterführung und der Kundenpflege gedient. Er habe weder geschäftsführende Tätigkeiten im engeren Sinne noch physiotherapeutische Tätigkeiten ausgeübt. Seine wesentliche Tätigkeit habe in einer der grundsätzlichen Bestandssicherung des Betriebes dienenden Präsenzfunktion bestanden. Auch habe er zunächst keinerlei Bemühungen unternommen oder unternehmen müssen, personelle Entscheidungsprozesse zu fördern oder umzusetzen. Erst aufgrund einer externen Initiativbewerbung habe er nach dem Ausscheiden zweier Mitarbeiter aus dem Betrieb im Februar 2017 ein Auswahlgespräch mit einem Bewerber geführt. Er habe demnach seit Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Prinzip regelmäßig nicht mehr getan, als morgens aufzuschließen und im Rahmen zeitlich eingeschränkter Präsenz nach dem Rechten zu sehen und seinen Mitarbeitern für Rückfragen zur Verfügung zu stehen.

 

Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2022 zugesichert hat, nach rechtskräftiger Entscheidung im vorliegenden Verfahren unter Beachtung der nach rechtskräftiger Entscheidung im vorliegenden Verfahren maßgebenden Grundsätze über die Bewilligung von Verletztengeld für die Zeit ab dem 20.06.2016 unter Beachtung von § 46 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 SGB VII zu entscheiden, hat der Kläger die Klage auf den Zeitraum bis zum 19.06.2016 beschränkt.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.05.2019 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2016 und des Bescheides vom 13.02.2018 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 19.06.2016 Verletztengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. §§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Abs. 4, 56 SGG zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 08.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.08.2016 (§ 95 SGG) und des Bescheides vom 13.02.2018, der den Bescheid vom 08.03.2016 zugunsten des Klägers geändert und dementsprechend gem. § 96 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist, nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld für den nach dem Begehren des Klägers (§ 123 SGG) allein streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2015 bis zum 19.06.2016. Zwar liegen die Voraussetzungen für das Verletztengeld gemäß §§ 45, 46 SGB VII vor (dazu1.). Doch führt die Anrechnung des vom Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum erzielten Arbeitseinkommens gemäß § 52 Nr. 1 SGB VII dazu, dass kein Verletztengeld zu zahlen ist und dementsprechend auch eine Verurteilung der Beklagten auf Gewährung von Verletztengeld dem Grunde nach gemäß § 130 SGG nicht erfolgen kann (dazu 2.).

1. Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 SGB VII u.a. erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind (Nr. 1 1. Alt.) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder eine der in Nr. 2 genannten Sozialleistungen hatten. § 46 SGB VII regelt Beginn und Ende des Verletztengeldes. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften lagen im streitgegenständlichen Zeitraum vor.

a) Der Kläger ist seit dem 22.12.2014 auf Dauer arbeitsunfähig. Jedenfalls bestand die Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 2016 durchgehend, so dass der Kläger im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig war.

aa) Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII entspricht dem Begriff in der gesetzlichen Krankenversicherung. Danach liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalls nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich- oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen. Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit, d.h. wegen eines regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustandes, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (st. Rspr. des BSG seit 28. 10. 1960, 3 RK 29/59, juris Rz 15 = BSGE 13, 134), nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist unerheblich. Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich-/ oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Kranken- bzw. Verletztengeldes eng zu ziehen ist. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, sodass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 30.10.2007 - B 2 U 31/06 R -, juris Rn. 12 m.w.N.). Kann ein Versicherter infolge Krankheit seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben, nimmt er aber aus freien Stücken eine seinem Gesundheitszustand entsprechende Beschäftigung auf, so ist nunmehr eine etwaige Arbeitsunfähigkeit nach der neuen Beschäftigung zu beurteilen (BSG, Urt. v. 02.10.1970 – 2 RK 6/70 -, juris Rn. 17 ff.; Urt. v. 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R -, juris Rn. 14; siehe hierzu auch Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 44 Rn. 87 ff.).

Eine Teilarbeitsunfähigkeit gibt es allerdings, ebenso wie im Krankenversicherungsrecht, nicht (Schur, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 45 Rn. 6b; zum Krankenversicherungsrecht BSG, Urt. v. 07.12.2004 – B 1 KR 5/03 R -, juris Rn. 27). Dies bedeutet, dass, wenn der Versicherte seine Tätigkeit lediglich in Teilbereichen oder nur für einige Stunden täglich ausüben kann, er deshalb nicht wieder arbeitsfähig ist, auch nicht teilweise. Entweder der Versicherte kann seine Tätigkeit in vollem Umfang weiter ausüben – dann ist er arbeitsfähig, oder aber er ist wegen Krankheit hierzu nicht in der Lage – dann ist er arbeitsunfähig (Sonnhoff/Pfeiffer, in: jurisPK-SGB V, § 44 Rn. 88; Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 44 Rn. 93; LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.04.2010 – L 10 KR 58/05 -, juris Rn. 32). Dementsprechend besteht Arbeitsunfähigkeit beispielsweise auch während einer stufenweisen Wiedereingliederung fort (§ 74 SGB V; vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 01.02.2018 - L 1 KR 764/16 -, juris Rn. 45).

bb) Nach diesen Grundsätzen war der Kläger seit dem 22.12.2014 bis mindestens 31.12.2016 und damit auch im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig.

(1) Maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist die tatsächlich vom Kläger vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit als selbstständiger Inhaber einer Praxis für Physiotherapie, der auch selbst physiotherapeutische Leistungen erbringt.

Dass der Kläger bis zum 22.12.2014 nicht nur leitend bzw. verwaltend tätig gewesen ist oder Kundenaquise betrieben hat, sondern selbst als Physiotherapeut Patienten behandelt hat, steht zur Überzeugung des Senats fest. Dies hat nicht nur der Kläger selbst in seinen Schriftsätzen und in seiner mündlichen Anhörung durch das Sozialgericht im Termin vom 13.02.2018 glaubhaft angegeben, sondern auch die vom Sozialgericht vernommenen Zeugen O und N haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Kläger jedenfalls auch therapeutisch tätig gewesen ist. Zudem zeigt auch die vom Kläger im Verwaltungsverfahren überreichte Mitarbeiterstatistik, dass der Kläger tatsächlich physiotherapeutische Arbeiten erbracht hat.

Der Kläger hat seine Tätigkeit als ein in der Praxis therapeutisch mitarbeitender selbstständiger Physiotherapeut auch nicht während der Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.12.2016 aufgegeben oder freiwillig  eine andere Tätigkeit aufgenommen. Er hat seine selbstständige Tätigkeit auch nicht inhaltlich umgestaltet, was der tatsächlichen Aufnahme einer anderen Beschäftigung bei abhängig Beschäftigten entsprechen könnte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.04.2010 – L 10 KR 58/05 -, juris Rn. 31), indem er sich z.B. vollständig auf leitende oder verwaltende Aufgaben in seiner Praxis verlegt und/oder als Ersatz für die bei ihm weggefallenen physiotherapeutischen Arbeiten unbefristet eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer angestellt hätte. Der Kläger hat vielmehr seine Praxis als Inhaber weitergeführt, aber seine Arbeitsleistung insgesamt und auch seine Anwesenheit in der Praxis in zeitlicher Hinsicht deutlich reduziert. Er hat im streitgegenständlichen Zeitraum auch keinen weiteren Physiotherapeuten als Ersatz für ihn selbst auf Dauer angestellt.

Der Senat ist hiervon aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers überzeugt. Der Kläger hat schriftsätzlich und in seiner Anhörung im Termin vom 13.02.2018 ausgeführt, dass er in den ersten vier bis fünf Monaten seiner Arbeitsunfähigkeit bis Mitte März 2015 höchstens insgesamt 10 Stunden im Betrieb gewesen sei und nur ab und zu Präsenz gezeigt habe. Ab April 2015 habe er morgens aufgeschlossen und die Post gesichtet. Er habe sich seither an zwei bis drei Tagen in der Woche für etwa eine oder eineinhalb Stunden im Betrieb aufgehalten, um Kundenkontakt zu erhalten und den Mitarbeitern für Fragen zur Verfügung zu stehen. Eine Neueinstellung in Gestalt einer Auszubildenden habe er erst im Jahre 2017 vorgenommen, und zwar für verwaltende Aufgaben. Dass und warum diese Angaben unzutreffend sein sollten, erschließt sich nicht und wird auch von der Beklagten nicht dargelegt. Zudem hat der vom Sozialgericht vernommene Zeuge Groh bestätigt, dass der Kläger, nachdem die Knieprobleme aufgetreten waren, kaum noch in der Praxis gewesen sei.

Bei dieser Sachlage kann nicht von einer Aufgabe oder freiwilligen inhaltlichen Umgestaltung der bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich ausgeübten selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden. Der Kläger hat vielmehr seine im Kern unveränderte Tätigkeit in zeitlicher Hinsicht reduziert und nur den praktisch-therapeutischen Teil seiner Tätigkeit gesundheitsbedingt aufgegeben. Dies kann nach dem Schutzzweck des § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht dazu führen, dass sich der Maßstab für die Bestimmung der Arbeitsunfähigkeit ändert (so auch in der Sache LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.04.2010 – L 10 KR 58/05 -, juris Rn. 31).

(2) Die danach maßgebende, zuletzt tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als selbstständiger Physiotherapeut, der auch selbst physiotherapeutische Arbeiten verrichtet, konnte der Kläger seit dem 22.12.2014 bis mindestens 31.12.2016 und damit im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum wegen einer Krankheit im Rechtssinne nicht mehr im Vollbild ausüben. Bei ihm lag nach den Feststellungen des behandelnden Durchgangsarztes Dr. R spätestens seit dem 22.12.2014 ein regelwidriger körperlicher Zustand in Gestalt einer massiven Gonarthrose rechts mit schmerzhaften Bewegungs- und Belastungseinschränkungen vor, die es dem Kläger gesundheitlich unmöglich bzw. unzumutbar machte, als Physiotherapeut praktisch zu arbeiten, weil diese Tätigkeit in der Regel im Stehen zu verrichten ist und mit permanenten Belastungen auf das Kniegelenk wegen der teilweise mit erheblicher Kraftanstrengung verbundenen physiotherapeutischen Maßnahmen einher geht. Der Senat stützt diese Feststellung auch auf das von der Beklagten eingeholte unfallchirurgische Gutachten von Dr. R vom 10.05.2016, das den Anforderungen an ein gerichtliches Sachverständigengutachten entspricht und deshalb urkundsbeweislich verwertet werden kann. Darin hat Dr. R deutliche u.a. Bewegungseinschränkungen des rechten Kniegelenkes für Streckung und Beugung und einen deutlichen Kraftverlust des rechten Beines für Submaximalkraft, Koordination und Ausdauerkraft festgestellt. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger mit diesen funktionellen Einschränkungen im Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. R (06.05.2016) auf Dauer nicht mehr in der Lage war, den körperlichen Anforderungen an eine praktische Tätigkeit als Physiotherapeut zu genügen. Da Dr. R dem Kläger seit dem 22.12.2014 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, geht der Senat auch davon aus, dass dieser Zustand bereits seit dem 22.12.2014 bestand. Dies stellt die Beklagte auch nicht in Abrede.

Dies begründet Arbeitsunfähigkeit für die maßgebende, zuletzt ausgeübte selbstständige Tätigkeit insgesamt. Dass der Kläger seine Praxis als Inhaber weiter betrieben und auch in zeitlich reduziertem Umfang weiterhin in der Praxis tätig geworden ist, ändert hieran entgegen der Auffassung der Beklagten nichts. Die Beklagte hat den Grundsatz, dass es keine Teilarbeitsunfähigkeit gibt, missverstanden und hinsichtlich der Rechtsfolgen in sein Gegenteil verkehrt. Wie bereits ausgeführt, bedeutet der Grundsatz, dass die Arbeitsunfähigkeit erst dann entfällt, wenn der Versicherte seine zuvor in Vollzeit ausgeübte Tätigkeit wieder vollständig und vollschichtig ausüben kann. Dass er Teilbereiche dieser Tätigkeit trotz gesundheitlicher Einschränkungen ausüben kann und – wie hier der Kläger – auch tatsächlich ausübt, lässt die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit unberührt. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, in welchem Umfang der Kläger vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich als Physiotherapeut tätig gewesen ist. Da nach den vorstehenden Ausführungen zur Überzeugung des Senats feststeht, dass der Kläger jedenfalls auch selbst physiotherapeutisch tätig gewesen ist, steht zugleich fest, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum gesundheitlich nicht in der Lage war, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Vollbild auszuüben. Ob etwas anderes gelten würde, wenn die praktische Tätigkeit von völlig untergeordneter Bedeutung gewesen wäre, kann dahinstehen. Selbst wenn man lediglich die Angaben aus der Mitarbeiterstatistik als zutreffend zugrunde legen würde, ergibt sich daraus ein durchaus nennenswerter Anteil eigener physiotherapeutischer Arbeit des Klägers. In welchem genauen Verhältnis diese praktische Tätigkeit zu sonstigen Aufgaben des Klägers als Praxisinhaber gestanden hat, ist für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit hingegen ohne Relevanz.

b) Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum war auch wesentlich kausal auf einen Versicherungsfall im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB VII zurückzuführen und bestand deshalb infolge eines Versicherungsfalls. Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls besteht nur dann, wenn solche Gesundheitsstörungen, die wesentlich kausal auf den Versicherungsfall zurückzuführen sind, dazu führen, dass Arbeitsunfähigkeit besteht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.04.2015 - L 10 U 495/14 -, juris Rn. 35). Dies war bei dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum der Fall. Die Beklagte hat mit bindendem Bescheid vom 08.01.2014 bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Ziffer 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anerkannt (im Folgenden: BK 2102). Die Beschwerden des Klägers im rechten Kniegelenk, die nach den vorstehenden Ausführungen zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers führen, sind wesentlich kausal auf diese Berufskrankheit zurückzuführen. Der Senat folgt auch insoweit der Einschätzung von Dr. R. Im Übrigen geht auch die Beklagte davon aus, dass der Kläger wegen der Folgen der BK 2102 nicht mehr selbst physiotherapeutische Arbeiten verrichten kann.

c) Der Kläger ist auch Versicherter im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Kläger als selbstständiger Physiotherapeut gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m. der Satzung der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) kraft Satzung versichert ist und im streitgegenständlichen Zeitraum auch war. Verletztengeld wird nach seinem Schutzzweck als Entgeltersatzleistung bei versicherungsfallbedingter Arbeitsunfähigkeit unabhängig davon geleistet, ob während der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, in der wegen der versicherungsfallbedingten Arbeitsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, selbst ein Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht. Der Anspruch auf Verletztengeld folgt vielmehr allein aus dem eingetretenen Versicherungsfall, auch wenn dieser vor Aufnahme der nunmehr ausgeübten Tätigkeit eingetreten ist. Es ist also erforderlich und ausreichend, dass der Kläger in Bezug auf den eingetretenen Versicherungsfall der BK 2102 Versicherter ist bzw. gewesen ist. Dies ist der Fall, weil die BK 2102 auf die beruflichen Einwirkungen während der versicherten Beschäftigungen des Klägers als Berufsfußballspieler gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zurückzuführen ist. Deshalb ist für die hier streitgegenständliche Gewährung von Verletztengeld auch die Beklagte als für die früheren Beschäftigungsverhältnisse des Klägers zuständiger Versicherungsträger und nicht die BGW zuständig.

d) Der Kläger hatte unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Arbeitseinkommen im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII. Hierfür genügt, dass der Versicherte vor der durch den Versicherungsfall verursachten Arbeitsunfähigkeit eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat (BSG, Urt. v. 30.06.2009 – B 2 U 25/08 R -, juris Rn. 14 m.w.N.). Dies war bei dem Kläger der Fall.

e) Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ist im streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend durch ärztliche Bescheinigungen von Dr. R festgestellt worden (vgl. § 46 Abs. 1 SGB VII).

f) Der Anspruch auf Verletztengeld hat im streitgegenständlichen Zeitraum bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nicht nach § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII geendet. Dies käme frühestens gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, d.h. ab dem 22.12.2014, in Betracht. Die 78. Woche lief aber erst am 19.06.2016, d.h. dem letzten Tag des nach dem Antrag des Klägers streitgegenständlichen Zeitraums ab. Ob der Anspruch auf Verletztengeld mit Ablauf dieses Tages tatsächlich geendet hat, insbesondere ob die mit Bescheid vom 01.12.2015 verfügte Ablehnung der Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die von der Rechtsprechung geforderte, hier aber formell unterbliebene Feststellung des Endes des Verletztengeldanspruchs durch Verwaltungsakt (vgl. BSG, Urt. v. 13.09.2005 – B 2 U 4/04 R -, juris Rn. 42) zu ersetzen vermag, hat der Senat im vorliegenden Verfahren wegen der erfolgten zeitlichen Beschränkung des Streitgegenstandes nicht zu prüfen.

g) Dem Anspruch auf Verletztengeld im streitgegenständlichen Zeitraum steht schließlich nicht entgegen, dass dem Kläger bereits ab dem 29.07.2013 wegen der BK 2102 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. gewährt wurde. Dass die Zahlung einer Verletztenrente die Bewilligung von Verletztengeld für den gleichen Zeitraum ausschließt,  ist gesetzlich nicht geregelt. Dass neben einem Anspruch auf Verletztenrente auch ein Anspruch auf Verletztengeld bestehen kann, zeigt die Regelung des § 48 SGB VII bei Wiedererkrankung. Auch in anderen Fallkonstellationen hat die Rechtsprechung den Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld neben Verletztenrente nicht ausgeschlossen (BSG, Urt. v. 20.08.2019 – B 2 U 7/18 R -, juris Rn. 17; Urt. v. 16.03.2021 – B 2 U 12/19 R -, juris Rn. 29).

2. Wegen des vom Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum erzielten Arbeitseinkommens, das gemäß § 52 Nr. 1 SGB VII auf das Verletztengeld anzurechnen ist, ist jedoch für den streitgegenständlichen Zeitraum kein Verletztengeld zu zahlen, so dass auch ein Grundurteil nach § 130 SGG über die Gewährung von Verletztengeld zugunsten des Klägers nicht ergehen kann.

a) Die Frage, ob und in welchem Umfang Einkommen nach § 52 SGB VII auf das Verletztengeld anzurechnen ist, betrifft an sich die Höhe des kalendertäglich zu zahlenden Verletztengeldes und schließt einen Anspruch auf Verletztengeld grundsätzlich nicht bereits dem Grunde nach aus (vgl. hierzu auch LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21.07.2021 – L 6 U 85/19- , juris Rn. 22; Sächsisches LSG, Urt. v. 20.01.2021 – L 6 U 97/18 -, juris Rn. 46). Steht jedoch aufgrund der Anrechnung von Einkommen nach § 52 SGB VII fest, dass für den gesamten Zeitraum, für den ein Anspruch auf Verletztengeld geltend gemacht wird, kein Verletztengeld zu zahlen ist, kann dies im Rahmen eines Verfahrens, das, wie hier, auf Erlass eines Grundurteils nach § 130 SGG gerichtet ist, nicht unberücksichtigt bleiben (so auch in der Sache LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 10.07.2003 - L 16/12 U 30/99 -, juris Rn. 24 ff.). Abgesehen davon, dass ein Versicherter von einem Urteil, das den zuständigen Unfallversicherungsträger zu Gewährung von Verletztengeld dem Grunde nach verurteilen würde, obwohl Verletztengeld wegen der Anrechnung von Einkommen nicht zu zahlen ist, keinen Nutzen hätte, stünde der Tenor letztlich im Widerspruch zur geltenden Rechtslage, weil Verletztengeld tatsächlich nur in Höhe von 0 Euro und damit tatsächlich gar nicht zu leisten ist. Auch in der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, dass ein Grundurteil zumindest die Wahrscheinlichkeit voraussetzt, dass etwas tatsächlich zu zahlen ist, und beispielsweise in einem Verfahren auf Gewährung von Krankengeld dem Grunde nach zu prüfen ist, ob der Auszahlungsanspruch insgesamt ausscheidet, weil der Anspruch auf Krankengeld ruht (vgl. BSG, Urt. v. 20.04.1999 – B 1 KR 15/98 R -, juris Rn. 14). Da der Erhalt von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen auch zum vollständigen Ruhen eines Anspruchs auf Krankengeld führen kann (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), spricht diese Rechtsprechung dafür, die Frage, ob die Anrechnung von Einkommen auf das Verletztengeld gemäß § 52 SGB VII dazu führt, dass Verletztengeld tatsächlich nicht zu zahlen ist, bereits beim Erlass eines Grundurteils auf Gewährung von Verletztengeld dem Grunde nach zu prüfen. In jedem Fall ist nach den schriftsätzlichen Rechtsausführungen des Klägers jedenfalls im Berufungsverfahren davon auszugehen, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren geklärt haben will, ob die Gewährung von Verletztengeld wegen der Anrechnung von Einkommen tatsächlich zu unterbleiben hat. Es entspricht deshalb der Prozessökonomie und der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, diese Frage zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens zu machen (vgl. im Übrigen zur im Ermessen des Gerichts stehenden Berücksichtigung von § 107 SGB X im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass eines Grundurteils z.B. BSG, Urt. v. 16.05.2012 – B 4 AS 105/11 R -, juris Rn. 12 m.w.N.).

b) Der Anspruch auf Verletztengeld des Klägers beträgt wegen der Anrechnung seines Arbeitseinkommens im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2015 bis zum 19.06.2016 0 Euro, so dass Verletztengeld im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu zahlen ist.

aa) Der Anspruch des Klägers auf Verletztengeld betrüge an sich für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.12.2015 kalendertäglich 190,77 Euro und vom 01.01.2016 bis zum 19.06.2016 kalendertäglich 195,79 Euro.

(1) Die Höhe des Verletztengeldes des Klägers bestimmt sich nach § 47 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 47 Abs. 1 und 2 SGB V. Nicht einschlägig ist demgegenüber entgegen der Auffassung des Klägers § 47 Abs. 5 SGB VII. Diese Regelung greift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur ein, wenn ein Versicherungsfall vorliegt, der infolge einer Tätigkeit als versicherter Unternehmer, mitarbeitender Ehegatten oder Lebenspartner oder als ein dem Unternehmer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII Gleichgestellter eingetreten ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, weil der den Anspruch auf Verletztengeld begründende Versicherungsfall der BK 2102 infolge der vor der selbstständigen Tätigkeit ausgeübten versicherten Beschäftigungen des Klägers als Berufsfußballspieler eingetreten ist.

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VII erhalten Versicherte, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, Verletztengeld entsprechend § 47 Abs. 1 und 2 SGB V mit der Maßgabe, dass

  1. das Regelentgelt aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens zu berechnen und bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist,
  2. das Verletztengeld 80 vom Hundert des Regelentgelts beträgt und dass bei Anwendung des § 47 Abs. 1 und 2 SGB V berechnete Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigt.

Arbeitseinkommen ist bei Ermittlung des Regelentgelts mit dem 360. Teil des im Kalenderjahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Maßnahmen der Heilbehandlung erzielten Arbeitseinkommens zugrunde zu legen.

Für den Kläger, der den Versicherungsfall, wie bereits ausgeführt, als Arbeitnehmer erlitten hat und unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit als Unternehmer, nämlich als selbstständiger Inhaber einer Praxis für Physiotherapie erwerbstätig war, errechnet sich danach das Verletztengeld nach dem Arbeitseinkommen (vergleiche insoweit auch Schur, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 48 Rn. 11, erster Spiegelstrich).

Einschlägig für die Bestimmung des Begriffs „Arbeitseinkommen“ ist – weil nicht im SGB VII definiert – § 15 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit. Einkommen ist Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IV, wenn es nach dem Einkommensteuerrecht als solches zu bewerten ist. Die „allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts“ beziehen sich unter anderem auf den Gewinnermittlungszeitraum, das Wirtschaftsjahr. Dieses ist in der Regel mit dem Kalenderjahr identisch, denn nach § 2 Abs. 7 EStG ist die Einkommensteuer eine Jahressteuer (Satz 1). Dies gilt für Freiberufler, wie den Kläger uneingeschränkt, denn die Regelung des § 4a EStG über ein ggf. vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr gilt nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht für Einnahmen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Die Grundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer – also auch der nach der genannten Vorschrift zu ermittelnde Gewinn – sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG). Konsequent erfolgt deshalb die Veranlagung zur Einkommensteuer für das Kalenderjahr, den Veranlagungszeitraum (§ 25 EStG). Die Steuerschuld entsteht mit dessen Ablauf (§ 36 Abs. 1 EStG). Den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts liegt das Prinzip der Jahresabschnittsbesteuerung zugrunde (vgl. zum Vorstehenden BSG, Urt. v. 30.06.2009 – B 2 U 25/08 R –, juris Rn. 20 f.).

(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VII für die Höhe des Verletztengeldes des Klägers der einkommensteuerrechtliche Gewinn aus seiner selbstständigen Tätigkeit aus dem Kalenderjahr 2013, d. h. dem Kalenderjahr vor Beginn der am 22.12.2014 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit, maßgeblich. Nach dem Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2013 vom 27.04.2015 betrug der Gewinn des Klägers aus seiner selbstständigen Tätigkeit als Inhaber einer physiotherapeutischen Praxis im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG im Kalenderjahr 2013 134.551 Euro. Zwar kommt der Feststellung des Gewinns als Besteuerungsgrundlage gemäß §§ 157 Abs. 2, 179 Abs. 1 AO grundsätzlich keine Feststellungswirkung mit der Folge zu, dass der Senat an die erfolgte Feststellung des Gewinns gebunden wäre. Weder § 15 SGB IV noch das SGB VII enthalten darüber hinaus Regelungen, die, wie z.B. § 165 Abs. 1 Satz 3, 5 SGB VI, die sich aus dem betreffenden Einkommensteuerbescheid ergebenden Einkünfte für maßgeblich erklären. Der Senat hat jedoch keinen Zweifel daran, dass der im Steuerbescheid vom 27.04.2015 festgehaltene Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit in Übereinstimmung mit steuerrechtlichen Vorschriften ermittelt worden ist und deshalb inhaltlich dem nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften maßgeblichen Gewinn entspricht. Der Senat stellt deshalb ausdrücklich fest, dass der Betrag von 134.551 Euro dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) bzw. dem Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG; der Kläger ist an sich als Freiberufler nicht buchführungspflichtig) im Jahre 2013 entspricht. Die Beteiligten haben hiergegen auch keine Einwände erhoben.

Dieser Betrag ist nicht dahingehend weiter aufzuspalten, in welchem Umfang der Gewinn auf der Erbringung physiotherapeutischer Leistungen des Klägers einerseits und sonstiger Tätigkeit (Leitung und Überwachung, Kundenakquise etc.) andererseits beruht. Abgesehen davon, dass der Kläger, wie bereits ausgeführt, sozialrechtlich betrachtet für seine zuletzt tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Inhaber einer physiotherapeutischen Praxis insgesamt arbeitsunfähig war, obwohl er weiterhin in seiner Praxis Tätigkeiten z.B. leitender und überwachender Art verrichten konnte und im streitgegenständlichen Zeitraum auch verrichtet hat, lässt das Einkommensteuerrecht keine Differenzierung dahingehend zu, ob der Gewinn aus dem eigenen Einsatz handwerklicher Arbeitskraft oder aus der Inhaberschaft eines Unternehmens, insbesondere dem gewinnbringenden Einsatz von Arbeitnehmern, herrührt.

Es kann dahinstehen, ob von dem Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit die mit -25.772 Euro festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die in § 2 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz genannt und steuerrechtlich als Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit und damit auch als Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit im Sinne von § 15 SGB IV zu bewerten sind (BSG, Urt. v. 07.10.2004 – B 13 RJ 13/04 R –, juris Rn. 29), im Wege des sogenannten vertikalen Verlustausgleichs abzuziehen sind (zur grundsätzlichen Berücksichtigung des vertikalen und horizontalen Verlustausgleichs innerhalb der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 EStG genannten Einnahmen im Rahmen von § 15 SGB IV siehe BSG, Urt. v. 16.05.2001 – B 5 RJ 46/00 R –, juris Rn. 18). Ebenso wenig braucht entschieden zu werden, ob der Kläger hinsichtlich der Ausübung seines Gewerbebetriebes nicht arbeitsunfähig war und deshalb auch das Einkommen hieraus, sei es positiv oder sei es negativ, für die Höhe des Verletztengeldes nicht zu berücksichtigen ist (zur Berücksichtigung nur der Arbeitsentgelte bzw. Arbeitseinkommen aus Beschäftigungen bzw. Tätigkeiten, an deren Ausübung der Versicherte infolge einer durch den arbeitsunfallbedingten Arbeitsunfähigkeit gehindert ist, siehe zuletzt BSG, Urt. v. 23.07.2015 – B 2 U 6/14 R –, juris Rn. 13 m.w.N.). Selbst wenn man als Arbeitseinkommen lediglich 108.797 Euro zugrunde legen würde, überstiege dieser Betrag, ebenso wie der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit von 134.551 Euro, den Höchstjahresarbeitsverdienst, der nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII die Obergrenze für die Bemessungsgrundlage des Verletztengeldes bildet. Dieser betrug nach § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB VII i.V.m. § 20 Abs. 2 der ab dem 01.01.2012 geltenden Satzung der Beklagten in der Fassung des 2. Nachtrags vom 04.07.2013 im nach § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VII maßgeblichen Kalenderjahr 2013 84.000 Euro.

Für das kalendertägliche Verletztengeld ist dementsprechend nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII im Ansatz der 360. Teil von 84.000 Euro, also 233,33 Euro als Regelentgelt zu berücksichtigen. Das Verletztengeld beträgt nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII 80 v.H. hiervon, also 186,66 Euro.

Dieser Betrag ist aber nur für das erste Jahr nach Ablauf des Bemessungszeitraums, also hier des Kalenderjahres 2013, und damit für die Zeit bis zum 31.12.2014 maßgeblich. Für die Zeit ab dem 01.01.2015 ist das Verletztengeld anzupassen.

Dies erfolgt allerdings nicht, wie das Sozialgericht gemeint hat, dadurch, dass der durch die 3. Nachtragssatzung mit Wirkung zum 01.01.2014 angehobene, neue Höchstjahresarbeitsverdienst von 96.000 Euro zugrunde gelegt wird. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Vielmehr schreibt § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VII den Bemessungszeitraum und damit auch den sich aus § 47 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII ergebenden Höchstbetrag unveränderlich fest; Änderungen des Höchstjahresarbeitsverdienstes nach Ablauf des Bemessungszeitraums bleiben unberücksichtigt (so auch zur Bemessungsgrenze nach § 47 Abs. 6 SGB V Bohlken, in: jurisPK-SGB V, § 47 Rn. 82).

Die Anpassung des Verletztengeldes erfolgt vielmehr nach § 50 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (nunmehr § 70 SGB IX). Danach wird die Berechnungsgrundlage, die unter anderem dem Verletztengeld zugrunde liegt, jeweils nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende des Bemessungszeitraums an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst und zwar entsprechend der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr (Abs. 1). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor, der für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesanzeiger bekannt (Abs. 4). Dieser Anpassungsfaktor betrug zum 01.07.2014 1,022 und zum 01.07.2015 1,0263.

Hieraus ergibt sich für die Zeit ab dem 01.01.2015, d. h. nach Ablauf des ersten Jahres nach dem Ende des Bemessungszeitraums, eine Bemessungsgrundlage i.H.v. 85.884 Euro und ab dem 01.01.2016, d. h. nach Ablauf des zweiten Jahres nach dem Ende des Bemessungszeitraums, eine Bemessungsgrundlage von 88.105,80 Euro. Das Verletztengeld betrüge damit 80 v.H. des 360. Teils dieser Bemessungsgrundlage, also für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.12.2015 kalendertäglich 190,77 Euro und vom 01.01.2016 bis zum 19.06.2016 kalendertäglich 195,79 Euro.

bb) Nach § 52 Nr. 1 SGB VII ist für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.12.2015 ein Arbeitseinkommen von mindestens 330,44 Euro pro Kalendertag und für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 19.06.2016 ein Arbeitseinkommen von mindestens 311,50 Euro pro Kalendertag anzurechnen.

(1) Nach § 52 Nr. 1 SGB VII werden auf das Verletzten- und Übergangsgeld von dem gleichzeitig erzielten Einkommen beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, das bei Arbeitnehmern um die gesetzlichen Abzüge und bei sonstigen Versicherten um 20 vom Hundert vermindert ist, angerechnet; dies gilt nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt.

(a) Für den Begriff des Arbeitseinkommens im Sinne von § 52 Nr. 1 SGB VII gilt das Gleiche wie im Rahmen von § 47 Abs. 1 SGB VII. Maßgeblich ist auch hier § 15 Abs. 1 SGB IV, sodass die Frage, welche Einnahmen als Arbeitseinkommen zu berücksichtigen sind, grundsätzlich allein nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts zu beantworten ist (so die allgemeine Meinung in der Literatur, z.B. Römer, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 52 Rn. 5; Westermann, in: juris-PK SGB VII, § 52 Rn. 17; Feddern, in: beck-online Großkommentar (Kasseler Kommentar), § 52 SGB VII Rn. 3; vgl. auch BSG, Urt. v. 07.04.2004 – B 13 RJ 13/04 R –, juris Rn. 24 ff. zu § 96a SGB VI).

(b) „Erzielt“ im Sinne von § 52 SGB VII wird Einkommen und damit auch Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 SGB IV nur, wenn und soweit es dem Versicherten tatsächlich zufließt; ein unerfüllter Anspruch auf Einkommen genügt nicht (allgemeine Meinung, z.B. Römer, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 52 Rn. 13; Feddern, in: beck-online Großkommentar (Kasseler Kommentar), § 52 SGB VII Rn. 5; Jochem Schmitt, in: Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 52 Rn. 6). Nicht erforderlich ist grundsätzlich, dass das tatsächlich erhaltene Einkommen im Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit erarbeitet wurde. Dies zeigt sich schon daran, dass der Hauptanwendungsfall für eine Anrechnung nach der Entstehungsgeschichte und Zielrichtung von § 52 Nr. 1 SGB VII die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz) ist (vgl. Römer, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 52 Rn. 6), die gerade unabhängig von einer Arbeitsleistung während der Arbeitsunfähigkeit zu leisten ist (siehe hierzu auch unten (3) (c)).

(c) Das Einkommen muss ferner gleichzeitig erzielt werden, d. h., dass der Zeitraum, für den das Einkommen bestimmt ist, mit dem Zeitraum des Bezuges von Verletztengeld zusammenfallen muss (Grundsatz der Deckungsgleichheit). Nachzahlungen von Entgelt für Zeiträume vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit sind daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (siehe hierzu Westermann, in: juris-PK SGB VII, § 52 Rn. 9; Römer, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 52 Rn. 12; Feddern, in: beck-online Großkommentar (Kasseler Kommentar), § 52 SGB VII Rn. 3). Bei Arbeitseinkommen kann aber wegen der durch § 15 Abs. 1 SGB IV vorgegebenen strengen Anbindung an das Einkommensteuerrecht stets nur auf den Zeitpunkt des Zuflusses abgestellt werden. Im Einkommensteuerrecht gilt nach § 11 EStG ein strenges Zufluss- und Abfluss-Prinzip bezogen auf das jeweilige Kalenderjahr als Veranlagungszeitraum, d. h. Einnahmen und Ausgaben sind jeweils in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem sie zugeflossen bzw. abgeflossen sind. Dem widerspräche es, wenn man für einzelne Betriebseinnahmen, die einem Versicherten während des Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit zufließen, prüfen müsste, ob sie auf solche betriebliche Vorgänge zurückzuführen sind, die vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit stattgefunden haben. In diesem Fall könnte auch eine sinnvolle Ermittlung des für die Anrechnung maßgebenden Gewinns nicht mehr durchgeführt werden, weil hierfür nach § 4 Abs. 3 EStG auch Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind und hierfür nach § 11 Abs. 2 EStG auf den Zeitraum abzustellen ist, in dem sie tatsächlich geleistet wurden. Im Übrigen ist bei selbstständiger Tätigkeit die unregelmäßige Bezahlung von erbrachten Leistungen die Regel, sodass Ermittlungen dahingehend, für welche erbrachten Leistungen Betriebseinnahmen erfolgt sind, unmöglich oder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wären. Auch in anderen Rechtsbereichen geht das BSG bei der Anrechnung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit deshalb von einem strengen Zuflussprinzip aus (vgl. hierzu z.B. BSG, Urt. v. 05.04.2012 – B 10 EG 10/11 R –, juris Rn. 32). Arbeitseinkommen wird dementsprechend „gleichzeitig“ erzielt, wenn es während des Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit und damit während des (potentiellen) Bezugszeitraums des Verletztengeldes tatsächlich zufließt.

(d) Angerechnet wird allerdings stets nur das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen aus derjenigen Tätigkeit bzw. denjenigen Tätigkeiten, für die der Versicherte arbeitsunfähig ist (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.1995 – 2 RU 2/95 –, juris Rn. 14 ff). Es gilt in der Sache ein „Spiegelbildprinzip“ im Vergleich zur Berechnung des Verletztengeldes, da hierbei ebenfalls nur Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen aus derjenigen Tätigkeit bzw. denjenigen Tätigkeiten berücksichtigt wird, in der bzw. denen der Versicherte arbeitsunfähig ist (hierzu zuletzt BSG, Urt. v. 23.07.2015 – B 2 U 6/14 R –, juris Rn. 13 m.w.N.).

(e) Anders als beim Arbeitsentgelt kommt es bei dem anzurechnenden Arbeitseinkommen nicht darauf an, ob es sich hierbei um beitragspflichtige Einnahmen nach dem SGB VII handelt (a.A. Feddern, in: beck-online Großkommentar (Kasseler Kommentar), § 52 SGB VII Rn. 4). Nach dem Wortlaut von § 52 Nr. 1 SGB VII bezieht sich das Wort „beitragspflichtig“ direkt auf das Arbeitsentgelt und damit auf Einnahmen aus unselbstständiger Beschäftigung. Es ist zwar nach dem Wortlaut der Regelung nicht ausgeschlossen, diesen Zusatz auch auf das Arbeitseinkommen zu beziehen. Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich jedoch eindeutig, dass der Gesetzgeber die Anrechnung von Arbeitseinkommen nicht davon abhängig machen wollte, dass dieses nach dem SGB VII beitragspflichtig ist oder ggf. wäre. Die Beschränkung der Anrechnung auf „beitragspflichtiges“ Arbeitsentgelt ist durch Art. 6 Nr. 3 des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21.03.2005 (BGBl I 818) eingeführt worden. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes handelte es sich um eine Folgeänderung zur Einfügung von § 23c SGB IV (BT-Drucks 15/4228, S. 29 zu Nummer 3). § 23c SGB IV regelte in seiner ursprünglichen Fassung aber ausschließlich, dass Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld oder Krankentagegeld und sonstige Einnahmen aus einer Beschäftigung, die für die Zeit des Bezuges von Krankengeld, Krankentagegeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld oder Mutterschaftsgeld oder während einer Elternzeit weiter erzielt werden, nicht als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gelten, soweit die Einnahmen zusammen mit den genannten Sozialleistungen das Nettoarbeitsentgelt (§ 47 SGB V) nicht übersteigen. Es ging dem Gesetzgeber dementsprechend offensichtlich darum, durch den Zusatz „beitragspflichtiges“ zu gewährleisten, dass diese Beschäftigten gewährten Zuschüsse nicht auf das Verletzten- oder das Übergangsgeld angerechnet werden. Eine Beschränkung der Anrechnung von Arbeitseinkommen (aus selbstständiger Tätigkeit) war demgegenüber nicht gewollt. Hiergegen sprechen auch systematische Erwägungen. Wie bereits ausgeführt, hat eine aktuell selbstständig tätige Person, die aufgrund eines Versicherungsfalls arbeitsunfähig wird, der während einer früheren Beschäftigung eingetreten ist, Anspruch auf Verletztengeld unabhängig davon, ob sie in der jetzigen selbstständigen Tätigkeit nach dem SGB VII versichert ist. Bei der Berechnung des Verletztengeldes wird dementsprechend nach § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VII das Arbeitseinkommen aus der aktuellen Tätigkeit unabhängig davon berücksichtigt, ob es beitragspflichtiges Arbeitseinkommen im Sinne des SGB VII ist. Würde nach § 52 Nr. 1 SGB VII nur aktuell nach dem SGB VII beitragspflichtiges Arbeitseinkommen angerechnet, wäre ein Gleichlauf zwischen der Berechnung von Verletztengeld aus dem Arbeitseinkommen und der Anrechnung von Arbeitseinkommen auf dieses Verletztengeld („Spiegelbildprinzip“) nicht mehr gewährleistet. Vor allem würden solche selbstständig Tätige, die, wie der Kläger, gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kraft Satzung oder gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sind, gegenüber nichtversicherten Unternehmern ohne sachlichen Grund benachteiligt. Im Hinblick auf die Entgeltersatzfunktion des Verletztengeldes (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 3 SGB VII; hierzu auch BSG, Urt. v. 30.06.2009 – B 2 U 25/08 R –, juris Rn. 27) stehen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte selbstständig Tätige bei Bezug von Arbeitseinkommen nicht anders als nicht versicherte Unternehmer.

(f) Anzurechnen sind nach § 52 Nr. 1 1. HS 2. Alt. SGB VII nur 80 v.H. des nach Einkommensteuerrecht und den vorstehenden Ausführungen maßgeblichen Gewinns.

(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist bei dem Kläger für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.12.2015 ein Arbeitseinkommen von mindestens 330,44 Euro pro Kalendertag und für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 19.06.2016 ein Arbeitseinkommen von mindestens 311,50 Euro pro Kalendertag anzurechnen.

(a) Ausgangspunkt für die Ermittlung des anzurechnenden Arbeitseinkommens ist der sich aus den Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ergebende Gewinn des Klägers aus seiner selbstständigen Tätigkeit als Inhaber einer Praxis für Physiotherapie in den Jahren 2015 und 2016. Dieser betrug 156.109,00 Euro im Jahr 2015 und 140.174 Euro im Jahre 2016. Der Senat entnimmt diese Beträge dem Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 07.06.2017 und dem Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 20.03.2018, weil er davon ausgeht, dass die dort jeweils als Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers aufgeführten Beträge zutreffend nach den einschlägigen Vorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelt wurden und deshalb dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) bzw. dem Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG) in den Jahren 2015 und 2016 entsprechen. Die Beteiligten haben hiergegen auch keine Einwände erhoben.

Es kann dahinstehen, ob für die Berechnung des anzurechnenden Arbeitseinkommens auch die in den Einkommensteuerbescheiden genannten Einnahmen aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen sind, die – nach horizontalem Verlustausgleich insoweit –, für das Jahr 2015 mit -7411 Euro und für das Jahr 2016 18.899 Euro betragen. Es braucht insbesondere nicht entschieden zu werden, ob der Kläger hinsichtlich der Fortführung des betreffenden Gewerbebetriebs nicht arbeitsunfähig gewesen ist und deshalb die betreffenden Einnahmen nach der Rechtsprechung des BSG unberücksichtigt zu bleiben haben. Selbst wenn man für den Kläger die jeweils günstigste Variante annähme und für das Jahr 2015 die negativen Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb von den Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit abziehen, die positiven Einnahmen aus Gewerbebetrieb im Jahre 2016 aber nicht hinzurechnen würde, verbleibt es, wie die folgenden Ausführungen zeigen, dabei, dass das anzurechnende Arbeitseinkommen das Verletztengeld erheblich übersteigt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wählt der Senat diese für den Kläger günstigste Betrachtungsweise und geht von einem Bruttoarbeitseinkommen i.H.v. 148.698 Euro im Kalenderjahr 2015 und in Höhe von 140.174 Euro im Kalenderjahr 2016 aus.

(b) Gleichzeitig erzielt hat der Kläger hiervon im Zeitraum vom 01.04.2015 bis zum 19.06.2016 jeweils einen Betrag in Höhe des 360. Teils des Bruttoarbeitseinkommens pro Kalendertag im jeweiligen Kalenderjahr. Für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.12.2015 hat der Kläger dementsprechend ein Bruttoarbeitseinkommen i.H.v. 413,05 Euro pro Kalendertag und für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 19.06.2016 ein Bruttoarbeitseinkommen i.H.v. 389,37 Euro erzielt.

Wie bereits unter (1) (c) ausgeführt, kommt es für die Frage, ob und in welchem Umfang Arbeitseinkommen gleichzeitig erzielt wird, wegen der nach § 15 Abs. 1 SGB IV strengen Anbindung an das Einkommensteuerrecht auf den Zeitpunkt des Zuflusses während des Bezugszeitraums des Verletztengeldes an. Diesen zu bestimmen, ist in der Regel deshalb mit Schwierigkeiten verbunden, weil der Gewinn nach Einkommensteuerrecht jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln ist (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG). Eine Gewinnermittlung nach einzelnen Zeitabschnitten innerhalb eines Kalenderjahres ist dem Einkommensteuerrecht bei Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG fremd. Eine entsprechende Aufteilung des Gewinns ist aber nach § 52 Nr. 1 SGB VII regelmäßig erforderlich, weil Verletztengeld schon wegen der in § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII vorgesehenen zeitlichen Beschränkung des Bezugs von Verletztengeld auf 78 Wochen in der Regel nicht für volle Kalenderjahre zu gewähren ist. Es erfolgt vielmehr nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 6 und 7 SGB V eine Bewilligung pro Kalendertag oder pro Monat. Es bedürfte dementsprechend eigentlich einer klaren gesetzlichen Regelung über die Art und Weise der Anrechnung von Arbeitseinkommen (vgl. insoweit beispielsweise § 5 Alg II-V). Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber aber im SGB VII unterlassen.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, wie diese gesetzliche Lücke in jedem Einzelfall zu schließen ist. Namentlich bei einer Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von weniger als einem Jahr könnte man in entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 6 und 7 SGB V wegen der pro Kalendertag oder pro Monat erfolgenden Gewährung von Verletztengeld an eine tages- bzw. monatsweise Gewinnermittlung anhand von betriebswirtschaftlichen Auswertungen, aus denen sich Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben möglichst zeitgenau ergeben, denken, was freilich mit durchaus erheblichem Aufwand verbunden wäre. Für den hier vorliegenden Fall hält der Senat jedenfalls eine entsprechende Anwendung von § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VII für sachgerecht mit der Folge, dass der 360. Teil des Bruttoarbeitseinkommens für die Kalenderjahre 2015 und 2016 jeweils pro Kalendertag des streitgegenständlichen Zeitraums als erzieltes Arbeitseinkommen zu berücksichtigen ist.

Der vorliegende Fall ist dadurch geprägt, dass der Kläger, wie bereits ausgeführt und festgestellt, ab dem 22.12.2014 bis mindestens 31.12.2016 arbeitsunfähig war. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dauerte daher mindestens während der gesamten Kalenderjahre 2015 und 2016 an. In diesem Fall besteht weder Raum noch Bedürfnis von der durch das Einkommensteuerrecht vorgegebenen kalenderjahrbezogenen Ermittlung des Gewinns abzuweichen. Dem Kläger ist vielmehr während der gesamten Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit in den Kalenderjahren 2015 und 2016 ein Arbeitseinkommen in Höhe des jeweiligen Jahresgewinns zugeflossen. Der Zufluss des Arbeitseinkommens in den Jahren 2015 und 2016 ist damit eindeutig dem gesamten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit zuzuordnen. Es entspricht vor diesem Hintergrund der Systematik des Einkommensteuerrechts, rechnerisch von einem gleichmäßigen Zufluss des Gewinns im jeweiligen Kalenderjahr auszugehen. Diese Wertung korrespondiert mit dem in § 47 Abs. 1 und § 52 Nr. 1 SGB VII angelegten, von der Rechtsprechung des BSG in anderem Zusammenhang betonten „Spiegelbildprinzip“, wonach die Berechnung des Verletztengeldes und die Anrechnung von Einkommen auf dieses Verletztengeld nach den gleichen Grundsätzen zu erfolgen hat, sodass Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, das nach Art und Herkunft bei der Berechnung des Verletztengeldes nicht zu berücksichtigen ist, auch nicht durch Anrechnung zur Minderung des Verletztengeldes führen kann. Wenn nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VII als Bemessungsgrundlage das Arbeitseinkommen aus dem Kalenderjahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt auf den für dieses Kalenderjahr maßgeblichen Höchstjahresarbeitsverdienst heranzuziehen und mit dem 360. Teil zu berücksichtigen ist, entspricht es dem Spiegelbildprinzip, ebenfalls den 360. Teil des während eines vollen Jahres der Arbeitsunfähigkeit zugeflossenen Gewinns aus selbstständiger Tätigkeit als erzieltes Einkommen anzurechnen. Damit wird letztlich die in § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VII vorgesehenene Pauschalierung aufgegriffen und auf die Anrechnung von Arbeitseinkommen übertragen. Dies trägt nicht nur den Wertungen des Gesetzes Rechnung, sondern stellt auch eine praktikable Lösung dar.

Der Senat verkennt nicht, dass eine solche Verfahrensweise eine rasche endgültige Gewährung von Verletztengeld bei dauerhaft arbeitsunfähigen selbstständig Tätigen ausschließt, weil zwar nicht zwingend der Erlass des Einkommensteuerbescheids, aber regelmäßig der Ablauf eines vollen Kalenderjahres abgewartet werden muss. Wenn der betroffene selbstständig Tätige aber glaubhaft darlegen kann, dass ihm infolge seiner Arbeitsunfähigkeit Einkommensverluste im Vergleich zur Bemessungsgrundlage des Verletztengeldes drohen, kommt zumindest die Gewährung eines Vorschusses nach § 42 Abs. 1 SGB I in Betracht.

Legt man mithin als gleichzeitig erzieltes Arbeitseinkommen den 360. Teil des jeweiligen Bruttogewinns aus den Kalenderjahren 2015 und 2016 zugrunde, ergibt sich ein zu berücksichtigendes Arbeitseinkommen i.H.v. 413,05 Euro pro Kalendertag und für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 19.06.2016 ein zu berücksichtigendes Arbeitseinkommen i.H.v. 389,37 Euro.

(c) Von dem danach gleichzeitig erzielten Arbeitseinkommen sind nach § 52 Nr. 1 1. HS 2. Alt. SGB VII 80 v.H. anzurechnen, sodass sich für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.12.2015 ein anzurechnendes Arbeitseinkommen in Höhe von (mindestens) 330,44 Euro pro Kalendertag und für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 19.06.2016 ein anzurechnendes Arbeitseinkommen in Höhe von (mindestens) 311,50 Euro pro Kalendertag ergibt.

(3) Es ist kein normativer, mithilfe anerkannter juristischer Methodik begründbarer Ansatz dafür ersichtlich, zugunsten des Klägers von einer Anrechnung des vorstehend ermittelten anrechenbaren Arbeitseinkommens ganz oder teilweise abzusehen.

(a) Das BSG hat allerdings unter der Geltung von § 560 Abs. 1 RVO in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung die Auffassung vertreten, dass nur das Erzielen von Einkommen, wie vor der Arbeitsunfähigkeit, aufgrund eigener Tätigkeit die Zahlung von Verletzten- und/oder Übergangsgeld ausschließe. Der Zufluss von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit sollte demnach die Gewährung von Verletzten- und/oder Übergangsgeld nur ausschließen, wenn dieses Arbeitseinkommen aufgrund eigener Betätigung während der Arbeitsunfähigkeit zugeflossen ist, sofern der betreffende selbstständig Tätige vor der Arbeitsunfähigkeit persönlich im Unternehmen mitgearbeitet hat. Falle die Arbeitskraft eines im Betrieb voll mitarbeitenden Unternehmers für einen nicht unbedeutenden Zeitraum aus, so sei nach dem Sinn und Zweck der §§ 560 ff. RVO davon auszugehen, dass ein Einkommensverlust in Höhe des in der Satzung für freiwillig versicherte Unternehmer bestimmten Jahresarbeitsverdienstes entstanden sei. Die Annahme eines solchen – fiktiven – Einkommensverlustes entspreche nicht nur den Besonderheiten der Unternehmerversicherung, sondern auch der aus § 561 Abs. 3 RVO erkennbaren Absicht des Gesetzgebers, der der Berechnung des Verletztengeldes insbesondere für Unternehmer den Jahresarbeitsverdienst zugrunde gelegt wissen wolle (BSG, Urt. v. 23.08.1973 – 8/2 RU 238/72 –, juris Rn. 17 ff. und Leitsatz; Urt. v. 24.02.1982 – 2 RU 42/81 –, juris Rn. 21 ff.). Dieser Auffassung hat sich der 1. Senat des BSG für das Krankengeldrecht „aus Gründen der Praktikabilität“ angeschlossen (BSG, Urt. v. 14.12.2006 – B 1 KR 11/06 R –, juris Rn. 17). Auch die herrschende Meinung in der Literatur folgt dieser Auffassung (Westermann, in: juris-PK SGB VII, § 52 Rn. 19; Römer, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 52 Rn. 10; Köllner in: Lauterbach, UV-SGB VII, § 52 SGB VII Rn. 17; Feddern, in: beck-online Großkommentar (Kasseler Kommentar), § 52 SGB VII Rn. 6).

(b) Diese Rechtsprechung ist jedoch im vorliegenden Fall nicht einschlägig, so dass der Kläger hieraus nicht unmittelbar etwas für sich Günstiges herleiten kann. Der Senat muss deshalb auch nicht abschließend dazu Stellung nehmen, ob er der eingangs dargestellten Rechtsprechung folgt (ablehnend insoweit SG Dresden, Urt. v. 31.05.2002 – S 7 U 32/99 –, HVBG-INFO 2002, 3396 ff.).

Allen bisher in der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne der dargestellten Rechtsprechung höchstrichterlich entschiedenen Fällen war gemeinsam, dass der maßgebliche Versicherungsfall aufgrund der selbstständigen Tätigkeit, für die eine Unternehmerversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung bestand, eingetreten war. In der Leitentscheidung aus dem Jahre 1973 hat das BSG dementsprechend ausdrücklich auch auf den Sinn und Zweck der Unternehmerversicherung und die Regelung des § 561 Abs. 3 RVO, die gerade bei versicherten Unternehmern zur Anwendung kam und ihre Entsprechung heute in § 47 Abs. 5 SGB VII findet, abgestellt. Vorliegend geht es jedoch nicht um einen Versicherungsfall aufgrund einer versicherten Tätigkeit als Unternehmer, sondern der Kläger beansprucht Verletztengeld wegen der Auswirkungen eines Versicherungsfalls, der auf seine versicherungspflichtige Beschäftigung als Berufsfußballspieler zurückzuführen ist. Wie bereits ausgeführt, kommt deshalb bei ihm § 47 Abs. 5 SGB VII für die Berechnung des Verletztengeldes nicht zur Anwendung. Schon deshalb erschließt sich nicht, warum im Falle des Klägers von einem fiktiven Einkommensverlust in Höhe des Jahresarbeitsverdienstes, zu dem er bei der hier für die Gewährung von Verletztengeld gar nicht zuständigen BGW kraft Satzung versichert ist, auszugehen sein soll.

Zudem kann nach der Rechtsprechung nur dann von einem infolge der Arbeitsunfähigkeit eingetretenen fiktiven oder pauschalen Einkommensverlust ausgegangen werden, wenn die Mitarbeit im Unternehmen infolge der Arbeitsunfähigkeit vollständig oder nahezu vollständig entfallen ist. Wie zu verfahren und zu entscheiden ist, wenn der betreffende Unternehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit oder während der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. § 49 SGB VII) weiterhin im Betrieb mitarbeitet und damit durch seine Tätigkeit zur Erzielung von Einkommen beiträgt, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt (ausdrücklich offengelassen von BSG, Urt. v. 24.02.1982 – 2 RU 42/81 –, juris Rn. 23, 29; Urt. v. 14.12.2006 – B 1 KR 11/06 R –, juris Rn. 17 f.). Wie bereits ausgeführt und festgestellt, hat der Kläger hier aber im streitgegenständlichen Zeitraum seine Praxis für Physiotherapie weiterbetrieben und auch weiterhin leitende, verwaltende und auch betriebswirtschaftlich relevante Tätigkeiten, wie z.B. Kundenakquise und -betreuung, ausgeübt. Wie er selbst ausgeführt hat, hat er ab April 2015 morgens die Praxis aufgeschlossen und die Post gesichtet. Er hat sich ferner an zwei bis drei Tagen in der Woche für etwa eine oder eineinhalb Stunden im Betrieb aufgehalten, um Kundenkontakt zu erhalten und den Mitarbeitern für Fragen zur Verfügung zu stehen. Er war zwar damit in deutlich geringerem zeitlichen Umfang in seiner Praxis anwesend als vor der Arbeitsunfähigkeit. Von einer lediglich ganz geringfügigen Mitwirkung, die keinerlei Auswirkungen auf die Erzielung von Arbeitseinkommen haben kann, kann jedoch nicht ausgegangen werden.

(c) Jedenfalls bei der hier vorliegenden Fallkonstellation ist für die vom Kläger gewünschte vollständige oder teilweise Anrechnungsfreiheit des in den Jahren 2015 und 2016 erzielten Arbeitseinkommens kein normativer, methodisch tragfähiger Ansatz ersichtlich. Soweit in der Literatur in Anlehnung an die unter (a) dargestellte höchstrichterliche Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, Verletztengeld sei in Höhe eines prozentualen Anteils entsprechend der Ausfallzeit zu leisten, wenn der Unternehmer trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit in seinem Betrieb stundenweise weiter arbeite (so Römer, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 52 Rn. 10; Köllner, in: Lauterbach, UV-SGB VII, § 52 SGB VII Rn. 17), ist dem nicht zu folgen. Diese Auffassung findet keinen Rückhalt im Gesetz.

Das Gesetz stellt an keiner Stelle darauf ab, ob und in welchem zeitlichen Umfang ein Versicherter während der Dauer von Arbeitsunfähigkeit Arbeitsleistungen erbringt bzw. erbringen kann. Wie bereits ausgeführt, gibt es keine Teilarbeitsunfähigkeit, d. h. hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit gilt ein Alles-oder-nichts-Prinzip. Solange Arbeitsunfähigkeit besteht, ist in den Grenzen von § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII dem Grunde nach das volle Verletztengeld zu gewähren. Das Gesetz sieht in § 52 Nr. 1 SGB VII lediglich eine Anrechnung von Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen, das während der Bezugsdauer von Verletztengeld tatsächlich zufließt, vor, wobei nach der Rechtsprechung nur das Einkommen aus der Tätigkeit bzw. den Tätigkeiten zu berücksichtigen ist, für die Arbeitsunfähigkeit besteht. Irgendwelche Arbeitszeitanteile oder Ausfallzeiten spielen nach der eindeutigen gesetzlichen Systematik keine Rolle.

Wie bereits ausgeführt, kommt es darüber hinaus für die Frage, ob, wann und in welchem Umfang Arbeitseinkommen, d. h. z.B. Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit, im Sinne von § 52 Nr. 1 SGB VII erzielt wird, nur auf den tatsächlichen Zufluss an. Ob und in welchem Umfang das zugeflossene Arbeitseinkommen auf einer Mitarbeit des arbeitsunfähigen Versicherten beruht, kann deshalb nicht relevant sein. Wie bereits dargelegt, ist Hauptanwendungsfall von § 52 Nr. 1 SGB VII, was die Erzielung von Arbeitsentgelt anbetrifft, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG, der naturgemäß keine eigene Arbeitsleistung des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegt; es handelt sich um einen typischen Fall, in dem Arbeitsentgelt ohne Arbeit gewährt wird. Warum für das während der Arbeitsunfähigkeit wegen der Weiterführung des Unternehmens zugeflossene Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit etwas anderes gelten und dieses nur dann anzurechnen sein sollte, wenn und soweit es auf eigener Mitarbeit des Versicherten beruht, erschließt sich nicht. Für eine solche Ungleichbehandlung ist ein sachlicher Grund nicht ersichtlich, zumal das Gesetz nicht darauf abstellt, welchem Zweck das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen dient. Nach § 52 Nr. 1 SGB VII ist vielmehr allein entscheidend, dass das Einkommen „gleichzeitig erzielt“ wird, d. h. für den gleichen Zeitraum zufließt, für den Verletztengeld dem Grunde nach zu zahlen ist. Wie bereits dargelegt, kommt es insoweit für Arbeitseinkommen allein auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses an.

Für eine Differenzierung des anzurechnenden Arbeitseinkommens danach, ob und in welchem Umfang es auf einer persönlichen Mitarbeit des arbeitsunfähigen selbstständig Tätigen beruht, fehlt auch im Übrigen jeglicher normativer Anknüpfungspunkt. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, der, wie bereits ausgeführt, für die Bestimmung des Arbeitseinkommens im Sinne von § 52 Nr. 1 SGB VII maßgeblich ist, ist Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Das Steuerrecht differenziert aber hinsichtlich der Frage, was Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist, nicht danach, ob und in welchem Umfang der Gewinn auf eigener Tätigkeit beruht. Vielmehr sind alle Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit, die im Hinblick auf diese Tätigkeit dem Steuerpflichtigen zufließen, bei der Ermittlung des Gewinns zu berücksichtigen (vgl. insoweit auch deutlich BSG, Urt. v. 07.10.2004 – B 13 RJ 13/04 R –, juris Rn. 32 ff.: Die Bewertung von „Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit“ als Hinzuverdienst nach § 96a SGB VI setzt nicht voraus, dass eine eigene (selbstständige) Tätigkeit tatsächlich noch ausgeübt wird).

Dass nur solches Arbeitseinkommen anzurechnen sein soll, das auf eigener Mitarbeit des arbeitsunfähigen selbstständig Tätigen beruht, kann auch nicht der Systematik des SGB VII entnommen werden. Wie bereits ausgeführt, ist bei der Berechnung des Verletztengeldes nach § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VII das Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 Abs. 1 SGB IV im Kalenderjahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit als Bemessungsgrundlage insgesamt heranzuziehen und nicht danach zu differenzieren, ob und in welchem Umfang es auf der eigenen Tätigkeit des selbstständig tätigen Versicherten beruht. Nicht zuletzt im Hinblick auf das vom BSG in anderem Zusammenhang betonte Spiegelbildprinzip zwischen der Berechnung des Verletztengeldes einerseits und der Anrechnung von Einkommen andererseits erschließt sich nicht, warum bei der Anrechnung von Arbeitseinkommen nach § 52 Nr. 1 SGB VII eine entsprechende, dem Einkommensteuerrecht fremde Differenzierung erfolgen sollte.

Darüber hinaus wäre eine lediglich anteilige Anrechnung des während der Arbeitsunfähigkeit erzielten Arbeitseinkommens auch wirtschaftlich kaum sinnvoll möglich. Welchen Anteil die spezifisch physiotherapeutische Tätigkeit des Klägers an seinem Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit hatte, kann kaum realitätsgerecht bestimmt werden. Allein der Umstand, dass sein Gewinn während der Arbeitsunfähigkeit in den Jahren 2015 und 2016 gegenüber dem nach § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VII maßgeblichen Bemessungszeitraum gestiegen ist, lässt darauf schließen, dass die physiotherapeutischen Arbeiten des Klägers wirtschaftlich von eher untergeordneter Bedeutung waren und er seinen Gewinn vornehmlich dadurch erzielt, dass sein Name und seine Bekanntheit eine gewisse Zugkraft besitzen und er angestellte Physiotherapeuten wirtschaftlich für sich arbeiten lässt.

Im Übrigen läuft die Annahme eines fiktiven Einkommensverlustes wegen der Einschränkung, allerdings nicht vollständigen Aufgabe der persönlichen Mitarbeit wegen Arbeitsunfähigkeit an der Systematik des Gesetzes vorbei. Das Gesetz fragt nicht direkt danach, ob und in welcher Höhe infolge der Arbeitsunfähigkeit ein Einkommensverlust entstanden ist (anders insoweit beispielsweise landesrechtliche Regelungen, die für den Fall der Ausübung eines Ehrenamtes oder bei Arbeitsunfähigkeit infolge der Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit die Gewährung von – allerdings pauschaliert unter Verwendung von Unter- und Obergrenzen bestimmtem – Verdienstausfall vorsehen, vergleiche hierzu das Urteil des Senats vom 20.09.2022 – L 15 U 186/21 –, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Es bestimmt vielmehr die Höhe des Verletztengeldes als Differenz zwischen dem nach § 47 SGB VII unter Verwendung pauschalierender Elemente zu bestimmenden (Höchst-)Betrag des Verletztengeldes und den nach § 52 SGB VII anzurechnenden Einnahmen. Für die Bestimmung der Höhe des Verletztengeldes nach einem fiktiven Einkommensverlust ist bei dieser Gesetzeslage kein Raum. Wollte man Verletztengeld in Höhe eines prozentualen Anteils entsprechend der Ausfallzeit gewähren, käme dies nach der Systematik des SGB VII einer Art Freibetrag für das während der Arbeitsunfähigkeit weiterhin erzielte Arbeitseinkommen gleich. Ein solcher Freibetrag ist aber gesetzlich nicht geregelt.

Billigkeitserwägungen dahingehend, dass ein arbeitsunfähiger Unternehmer auch dann Verletztengeld erhalten können müsse, wenn sein Unternehmen gut laufe und er auch ohne seine Mitarbeit einen hohen Gewinn erziele (vgl. Römer, a.a.O.), sind als nicht normtextbezogene Argumente methodisch zweifelhaft. Vor allem beachten sie die Entgeltersatzfunktion des Verletztengeldes nicht hinreichend. Verletztengeld dient nicht dazu, einen Versicherungsfall und eine dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit pauschaliert zu entschädigen, sondern einen Einkommensverlust auszugleichen (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2009 – B 2 U 25/08 R –, juris Rn. 27). Wer aber, wie der Kläger, trotz Arbeitsunfähigkeit weiterhin sein Unternehmen betreiben kann und hieraus sogar, wie im vorliegenden Fall, einen höheren Gewinn erzielt als im nach § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VII maßgeblichen Bemessungszeitraum für das Verletztengeld, erleidet tatsächlich keinen Einkommensverlust. Die Konstruktion eines fiktiven Einkommensverlustes würde gerade im Falle des Klägers bewirken, dass er zusätzlich zu dem höheren Gewinn im Vergleich zum Kalenderjahr 2013 für die Jahre 2015 und 2016 zusätzlich Verletztengeld quasi als Draufgabe erhalten würde. Das Verletztengeld würde dadurch in eine Art pauschalierte Entschädigungsleistung umgewandelt, durch die der Kläger finanziell erheblich bessergestellt wäre als in dem für die Bemessung des Verletztengeldes maßgeblichen Kalenderjahr vor der Arbeitsunfähigkeit. Dies ist mit der Funktion des Verletztengeldes nicht vereinbar.

Soweit der Kläger dahingehend argumentiert, dass er, wenn er nicht arbeitsunfähig gewesen wäre und weiterhin selbst in der Praxis physiotherapeutische Behandlungen hätte durchführen können, in den Jahren 2015 und 2016 einen noch höheren Gewinn erzielt hätte, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Abgesehen davon, dass über die Höhe des vom Kläger ohne Eintritt von Arbeitsunfähigkeit erzielten Gewinns nur spekuliert werden kann, besteht der Zeck des Verletztengeldes nicht darin, entgangenen Gewinn auszugleichen, wenn tatsächlich kein Einkommensverlust entstanden ist. Die zur Ermittlung von entgangenem Gewinn vorzunehmende Differenzhypothese findet im Schadensersatzrecht nach §§ 249 ff. BGB Anwendung. Verletztengeld ist aber kein allgemeiner Schadensersatz, was sich auch daraus ergibt, dass Verletztengeld nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII der Höhe nach begrenzt ist und damit von vornherein nicht darauf gerichtet ist, alle finanziellen Nachteile von versicherungsfallbedingter Arbeitsunfähigkeit auszugleichen.

(4) Eine Begrenzung des anzurechnenden Arbeitseinkommens auf den Höchstjahresarbeitsverdienst (hier den der BGW in den Jahren 2015 und 2016) gemäß §§ 85, 153 Abs. 2 SGB VII hat ebenfalls nicht zu erfolgen. Eine solche Begrenzung wird in der Literatur in der Sache damit begründet, dass Arbeitseinkommen nur bis zur Grenze des Höchstjahresarbeitsverdienstes beitragspflichtig sei (Feddern, in: beck-online Großkommentar (Kasseler Kommentar), § 52 SGB VII Rn. 4). Wie unter (1) (e) dargelegt, enthält § 52 Nr. 1 SGB VII jedoch keine Beschränkung der Anrechnung auf (potentiell) beitragspflichtiges Arbeitseinkommen.

cc) Da mithin das nach § 52 Nr. 1 SGB VII anzurechnende Arbeitseinkommen (für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.12.2015 (mindestens) 330,44 Euro pro Kalendertag und für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 19.06.2016 (mindestens) 311,50 Euro pro Kalendertag) das im streitgegenständlichen Zeitraum an sich zu gewährende Verletztengeld (für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.12.2015 kalendertäglich 190,77 Euro und vom 01.01.2016 bis zum 19.06.2016 kalendertäglich 195,79 Euro) deutlich übersteigt, beträgt das kalendertägliche Verletztengeld deshalb im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum 0 Euro. Es besteht deshalb im streitgegenständlichen Zeitraum kein Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, weil der Kläger einen Anspruch als Versicherter im Sinne von § 183 SGG geltend macht.

4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.

 

Rechtskraft
Aus
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