Für Streitigkeiten über die Abrechnung von Leistungen nach § 7 TestV ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet.
GSW Sozialgericht Berlin |
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als Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle |
Beschluss
In dem Antragsverfahren
…,
…und … GbR vertreten durch …
…,
- Antragstellerin -
Proz.-Bev.:
… Rechtsanwaltsgesellschaft mbH,
vertr.d.d. Geschäftsführer …
,,,,
gegen
Kassenärztliche Vereinigung Thüringen,
Zum Hospitalgraben 8, 99425 Weimar,
- Antragsgegnerin -
hat die 83. Kammer des Sozialgerichts Berlin am 6. Dezember 2022 durch ihren Vorsitzenden, den Richter am Sozialgericht …, beschlossen:
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten wird für unzulässig erklärt.
Der Rechtsstreit wird an das zuständige Verwaltungsgericht Berlin verwiesen.
Gründe
Das Sozialgericht hatte gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 17 a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig zu erklären und den Rechtsstreit an das VG Berlin zu verweisen, weil keine der in § 51 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Rechtsmaterien vorliegt, sondern eine Streitigkeit, für die der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Die örtliche Verweisung des Rechtsstreits durch das SG Gotha an das SG Berlin steht der sachlichen Verweisung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht entgegen.
Nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine abdrängende Sonderzuweisung zu den Sozialgerichten liegt nicht vor, § 51 Abs. 1 Nr. 2 HS 1 SGG ist nicht einschlägig.
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 HS. 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Die Zuweisung nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG erfasst alle Rechtsstreitigkeiten, bei denen die vom Kläger hergeleitete Rechtsfolge ihre Grundlage im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung haben kann (vgl. BSG, Beschluss vom 5. Mai 2021 – B 6 SF 1/20 R (sämtliche Rechtsprechung hier und folgend zitiert nach juris)). Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung sind Streitigkeiten, die entweder die versicherungs- oder leistungsrechtlichen Beziehungen der Krankenkassen zu ihren Mitgliedern und zu den Leistungserbringern auf der Grundlage des SGB V oder auch die Beziehungen der Leistungserbringer untereinander betreffen (vgl. BSG, Beschluss vom 5. Mai 2021 – B 6 SF 5/20 R, Rn. 31). Von § 51 Abs. 1 Nr. 2 HS 1 SGG erfasst wird damit das gesamte Vertragsarztrecht sowie auch die Rechtsbeziehungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zu ihren Mitgliedern sowie zu sonstigen Leistungserbringern, die innerhalb des vertragsärztlichen Systems Leistungen erbringen und über die KV abrechnen (BayVGH, Beschluss vom 16. September 2021 – 7 C 21.2253).
Hieran gemessen liegt keine Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung vor, weil durch den Gegenstand des Streits keine Maßnahmen betroffen sind, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem SGB V obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 16. September 2021 – 7 C 21.2253, Rn 14f. zum Auskunftsrecht gegenüber der KV).
Zwar beruht die Coronavirus-Testverordnung (TestV) auf § 20i Abs. 3 S. 2 Nr. 1b SGB V. Sie regelt aber gerade nicht die Aufgaben der Krankenkassen gegenüber den gesetzlich Versicherten. § 20i Abs. 3 Nr. 1 SGB V gilt nach Nr. 2 auch für Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Anspruchsgegner bezüglich des Testanspruches ist nicht die Krankenkasse, sondern der Rechtsträger des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD). Entsprechend ist für Ansprüche aus der TestV der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. § 68 Abs. 1a IfSG, der das für die CoronaImpfV nach § 20 i Abs. 3 Nr. 1 a SGB V ausdrücklich anordnet, ist insoweit entsprechend anwendbar (Bockholdt in: Schlegel/Meßling/Bockholdt, Corona-Gesetzgebung, § 14 Testung und Impfung, Rn. 45).
Etwas anderes gilt auch nicht für Streitigkeiten über die Abrechnung von Leistungen nach § 7 TestV. Dieser überträgt die Aufgabe der Abrechnung zwar der KV. Diese handelt aber nicht als Selbstverwaltungskörperschaft gegenüber ihren Mitgliedern, den Vertragsärzten und anderen Leistungserbringern im vertragsärztlichen System, sondern als Abrechnungsstelle für den ÖGD, der die Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 und 2 TestV zertifiziert.
Allein die Tatsache, dass die Abrechnung im Bereich der KV angesiedelt ist, macht sie nicht zu einer Angelegenheit, die ihre materiell-rechtliche Grundlage im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung hat (siehe auch Reuter, Die Verwaltungstätigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen der Testverordnung, GesR 2022, 273ff.). Maßgeblicher Bezugspunkt für die Prüfung des Rechtswegs ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der streitgegenständliche Anspruch hergeleitet wird (vgl. BayVGH, Beschluss vom 16. September 2021 – 7 C 21.2253, Rn 14.f. zum Auskunftsrecht gegenüber der KV). Die Rechtsgrundlagen der Abrechnung durch die KV und das sich daraus ergebene Rechtsverhältnis zum Antragsteller als Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 und 2 TestV ergibt sich allein aus der TestV. Sie sind nicht im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt. Die KV erfüllt allein die sich aus § 7 TestV ergebene Pflicht einer Abrechnung für den ÖGD. Das Rechtsverhältnis richtet sich nicht nach den Vorschriften des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. zum Pflegebonus nach § 150a SGB XI, der durch die Arbeitgeber ausgezahlt wird: BAG, Beschluss vom 1. März 2022 – 9 AZB 25/21 Rn. 16; a.A. Bockholdt in: Schlegel/Meßling/Bockholdt, Corona-Gesetzgebung, § 14 Testung und Impfung, Rn. 51).
Es ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben.