L 9 KR 83/16

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 274/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 9 KR 83/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 46/22 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Statusbeurteilung einer Volkshochschullehrerin für die Sprachkurse

"Deutsch als Fremdsprache" (als Selbstzahlerkurs, Integrationskurs,

Orientierungskurs), die ua bei der Unterrichtserteilung im jeweiligen Kurs

 mit einem anderen Kursleiter (Co-Dozenten) arbeitsteilig zusammenwirkte

und in die Erfüllung verwaltungs-organisatorischer Aufgaben im Rahmen

der betrieblichen Organisation der Volkshochschule eingebunden war

(zB Führen von Anwesenheitslisten, eines Klassenbuchs, Teilnahme an

 Dienstbesprechungen zum Informationsaustausch auch über und für

die Teilnehmer, Durchführung und Korrektur von Lernstandtests).

Bemerkung

Statusfeststellungsverfahren - Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit -

Volkshochschullehrerin auf honorarvertraglicher Basis

 - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit

     
   
 

 

  1. Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12. Januar 2016 (Az. S 8 KR 274/13) wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2013 wird aufgehoben. Unter Abänderung des Bescheides vom 19. Dezember 2012 wird festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin bei der VHS A....  in den Kursen Deutsch Intensivkurs 1, Deutsch Intensivkurs 2, Deutsch Intensivkurs 3, Deutsch Orientierungsmodul und Prüfungsvorbereitungskurs vom 01. Oktober 2003 bis 30. September 2012 auf der Grundlage der für diesen Zeitraum geschlossen Honorarverträge im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und dem Grunde nach versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung war.

 

 

  1. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Kursleiterin für Deutsch als Fremdsprache bei der Beigeladenen zu 1 (Volkshochschule A.... ) vom 01.10.2003 bis zum 30.09.2012.

 

Die 1979 geborene Klägerin ist seit 26.09.2003 Magistra artium (M.A.) für Mittlere und Neuere Geschichte, Neogräzistik und Deutsch als Fremdsprache und erhielt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: BAMF) am 31.08.2006 die Zulas-sung zur Tätigkeit als Lehrkraft in einem Integrationskurs (§ 15 Abs. 1 Integrationskursverordnung [IntV]). Mit dem Sächsischen Volkshochschulverband e.V. (SVV e.V.) hatte die Klägerin eine (Honorar-)Vereinbarung als telc-Prüferin für die Deutsch- und Integrationskurse (Deutsch-Test für Zuwanderer, Zertifikat Deutsch [telc Deutsch B1], weitere Deutschprüfungen für die Niveaustufen A1, A2, B1 und B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen [GER]) abgeschlossen.

 

Die Beigeladene zu 1 führte sowohl Kurse für Deutsch als Fremdsprache für selbstzahlende Kursteilnehmer als auch - als eine vom BAMF zugelassene Kursträgerin (im Jahr 2005 geregelt durch die Zulassungsvereinbarung vom 17.12.2004) - für Teilnehmer von Integrationskursen (§ 43 AufenthG) durch. Sie bot diese Kurse entsprechend den Niveaustufen des GER als Deutsch Intensiv 1 (A1.1 und A1.2), Deutsch Intensiv 2 (A2.1 und A2.2.), Deutsch Intensiv 3 (B1.1 und B1.2) (jeweils à 200 Unterrichtseinheiten [UE]) und als Prüfungsvorbereitungskurs (B1) an, welche vor Beginn des Jahres 2005 mit selbstzahlenden und ab 2005 auch mit vom BAMF geförderten Kursteilnehmern (gemischt) belegt wurden, ferner einen Orientierungskurs (Modul 7) als Integrationskurs (§ 43 Abs. 3 Satz 1, 2 AufenthG, § 10 Abs. 1 IntV, § 18 Abs. 1 IntV).

 

Die Klägerin schloss mit der Beigeladenen zu 1 jeweils die nachstehenden tabellarisch aufgeführten Verträge über „Lehrtätigkeit auf Honorarbasis für die Volkshochschule A.... “ mit Beginn der Unterrichtstätigkeit vom 01.10.2003 bis zum 30.09.2012 ab, welche (dem Grunde nach) folgenden gleichlautenden Inhalt hatten:

„§ 1

 

Der/die Dozent/in übernimmt als Kursleiter/in in der Volkshochschule A....  eine Lehrtätigkeit zum Thema <Deutsch Intensiv 1 (- Anfängerkurs) (am Nachmittag)>, <Deutsch Intensiv 2 (am Nachmittag) (Niveau A2/2)>, <Deutsch Intensiv 3 (- Prüfungskurs) (am Nachmittag) (Niveau B1/1) (Niveau B1/2)>, <Deutsch Orientierungskurs (Modul 7 Integrationskurs BAMF)>, <Prüfungsvorbereitungskurs „Deutsch-Test für Zuwanderer“>;<Prüfungsvorbereitungskurs Zertifikat Deutsch (B1)>

 

§ 2

1 Die Tätigkeit findet statt im Semester …  

  Sofern nicht anders bestimmt, gelten die im Kursprogramm ausgedruckten Kurszeiten.

 

2 Es werden für das Semester <Anzahl: zwischen 4 und 128> Stunden vereinbart. (Eine  

  UE beträgt 45 Minuten).

3 Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um ein selbstständiges, die Arbeitskraft nicht über

  wiegend beanspruchendes Dienstverhältnis.

§ 3

Der Vertrag gilt nur für die in § 2 (1) genannte Frist und endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. …

 

§ 4

1 Die Vergütung bemisst sich nach den tatsächlich geleisteten Stunden und beträgt pro

  Unterrichtseinheit <Beträge von 14,50 €, 15 €, 15,50; 16,50 €, 17,33€, 18 €, 20 €>.

2 Die Vergütung wird fällig, wenn die Tätigkeit entsprechend § 1 beendet ist und die Rech-

  nung an die Stadt A....  gelegt wurde. …

3 Bei länger andauernder Tätigkeit kann monatlich abgerechnet werden.

4 …

5 …

6 Die gezahlte Vergütung gehört zu den steuerpflichtigen Einkommensarten, unterliegt aber

  nicht dem Lohnsteuerabzug. Der/die Dozent/in hat die Steuerpflicht selbstständig mit dem

  zuständigen Finanzamt zu regeln.

  § 5

Bei Unfällen sowie bei Verlust und Beschädigung von Sachen haftet die Stadt A....  nicht. …

§ 6

Umseitige Nebenabreden sind Vertragsbestandteil. Veränderungen und weitere Nebenabreden zu diesem Vertrag bedürfen in jedem Fall der Schriftform. Dies gilt auch für ein Abweichen vom Schriftformerfordernis.“

 

Auf der Rückseite fand sich unter „Nebenabrede zum umseitigen Vertrag über Lehrtätigkeit für die Volkshochschule A.... “ folgender Text:

§ 1

„Der/die Dozent/in verpflichtet sich:

1 Den Lehrgegenstand in vereinbartem Umfang und in der vereinbarten Weise zu behan-

  deln.

2 Bei Erkrankung oder sonstigen Verhinderungen die Volkshochschule unverzüglich zu ver-

  ständigen, sodass die Kursteilnehmer/innen noch rechtzeitig benachrichtigt werden kön-

  nen.

3 In keinem Fall ist er/sie befugt, eigenmächtig eine Vertretung zu beauftragen oder Kurs-

  zeiten zu ändern. Derartige Maßnahmen bedürfen in jedem Fall der ausdrücklichen
  Zustimmung seitens der Volkshochschule.

  Ferner verpflichtet sich der/die Dozent/in, ausgefallene Unterrichtsstunden in Abstim-

  mung mit der Volkshochschule nachzuholen.

4 Jegliche Art wirtschaftlicher Werbung für sich und Dritte zu unterlassen.

5 Ihm/ihr durch seine/ihre Tätigkeit bekanntwerdende Daten nicht weiterzugeben.

6 Die Hinweise zur Allgemeinen Haus- und Brandschutzordnung einzuhalten und zu Kurs-

  beginn die Brandschutzbelehrungen durchzuführen.

7 Die Teilnehmerliste ist bei jeder Kursveranstaltung zu überprüfen.

§ 2

Die Leistungen sind beschränkt auf die Dauer der in § 1 und § 2 des Vertrages beschriebenen Lehrtätigkeit. Weitergehende Forderungen können daraus nicht abgeleitet werden.

§ 3

Der Vertrag wird unter dem Vorbehalt geschlossen, dass die Volkshochschule aus wichtigem Grund, dazu gehört insbesondere eine nicht ausreichende Teilnehmerzahl, eine Veranstaltung ausfallen lassen oder kürzen kann. Bei Ausfall hat der/die Dozent/in keinen Anspruch auf Honorar, bei Kürzungen beschränkt sich der Honoraranspruch auf die tatsächlich durchgeführten Unterrichtseinheiten.“

 

Im Einzelnen handelte es sich um folgende Honorarverträge:

 

 

Bild entfernt.

 

 

 

Bild entfernt.

 

 

Bild entfernt.

 

 

Für je einen Sprach- oder Orientierungskurs teilte die Beigeladene zu 1 regelmäßig zwei Kursleiter ein, welche sich bei der Unterrichtserteilung im jeweiligen Kurs tageweise abwechselten (z.B. einen Haupt-Kursdozenten von Montag bis Mittwoch und einen Co-Dozenten am Donnerstag und Freitag). Die Kursleiter führten kurstägliche Anwesenheitslisten über die Teilnehmer (zuerst im Klassenbuch; im Laufe der Jahre kamen zwei weitere Listen hinzu) und Klassenbücher. Die Fachbereichsleiterin der Beigeladenen zu 1, die Zeugin H...., lud die Kursleiter regelmäßig ca. alle zwei Monate zu „kurzen Treffs“ in den Pausen (meist zwischen 10.00 Uhr und 10.30 Uhr) zu Dienstbesprechungen ein. Die Kursteilnehmer wurden den jeweiligen Kursen in Abhängigkeit der Ergebnisse der von der Beigeladenen zu 1 durchgeführten Einstufungstests über ihren Sprach- und Lernstand zugeteilt. Am Ende des zweiten Moduls (A1.2) und des vierten Moduls (A2.2) erfolgten von der Beigeladenen zu 1 inhaltlich vorgegebene und von den Kursleitern durchgeführte Lernstandtests. Das Sprachkursziel war das Erreichen der Niveaustufe B1 des GER und das Bestehen der durch externe (vom BAMF zugelassene) Prüfer (hier: telc-Prüfer) durchgeführter Abschlusstests (Deutsch-Test für Zuwanderer bzw. Zertifikat Deutsch). Ziel des Orientierungskurses war die Vorbereitung auf den bundeseinheitlichen Test „Leben in Deutschland“ (§ 17 Abs. 1 IntV). Aus den vom BAMF vorgegebenen Lehrwerken wählten Dozenten der Beigeladenen zu 1 in Abstimmung mit der Fachbereichsleitung das Lehrbuch „Berliner Platz“ aus und erstellten einen Stoffverteilungsplan. In den Orientierungskursen wurde das Buch „30 Stunden Deutschland“ vom Klett-Verlag verwendet. Die Beigeladene zu 1 regelte die Honorierung der Kursleiter durch eine Honorarordnung (vgl. Honorarordnung vom 20.10.2010, Bl. 245 VA).

 

Am 24.07.2012 beantragte die Klägerin die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status und beantragte nach § 7a Abs. 1 SGB IV festzustellen, dass seit Oktober 2003 eine Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV in Bezug auf ihre Tätigkeit als Dozentin der Volkshochschule A....  für Deutsch als Fremdsprache vorliege. Die Klägerin legte beispielhaft u.a. eine Auswahl von Honorarverträgen, Stunden- und Honorarabrechnungen, Auszüge aus dem Lehrbuch „Berliner Platz“, einen Stoffverteilungsplan, Anwesenheitslisten der Kursteilnehmer, Auszüge aus Klassenbüchern und eine Teilnehmerliste Deutsch Intensiv 3 -Prüfungskurs mit Pfeilsymbolik vor. Ferner fügte die Klägerin Einladungen der Fachbereichsleiterin H.... zu Treffen mit den Kursleitern bei. Ergänzend reichte die Klägerin zwei schriftliche Zeugenaussagen der Kolleginnen C….  vom 24.11.2012 und D… vom 12.12.2012 ein, die bekundeten, es habe zwar keine Teilnahmepflicht an den in regelmäßigen Abständen stattfindenden Dienstbesprechungen gegeben, jedoch verpasse man wichtige Daten und könne unter Umständen die Teilnehmer nicht anforderungsgerecht informieren. Dabei gehe es u.a. um Rückmeldungen zur Anwesenheit und zu Lernstandeinschätzungen von Kursteilnehmern, allgemeine Informationen zu Neuerungen durch den Sächsischen Volkshochschulverband und das BAMF, Vertretungen der Dozenten bei Krankheit und Urlaub, Anweisungen zur Führung von Anwesenheitslisten, Termine für das laufende Semester und Erinnerung an Pflichtveranstaltungen der Teilnehmer, Informationen zu Prüfungsanmeldungen und -inhalte zum Zertifikat Deutsch und Deutsch-Test für Zuwanderer (Ablauf, Anmeldeformulare, Vorbereitungskurse), Abfragen zum Einsatz von Prüfern.

 

Nach Anhörung der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 vom 09.10.2012 stellte die Beklagte mit an beide gerichteten Bescheiden vom 19.12.2012 fest, die Klägerin übe die Tätigkeit als Dozentin der Volkshochschule A.... für Deutsch als Fremdsprache seit 01.10.2003 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus und unterliege mit Aufnahme der Beschäftigung am 01.10.2003 dem Grunde nach der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Zwar spreche für eine selbstständige Tätigkeit, dass nur zeitlich befristete Lehraufträge vergeben worden seien, die Vergütung nur für tatsächlich geleistete Stunden erfolgt und die Ablehnung der Aufträge möglich gewesen sei. Nach der Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanter Tatsachen überwögen jedoch die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis aufgrund der Weisungsgebundenheit der Klägerin und ihrer Eingliederung in die Organisation der Volkshochschule. Als Vergütung werde ein Stundensatz von 18 € bezahlt, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Beigeladene zu 1 unverzüglich über eine Verhinderung zu informieren (§ 1 Nr. 2 Nebenabrede des Honorarvertrages), ausgefallenen Stunden hätte sie nicht eigenverantwortlich verlegen dürfen, sondern in Absprache mit der Beigeladenen zu 1 nachholen müssen (§ 1 Nr. 3 Nebenabrede des Honorarvertrages), sie habe keine Werbung betreiben dürfen (§ 1 Nr. 4 Nebenabrede des Honorarvertrages) und ein Klassenbuch führen müssen. Die Beigeladene zu 1 habe Unterrichtsräume und -materialien zur Verfügung gestellt. Das BAMF habe Kontrollen durchgeführt und methodisch-didaktische Weisungen zur Gestaltung des Unterrichts erteilt. Die Fachbereichsleiterin habe die Arbeitszeiten festgelegt. Die Klägerin habe einen Rahmenlehrplan beachten müssen. Regelmäßige Dienstbesprechungen hätten stattgefunden.

 

Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1 vom 18.01.2013 (mit Widerspruchsbegründung vom 08.02.2013) und nach Stellungnahme der Klägerin vom 08.03.2013 auf Anhörung der Beklagten vom 13.02.2013 nahm die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2013 den Bescheid vom 19.12.2012 zurück und stellte nunmehr fest, dass die Klägerin die am 01.10.2003 begonnene Tätigkeit als Dozentin der Volkshochschule A.... für Deutsch als Fremdsprache nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit. Grundlage der Tätigkeit der Klägerin seien die sich auf einzelne Semesterkurse beziehenden Rahmenverträge über das Abhalten von Lehrveranstaltungen im Rahmen von Integrationskursen. Die Tätigkeit beinhalte das Vermitteln von Kenntnissen der deutschen Sprache ohne das Ziel eines staatlich anerkannten Schul-, Bildungs- oder Berufsabschlusses. Die Methoden für das Erreichen der in Lehrplänen vorgegebenen Lerninhalte und -ziele habe die Volkshochschule nicht vorgeschrieben, so dass sie keine Weisungsbefugnis gehabt habe. Weitere - über die Verpflichtung zur Abhaltung der Kurse hinausgehende - Pflichten habe die Klägerin nicht erfüllen müssen. So habe sie Vertretungsstunden nicht übernehmen und an den Kursleitertreffen nicht teilnehmen müssen. Die Kontrolle des BAMF bezüglich der Anwesenheit der Teilnehmer, des Einhaltens von Unterrichts- und Pausenzeiten und Nutzung des Unterrichtsmaterials habe nur der Qualitätssicherung der Volkshochschule als Kursträger gedient. Die Klägerin sei nicht in deren Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Die Festlegung der grundsätzlichen Rahmenbedingungen durch das BAMF engten die Gestaltungsspielräume der Klägerin hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung und Vermittlung des Lehrstoffes nicht ein. Die Klägerin habe ein Unternehmerrisiko getragen. Denn sie habe einen Honoraranspruch nur für abgehaltene Unterrichtsstunden gehabt. Falls ein Kurs bei Unterschreiten der Mindestteilnehmerzahl nicht zustande gekommen sei, sei keine Bezahlung erfolgt. Der Erfolg der Vorbereitung und Planung der Unterrichtstätigkeit sei für die Klägerin daher ungewiss gewesen.

 

Am 22.07.2013 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Leipzig erhoben. Der Rücknahmebescheid vom 20.06.2013 sei wegen fehlender Anhörung formell rechtswidrig und auch materiell rechtswidrig, da der Statusfeststellungsbescheid vom 19.12.2012 rechtmäßig gewesen sei. Sie sei weisungsgebunden gewesen, denn sie habe Nebenpflichten erfüllen müssen, nämlich ein Klassenbuch und Anwesenheitslisten zu führen. Außerdem habe sie nicht werben dürfen.

 

Mit Urteil vom 12.01.2016 (der Klägerin zugestellt am 22.02.2016) hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Trotz fehlender Durchführung eines Vorverfahrens sei die Klage in analoger Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO zulässig (unter Hinweis auf Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 78 Rn. 8), aber unbegründet. Der Bescheid vom 20.06.2013 sei formell rechtmäßig, da die Klägerin durch das Schreiben der Beklagten vom 13.02.2013 angehört worden sei. Gemäß § 45 Abs. 1 und 2 SGB X habe die Beklagte den Bescheid vom 19.12.2012 rechtmäßig aufgehoben. Die Klägerin habe ihre Dozententätigkeit für die Beigeladene zu 1 seit 01.10.2003 selbstständig ausgeübt. Ausgangspunkt sei das in den Honorarverträgen über die Unterrichtseinheiten vereinbarte freie Mitarbeiterverhältnis, von welchem die tatsächlichen Verhältnisse nicht abwichen. Die Klägerin sei nur für die tatsächlich geleisteten Stunden vergütet worden. Sie habe das wirtschaftliche Risiko getragen, bei Krankheit, Urlaub und Unterrichtsausfall keinen entsprechenden Verdienst zu erzielen. Für die Vor- und Nachbereitung der Kurse habe sie kein Honorar erhalten. Vertretungsstunden habe sie nicht wahrnehmen müssen. Die Klägerin habe zudem Kursangebote ablehnen können. Das Abhalten der Kurse an bestimmten Tagen und zu bestimmten Stunden sei der Natur der Sache geschuldet, begründe aber noch keine weitergehende Weisungsbefugnis der Beigeladenen zu 1 gegenüber der Klägerin. Zwar habe die Beigeladene zu 1 Räume und Materialien gestellt. Dies sei jedoch nur der reibungslosen Durchführbarkeit des Lehrbetriebs einer Volkshochschule geschuldet, um die vielfältigen Veranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abstimmen zu können. Auch sei eine Abstimmung der Dozenten im Hinblick auf Unterrichtsmaterialien (Verwendung des Lehrbuchs „Berliner Platz“) und Methodik erfolgt, um eine gewisse Einheitlichkeit herbeizuführen. Selbst unter Berücksichtigung der so geminderten Autonomie der Dozenten sei von einer weisungsfreien Tätigkeit auszugehen, weil nur die Ziele der Tätigkeit, nicht aber die Art und Weise des Erreichens dieser Ziele vorgegeben worden seien. Eine Überwachung der Lehrkräfte und Kontrolle ihrer Unterrichtsgestaltung habe nicht stattgefunden. Das Führen eines Klassenbuches lasse nicht darauf schließen, die Klägerin sei in den Betrieb der Beigeladenen zu 1 eingebunden gewesen.

 

Am 21.03.2016 hat die Klägerin Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 - B 12 KR 24/02R - juris Rn. 16.; BAG, Urteil vom 29. Mai 2002 - 5 AZR 161/01 - juris Rn. 18 und Sächsisches LSG, Urteil vom 21. März 2014 –L 1 KR 179/09 - juris Rn. 36) sei vorliegend von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Sie trage kein Unternehmerrisiko. Denn im Vergleich zu Arbeitnehmern habe sie keine größeren Freiheiten bei der Gestaltung des Umfangs des Einsatzes ihrer Arbeitskraft gehabt ebenso wenig höhere Verdienstchancen. Sie habe nicht für sich werben dürfen. Alle insoweit maßgeblichen Gesichtspunkte (kein Urlaub, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) beträfen die Rechtsfolgenseite (unter Hinweis auf Sächsisches LSG, Urteil vom 21. März 2014 - L 1 KR 179/09 - juris Rn. 40). Sie sei in den Organisationsbetrieb der Beigeladenen zu 1 eingegliedert gewesen. Unterrichtsräume und -materialien habe die Beigeladene zu 1 gestellt. Für die Durchführung des Unterrichts Deutsch als Fremdsprache lägen mit der Integrationskursverordnung (IntV) und dem Rahmencurriculum des BAMF ins Detail gehende Regelungen vor, die denjenigen an allgemeinbildenden Schulen entsprächen (unter Hinweis auf Sächsisches LSG, Urteil vom 21. März 2014 - L 1 KR 179/09 - juris Rn. 35). Dadurch unterschieden sie sich wesentlich von den sonstigen Sprachkursen. Die Erfüllung der Vorgaben des BAMF sei nur möglich, wenn die Dozenten in den Organisationsbetrieb der Beigeladenen zu 1 eingegliedert gewesen seien. Ohne Weisungen an die Kursleiter seien die Ziele der Kurse nicht erreichbar gewesen. Durch die Sprachprüfungen der Teilnehmer sei die Zielerreichung kontrolliert worden, was letztlich der Kontrolle der angestellten Lehrer an allgemeinbildenden Schulen entspreche. Das Führen von Klassenbuch und Anwesenheitslisten spreche ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung, weil ein Selbstständiger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt dazu verpflichtet sei, organisatorische Nebentätigkeiten auszuüben.

 

Die Klägerin beantragt,

 

  1. das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12. Januar 2016 (Az. S 8 KR 274/13) aufzuheben.
  2. den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2013 aufzuheben,
  3. unter Abänderung des Bescheides vom 19.12.2012 festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin bei der VHS A.... in den Kursen Deutsch Intensivkurs 1, Deutsch Intensivkurs 2, Deutsch Intensivkurs 3, Deutsch Orientierungsmodul und Prüfungsvorbereitungskurs vom 01.10.2003 bis 30.09.2012 auf der Grundlage der in diesem Zeitraum geschlossen Honorarverträge im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und dem Grunde nach versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung war.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Klägerin sei nicht weisungsgebunden und nicht in den Organisationsbetrieb der Beigeladenen zu 1 (Volkshochschule) eingegliedert gewesen. Zwar bestehe ein bundesweit gültiges Integrationskurskonzept des BAMF mit Zulassungskriterien für Kursträger (in Bezug auf qualitätssichernde Angaben zu Kursdurchführung, Unterrichtsräumen, Kursorten, Lehrwerken, Abschlusstests und Prüfungen) und damit verbundener Qualitätsentwicklung und -sicherung. Dies betreffe jedoch die Kursträgerzulassungen und habe keinen Eingang in die Vertragsgestaltung mit den freien Honorardozenten gefunden. Die Honorarverträge unterschieden sich inhaltlich nicht von denen anderer Fremdsprachenkurse. Schließlich bildeten die Beschreibungen der Sprachstufen A1 bis C2 des GER die Grundlage für jeglichen qualitätsorientierten Sprachunterricht. Das Lehrbuch „Berliner Platz“ gebe die Stoffverteilung grundsätzlich durch die Gliederung der Lektionen und deren Inhalte vor. Daraus hätten acht Kursleiter freiwillig im Verständnis von Kollegialität gemeinsam einen Stoffverteilungsplan erstellt, um einen zeitlichen und inhaltlichen Feinschliff der Lektionsinhalte zu erreichen. Es handele sich dabei um eine professionelle Hilfeleistung für den Unterricht und nicht um eine angewiesene Vorgabe zur Umsetzung. Das Kursangebot Deutsch als Fremdsprache beruhe auf der Analyse der Nachfrage von Kursinteressenten, dem Reagieren auf die Bildungsmarktlage in A.... sowie den individuellen Angeboten von Kursleitern, welche bei der Kursplanung berücksichtigt würden. Vor Erstellen der Vertragsangebote an die Kursleiter werde eine Abstimmung zu zeitlichen Verfügbarkeiten und Kursformaten vorgenommen. Die Festlegung der Mindest- und Maximalteilnehmerzahl in allen Sprachkursen der Volkshochschule habe pädagogische und wirtschaftliche Gründe. Das BAMF habe lediglich eine maximale Teilnehmerzahl pro Kurs (25 Teilnehmer) festgelegt. Die Angestellten der Volkshochschule organisierten die Einstufungstests, zum Teil mit freiwilliger Unterstützung durch Honorardozenten auf der Basis gesonderter Honorarvereinbarungen. Die vom BAMF am Ende der Module 2 (A1.2) und 4 (A2.2) vorgesehenen Lernstandtests seien Bestandteil des Unterrichts und würden von den jeweiligen Kursleitern auf freiwilliger Basis durchgeführt. In Vorbereitung der mündlichen Prüfungen habe die Fachbereichsleiterin mitunter Kursleiter der Module 6 (B1.2) gebeten, auf einer Namensliste mit Pfeilsymbol das mündliche Leistungsvermögen der Kursteilnehmer kurz darzustellen. Dabei habe es sich nur um eine Bitte auf freiwilliger Basis gehandelt. Die kurstägliche Kontrolle der Anwesenheit der Kursteilnehmer, welche den Vorgaben des BAMF entspreche (z.B. § 2 Abs. 8 der Zulassungsvereinbarung zur Durchführung von Integrationskursen im Jahr 2005), sei für die Dozenten trotz § 1 Nr. 7 der Nebenabrede zur Honorarvereinbarung nicht verpflichtend gewesen, sondern auf freiwilliger Basis erfolgt. Angestellte der Volkshochschule hätten die von den Dozenten erstellten Anwesenheitslisten auf Vollständigkeit geprüft, gegebenenfalls fehlende Einträge ergänzt oder korrigiert. Erst nachdem sie deren Richtigkeit festgestellt hätten, hätten sie sie gestempelt, unterschrieben und anschließend an das BAMF versandt. Unvollständige oder fehlerhafte Eintragungen führten zu keiner Zeit zu rechtlichen Konsequenzen für die jeweiligen Kursleiter, weil im freien Honorarverhältnis das Führen der Anwesenheitslisten nicht angewiesen werde. Entgegen der in § 1 Nr. 3 der Nebenabrede zum Honorarvertrag vereinbarten Nachholpflicht sei die Klägerin zu keiner Zeit verpflichtet gewesen, Unterrichtseinheiten nachzuholen oder zu vertreten. Da in den meisten Kursen zwei Kursleiter im Wechsel tätig gewesen seien, habe die freiwillige Dokumentation der bearbeiteten Lehrwerkseiten und Hausaufgaben in den Klassenbüchern dem kollegialen Informationsaustausch unter den Kursleitern mit dem Ziel der gemeinsamen erfolgreichen Vermittlung der Kursinhalte gedient. Aus Zweckmäßigkeitsgründen sei der Umschlagplatz für Materialien, Klassenbüchern und Schlüssel der Platz des Wachschutzes im Erdgeschoss der Volkshochschule gewesen. Im Bedarfsfall seien Lehrbücher (mit Unterstützung der Lehrbuchverlage) an die Kursleiter weitergegeben und Zusatzmaterialien ausgeliehen worden. Die Treffen mit interessierten Kursleitern seien keine verpflichtenden Dienstberatungen gewesen, sondern ein Angebot zum beiderseitigen Informationsaustausch auf schnellen Wege. Die Anwesenheit der Kursleiter sei nicht kontrolliert worden. Die Angestellten trügen die Verantwortung, Informationen an die Kursleiter zu übermitteln oder Informationen einzuholen. Die Kontrolle des BAMF betreffe nur die Kursträger und nicht die Dozenten.

 

Der Senat hat den Antrag der Beigeladenen zu 1 auf Zulassung als Kursträger vom 21.09.2005 mit Anlagen, den Folgezulassungsantrag vom 15.12.2008 und die Zulassungsvereinbarung zur Durchführung von Integrationskursen im Jahr 2005 vom 17.12.2004 zwischen der Beigeladenen zu 1 und dem BAMF beigezogen. Ferner hat der Senat die pädagogische Mitarbeiterin und Fachbereichsleiterin für Deutsch als Fremdsprache bei der Beigeladenen zu 1 H.... als Zeugin schriftlich am 28.03.2022 und in der mündlichen Verhandlung am 08.09.2022 vernommen. Sie hat angegeben, sie sei seit Februar 2003 als Fachbereichsleiterin für die pädagogische und fachwissenschaftliche Koordination, Kursplanung, Organisation und Durchführung von Prüfungen und Einstufungstests sowie Bildungsberatung zuständig. Bezogen auf die freie Honorartätigkeit der Klägerin seien ihre Aufgaben Kursorganisation und -planung, gemeinsame Verabredung von Kurseinsätzen sowie die Kommunikation zu Kursteilnehmern gewesen. In der Zeit zwischen 2003 und 2005 hätten die Deutsch-Intensivkurse inhaltlich in ähnlicher Weise stattgefunden wie ab Inkrafttreten der IntV im Jahre 2005. Das Kursangebot sei entsprechend der Nachfrage konzipiert worden, wobei sie bei der Planung Angebote der Kursleiter berücksichtigt habe. Vor Erstellung der Vertragsangebote an die Kursleiter habe sie deren zeitliche Verfügbarkeiten abgestimmt. Die Kursleiter hätten die Möglichkeit gehabt, abzulehnen oder Änderungswünsche einzubringen. Den Rahmen böten dabei die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten sowie die Nachfrage der Teilnehmer zu den jeweiligen Tageszeiten. Die Kursleiter hätten im Verständnis von Kollegialität gemeinsam mit ihr das Lehrbuch "Berliner Platz" ausgewählt und einen Stoffverteilungsplan ausgehandelt, welcher das Behandeln bestimmter Unterrichtsinhalte und Lektionen des Buches bis zum Ende eines Kurses vorgesehen habe. Der Vermerk unter dem Stoffverteilungsplan (Vorhalt Bl. 102 VA) stamme von ihr. Dies sei aber nicht verbindlich gewesen. In Abhängigkeit des Leistungsvermögens der Kursteilnehmer hätten einzelne Kapitel weggelassen oder in einem anderen zeitlichen Umfang behandelt werden können. Eigenes Unterrichtsmaterial habe daneben verwendet werden können. Die Klassenbucheintragungen seien z.B. für Vertretungen wünschenswert und hilfreich, aber nicht vorgegeben gewesen. Zu einer Kontrolle des BAMF gehöre der unangekündigte Besuch eines Kurses, bei dem die Angaben des Trägers zu Kursleitern, Kursraum, Teilnehmerzahl, Gruppe oder anderen relevanten Punkten überprüft würden. Dies diene aber nur der Kontrolle des Kursträgers. Für die Lernstandstests nach den Modulen 2 und 4 habe die Volkshochschule und nicht die Kursleiter geeignete Tests mit Lösungen nach Vorgaben des BAMF ausgewählt, um den Lernstand der Kursteilnehmer zu erheben. Die Durchführung sei in der Unterrichtszeit und freiwillig durch die Kursleiter erfolgt. Diese hätten die Testergebnisse an den Fachbereich übermittelt. Maßgebend für die Kurseinstufung der Teilnehmer seien die Ergebnisse der Einstufungstests, der Tests in den Modulen 2 und 4, die jeweils erreichte Sprachlernstufe sowie die Erfahrung der Kursleiter gewesen. Bei der Abstimmung darüber hätten die Kursleiter im Rahmen ihrer pädagogischen Verantwortung freiwillig im Interesse der Kursteilnehmer in persönlichen Gesprächen mitgewirkt. Die Treffen mit den Kursleitern hätten regelmäßig stattgefunden und den Charakter von freiwilligen Zusammenkünften gehabt. Sie hätten meistens nicht länger als 15 bis 20 Minuten gedauert (Pause zwischen den Unterrichtssequenzen von 10:00 Uhr bis 10:30 Uhr). Bei diesen Treffen seien Informationen ausgetauscht worden, die für alle Lehrkräfte von Belang gewesen seien und bei denen es einfacher für sie gewesen sei, diese nicht jeder einzelnen Lehrkraft mitteilen zu müssen. Es habe aber keine Anwesenheitspflicht bestanden.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats, die beigezogenen Akten des SG und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 20.06.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin war in der Zeit vom 01.10.2003 bis 30.09.2012 jeweils für die Dauer der in den Honorarverträgen vereinbarten Unterrichtstätigkeit Deutsch als Fremdsprache (Deutsch Intensiv 1, Deutsch Intensiv 2, Deutsch Intensiv 3, Prüfungsvorbereitungskurs und Orientierungskurs) bei der Beigeladenen zu 1 gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt und deshalb in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig.

 

1. Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 Altern. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) ist zulässig. Insbesondere bedurfte es in der vorliegenden Dreieckskonstellation (Klägerin - Beklagte - Beigeladene zu 1) nicht der Durchführung des Vorverfahrens gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG. Denn insoweit wird unter analoger Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung - wie hier vorliegend - davon ausgegangen, dass es der Durchführung eines Vorverfahrens dann nicht bedarf, wenn dem Widerspruch des belasteten Adressaten (hier: der Beigeladenen zu 1) zulasten des begünstigten Dritten (hier: der Klägerin) stattgegeben wird (so etwa Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 78 Rn. 8; Hintz in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, Stand 01.06.2022, § 78 SGG, Rn. 6, Stefan Binder in Berchtold, SGG, 6. Auflage 2021, § 78 Rn. 10; anderer Ansicht allerdings für den hier vorliegenden Fall der erstmaligen Beschwer eines Dritten durch einen Abhilfebescheid Jüttner in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 78 SGG Rn.17]. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung im SGG ist eine ursprüngliche ausfüllungsbedürftige und ausfüllungsfähige Gesetzeslücke (so ausdrücklich Bindig in Zeihe, SGG, Stand März 2019, § 78 Rn.16c). Die Interessenlage der am sozialgerichtlichen Verfahren Beteiligten entspricht derjenigen der am verwaltungsgerichtlichen Verfahren Beteiligten. Da die Beschwer bereits im Verfahren der für den Widerspruch zuständigen Behörde im Rahmen der Prüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit einer Ausgangsentscheidung entsteht, macht ein weiteres Widerspruchsverfahren keinen Sinn mehr (Stefan Binder in Berchtold, SGG, 6. Auflage 2021, § 78 Rn. 10). Dem Zweck des Widerspruchsverfahrens, eine gerichtliche Austragung des Rechtsstreits auf Grund einer vorgelagerten erneuten Überprüfung des beanstandeten Bescheides durch die Verwaltungsbehörde entbehrlich zu machen, ist ohnehin schon Rechnung getragen (vgl. BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 15, Rn. 19).

 

2. Die Klage ist begründet.

 

Rechtsgrundlage für die mit der Aufhebung des Statusfeststellungsbescheids vom 19.12.2012 verbundene Abhilfeentscheidung vom 20.06.2013 im Widerspruchsverfahren ist § 85 Abs. 1 SGG. Gemäß § 49 SGB X gelten § 45 Abs. 1 bis 4 SGB X, §§ 47 und 48 SGB X nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird. Damit wird der in den §§ 45 Abs. 1 bis 4 SGB X, §§ 47 und 48 SGB X vorgesehene Bestandsschutz für diese Fallkonstellationen durchbrochen. Gerechtfertigt ist diese Durchbrechung des Bestands- bzw. Vertrauensschutzes aus der Überlegung heraus, dass der von einem Verwaltungsakt mit Drittwirkung Begünstigte deshalb keinen Vertrauensschutz verdient, weil er mit der Aufhebung aufgrund eines vom Belasteten eingelegten Rechtsbehelfs rechnen muss, wenngleich eine positive Kenntnis nicht erforderlich ist. Das Gesetz stuft damit den Vertrauensschutz desjenigen, der einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt erhalten hat, als geringer gegenüber dem Rechtsschutzbedürfnis desjenigen ein, den eben dieser Verwaltungsakt belastet (vgl. Leopold/Sonnhoff in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 49 SGB X, Stand: 30.05.2022, Rn. 10).

 

Rechtsgrundlage für den Erlass des Statusfeststellungsbescheides vom 20.06.2013 (als auch des vom 19.12.2012) ist § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV aF. Danach können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV aF zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV aF).

 

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (BSG, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 R 8/19 R –, juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 - B 12 R 15/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 54). Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 10/18 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 41 <Honorararzt>; BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, BSGE 128, 205-219, SozR 4-2400 § 7 Nr. 44, Rn. 13 mwN <Honorarpflegefachkraft>; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG <Kammer> Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffe-nen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustel-len haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (stRspr; vgl. zum Ganzen BSG Urteil vom 07. Juni 2019 - B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 44, Rn. 13 f mwN; BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, BSGE 120, 99-113, SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, juris Rn. 17 mwN; BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn. 14). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie zB vereinbaren, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person - als selbstständig oder beschäftigt - allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 KR 29/19 R –, juris Rn. 13; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R –, juris Rn. 27; BSG Urteil vom 04. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, juris Rn. 24; BSG Urteil vom 29. Januar 1981 - 12 RK 63/79 - BSGE 51, 164 = SozR 2400 § 2 Nr 16, juris Rn. 24).

 

Für die Statuszuordnung einer - hier ausschließlich zu beurteilenden - Tätigkeit als Volkshochschuldozentin für Kurse Deutsch als Fremdsprache gelten keine abweichenden Maßstäbe. Die regulatorischen Vorgaben der Integrationskursverordnung (IntV) (bzw. der Kursträgervereinbarung vom 17.12.2004) und das darauf fußende Konzept für einen bundesweiten Integrationskurs haben keine zwingende, übergeordnete und determinierende Wirkung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status von Volkshochschuldozenten für Deutsch als Fremdsprache. Der Verordnungsgeber wollte diesen Status nicht verankern, wie in § 19 Abs. 2 Nr. 6 der ab 01.03.2012 gültigen Zweiten Verordnung zur Änderung der Integrationskursverordnung vom 20.02.2012 zum Ausdruck kommt, in welchem es um die Angabe der Höhe der Vergütung der eingesetzten Honorarlehrkräfte im Zulassungsantrag des Kursträgers geht. Ferner spielt es keine Rolle, ob nach der Verkehrsanschauung anerkannt ist, dass Volkshochschullehrer selbstständig tätig sind oder sein können. Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit erfolgt nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 10/18 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 41, Rn. 22 <Honorararzt>; BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, BSGE 128, 205-219, SozR 4-2400 § 7 Nr. 44, Rn. 16 mwN <Honorarpflegefachkraft>).

 

§ 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI lässt sich keine prinzipielle "Anerkennung" selbstständiger Lehrer durch den Gesetzgeber in dem Sinne entnehmen, dass diese Berufsgruppe generell selbstständig tätig wäre. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI begründet über die Beschäftigtenpflichtversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI hinaus eine Versicherungspflicht (auch) für selbstständig tätige Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Die Auswahl der Berufsgruppen in § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 8 SGB VI beruht auf einer typisierenden Betrachtungsweise ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit, da die Berufsgruppen weitgehend ohne wirtschaftlich bedeutendes eigenes Betriebsvermögen arbeiten und überwiegend auf den Einsatz der eigenen Arbeitskraft angewiesen sind. Die Vorschrift setzt es als möglich voraus, dass die erfassten Lehrer selbstständig tätig sein können, fingiert oder vermutet dies aber nicht allein aufgrund der ausgeführten Tätigkeiten (vgl. zur <Volkshochschuldozentin> BSG Urteil vom 12. Februar 2004 - B 12 KR 26/02 R – juris Rn. 16; zur <Honorarpflegefachkraft> BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, BSGE 128, 205-219, SozR 4-2400 § 7 Nr. 44, juris Rn. 17 mwN).

 

Nach der Rechtsprechung das Bundesarbeitsgerichts (BAG) können zwar Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, als freie Mitarbeiter beschäftigt werden, und zwar selbst dann, wenn es sich bei ihrem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm handelt (vgl. BAG 24. Juni 1992 - 5 AZR 384/91 - zu II 2 a der Gründe; für Lehrkräfte an Musikschulen: BAG 19. November 1997 - 5 AZR 21/97 - zu II der Gründe). Aber auch das BAG stellt bei den Kriterien, anhand deren der Arbeitsvertrag vom freien Dienstvertrag abzugrenzen ist, entscheidend darauf ab, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist und in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise seiner Erteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann (vgl. Musikschullehrer: BAG, Urteil vom 17. Oktober 2017 – 9 AZR 792/16 –, Rn. 13, juris; Abendrealschullehrer: BAG, Urteil vom 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 19 mwN).

 

Bei Vertragsgestaltungen, in denen - wie hier - die Übernahme einzelner Dienste individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen von vornherein zeitlich begrenzten Honorarverträge bestehen. Außerhalb der Vertragsdauer liegt schon deshalb keine die Versicherungspflicht begründende "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs. 1 SGB IV vor, weil keine latente Verpflichtung der Klägerin bestand, Tätigkeiten für die Beigeladene zu 1 auszuüben, und diese umgekehrt auch kein Entgelt zu leisten hatte (vgl. BSG Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 42, Rn. 21 mwN; BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, Rn. 19 mwN). Vor Semesterbeginn plante die Beigeladene zu 1 entsprechend dem von der Volkshochschule festgestellten (Nachfrage-)Bedarf und wirtschaftlichen und pädagogischen Gesichtspunkten jeweils den Umfang, die Niveaustufen und die Teilnehmerzahl (maximal 25; § 14 Abs. 2 IntV) der Kurse, wobei sie im Voraus abgegebene Interessenbekundungen der Klägerin (und anderer Dozenten) berücksichtigte. Die Klägerin war aber nicht verpflichtet, die Angebote der Beigeladenen zu 1 anzunehmen, sondern konnte über jedes Angebot frei und eigenständig entscheiden. Erst durch die jeweilige Angebotsannahme entstand die rechtliche Verpflichtung gegenüber der Beigeladenen zu 1, den Sprachkurs durchzuführen. Eine Rahmenvereinbarung, uU mit einer verpflichtenden Abrufmöglichkeit und -bereitschaft, bestand nicht.

 

Aufgrund der im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme festgestellten abgrenzungsrelevanten Indizien und nach Gesamtabwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles entsprechend ihrem Gewicht sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin jeweils während der Dauer ihrer im Tatbestand aufgelisteten Unterrichtstätigkeiten im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Beigeladene zu 1 tätig geworden ist.

 

Soweit die Klägerin und die Beigeladene zu 1 für die streitgegenständlichen Deutschsprachkurse jeweils ein selbstständiges Dienstverhältnis vereinbart haben (§ 2 Ziff. 3 Honorarvertrag), steht dieser formellen Vereinbarung - ebenso wie dem Parteiwillen - die gelebte praktizierte Zusammenarbeit der an der Auftragsbeziehung Beteiligten entgegen, welche grundsätzlich vorgeht (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, BSGE 128, 205-219, SozR 4-2400 § 7 Nr. 44, juris Rn. 23 mwN).

 

Im Ergebnis der Beweisaufnahme stellt der Senat aufgrund der Angaben der Klägerin, der Beigeladenen zu 1 und der Zeugin H.... sowie der von der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 vorgelegten Dokumente fest, dass die Klägerin bei der vereinbarungsgemäßen Erfüllung der Unterrichtstätigkeit einem - im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinerten - Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1 nach Ort, Zeit, Dauer und Inhalt der Arbeitsleistung unterlag und in einer ihre Tätigkeit prägenden Weise in den Betriebsablauf der Beigeladenen zu 1 (Volkshochschule) eingegliedert war. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Anhaltspunkte der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung stehen weder in ein Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R – juris, Rn. 24).

 

Auch wenn die Klägerin als Volkshochschuldozentin für Deutsch als Fremdsprache grundsätzlich weitgehend eigenverantwortlich den Unterricht gestalten konnte und in der Auswahl der Methoden und Didaktik weitgehend freie Hand hatte, um nicht nur den Lernzielen und den Lerninhalten, sondern darüber hinaus auch den jeweiligen individuellen Lernvoraussetzungen der Zielgruppen (Unterschiede im Sprachstand, der Lernmotivation, Vorwissen, Kenntnisse der Muttersprache, soziokultureller Faktoren etc.) Rechnung tragen zu können (vgl. Konzept für einen bundesweiten Integrationskurs, „Methoden“ Seite 18 Bl. 213 VA, Stand Dezember 2008; Hauschild: Die Integrationskurse des Bundes, ZAR 2/2005 Seite 59), kann hieraus nicht ohne weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 - B 12 R 17/19 R, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, BSGE 128, 205-219, SozR 4-2400 § 7 Nr 44, juris Rn. 24). Dieses Merkmal prägt das Berufsbild eines Lehrers unabhängig von seinem sozialversicherungsrechtlichen Status. Umgekehrt kann nicht allein wegen der Benutzung der Räume, Lehrmaterialien und sonstigen Gebrauchsgegenständen der Volkshochschule eine abhängige Beschäftigung angenommen werden.

 

Weisungsgebunden arbeitet, wer - im Umkehrschluss zu § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB - nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juli 2015 – 9 AZR 484/14 –, juris Rn. 20 mwN). Die Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit müssen nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einhergehen oder auf einzelnen Anordnungen des Arbeitgebers beruhen. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien (vgl. auch BT-Drucks 14/1855 Seite 6). Vielmehr kann das Weisungsrecht insbesondere bei sog. Diensten höherer Art - heute würde man von Hochqualifizierten oder Spezialisten sprechen - aufs Stärkste eingeschränkt sein. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in solchen Fällen "zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" (BSG Urteil vom 29.3.1962 - 3 RK 74/57 - BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO - <Prediger>).

 

Soweit sich die Klägerin an die von der Beigeladenen zu 1 vorgegebenen Kursorte und im Kursprogramm ausgedruckten Kurszeiten halten musste, misst der Senat diesen Indizien für ihre Weisungsgebundenheit kein hohes Gewicht bei, weil sich die Anwesenheit in den Räumen der Volkshochschule nach einem räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmten Kursprogramm aus der Natur der Sache ergibt (BSG Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R –, Rn. 29, juris; a.A. BAG Urteil vom 26. Juli 1995 – 5 AZR 22/94 –, Rn. 31 zur VHS-Haupt- und Realabschlusslehrerin). Andererseits besaß die Klägerin ebenso wenig das Recht, ihren Ort für den Unterricht frei zu wählen oder die geschuldeten Unterrichtszeiten einseitig zu verlegen, sodass sich hieraus keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Arbeitszeit und -ort als Indizien für eine selbständige Tätigkeit ergeben.

 

Die Klägerin war über einen - in Bezug auf den jeweiligen Deutschsprach-/Orientierungskurs - koordinierten Unterrichtsplan in „funktionsgerecht dienender Teilhabe“ in die Organisation der Beigeladenen zu 1 eingegliedert und insofern auch weisungsgebunden (vgl. Terminbericht des BSG vom 28.06.2022 - B 12 R 3/20 R -, Nr. 25/22 zu einer Klavier/Keyboard-Musikschullehrerin). Die Beigeladene zu 1 teilte die Unterrichtseinheiten eines jeden Kurses auf einen Hauptkursleiter (in der Regel Unterricht von Montag bis Mittwoch) und einen Co-Dozenten (Unterricht am Donnerstag und Freitag) auf, so dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung nicht nur nach dem vorgegebenen Unterrichtsplan, sondern auch im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit einem Lehrerkollegen unter gegenseitiger Abstimmung erbringen musste. Vor Unterrichtsbeginn holte sich die Klägerin Schlüssel und Klassenbuch beim Wachschutz im Erdgeschoss der Volkshochschule ab. Das Führen des Klassenbuchs, in welches die Klägerin pro Unterrichtseinheit den durchgenommenen Stoff, durchgeführte Tests oder erteilte Hausaufgaben eingetragen hatte, diente nicht nur der Dokumentation des Lernstands oder als bloße Gedächtnisstütze. Vielmehr verfolgte es das Ziel, eine erfolgreiche Kursdurchführung im Team zu ermöglichen - letzteres trägt die Beigeladene zu 1 selbst vor -, was in diesem Zusammenhang für eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1 spricht, selbst wenn das Führen des Klassenbuchs freigestellt war.

 

Die unter Lehrerkollegen einvernehmlich erfolgte Wahl des Lehrwerks „Berliner Platz“ ebenso wie das kollegiale Erstellen des Stoffverteilungsplans erfolgte unter Abstimmung mit der Fachbereichsleitung der Beigeladenen zu 1 und war nicht nur dem äußeren Ablauf der Lehrtätigkeit geschuldet, sondern diente in erster Linie der Einhaltung der vom BAMF und von der Beigeladenen zu 1 vorgegebenen Anzahl und Zuordnung der Unterrichtseinheiten auf die Module - wie aus dem maschinenschriftlichen Vermerk der Zeugin H.... auf den Stoffverteilungsplan anschaulich hervorgeht: „Bis hierher sollten MAXIMAL 100 UE ,verbraucht‘ verbraucht, BITTE ein Auge darauf haben“ (Bl. 108 VA). Der Freiheit der Unterrichtsgestaltung der Klägerin waren von daher schon enge Grenzen gesetzt.

 

Die von der Fachbereichsleiterin H.... organisierten regelmäßigen Treffen mit der Klägerin (und Dozentenkollegen) in den Unterrichtspausen wurden von der Beigeladenen zu 1 nicht vergütet. Sie stellten nicht nur Dienstbesprechungen zur Koordination des Unterrichts dar, sondern dienten in erster Linie der Umsetzung verwaltungs-organisatorischer Aufgaben der Beigeladenen zu 1, zu deren Erfüllung die Klägerin eingebunden wurde, so z.B. um Informationen zu und von den Kursteilnehmern durch die Kursleiter überbringen zu lassen oder zur betrieblichen Organisation. Dabei wurden u.a. besprochen (gestützt auf die Angaben der Klägerin, der Zeugin H.... und die schriftlichen Zeugenaussagen von C….  und D….): Rückmeldungen zu den Kursteilnehmern und Lernstandeinschätzungen, Prüfungsanmeldungen, Prüfungsinhalte, allgemeine Informationen zu Neuerungen durch den Sächsischen Volkshochschulverband und des BAMF, Vertretungen der Dozenten bei Krankheit und Urlaub, Anweisungen in die Führung von Anwesenheitslisten und deren Neuerungen, Termine für das laufende Semester, Erinnerungen an Pflichtveranstaltungen für die Teilnehmer, Abfragen zum Einsatz von Prüfern, Informationen zu den Prüfungen Zertifikat Deutsch und Deutsch-Test für Zuwanderer (veränderter Ablauf, Anmeldeformulare für die Teilnehmer, Vorbereitungskurse für die Teilnehmer), Eintragung in Listen, um als Prüfer eingesetzt zu werden. Die Beigeladene zu 1 maß diesen Treffen zwar freiwilligen Charakter bei, um dem Spagat zwischen dem gegenseitigen dienstvertraglichen Austauschverhältnis von Leistung (Deutschsprachunterricht) und Gegenleistung (Vergütung pro Unterrichtseinheit) einerseits und verwaltungsorganisatorischen Anforderungen andererseits Rechnung zu tragen. Dieser Mantel der Freiwilligkeit entpuppte sich aber als faktische Teilnahmeverpflichtung der Klägerin an den Treffen, da sie sonst die Kursteilnehmer nicht anforderungsgerecht hätte informieren können und umgekehrt die Fachbereichsleitung nicht die notwendigen Rückinformationen erhalten hätte. Dies zeigte sich beispielhaft an folgender - appellartig formulierter - Aufforderung: „Liebe Kursleiter und Kursleiterinnen DaF, ich bitte Sie zu einem kurzen Treff ins Zi. 304 heute um 10:10 Uhr Themen: -Prüfg.anmeldg., -Prüfereinsatz 11.5./12.5., -Folgekurse, -Tests. Danke S. FR“ (Bl. 162ff VA). So nahm die Klägerin auch immer daran teil, was für eine Fremdbestimmtheit der Tätigkeit und persönliche Abhängigkeit der Klägerin spricht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, juris Rn. 22 – 23; <Fahrkartenkontrolleur>).

 

Ferner diente die Organisation der Sprach- und Orientierungskurse dazu, den Vorgaben des BAMF an die Kursträgerin zu entsprechen. Auch insoweit wurden von der Klägerin mit der Zulassung verbundene Verwaltungsaufgaben der Beigeladenen zu 1 wahrgenommen bzw. an sie delegiert. Die Klägerin war auch insofern weisungsgebunden. Dazu gehörte u.a. das Führen der Anwesenheitslisten (§ 1 Nr. 7 der Nebenabrede der Honorarvereinbarung). Diese reichten von dem Vermerk der Anwesenheit der Kursteilnehmer im Klassenbuch über das Feststellen des (nachgewiesenen) entschuldigten Fehlens unter Beachtung der vom BAMF anerkannten Entschuldigungsgründe auf einer zweiten Anwesenheitsliste bis hin zur Registratur des 15-minütigen Zuspätkommens oder Zuspätgehens der Teilnehmer auf einer dritten Anwesenheitsliste im Jahr 2012 und waren mit genauen Ausfüllanweisungen der Beigeladenen zu 1 unterlegt (ua mit dem maschinenschriftlichen Hinweis: “Bitte keine anderen Zeichen als oben vorgegeben verwenden! X= anwesend; E=entschuldigt (nachgewiesen); Kästchen leer=nicht anwesend“ [Bl. 130, 131 VA]; mit dem handschriftlichen Hinweis: „Bitte beachten Sie die neue BAMF-Liste ‘tägliche Signatur‘. In die Spalte „Kommt/Geht“ ist die Uhrzeit einzutragen, wenn der Teilnehmer mehr als 15 Minuten nach Kursbeginn erscheint bzw. früher als 15 Minuten vor Kursende geht“, [Bl. 128 VA]). Zwar diente das Führen der Anwesenheitslisten zum einen Abrechnungszwecken, war also dem äußeren Rahmen der Lehrveranstaltung zuzurechnen, was nicht gegen eine selbstständige Tätigkeit spricht. Zum anderen aber dienten die Anwesenheitslisten der Erfüllung der konzessionsrechtlichen Verpflichtung der Beigeladenen zu 1, jedem Teilnehmer auf Verlangen eine Bescheinigung über die ordnungsmäßige Teilnahme am Ende eines Kursabschnitts ausstellen zu können (§ 14 Abs. 4 IntV aF ab 01.01.2005; bzw. § 14 Abs. 5 IntV aF ab 08.12.2007; § 14 Abs. 6 IntV) und die zuständigen Behörden über die nicht ordnungsgemäße Teilnahme von zur Teilnahme verpflichteten Ausländern (§ 44a AufenthG), wozu auch Leistungsbezieher nach dem SGB II gehören konnten, zu unterrichten (§ 8 Abs. 3 IntV). Der Stellenwert ordnungsgemäßer Kursteilnahme-Aufzeichnungen wird dadurch unterstrichen, dass nach dem Aufenthaltsgesetz verschiedene Aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtliche Sanktionen vorgesehen waren, die sicherstellen sollten, dass diejenigen, die zur Teilnahme verpflichtet sind, auch tatsächlich an den Integrationskursen teilnehmen. Durch die Jobcenter wurden die Integrationsbemühungen auch in eine Eingliederungsvereinbarung mit Sanktionsmöglichkeiten nach §§ 15, 31 SGB II aufgenommen (vgl. dazu Dr. Marcel Kau: Sanktionsmöglichkeiten zur Durchsetzung von Integrationsanforderungen, ZAR 2007,185,187,189). Der Nachweis der erfolgreichen Teilnahme am Integrationskurs (Zertifikat Integrationskurs, § 17 Abs. 2, 4 IntV) verschaffte dem Ausländer sowohl bei der Erteilung der Niederlassungserlaubnis als auch im Verfahren der Einbürgerung eine günstigere Rechtsposition (vgl. Dr. Christoph Hauschild, Die Integrationskurse des Bundes, ZAR 2/2005, 56, 60). Das Führen der Anwesenheitslisten war mithin ein wesentlicher Bestandteil der schulischen Organisation, in die die Klägerin eingebunden war.

 

Darüber hinaus übertrug die Beigeladene zu 1 der Klägerin die Durchführung der von ihr inhaltlich und mit Lösungsmustern vorgegebenen Lernstandtests im Unterricht am Ende der Deutsch-Intensivkurse A1.2 und A2.2. Diese hatte die Klägerin auch zu korrigieren und die Testergebnisse der Kursteilnehmer an die Fachbereichsleitung zu übermitteln. Das diesen Lernstanderhebungen von der Beigeladenen zu 1 verliehene Etikett der Freiwilligkeit ändert nichts an dem Umstand der faktischen Delegation von - dem schulischen Verantwortungsbereich zuzuordnenden - Verwaltungsaufgaben an die Klägerin. Auch testinhaltlich betrachtet kann von einer diesbezüglichen Gestaltungsfreiheit der Klägerin keine Rede sein. Die Organisationsstruktur der Volkshochschule war vielmehr auf die kollegiale Zusammenarbeit mit der Klägerin ausgelegt. Dies zeigte sich auch an dem Deutsch Intensiv 3-Prüfungskurs, in welchem die Klägerin die Qualität der mündlichen Ausdrucksfähigkeit der Kursteilnehmer mit Pfeilsymbolik als Vorbereitung auf die mündlichen Abschlussprüfungen (Deutschtest für Zuwanderer, Zertifikat Deutsch) zu beurteilen hatte. So heißt es unter einer Deutsch Intensiv 3-Prüfungskurs Teilnehmerliste (Bl. 153 VA): „Liebe DaF-Lehrer, bitte markieren Sie wieder die Qualität der mündlichen Ausdrucksfähigkeit der markierten Teilnehmer auf dieser Liste, um für die mündliche B1/DTZ-Prüfung ungefähr gleichstarke Paarprüfungen zu organisieren.“ Für die Kurseinstufung der Teilnehmer stimmte sich die Fachbereichsleitung darüber hinaus auch in persönlichen Gesprächen über die jeweils erreichte Sprachlernstufe mit der Klägerin ab, deren Erfahrung sie sich zunutze machte. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf die Aussagen der Zeugin H.... vom 28.03.2022.

 

Der organisatorische Rahmen der Deutschsprachkurse lag somit im Wesentlichen in der Hand der Beigeladenen zu 1, in welchen die Klägerin in einer ihre Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt eingegliedert war. Die Beigeladene zu 1 stellte der Klägerin die Räume und Unterrichtsmaterialien kostenfrei zur Verfügung und trat nach außen gegenüber den Kursteilnehmern von der Anwerbung, über den Vertragsabschluss bis zur Abrechnung und Kündigung oder im Rahmen der Zuteilung der Kursteilnehmer und Kommunikation mit dem BAMF allein auf. Das BAMF kontrollierte die Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen (§ 19 IntV) und die Qualität des Deutschsprachunterrichts der Beigeladenen zu 1 (§ 20 Abs. 5 Satz 3 IntV aF), wozu auch die Kontrolle des Unterrichts der - vom BAMF zugelassenen - Kursleiter gehörte. Auch wenn die Klägerin tatsächlich nur einmal vom BAMF (Frau Astrid Leidel-Keul) im Unterricht besucht wurde, aufgrund der Konzession stand dem BAMF die Rechtsmacht zur häufigeren Prüfung der Beigeladenen zu 1 zu (§ 20 Abs. 5 Satz 3 IntV aF). Nach der gelebten Praxis hatte die Beigeladene zu 1 sonach die Erledigung eigentlich zu ihrem Funktionsbereich gehörender Verwaltungsaufgaben zum Teil der Klägerin übertragen und sie damit zur fremdbestimmten Erfüllungsgehilfin in ihrem Organisationsbereich gemacht.

 

Demgegenüber sind keine für die Selbstständigkeit sprechenden Anhaltspunkte festzustellen, die ein derartiges Gewicht hätten, dass sie die Weisungsgebundenheit und Eingliederung der Klägerin hätten auf- oder überwiegen können. Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, BSGE 120, 99-113, SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, juris Rn. 31 <Rackjobbing>). Die Klägerin trug kein nennenswertes Unternehmerrisiko und hatte keine unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten. Sie setzte lediglich in geringem Umfang eigene Betriebsmittel ein, zumal die Beigeladene zu 1 den Kursleitern in der Regel auch Lehrbücher als Belegexemplare zur Verfügung stellte. Die Anschaffungen begründeten jedenfalls kein ins Gewicht fallendes Verlustrisiko. Für die Klägerin bestand nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten hätte entscheidend beeinflussen können. Nur wenn ein Kurs nicht zustande gekommen war, büßte sie Vorbereitungszeit ein und musste den Ausfall der Entlohnung tragen. Im Kern erhielt sie für ihre Arbeit ohne Rücksicht auf den Arbeitserfolg ein fest definiertes Honorar (entsprechend der Honorarordnung der Beigeladenen zu 1). Insbesondere hatte sie nicht die Möglichkeit, zu werben und eigene Kursteilnehmer zu akquirieren und durch eine höhere Auslastung der Kurse und eigenmächtige Erhöhung der Unterrichtseinheiten ihre Verdienstchancen zu steigern, noch konnte sie auf eigene Rechnung unterrichten oder die geschuldete Lehrtätigkeit durch andere erbringen lassen. Die Kursteilnehmer wurden vielmehr von der Beigeladenen zu 1 den einzelnen Kursen zugeteilt. Die Namen der den Kursen zugeordneten Dozenten wurden im Programmheft der Volkshochschule nicht veröffentlicht. Da es auch lediglich auf eine Betrachtung der konkreten Tätigkeiten bei den einzelnen Honorarverträgen ankommt, ist das weitere in Betracht kommende Risiko der Klägerin, von der Beigeladenen zu 1 keine weiteren Folgeaufträge zu bekommen, für die Frage ihres Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant.

 

Es handelte sich auch nicht um geringfügige Beschäftigungen gemäß § 8 SGB IV (auch wegen § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV); es lagen keine unständigen Beschäftigungen im Sinne von § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III vor.

 

 

II.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Da die Beklagte unterlegen ist, hat sie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen zu tragen.

 

III.

 

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG), da sich die Entscheidung in die umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zur Statusbeurteilung einreiht und hier keine rechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären war.

 

 

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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