I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.454,00 € nebst Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.09.2020 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 12,14 € zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.454,00 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung in Höhe von 2.454,00 €.
Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) zur Versorgung der Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassenes Krankenhaus.
Sie behandelte die bei der Beklagten Versicherte D. stationär vom 04.07.2018 bis 21.07.2018 stationär. Die Klägerin rechnete für die Behandlung die I24Z mit einem Gesamtbetrag von 14.819,96 € mit Rechnung vom 09.08.2018 ab. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst (MD) mit einer Prüfung des Behandlungsfalls. Da die Beklagte Zweifel an der ordnungsgemäßen Rechnungslegung hegte, beauftragte sie den
MDK mit der Überprüfung des Behandlungsfalls. Dieser kam in seinem initialen Gutachten vom 07.03.2019 zu dem Ergebnis, dass der OPS-Codes 5-829.K0 nebst Zusatzentgelt 2013-25 zu streichen sei sowie eine sekundäre Fehlbelegung von fünf Belegtagen nebst Änderung des OPS-Codes 8-550.1 in den OPS-Code 8-550.0 vorliege wegen einer verkürzten geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung. Die Beklagte verrechnete daraufhin am 24.09.2020 den ihrer Ansicht nach offenen Rückforderungsbetrag in Höhe von 4.054,00 €.
Nach Widerspruch der Klägerin bestätigte der MDK sodann in seiner Zweitbegutachtung vom 24.11.2020 sowohl die Ansetzung des OPS-Codes 5-829.K0 als auch des Zusatzentgeltes 2013-25. Der MD vertrat auch in diesem Gutachten die Ansicht jedoch weiterhin die Ansicht, dass die Verweildauer um fünf Belegtage zu kürzen sei. Unter Berücksichtigung des zweiten MD Gutachtens zahlte die Beklagte an die Klägerin noch 1.600,00 € am 23.12.2020.
Am 07.10.2021 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg.
Sie beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.454,00 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.09.2020 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 12,14 € zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Aufrechnung der Beklagten sei bereits unwirksam. Es liege ein Verstoß gegen § 109 Abs. 6 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vor. Danach bestehe ein Aufrechnungsverbot mit Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab 01.10.2020 aufgenommenen Patienten entstanden seien. Zwar seien in Satz 2 Ausnahmen vom Aufrechnungsverbot geregelt, diese seien aber nicht einschlägig.
Alleine aus diesem Grunde sei die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Auch die gesetzlich eingeräumte vertragliche Abweichungsmöglichkeit durch § 109 Abs. 6 S. 3 SGB V greife vorliegend nicht ein. Diese siehe vor, dass in der Vereinbarung nach § 17 c Abs. 2 S. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz, mithin der Prüfverfahrensvereinbarung, abweichende Regelungen vorgesehen werden können. § 17 c Abs. 2 S. 1 ist jedoch lediglich Ermächtigungsgrundlage zur näheren Ausgestaltung des MDK-Prüfverfahrens, von welcher die Selbstverwaltungspartner durch die Schaffung der Prüfverfahrensvereinbarung Gebrauch gemacht haben. In der Prüfverfahrensvereinbarung nach § 17 c Abs. 2 S. 1 KHG können jedoch lediglich Regelungen für Ansprüche und Behandlungsfälle getroffen werden, die Gegenstand einer MDK-Prüfung sind. Die von der Beklagten zur Aufrechnung herangezogene Forderung aus dem Behandlungsfall ab 01.01.2020 ist jedoch zu keinem Zeitpunkt Gegenstand eines MDK-Prüfverfahrens gewesen, sondern ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Mithin greift der gesetzlich eingeräumte vertragliche Ausnahmetatbestand des § 109 Abs. 6 S. 3 SGB V ebenfalls nicht ein, da die Prüfverfahrensvereinbarung im Sinne des § 17 c Abs. 2 KHG lediglich Behandlungsfälle und Ansprüche betreffen kann, die Gegenstand eines MDK-Prüfverfahrens sind, was für den zur Aufrechnung herangezogenen Anspruch aus dem Behandlungsfall ab 01.01.2020 nicht der Fall ist. Dieser war nie Gegenstand eines MDK-Prüfverfahrens. Aufgrund der rechtswidrigen Aufrechnung ist die Beklagte daher bereits antragsgemäß zu verurteilen.
Hilfsweise werde noch vorgetragen, dass auch materiell-rechtlich die DRG I24Z zu Recht abgerechnet worden sei. Im vorliegenden Fall sei die Versicherte bei Humeruskopfmehrfragmentfraktur links stationär aufgenommen, zunächst operativ und anschließend mit einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung versorgt worden.
Dem MD hätten nachweislich alle Unterlagen vorgelegen. Die zum Zeitpunkt der Behandlung 86-jährige multimorbide Versicherte mit postoperativer Anämie, Zustand nach Apoplex, arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, chronischer Niereninsuffizienz Stadium 3, Depression, Stressinkontinenz und beginnender Demenz sei nach der Operation mittels einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung behandelt worden. Die Versicherte habe vor dem Sturz mit Hilfe des ambulanten Pflegedienstes noch alleine zu Hause gewohnt und habe dorthin auch zurückkehren wollen. Die Streichung der fünftägigen Verweildauer habe vorliegend keinerlei Auswirkungen auf Zuschläge für die Überschreitung einer oberen Grenzverweildauer, da diese nicht überschritten worden sei. Sie habe ausschließlich Relevanz für die behauptete Änderung des OPS-Codes 8-550.1 in den Code 8-550.0 hinsichtlich der Behandlungstage und Therapieeinheiten. Entgegen der Auffassung des MDK sei eine frühere Verlegung in eine geriatrische Rehabilitation nicht möglich gewesen, da hier die Versicherte weder physisch noch psychisch zu einer solchen in der Lage gewesen wäre.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Die Aufrechnung sei unter Berücksichtigung von § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 10 der PrüfvV zulässig erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten der Beteiligten, insbesondere die Patientenakte der Klägerin, Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die richtige Klageart gewählt (ständige Rechtsprechung u.a. BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr. 3). Es handelt sich um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr. 5).
Die Klage ist zudem vollumfänglich begründet, denn die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der Vergütung in beantragter Höhe und dementsprechend auch auf die Zahlung von Zinsen.
Die Klägerin hat einen weiteren Vergütungsanspruch für die Behandlung der bei der Beklagten versicherten Patientin D..
Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung der Krankenhausbehandlung für die verrechnete Forderung, der bezüglich der Höhe nicht streitig ist und deshalb keiner näheren Prüfung zu unterziehen ist (BSG, Urteil vom 21.04.2015 - B 1 KR 8/15 R -, juris m.w.N.), ist durch die Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Patientin D. nicht analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch erloschen (zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte KH-Vergütung vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R -, SozR 4-5560 § 17b Nr. 2 m.w.N.), da der ordnungsgemäßen Aufrechnung ein gesetzliches Aufrechnungsverbot entgegensteht und auch nicht durch eine Ausnahme hiervon gerechtfertigt ist.
1.
Unter Anwendung der Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann gem.§ 387 BGB jeder Schuldner seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, wenn sich zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, sobald die Person die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 9/16 R-, SozR 4-5562 § 11 Nr. 2, SozR 4-5560 § 18 Nr. 2, SozR 4-7610 § 271 Nr. 1, SozR 4-7610 § 387 Nr. 4, Rn. 10).
Eine solche Aufrechnung ist entsprechend wirksam, wenn bei bestehender Aufrechnungslage (§ 387 BGB) die Aufrechnung erklärt wird (§ 388 BGB) und keine Aufrechnungsverbote entgegenstehen (vgl. dazu im Einzelnen etwa BSG, Urteil vom 30.07.2019 -B 1 KR 31/18 R Rn. 11 ff.).
2.
Der Aufrechnung durch die Beklagte steht nach Ansicht der Kammer ein gesetzliches Aufrechnungsverbot entgegen, das auch nicht durch eine vertragliche Ausnahme ausgenommen worden ist. Im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung im September 2020 war das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 109 Abs. 6 SGB V bereits in Kraft getreten.
a.
Durch das Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK Reformgesetz) vom 14.12.2019 (BGBl. I S. 2789) hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2020 in § 109 Abs. 6 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein gesetzliches Aufrechnungsverbot normiert. Danach können Krankenkassen gegen Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab dem 1. Januar 2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind, nicht mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen aufrechnen.
Zur Begründung des gesetzlichen Aufrechnungsverbots hat sich der Gesetzgeber wie folgt geäußert:
"In der Vergangenheit haben Krankenkassen Rückforderungsansprüche gegen Krankenhäuser wegen überzahlter Vergütungen in der Regel nicht durch Klage vor dem Sozialgericht geltend gemacht, sondern mit Rückforderungsansprüchen gegen unbestrittene Forderungen des Krankenhauses auf Vergütung erbrachter Leistungen aufgerechnet. Dies hat zu erheblichen Liquiditätsengpässen auf Seiten der Krankenhäuser geführt, da mit Erklärung der Aufrechnung die Krankenkassen die Möglichkeit haben, ihre Forderungen sofort zu befriedigen, während gleichzeitig die Vergütungsforderung des Krankenhauses erlischt. Durch die Aufrechnung wird außerdem das Prozessrisiko, Vergütungsansprüche im Wege der Klage durchsetzen zu müssen, auf die Krankenhäuser verlagert,
da das Krankenhaus die Krankenkasse auf Zahlung der ungeschmälerten Vergütung verklagen muss, wenn es das Bestehen eines Rückforderungsanspruchs bestreitet. Um diese negativen Folgen von Aufrechnungen zu begrenzen, wird die Möglichkeit der Krankenkassen, mit Rückforderungsansprüchen gegen Vergütungsansprüche der
Krankenhäuser aufzurechnen, ausgeschlossen. Erfasst sind alle nach § 108 zur Krankenhausbehandlung zugelassenen Krankenhäuser, mit denen ein Versorgungsvertrag abgeschlossen worden ist oder bei denen das Vorliegen eines Versorgungsvertrags fingiert wird. In der Vergangenheit waren die Sozialgerichte mit Klagen der Krankenhäuser zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Aufrechnungen der Krankenkassen konfrontiert. Diese Klagen entfallen künftig. Sofern Krankenkassen in der Zukunft verstärkt den Klageweg beschreiten werden, um ihre Forderungen durchzusetzen, dürfte die Zahl streitiger Abrechnungsfälle durch die Umkehr des Prozessrisikos für sich allein nicht spürbar vergrößert werden. Der Ausschluss der Aufrechnungsmöglichkeit gilt nur für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser, die nach dem Inkrafttreten der Regelung entstanden sind. Andernfalls wäre nicht auszuschließen, dass Krankenkassen bis zum Inkrafttreten verstärkt von der noch bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit Gebrauch machen würden, verbunden mit entsprechenden Folgen für die Liquidität der Krankenhäuser." (BT-Drs. 19/13397, 54).
Es entspricht mithin dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, dass eine Aufrechnung in der Regel nicht zulässig ist, was entsprechend in § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V deutlich zum Ausdruck kommt. § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V ist vorliegend auch anwendbar. Nach dem Wortlaut kann "gegen Forderungen von Krankenhäuser, die aufgrund der Versorgung von ab dem 01.01.2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind," nicht mit Rückforderungsansprüchen aufgerechnet werden. Die aufgerechnete Forderung der Klägerin, die hier letztlich streitig ist, ist aufgrund einer Behandlung eines/r Patientin entstanden, die im Jahr 2020 bei der Klägerin entstanden ist. Unerheblich ist dabei, dass der vermeintliche Rückforderungsanspruch aufgrund der Behandlung der Versicherten D. im Jahr 2019 behauptet wird.
b.
Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung ist auch nicht von der gesetzlichen Ausnahme des § 109 Abs. 6 Satz 2 SGB V gedeckt. Danach ist die Aufrechnung abweichend von Satz 1 möglich, wenn die Forderung der Krankenkasse vom Krankenhaus nicht bestritten wird oder rechtskräftig festgestellt worden ist. Nach Satz 3 können in der Vereinbarung nach § 17c Absatz 2 Satz 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) abweichende Regelungen vorgesehen werden. Während die ursprüngliche Gesetzesfassung lediglich eine Ausnahme von Satz ein durch eine Vereinbarung nach § 17c KHG vorsah und als Beispiele für eine mögliche Ausnahme "etwa bei unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Vergütungsforderungen" (BT-Drs. 19/13397, 54) in der Gesetzesbegründung nannte, sind durch die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 19/13397, 19/13547 - die vormals nur in der Gesetzesbegründung genannten Ausnahmen explizit in Satz 2 mit in das Gesetz aufgenommen worden.
Jedoch ist die vermeintliche Erstattungsforderung der Beklagten weder unbestritten, noch rechtskräftig festgestellt, so dass die gesetzliche Ausnahme von gesetzlichen Aufrechnungsverbot vorliegend nicht greift.
c.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf eine zulässige vertragliche Ausnahme von dem gesetzlichen Aufrechnungsverbot stützen.
aa.
Gem. § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V können in der Vereinbarung nach § 17c Absatz 2 Satz 1 des KHG abweichende Regelungen vom gesetzlichen Aufrechnungsverbot des Satzes 1 vorgesehen werden. § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG lautet:
"Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft regeln das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275c Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch; in der Vereinbarung sind abweichende Regelungen zu § 275c Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch möglich."
Auf dieser Basis vereinbart der GKV- Spitzenverband mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft eine Prüfverfahrensvereinbarung. In der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) vom 03.02.2016 ist in § 10 Satz 1 geregelt, das die Krankenkasse einen nach Beendigung des Vorverfahrens einvernehmlich als bestehend festgestellten oder nach § 8 mitgeteilten Erstattungsanspruch mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufrechnen kann. Im Hinblick auf das MDK-Reformgesetz haben die Vertragspartner am 10.12.2019 eine Übergangsvereinbarung beschlossen. In der Präambel steht:
"Dabei besteht Einvernehmen zwischen den Vereinbarungspartnern, insbesondere die bisher bestehenden Möglichkeiten der Korrektur von Datensätzen und ggf. Rechnungen sowie die Aufrechnungsregeln zunächst unverändert aufrecht zu erhalten."
In Art 1 heißt es weiter:
"(...) Für die Überprüfung bei Patienten, die ab dem 01.01.2020 in ein Krankenhaus aufgenommen werden, gilt die PrüfvV vom 03.02.2016 mit den Maßgaben nach Nr. 1 bis 7 dieser Übergangsvereinbarung und im Übrigen unverändert fort. Damit finden insbesondere die Regelungen zur Korrektur von Datensätzen nach § 5 Absatz 1 und § 7 Absatz 5 PrüfvV sowie die Aufrechnungsregeln nach § 10 PrüfvV weiterhin Anwendung.
Außerhalb eines Prüfverfahrens vorgenommene, nach Maßgabe der geltenden
Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zulässige Rechnungskorrekturen sind weiterhin zulässig. Außerhalb eines Prüfverfahrens vorgenommene, nach Maßgabe der geltenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zulässige Aufrechnungen von Erstattungsansprüchen der gesetzlichen Krankenkassen gegen Vergütungsansprüche der Krankenhäuser sind ebenfalls weiterhin möglich".
Unter Anwendung dieser Übergangsvorschriften der PrüfvV wäre eine Aufrechnung zulässig, jedoch ist die Regelung einer vollständigen Aushebelung des gesetzlichen Aufrechnungsverbots nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V i.V.m. § 17c KHG gedeckt.
Die Prüfvv ist ein untergesetzlicher Normvertrag der gemeinsamen Selbstverwaltungen der Krankenhäuser und Krankenkassen. Für diesen bedarf es einer gesetzlichen Rechtsgrundlage, wie sie in § 17c KHG gegeben ist. Jedoch muss der vereinbarte Normvertrag auch von der Reichweite der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für den Abschluss des Normvertrags gedeckt sein.
bb.
Unerheblich ist es nach Ansicht der Kammer, dass die Vertragsparteien bereits die "Verlängerung" der Aufrechnungsmöglichkeit (nämlich am 10.12.2019) vereinbart haben, noch bevor das gesetzliche Aufrechnungsverbot bzw. die Ermächtigungsgrundlage zur Regelung von Ausnahmen zum gesetzlichen Aufrechnungsverbot in Kraft getreten ist (01.01.2020). Das partielle Fehlen einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf schuldrechtlicher Ebene schließt nach der Rechtsprechung des BS die spätere Wirksamkeit des intendierten Normvertrags in Gänze ab 2020 ohne erneuten, bestätigenden Vertragsschluss nicht aus (BSG, Urteil vom 10. November 2021 - B 1 KR 36/20 R -, BSGE 133, 126 (vorgesehen), SozR 4-2500 § 275 Nr. 36 (vorgesehen), Rn. 16).
cc.
Die in einer Prüfverfahrensvereinbarung regelungsfähigen Inhalte sind in § 17c KHG abschließend geregelt. Nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG regeln die dort genannten Vertragspartner "das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275c Abs. 1 SGB V". Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 KHG haben sie auch Regelungen zur Abwicklung von Rückforderungen zu treffen. Die Vertragspartner können daher - jedenfalls sobald eine Rückforderung nach Abschluss eines Prüfverfahrens unstreitig besteht - zu deren Rückabwicklung eine Vereinbarung treffen. "Das Nähere zum Prüfverfahren" kann Regelungen ab der Einleitung bis zum Ende des Prüfverfahrens und mithin auch bis zur Rückabwicklung eines Erstattungsanspruchs der Krankenkasse umfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung, BT-Drucks 17/13947 S 38; BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 - B 1 KR 31/18 R -, BSGE 129, 1-10, SozR 4-7610 § 366 Nr. 2, SozR 4-2500 § 109 Nr. 79, SozR 4-5560 § 17c Nr. 4, Rn. 12 - 13).
Nicht mit § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V vereinbar ist dagegen nach Ansicht der Kammer eine vertragliche Vereinbarung, die das ab 01.01.2020 bestehende gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 109 Abs. 6 SGB V generell aushebelt und damit ins Leere laufen lässt. Es ist für die Beurteilung der vorliegenden Sachlage daher unerheblich, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Übergangs-PrüfvV eine generelle Aufrechnung weiterhin über den 01.01.2020 zulässig sein soll. Zwar unterliegt nach der Rechtsprechung des BSG die Anwendung der normenvertraglichen Bestimmungen der PrüfvV den allgemeinen für Gesetze geltenden Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Es ist mithin nicht auf den subjektiven Willen der Beteiligten, sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung abzustellen (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 - B 1 KR 34/20 R -, BSGE 132, 152-162, SozR 4-2500 § 301 Nr 10). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der PrüfvV ist trotz gesetzlichem Aufrechnungsverbot weiterhin jede Forderung aufrechenbar mit Gegenforderungen, unabhängig von der Tatsache, ob bei der Gegenforderung auch ein Prüfverfahren eingeleitet worden ist. Diese Regelung ist nach Ansicht der Kammer mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage, das gesetzliche Aufrechnungsverbot vollständig abzubedingen, unwirksam, eine darauf gestützte Aufrechnungserklärung geht ist leere und verstößt gegen das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V.
Dies ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten:
Nach § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V können in der Vereinbarung nach § 17c Absatz 2 Satz 1 KHG abweichende Regelungen vorgesehen werden. Satz 3 schließt sich an Satz 2 an, welcher ausdrücklich zwei Ausnahmen vom gesetzlichen Aufrechnungsverbot enthält, nämlich bei unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen. Der Satz 2 des Absatzes 6 wurde erst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens explizit eingefügt, in der Vorfassung waren die nunmehr in Satz 2 explizit geregelten Ausnahmen zum Aufrechnungsverbot als Beispiel für die nun in Satz 3 enthaltenen "abweichenden Regelungen" zum Aufrechnungsverbot enthalten. Der Gesetzgeber wollte mithin die Vertragsparteien ermächtigen, über die in Satz 2 explizit genannten Ausnahmen weitere (sinnvolle) Ausnahmen vom Verbot zu regeln. Das gesetzliche Aufrechnungsverbot wird jedoch durch Satz 3 nicht vollständig in die Dispositionsbefugnis der Vertragsparteien gestellt (so wohl auch Dr. Frank Bockholdt in: Hauck/Noftz SGB V, § 109 Abschluss von Versorgungsverträgen mit Krankenhäusern, Rn. 221g). Nach dem reinen Wortlaut "abweichende Regelungen" bleibt offen, ob der Gesetzgeber das gesetzliche Aufrechnungsverbot vollständig dispositiv ist. Der Begriff abweichende Regelungen könnte einen kompletten Ausschluss enthalten, oder aber dahingehend zu verstehen sein, dass lediglich einzelne Ausnahmen geregelt werden dürfen. Ausnahmevorschriften wie § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V sind aber grundsätzlich eng auszulegen (exceptio est strictissimae interpretationis). Systematisch schließt sich Satz 3 an Satz 2 an, welcher explizite Ausnahmen zum Aufrechnungsverbot regelt, so dass nach der Stellung im Gesetz und Gefüge davon ausgegangen werden kann, das Satz 3 ermächtigt, weitere Ausnahmen zu Satz 1 zu vereinbaren, die über die in Satz 2 genannten hinausgehen, nicht jedoch Satz 1 vollständig abzubedingen. Gleiches gilt im Übrigen für § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG, der den Vertragsparteien "abweichende Regelungen" von § 275c SGB V gestattet, nicht aber die vollständige Abbedingung desselben. Gestützt wird die systematische Auslegung zudem durch die historische. In den Bundestagsdrucksachen kommt klar zum Ausdruck, das Satz 3 (vormals im Entwurf Satz 2) die Parteien lediglich zur Regelung konkreter einzelner Ausnahmen ermächtigen soll. Auch nach der Schutzrichtung der Norm und dem Sinnzusammenhang lässt sich nach Ansicht der Kammer klar erkennen, dass § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V keine Ermächtigungsgrundlag zu einem vollständiger Ausschluss des gesetzlichen Verbots durch eine Vereinbarung nach § 17c KHG darstellt.
§ 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V ermächtigt daher nach Ansicht der Kammer allenfalls zur Vereinbarung über die in Satz 2 explizit genannten Ausnahmen zum gesetzlichen Aufrechnungsverbots, Satz 1 steht dagegen nicht zur völligen Disposition. Das gesetzliche Aufrechnungsverbot darf nicht durch eine Vereinbarung nach Satz 3 vollständig ausgehebelt werden. Die PrüfvV ist insoweit unwirksam.
Die Im Herbst 2020 erklärte Aufrechnung der Beklagten mit einer Forderung aus einem im Jahr 2020 entstandenen Behandlungsfalls verstößt mithin gegen das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V und geht folglich ins Leere. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Vergütung aus dem Behandlungsfall D. in Höhe der streitigen Summe.
3.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören und die Beklagte die unterliegende Partei des Rechtsstreits ist.
5.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).