Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für eine in Anspruch genommene osteopathische Behandlung in Höhe von 131,44 €.
Die 1987 geborene Klägerin erlitt am 9.9.2020 einen Arbeitsunfall. Sie zog sich dabei eine verschobene Schienbeinfraktur links, eine mehrfragmentäre Fraktur des Wadenbein links, eine unverschobene Fraktur des Volkmann-Dreiecks sowie eine Ellenbogenprellung links zu.
Am 13.5.2021 reichte die Klägerin der Beklagten eine privatärztlich an Sie ausgestellte Rechnung der Firma C. Med (Ärztliche Verrechnungsstelle C-Stadt) vom 6.5.2021 ein und bat um Kostenübernahme über eine am 12.4.2021 von Herrn Dr. D., Facharzt für Allgemeinmedizin, ärztliche Osteopathie usw., erbrachte osteopathische Behandlung in Höhe von 131,44 €.
Mit Bescheid vom 17.6.2021 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die osteopathische Behandlung mit der Begründung ab, dass nach Auswertung der Unterlagen, insbesondere der Gangbildanalyse, keine unfallbedingte Ursächlichkeit des subjektiven Empfindens identifiziert habe werden können. Die noch bestehenden Funktionsdefizite seien eine Behandlung durch Osteopathie kaum zugänglich. Eine Kostenübernahme könne nicht erfolgen.
Hiergegen legte die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.9.2021 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Eine ärztliche Verordnung von Osteopathie sei nicht ausgestellt worden. Die Klägerin habe auch keinen Antrag bei der Beklagten auf Kostenübernahme für noch auszuführende osteopathische Leistungen gestellt.
Hiergegen richtet sich die Klage, die die Klägerin am 11.10.2021 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben hat.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die osteopathische Behandlung aus Sicht des behandelnden Arztes medizinisch notwendig gewesen sei. Da die Behandlung der Klägerin geholfen habe, sei auch von deren Wirksamkeit auszugehen. Da die Vertragsärzte ängstlich besorgt um einen Regress der Sozialversicherung seien, habe die Klägerin keine andere Möglichkeit gehabt, als sich die Osteopathieleistung auf Privatrezept zu besorgen. Die Klägerin mag zwar den Unfallversicherungsträger persönlich nicht eingeschaltet haben, habe sich jedoch bei den diesen vertretenden Ärzten als Leistungserbringern erfolglos darum bemüht, eine Verordnung für Osteopathieleistungen auf Kassenrezept zu erhalten. Dieses sei abgelehnt worden. Wenn sie sich damit an die Beklagte gewendet hätte, hätte diese ebenso ablehnend reagiert. Deshalb erscheine das Antragsverfahren bzw. das Berufen hierauf als überflüssige Förmelei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Ausgangsbescheides vom 17.6.2021 und des Widerspruchsbescheides vom 22.9.2021 eine Kostenerstattung i.H.v. 131,44 € für die privatärztliche Rechnung der Firma C. Med vom 6.5.2021 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und verweist auf die analoge Anwendung der Kostenerstattungsregelung des § 13 Abs. 3 SGB V. Danach könne eine Erstattung selbstgetragene Heilbehandlungskosten nur erfolgen, wenn der Unfallversicherungsträger entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn der Unfallversicherungsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Auch müsse ein kausaler Zusammenhang zwischen der ablehnenden Entscheidung des Unfallversicherungsträgers und den der/dem Versicherten entstandenen Heilbehandlungskosten bestehen. Die Erbringung osteopathischer Leistungen sei im Falle der Klägerin nicht unaufschiebbar gewesen. Hierfür hätten sich keine Hinweise aus dem medizinischen Unterlagen ergeben.
Mit Schreiben vom 15.7.2022 sind die Beteiligten dazu angehört worden, dass beabsichtigt ist, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid in Beschlussbesetzung ohne ehrenamtliche Richter zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, denn die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 15.7.2022 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der osteopatischen Behandlung vom 12.04.2021 in Höhe von 131,44 €.
Nach § 26 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des SGB IX Anspruch auf u. a. Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Zur Heilbehandlung gehört neben ärztlicher Behandlung (§§ 27 Abs. 1 Nr. 2, 28 SGB VII) auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§§ 27 Abs. 1 Nr. 4, 29 SGB VII). Leistungen der Heilbehandlung sind nach § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII als Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen und daher als „Naturalleistung" zu gewähren. Ausnahmen sollen nur dann gelten, wenn dies im SGB VII oder SGB IX ausdrücklich vorgesehen ist.
Eine Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen zur Heilbehandlung und Rehabilitation findet allein unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V statt; diese Vorschrift ist in der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend anwendbar, da hier eine Regelungslücke hinsichtlich der Kostenerstattung besteht, die diese Vorschrift sachgerecht ausfüllt (st. Rspr., BSG vom 24. Februar 2000 - B 2 U 12/99 R; BSG vom 20. März 2007 - B 2 U 38/05 R; BSG vom 3. April 2014 - B 2 U 21/12 R).
Da sich die Klägerin die osteopathische Behandlung des Facharztes für Allgemeinmedizin Herrn Dr. D. ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der Beklagten selbst beschafft hat, hat sie den primären Beschaffungsweg der Sach- oder Dienstleistung verlassen. Eine Erstattung der von der Klägerin selbst getragenen Kosten in Höhe von 131,44 € kommt daher nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des analog anzuwendenden § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V erfüllt sind, was hier allerdings nicht der Fall ist.
Eine Kostenerstattung in der gesetzlichen Unfallversicherung hinsichtlich einer selbstbeschafften Leistung kommt hiernach nur in Betracht, wenn der Unfallversicherungsträger (1.) eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn er (2.) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Zusätzlich muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem die Haftung begründenden Umstand (bei der Alternative 1.: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung; bei Alternative 2.: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) bestehen (BSG vom 24. Februar 2000 - B 2 U 12/99 R).
Unaufschiebbare Leistungen im Sinne der ersten Alternative hat Herr Dr. D. am 12.4.2021 nicht erbracht. Unaufschiebbarkeit verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten (BSG vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R; BSG vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R). Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z. B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist (BSG vom 6. März 2012 - B 1 KR 17/11 R). Dies gilt nicht nur dann, wenn es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten (BSG vom 25. September 2000 - B 1 KR 5/99 R), sondern auch in Fällen, bei denen der Versicherte die Entscheidung seiner Krankenkasse nicht mehr abwarten kann.
Unaufschiebbar kann danach auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird (BSG vom 8. September 2015 - B 1 KR 14/14 R). § 13 Abs. 3 SGB V gewährt mithin einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine vom zuständigen Leistungsträger geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes wird dadurch abgesichert, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird (BSG vom 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R).
Eine unaufschiebbare Leistung in diesem Sinne lag nicht vor.
Bei der osteopathischen Behandlung durch Herrn Dr. D. handelte es sich nicht um eine Notfallbehandlung. Auch für eine dringende Behandlungsbedürftigkeit ergibt sich aus der Aktenlage nichts. Eine solche wäre nur dann anzunehmen, wenn der übliche Beschaffungsweg, d. h. die Inanspruchnahme einer Sachleistung, mit einer für den Versicherten unvermeidbaren Verzögerung und mit medizinischen Risiken verbunden wäre, der die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit oder die Besserung des Gesundheitszustandes gefährden könnte oder der für den Versicherten nicht zumutbar ist (BSG vom 18. Januar 1996 - 1 RK 22/95). Hierfür ergeben sich weder Anhaltspunkte noch hat die Klägerin in dieser Hinsicht relevante medizinische Kriterien vorgetragen.
Auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V (analog) sind nicht erfüllt.
Diese Regelung setzt voraus, dass die Krankenkasse bzw. der Unfallversicherungsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten „dadurch“ für die selbst beschaffte und auch medizinisch notwendige Leistung Kosten entstanden sind. Erforderlich ist insoweit, dass zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung ein Ursachenzusammenhang besteht (BSG vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R). Der Versicherte darf sich insbesondere nicht - unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfallt - von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung festgelegt haben (BSG vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R). Ein kausaler Zusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheidet aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges besorgt hat, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten (stRspr BSG, vgl. u. a. Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 15/07 R). Vor der Selbstbeschaffung ist zwingend eine die Leistung ablehnende Entscheidung der Krankenkasse notwendig. Die Kostenbelastung des Versicherten muss der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung beruhen (BSG vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/04 R). Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG vom 15. April 1997 - 1 BK 31/96; BSG vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R; BSG vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 15/07 R).
Die Klägerin hat den vorbeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten. Die osteopathische Behandlung bei Herrn Dr. D. hat die Klägerin am 12.4.2021 in Anspruch genommen, ohne zuvor einen Antrag auf eine entsprechende Heilbehandlung bei der Beklagten gestellt zu haben. Zwischen der die (vollständige) Kostentragung ablehnenden Entscheidung der Beklagten und der Selbstbeschaffung und Kostenentstehung besteht der erforderliche Ursachenzusammenhang nicht. Der Klägerin sind die geltend gemachten Kosten gerade nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte die Durchführung der Heilbehandlung zu Unrecht abgelehnt hat, sondern vielmehr dadurch, dass sie eigeninitiativ eine privatärztliche Behandlung in Anspruch genommen hat.
Am 13.5.2021 wurde der Beklagten eine privatärztlich an die Klägerin ausgestellte Rechnung der Firma C. Med vom 6.5.2021 über eine am 12.4.2021 von Herrn Dr. D. erbrachte osteopathische Behandlung in Höhe von 131,44 € eingereicht. Die Beklagte hatte bis dahin keinerlei Kenntnis von der am 14.4.2021 in Anspruch genommenen Osteopathieleistung.
Ein auf die Verweigerung der Naturalleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet wie dargelegt aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor - hier - den Unfallversicherungsträger einzuschalten und seine Entscheidung abzuwarten. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift (s. o.) muss zwischen dem die Haftung begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn der Unfallversicherungsträger - wie hier - vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG vom 24. Februar 2000 - B 2 U 12/99 R; BSG vom 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R [zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung]; LSG Baden-Württemberg vom 27. Juni 2016 - L 1 U 4032/15).
Die Beklagte hat daher zu Recht die Erstattung der selbst beschafften Leistung abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.