1. Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Norm soll nur eine angemessene Bestattung garantieren und der Steuerzahler soll sozialhilferechtlich nur für eine würdige Bestattung aufkommen müssen. Maßstabe kann dann nicht der frühere Lebensstandart des Verstorbenen sein, sondern das, was ortsüblicherweise (§ 9 Abs. 1 SGB XII) zu den Bestattungskosten im bezeichneten Sinne gehört.
2. Kosten einer Überführung in das Ausland an den dort vorgesehenen Bestattungsort sind nur dann erdorderlich im Sinne von § 74 SGB XII, wenn diese Überführung auch nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Umstände eine Bestattung nach dem religiösen Bekenntnis des Verstorbenen im Inland nicht ermöglichen.
3. Wünschen des Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs. 2 SGB XII) und gegebenenfalls des Verstorbenen (§ 9 Abs. 1 SGB XII ) ist in einem angemessenen Rahmen nachzukommen. Dem ausgeübten religiösen Bekenntnis und der auch nach dem Tod zu beachtenden Menschenwürde (Art. 4 GG) ist Rechnung zu tragen.
Zur Übernahme der erforderlichen Kosten einer Bestattung i.S.v. § 74 SGB XII bei einer Beerdigung im Ausland
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- Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 3. September 2019 wird zurückgewiesen.
- Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte den Klägern auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Kläger begehren die Übernahme weiterer Kosten in Höhe von 2.111,03 EUR für die Bestattung ihres Sohnes in Russland.
Der Kläger zu 1. bezog ab Februar 2016 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII). Die Klägerin zu 2. erhielt erstmals aufgrund des Bescheides der Beklagten vom 10. August 2017 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 55,90 EUR für Dezember 2016, 74,77 EUR für Januar 2017, 84,45 EUR für Februar 2017 und im Juli 2017 in Höhe von 86,14 EUR. Von März bis Juni 2017 wurden der Klägerin zu 2. keine Leistungen zugesprochen. Im streitigen Zeitraum bezog die Klägerin zu 2. darüber hinaus eine Rente wegen Alters in Höhe von 517,73 EUR. Ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge wies das Girokonto der Klägerin zu 2. am 6. Dezember 2016 ein Guthaben von 3.232,25 EUR auf, am 30. Dezember 2016 ein Guthaben von 1.522,17 EUR. Darüber hinaus sind aus den Kontoauszügen am 6., 7., 9. und 13. Dezember 2016 Geldabhebungen am Geldautomaten Altmarkt A.... von jeweils 500,00 EUR und am 20. Dezember 2016 über 1000,00 EUR ersichtlich. Am 14. Juni 2016 wurde auf das Konto der Klägerin zu 2. ein Betrag von 400 EUR - überwiesen von J.... - mit dem Verwendungszweck "Schuldtilgung" gutgeschrieben. Seit dem 1. August 2017 beziehen die Kläger aufgrund einer gemeinsamen Antragstellung Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII.
Am …. 2016 verstarb der am …. 1981 geborene ledige Sohn der Kläger, Herr E.... (im Folgenden: der Verstorbene) in A...., ohne ein Testament zu hinterlassen. Der Verstorbene lebte mit den Klägern in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft und leistete hierauf einen eigenen Mietkostenanteil von 202,97 EUR monatlich. Über eine Sterbe- oder Lebensversicherung zur Deckung der Kosten einer Bestattung verfügte der Verstorbene nicht.
Am 18. August 2016 beantragten die Kläger unter Vorlage der Sterbeurkunde und der einschlägigen Rechnungen die Übernahme der Bestattungskosten des Verstorbenen beim Beklagten. Die Kläger legten eine an sie adressierte Rechnung der Russischen Föderation, Region K...., über das Begräbnis auf einem Friedhof der Stadt G.... einschließlich der Überführungsleistungen vor. Die Rechnung vom 5. Juni 2016 trägt den Vermerk "bezahlt: Bargeld 34.450 Rubel". Vorgelegt wurde darüber hinaus die Rechnung des Bestattungshauses A.... vom 23. Juni 2016, adressiert an den Kläger zu 1., über die Kosten der Bestattung des Verstorbenen in Höhe von insgesamt 1.917,18 EUR. Die Bestattungskosten beliefen sich ausweislich der vorgelegten Unterlagen auf insgesamt 4.488,53 EUR (davon Kosten der Bestattung in Deutschland 1.917,18 EUR, Transportkosten von Deutschland nach Russland 2.111,03 EUR, für die Bestattung in Russland 460,32 EUR). Die Rechnungen sind sämtlich mit dem Vermerk „Bezahlt“ versehen.
Am 1. September 2016 hörte die Beklagte die Kläger zur beabsichtigten Ablehnung der Übernahme der Bestattungskosten gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) an. Bei Einreichung der Rechnungen sei deren Fälligkeitsdatum längst überschritten gewesen. Im Übrigen seien die Rechnungen bereits bezahlt. Es sei für den Sozialhilfeträger daher nicht erkennbar, dass eine akute Notsituation vorliege.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger wies mit Schreiben vom 6. September 2016 darauf hin, dass der sozialhilferechtliche Bedarf der Soziallleistung nach § 74 SGB XII nicht die Bestattung, sondern die Entlastung des Verpflichteten von den Kosten sei. § 18 SGB XII fände daher keine Anwendung.
Auf die am 24. Februar 2017 vor dem Sozialgericht Dresden erhobene Untätigkeitsklage (Az.: S 13 SO 50/17) erging schließlich der Bescheid vom 21. März 2017. Die Beklagte übernahm damit die Kosten des Bestattungshauses A.... in Höhe von 1.917,18 EUR. Die Transportkosten in die Russische Föderation über 2.111,03 EUR gemäß der Rechnung des D.... Unternehmens "T.... International GmbH" vom 13. Juni 2016 (beauftragt vom Bestattungshaus A....) sowie die Beisetzung in Russland über 34.450,00 Rubel (483,78 EUR) entsprechend der von den Klägern ausgeglichenen Rechnung der Russischen Föderation – Region K.... – vom 5. Juni 2016 lehnte die Beklagte ab. Den Klägern könne zwar nicht zugemutet werden, die erforderlichen Kosten der Bestattung für den Sohn E.... in voller Höhe zu tragen. Daher würden auf Grundlage von § 74 SGB XII die durch das Bestattungshaus A.... am 23. Juni 2016 in Rechnung gestellten Leistungen übernommen. Eine weitergehende Übernahme von Ausgaben im Zusammenhang mit der Bestattung in der Russischen Föderation könne jedoch nicht erfolgen, da Leistungen außerhalb des Geltungsbereiches des SGB XII nicht erbracht werden könnten.
Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 28. März 2017 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2017 als unbegründet zurück. Die erforderlichen Aufwendungen einer Bestattung würden gemäß § 74 SGB XII übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen. Diese Voraussetzungen lägen nur teilweise vor. Zwar sei den Klägern grundsätzlich nicht zumutbar, die erforderlichen Kosten zu tragen. Die Bestattungskosten seien jedoch nicht in der beantragten Höhe, sondern lediglich in Höhe von 1.524,74 EUR erforderlich gewesen. Dabei würden die Kosten, welche in Russland zur Bestattung angefallen seien, insoweit anerkannt, als es sich um Kosten handele, welche auch in Deutschland bei einer vergleichbaren Bestattung entstanden wären. Überführungskosten, etwa an einen anderen Ort im Inland oder in das Herkunftsland, seien regelmäßig nicht und jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn – wie hier - eine dem religiösen Bekenntnis entsprechende Bestattung im Bundesgebiet möglich und nicht unüblich sei. Die Übernahme unverhältnismäßiger Mehrkosten aus Mitteln der Sozialhilfe sei abzulehnen. Darüber hinaus seien weitere, mit der Bestattung in Russland verbundene Kosten des Bestattungshauses A.... nicht zu berücksichtigen. Dies seien die Kosten für die Übersetzung von Urkunden, des zweiten Sarges und der Sargausstattung in Russland, das Öffnen des Zinksarges und das Umlegen in einen weiteren Sarg sowie die Kosten der Überführung nach Russland. Des Weiteren gehöre die Erledigung der Formalitäten nicht zu den erforderlichen Kosten der Bestattung. Die bereits bewilligten Leistungen über 1.917,18 EUR überstiegen den Betrag der erforderlichen Kosten erheblich. Der Bescheid vom 21. März 2017 sei daher rechtmäßig und der Widerspruch zurückzuweisen.
Mit der dagegen am 1. August 2017 zum Sozialgericht Dresden erhobenen Klage haben die Kläger beantragt, unter Abänderung des Bescheides vom 21. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2017 weitere 2.111,03 EUR (dies entspricht den Kosten der Überführung des Leichnams nach Russland) an sie zu zahlen. Der am 3. Mai 2016 verstorbene Sohn der Kläger sei in Deutschland nicht heimisch geworden. Sein Wunsch sei es daher gewesen, in seiner alten Heimat Russland beerdigt zu werden. Die Kläger seien bestattungspflichtig und dieser Pflicht nachgekommen. Auf dem Friedhof in Russland befinde sich bereits eine Grabstätte der Familie, in der Großväter und Großmütter bestattet seien. Der Verstorbene sei in diesem Familiengrab beerdigt worden. Weil somit Extrakosten für einen Grabstein nicht angefallen seien, würden die vergleichsweise hohen Überführungskosten relativiert, wobei auch die nach der Ansicht der Kläger geringen Kosten der Bestattung in Russland im Rahmen einer Gesamtsaldierung zu berücksichtigen seien. In Deutschland sei der Verstorbene häufiger weggelaufen. Auf die Frage nach dem Grund habe er geantwortet: "Nach Russland!". Diese Motivation hätten die Kläger als Wunsch des nunmehr Verstorbenen aufgefasst, dort bestattet zu werden, weshalb sie das dazu Erforderliche mit dem entsprechenden Auftrag an das Bestattungshaus A.... veranlasst hätten. Die zur Überführung notwendigen Kosten von 2.111,03 EUR seien sogleich bezahlt worden, da diese Dienstleistung nach der Ansicht der Kläger ansonsten nicht ausgeführt worden wäre. Die Verwandten in Russland hätten bei der Finanzierung geholfen. Der hälftige Betrag sei eigentlich noch zurückzuzahlen. Die Rückzahlung werde jedoch "nicht vehement" von den Verwandten gefordert. Die Beklagte sei nicht dazu berechtigt, ihre sich aus § 74 SGB XII ergebenden Verpflichtungen zu begrenzen unter Hinweis auf eine eigens erstellte Richtlinie mit entsprechenden Kostenobergrenzen (Bezug auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R). Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 7. Januar 2019 entgegnet, dass die Gesamtkosten der Bestattung mit 4.488,83 EUR aus dem Rahmen fielen, wobei sie sich diesbezüglich an ihrer Verwaltungsvorschrift vom 20. März 2006 orientiere. Demnach erkenne sie für eine Erdbestattung rund 1.700 EUR an zuzüglich der Friedhofsgebühren, welche sich nach ihrer Friedhofsgebührensatzung auf etwa 1.100 EUR beliefen. Nach einem eigens bei ihrem Eigenbetrieb "Städtisches Friedhofs- und Bestattungswesen" eingeholten Kostenangebot vom 27. August 2019 wären nach der Ansicht der Beklagten 1.925,45 EUR für die Bestattung des Sohnes der Kläger aufzuwenden gewesen.
Mit Urteil vom 3. September 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Leistung sei § 74 SGB XII. Danach würden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen. Im Falle der Kläger seien zwar unstreitig dem Grunde nach die Voraussetzungen für einen sozialhilferechtlichen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Bestattung ihres Sohnes erfüllt, insbesondere deshalb, weil sie bestattungspflichtig seien. Eine Kostenübernahme nach § 74 SGB XII umfasse jedoch nur die Bestattungskosten selbst. Um die sozialhilferechtliche Belastung der Solidargemeinschaft zu begrenzen, habe der Gesetzgeber bewusst nicht die gesamten, sich aus einem Sterbefall ergebenen Kosten einbezogen, sondern die Beihilfe von vornherein auf die erforderlichen Kosten einer Bestattung beschränkt. Die Beisetzung des Verstorbenen in Russland sei jedenfalls nicht deshalb erforderlich gewesen, um den Anforderungen eines würdigen Begräbnisses zu genügen. Überführungskosten seien regelmäßig dann nicht notwendig, wenn eine dem religiösen Bekenntnis entsprechende Bestattung im Bundesgebiet möglich und nicht unüblich sei. Eine Saldierung der Gesamtkosten mit Blick auf die günstigeren Kosten in Russland komme nicht in Betracht. Die Beklagte dürfe nur tatsächlich angefallene Kosten übernehmen. Eine fiktive Berechnung bis zur Grenze angemessener Kosten erfolge hingegen nicht. Auch den Abzug ersparter Kosten sehe das Gesetz nicht vor. Ausgehend von dem vorgelegten Kostenangebot ihres Eigenbetriebes habe die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass mit den bereits übernommenen Kosten eine würdige Bestattung des Verstorbenen möglich gewesen wäre. Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, dass Verwandte der Kläger nur die Hälfte des eingeklagten Betrages darlehensweise gewährt hätten und zurückverlangten. Insoweit sei der Bedarf der Kläger gedeckt.
Gegen das ihnen am 7. Oktober 2019 zugestellte Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer am 6. November 2019 zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung. Die Aufwendungen für die Überführung des Leichnams nach Russland seien als weitere Bestattungskosten zu übernehmen. Der Verstorbene sei in Deutschland nicht heimisch geworden. Sein Wunsch sei es daher gewesen, in seiner alten Heimat Russland beerdigt zu werden. Diesem Wunsch hätten sich die Kläger nicht entziehen können. Die Kosten seien auch angemessen. Nach § 74 SGB XII seien Bestattungskosten zu übernehmen, mithin sämtliche Kosten, die unmittelbar mit der Beerdigung verknüpft sein. Dazu zählten nach Auffassung der Kläger auch die Transportkosten von 2.111,03 EUR. Es entspräche in der Regel dem Wunsch eines Witwers, mit dem verstorbenen Ehegatten die gleiche Grabstätte zu teilen. Aus dieser Überlegung sei abzuleiten, dass eine Familie nicht nur das Recht habe, im Leben beisammen, sondern auch im Tode gemeinsam in einer Ruhestätte bestattet zu sein. Dieses Bedürfnis beziehe sich nicht lediglich auf Ehegatten, sondern auch auf Eltern-Kind-Verhältnisse, wobei diese Situation der Sache nach mit dem Umgangsrecht getrenntlebender Eltern vergleichbar sei. Sollten diese Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen, könnten diese einen Mehrbedarf für die Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts geltend machen. Dabei habe das BSG in einem Fall fiktiv die Kosten für ein "Bayern-Ticket" angesetzt zur Bestimmung angemessener Kosten, obwohl der Leistungsempfänger tatsächlich mit dem Auto gefahren sei (unter Bezugnahme auf: BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 4/14 R). Dem entsprechend seien die Sozialhilfeträger gehalten, die Kosten einer Bestattung im Ausland zu übernehmen, sofern dort Kosten erspart werden könnten und sich diese damit insgesamt im Rahmen einer angemessenen Bestattung im Inland hielten.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils vom 3. September 2019 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 21. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2017 zu verurteilen, weitere 2.111,03 EUR zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Das Vorbringen der Klägerseite sei nicht nachvollziehbar. Nach ständiger Rechtsprechung fielen die begehrten Transportkosten bereits nicht unter das Tatbestandsmerkmal der "erforderlichen Kosten" im Sinne des § 74 SGB XII. Sozialhilferechtlich erforderlich seien Bestattungskosten, welche eine würdige Beerdigung sicherstellten. Diese hätten sich an ortsüblich angemessenen Bestattungen zu orientieren. Eine Bestattung im Ausland sei nicht üblich, auch wenn der Wunsch, in der Heimat bestattet zu werden, nachvollziehbar sei. Entgegen der Ansicht der Kläger sei weder eine Saldierung ersparter Kosten noch eine fiktive Berechnung vorzunehmen. Es entspräche zwar der üblichen Praxis, auf den letzten Willen einer Person Rücksicht zu nehmen. Nach ständiger Rechtsprechung seien Wünsche eines Verstorbenen unter Beachtung des Individualitätsgrundsatzes dann zu berücksichtigen, wenn sie entweder nicht mit Mehrkosten verbunden seien oder im Hinblick auf die durch Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Glaubensfreiheit für den Verstorbenen eine religiöse Verpflichtung darstellten. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) eingelegte Berufung ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft. Die Berufung bedarf der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Kläger begehren mit ihrer Berufung die Übernahme weiterer Bestattungskosten in Höhe von 2.111,03 EUR. Der Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR ist damit erkennbar überschritten.
Die auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung
(§ 151 SGG) ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 21. März 2017 und 29. Juni 2017 rechtmäßig sind und diese die Kläger nicht in ihren Rechten verletzen (§ 54 Abs. 2 SGG). Der Anspruch auf "Übernahme" der Bestattungskosten im Sinne von § 74 SGB XII richtet sich auf die Zahlung der erforderlichen Bestattungskosten an den Leistungsempfänger, gleich, ob die Forderung des Bestattungsunternehmens bereits beglichen oder aber nur fällig sein sollte. Der Begriff der "Übernahme" in § 74 SGB XII ist daher nicht im Sinne eines Schuldbeitritts zur Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Bestattungsunternehmen zu verstehen. Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 3 SGB XII, der den Vorrang der Geldleistung normiert. Selbst wenn also der Leistungsempfänger die Schuld gegenüber einem Bestattungsunternehmen noch nicht beglichen haben sollte, wäre der maßgebliche Betrag an ihn zu zahlen, damit er die Rechnung des Bestattungsunternehmers begleichen kann (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R – juris Rn. 9). Die Kläger haben jedoch keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Aufwendungen für die Bestattung des Verstorbenen, da die Beklagte die für eine würdige Bestattung des verstorbenen Sohnes der Kläger erforderlichen Kosten bereits bewilligt hat.
Das Sozialgesetzbuch XII. Buch ermöglicht in seinem Zehnten Kapitel die Gewährung von Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70 - 74 SGB XII). Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
Die Beklagte ist für den von den Klägern gestellten Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII der sachlich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger (§ 97 Abs. 1, § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit §§ 10 und 11 des Gesetzes zur Ausführung des SGB – SächsAGSGB vom 14. Juli 2022 (SächsGVBl. S. 456). Nach § 98 Abs. 3 Alt.1 SGB XII ist in den Fällen des § 74 SGB XII der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe geleistet hat. Als „leistungsberechtigte Person“ ist aber nicht der nach § 74 SGB XII Verpflichtete, sondern der Verstorbene gemeint. Bei – wie hier - fehlendem Leistungsbezug des Verstorbenen ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Sterbeort liegt (Siefert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., 2022, § 74 SGB XII Rn.17). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Verstorbene wohnte bis zu seinem Ableben …. 2016 bei seinen Eltern in der ehemaligen Wohnung in A..... Der Sterbeort A.... ist auch auf der Sterbeurkunde vom 30. Mai 2016 vermerkt.
Die Kläger sind dem Grunde nach zur Tragung der Kosten der Bestattung des Verstorbenen verpflichtet. Die Verpflichtung zur Kostentragung wird in § 74 SGB XII vorausgesetzt. Für die Annahme einer solchen Pflicht genügt nicht die Vereinbarung mit einem Bestattungsunternehmen. Erforderlich ist vielmehr ein besonderer zivil- oder öffentlich-rechtlicher Status. Zu unterscheiden ist dieser von dem Totensorgerecht, einer in familienrechtlichen Beziehungen begründeten, näheren Verwandten zustehenden Rechts-, nicht verpflichtenden Position. Der erforderliche besondere Status kann sich aus erbrechtlichen, unterhaltsrechtlichen und polizeirechtlichen Gesichtspunkten ergeben. Erbrechtlich wäre § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einschlägig, wonach der Erbe die Kosten einer Bestattung zu tragen hat. Unterhaltsrechtlich kommen § 1360a Abs. 3, § 1615 Abs. 2 BGB als gegenüber der Erbenhaftung nachrangige Haftungsgründe in Betracht (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R – juris Rn. 17; Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R – juris Rn. 13). Daneben kann die Bestattungspflicht aufgrund landesrechtlicher Vorschriften bestehen. Verpflichteter ist, wer der Kostenlast von vornherein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft (BSG, Urteil vom 11. September 2020 – B 8 SO 8/19 R - juris Rn.13).
Die Kläger sind demnach sowohl nach zivilrechtlichen als auch nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften dazu verpflichtet, die Kosten der Bestattung zu tragen. Als Eltern des volljährigen, unverheirateten und kinderlosen Verstorbenen sind die Kläger auf Grundlage der erbrechtlichen Bestimmungen (§§ 1924,1925 Abs. 1 bis 3 BGB) alleinige Erben des verstorbenen Sohnes und haben demgemäß nach § 1968 BGB für die Beerdigungskosten aufzukommen. Als Erben 2. Ordnung sind sie mangels vorgehender Erben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Sächsischen Gesetzes über das Friedhofs-, Leichen- und Bestattungswesen (Sächsisches Bestattungsgesetz – SächsBestG vom 8. Juli 1994) für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem SächsBestG verantwortlich. Die Bestattungspflichtigen im Sinne von § 10 Abs. 1 SächsBestG sind zur Organisation der Bestattung und zur Übernahme der Bestattungskosten verpflichtet.
Den Klägern sind auch tatsächlich Kosten für die Bestattung ihres Sohnes entstanden. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Gebührenbescheiden und Rechnungen, welche die Kläger bzw. das im Auftrag der Kläger handelnde Bestattungshaus A.... namentlich benennen. Die Kläger und das Bestattungshaus A.... haben Leistungen wie die Beschaffung eines Sarges, einer Schmuckurne sowie die Erledigung von Formalitäten vertraglich vereinbart. Die vorgelegten Abrechnungen des Städtischen Friedhofs- und Bestattungswesens A...., der Landesdirektion S…., der Landeshauptstadt A.... sowie des herangezogenen Dolmetschers nennen daher folgerichtig das Bestattungshaus A.... als Rechnungsadressat. Die Kläger haben diese Rechnungen in bar oder per Überweisung beglichen.
Allerdings erfasst § 74 SGB XII nur die Bestattungskosten selbst. Zu übernehmen sind im Sinne eines Zurechnungszusammenhangs, aber auch nach dem Wortlaut, deshalb nur die Kosten, die unmittelbar der Bestattung (unter Einschluss der ersten Grabherrichtung) dienen bzw. mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind, nicht jedoch solche für Maßnahmen, die nur anlässlich des Todes entstehen, also nicht final auf die Bestattung selbst ausgerichtet sind (etwa Todesanzeigen, Danksagungen, Leichenschmaus, Anreisekosten, Bekleidung). Bestattungskosten sind mithin von vornherein die Kosten, die aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften resultierend notwendigerweise entstehen, damit die Bestattung überhaupt durchgeführt werden kann oder darf, sowie die, die aus religiösen Gründen unerlässlicher Bestandteil der Bestattung sind. Zudem müssen die Kosten aus Maßnahmen oder Handlungen vor oder bis zum Ende des Bestattungsvorgangs erwachsen. Der Gesetzgeber hat, um die sozialhilferechtliche Verpflichtung der Solidargemeinschaft der Steuerzahler zu begrenzen, bewusst nicht auf die gesamten sich aus dem Sterbefall ergebenden Kosten abgestellt. Hierbei muss § 74 SGB XII funktionsdifferent gegenüber den Vorschriften des BGB bzw. den ordnungsrechtlichen Vorschriften über die Bestattungspflicht ausgelegt werden; denn die zivilrechtlichen Vorschriften orientieren sich – anders als § 74 SGB XII – am individuellen Lebensstandard des Verstorbenen vor dessen Tod (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R – juris Rn. 20).
§ 74 SGB XII soll darüber hinaus nur eine angemessene Bestattung garantieren. Dabei ist ohne Bedeutung, ob man dieses Kriterium als Bestandteil der Erforderlichkeitsprüfung ansieht oder, wofür mehr spricht, weil auch die Vorschriften des BGB über die Bestattungskosten eine Angemessenheitsgrenze unterliegen, obwohl dies nicht mehr ausdrücklich normiert ist, als teleologisch immanenter Bestandteil dessen, was die Norm überhaupt unter Bestattungskosten versteht. Der Steuerzahler soll sozialhilferechtlich jedenfalls nur für eine würdige Bestattung aufkommen müssen. Maßstab kann dann nicht der frühere Lebensstandard des Verstorbenen sein, sondern es muss das sein, was ortsüblicherweise (§ 9 Abs. 1 SGB XII) zu den Bestattungskosten im bezeichneten Sinne gehört. Ortsüblichkeit darf sich insoweit jedoch nicht an der Situation aller Verstorbenen orientieren, sondern herangezogen werden können nur die Bezieher unterer bzw. mittlerer Einkommen anhand eines regelmäßig objektiven Maßstabs. Erst wenn auf diese Weise der inhaltliche Rahmen der vom § 74 SGB XII erfassten Bestattungskosten feststeht, ist ihre Erforderlichkeit im engeren Sinne zu beurteilen. Hierfür sind die ortsüblichen Preise zu ermitteln. Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass dem Bestattungspflichtigen im Hinblick auf die ihm üblicherweise zur Verfügung stehende nur kurze Zeit und die besondere Belastungssituation keine umfassende Prüfungspflicht abverlangt werden kann, welches der vor Ort oder im erweiterten Umkreis ansässigen Bestattungsunternehmen die günstigsten Bedingungen bieten kann. Vielmehr müssen alle Kostenansätze akzeptiert werden, die sich nicht außerhalb der Bandbreite eines wettbewerbsrechtlich orientierten Marktpreises bewegen (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R – juris Rn. 21,22).
Eine Begrenzung auf die Kosten, wie sie die Beklagte in ihrer Verwaltungsvorschrift „Verfahrensweg Umsetzung § 74 SGB XII – Übernahme der Bestattungskosten vom 20. März 2006" ausgewiesen hat, kommt jedenfalls nicht in Betracht. Vielmehr ist die Erforderlichkeit der Kosten im Einzelnen zu ermitteln und zu beurteilen. Es ist mithin eine den Individualitätsgrundsatz berücksichtigende Entscheidung zu treffen (§ 9 Abs. 1 SGB XII). Grundsätzlich ist dabei auch angemessenen Wünschen des Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs. 2 SGB XII) und gegebenenfalls des Verstorbenen (§ 9 Abs. 1 SGB XII) sowie religiösen Bekenntnissen (Art. 4 GG) mit Rücksicht auf die auch nach dem Tod zu beachtende Menschenwürde Rechnung zu tragen. Gegen das Verbot pauschaler Leistungsbegrenzungen würde in anderer Weise verstoßen, wenn die Vergütungssätze aus ordnungsrechtlich veranlassten Beerdigungen und vertraglichen Regelungen des Sozialhilfeträgers mit Bestattungsunternehmen resultieren, weil dabei gegebenenfalls günstigere vertragliche Konditionen von den Sozialhilfeträgern ausgehandelt werden könnten, als diese auf dem allgemeinen Markt üblich bzw. Leistungsempfänger sind (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R – juris Rn. 18,19).
Die Beklagte hat zwar sämtliche Kosten des Bestattungshauses A.... übernommen, soweit sie sich auf die Kosten der Bestattung in Deutschland beziehen. Allerdings sind in der Aufstellung des Bestattungshauses Abrechnungspositionen enthalten, deren Eigenschaft als Bestattungskosten im bezeichneten Sinne zweifelhaft erscheint (darunter die Übersetzung der Geburtsurkunde, Apostillen, die Übersetzung der Sterbeurkunde und des Leichenpasses). Dabei stehen die von der Beklagten bewilligten Kosten von 1.917,48 EUR zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Dasselbe gilt bezogen auf die Kosten der Bestattung in Russland, welche die Kläger nicht mehr geltend machen. Die allerdings weiterhin geforderten Kosten von 2.111,03 € für die Überführung des Leichnams nach Russland zählen nach den dargestellten Grundsätzen jedenfalls nicht zu den erforderlichen Kosten im Sinne des §§ 74 SGB XII.
Kosten einer Überführung in das Ausland an den dort vorgesehenen Bestattungsort sind nur dann erforderlich im Sinne von § 74 SGB XII, wenn diese Überführung nach den Besonderheiten des Einzelfalles notwendig ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Umstände eine Bestattung nach dem religiösen Bekenntnis des Verstorbenen im Inland nicht ermöglichen. Die durch die Überführung der Leiche in das Ausland entstehenden Kosten sind allerdings nicht erforderlich im Sinne des § 74 SGB XII, wenn eine Beerdigung am Sterbeort im Inland möglich und nicht unüblich ist (Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider SGB XII, 21. Aufl. 2023 § 74 Rn. 21; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2019 – 2 SO 2529/18 – juris, Rn. 53).
Die Kläger haben hierzu mitgeteilt, dass der Verstorbene evangelischer Christ gewesen sei, mithin seine Beerdigung auch in A.... möglich gewesen wäre. Religiöse Gründe waren bei der Beerdigung des Verstorbenen in Russland somit nicht vordergründig. Vielmehr hat es dem angenommenen Wunsch des Verstorbenen entsprochen, in seiner alten Heimat beerdigt zu werden. Diesem Wunsch musste die Beklagte jedoch nicht entsprechen, weil die Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten iHv 2111,03 EUR verbunden war (OVG Hamburg, 21. Februar 1992 – Bf IV 44/90 – juris, Rn. 31).
Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII soll Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung im Rahmen der Ermessensausübung richten, entsprochen werden, soweit sie – wiederum unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls (§ 9 Abs. 1 SGB XII) – angemessen sind. Dieses Wunschrecht, das mit seinem Mehrkostenvorbehalt (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII) eine von den allgemeinen Regelungen des SGB IX abweichende Regelung erfahren hat, ist ein spezieller Anwendungsfall des Grundsatzes der Individualisierung der Leistung. Es kommt insbesondere dann zur Geltung, wenn ein Anspruch auf eine Sozialhilfeleistung dem Grunde nach besteht und mehrere Handlungsalternativen in Betracht kommen (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII,7 Aufl., 2020, § 9 Rn. 32 f.). Eine Unverhältnismäßigkeit kann sich insbesondere dann ergeben, wenn die aufzuwendenden Mittel in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu dem erstrebten Erfolg stehen. Nach der speziellen Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII soll ferner in der Regel einem Wunsch nicht entsprochen werden, dessen Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre, was einen Vergleich der Kosten der vom Leistungsberechtigten gewünschten Maßnahme und der vom Sozialhilfeträger ins Auge gefassten Maßnahme voraussetzt (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. März 2020 – L 8 SO 101/18 – juris Rn. 50; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 7. Aufl., 2020, § 9 Rn. 32 f.).
Wünschen des Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs. 2 SGB VII) und gegebenenfalls des Verstorbenen (§ 9 Abs. 1 SGB VII) ist in einem angemessenen Rahmen nachzukommen. Dem ausgeübten religiösen Bekenntnis und der auch nach dem Tod zu beachtenden Menschenwürde (Art. 4 GG) ist Rechnung zu tragen (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R –juris Rn. 18). Wünsche des Verstorbenen hinsichtlich der Art und des Umfangs des Bestattungsaufwands sind nur eingeschränkt maßgeblich (Deckers in: Grube/Wahrendorf/Flint SGB XII, 7. Aufl., 2020, § 74 Rn. 32). Ausgehend von diesen Überlegungen war die Überführung des Verstorbenen nach Russland und die dort erfolgte Bestattung nicht erforderlich für eine würdige Bestattung nach den dazu oben aufgezeigten Grundsätzen.
Den Klägern konnte es – bezogen auf die Kosten der in A.... erbrachten Dienstleistungen des Bestattungshauses A.... - nicht zugemutet werden, die insoweit erforderlichen Kosten der Bestattung ihres Sohnes zu tragen. Im Rahmen der Zumutbarkeit ist zu prüfen, ob trotz grundsätzlich bestehender Pflichtenstellung eine Übernahme der Kosten durch die Verpflichteten nicht erfolgen kann und die Sozialhilfe stattdessen einzutreten hat. Ob dies der Fall ist, ist aufgrund der allgemeinen Grundsätze des Sozialhilferechts und der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (BSG, Urteil vom 4. April 2019 – B 8 SO 10/18 – juris Rn. 14). Die Beurteilung der Zumutbarkeit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Überprüfung (BSG, Urteil vom 11. September 2020 – B 8 SO 8/19 R – juris Rn. 18). Da § 74 SGB XII den Anspruch auf Kostenübernahme nicht zwingend an die Bedürftigkeit des Anspruchsinhabers (der Verpflichtete) knüpft, sondern die eigenständige Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit verwendet, nimmt diese Vorschrift im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein. Die Regelung unterscheidet sich von anderen Leistungen des SGB XII u.a. dadurch, dass der Bedarf bereits vorzeitig (vor Antragstellung) gedeckt sein kann, eine Notlage, die andere Sozialhilfeansprüche regelmäßig voraussetzen, also nicht mehr gegeben sein muss. Die Verpflichtung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe setzt nach § 74 SGB XII nur voraus, dass die (gegebenenfalls bereits beglichenen) Kosten "erforderlich" sind und es dem Verpflichteten nicht "zugemutet" werden kann, diese Kosten zu tragen, ohne ausdrücklich und ausschließlich auf die Bedürftigkeit abzustellen (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R – juris Rn. 14).
Der sozialhilferechtliche Bedarf der Sozialleistung nach § 74 SGB XII ist daher nicht die Bestattung, sondern die Entlastung des Verpflichteten von den Kosten. Damit wird die Verbindlichkeit als solche als sozialhilferechtlicher Bedarf anerkannt. Die Forderung muss als solche bestehen. Sie kann sonst denklogisch nicht übernommen werden. Damit kommt die von den Klägern gewünschte Berücksichtigung nur fiktiver Kosten von vornherein nicht in Betracht. Dasselbe gilt für die Saldierung mit womöglich nicht erforderlichen Abrechnungspositionen. Die Annahmen des Prozessbevollmächtigten der Kläger, wonach ein Witwer mit dem verstorbenen Ehegatten die gleiche Grabstätte zu teilen bestrebt ist, bedarf jeweils im konkreten Einzelfall der Überprüfung. Denn auch der Witwer hat ein Wunsch- und Wahlrecht: So kann es möglich sein, dass die verstorbene (innig geliebte) Ehefrau auf einem bestimmten Friedhof bestattet werden wollte, während der Witwer als ehemaliger Matrose die Seebestattung bevorzugt. Es besteht auch keine Regel dahin, dass Eltern stets gemeinsam mit ihren Kindern bestattet werden möchten. Vielfach lassen bereits die Grabstellen solche Wünsche – wenn sie denn bestehen - nicht zu. Außerdem leben die Generationen aufgrund der Arbeitsorte nicht selten weit entfernt voneinander und bevorzugen für sich wohnortnahe Friedhöfe. Im Falle der Kläger stellt es sich nun so dar, dass diese in A.... leben und ihr Sohn in Russland bestattet ist – im Familiengrab seiner Großeltern. Ob die Eltern dort zu gegebener Zeit ebenfalls ihre letzte Ruhe finden, unterliegt jedenfalls keiner der regelhaften Annahmen ihres Prozessbevollmächtigten. Das Umgangsrecht dient u.a. dazu, die Beziehung zwischen Eltern und Kindern nach Trennung und Scheidung zu erhalten. Eltern und Kinder können sich dabei auf ihr Grundrecht aus Art. 6 GG berufen. Demgemäß besteht wegen der Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts ein Anspruch auf Sozialleistungen für den Fall der Bedürftigkeit (§ 21 Abs. 6 SGB II bzw. § 73 SGB XII). Das Ziel des Umgangsrechts, die Beziehung zwischen Eltern und Kindern dadurch zu erhalten, indem sie tatsächlich gepflegt wird, ist – entgegen der Ansicht der Kläger – nicht zu vergleichen mit der Fallgestaltung, dass sich Eltern und Kinder eine Grabstätte teilen. Der biologische Prozess des Zerfalls menschlicher Körper weist keine Gemeinsamkeit mit der Pflege familienhafter Beziehungen auf, wie sie durch das Umgangsrecht angestrebt werden. Was ansonsten nach dem Tod geschehen mag, entzieht sich menschlicher Erkenntnis und kann nicht Gegenstand der Diskussion über erforderliche Bestattungskosten sein.
Weil die Bestattung und die Begleichung der Bestattungsrechnung ohne vorherige Unterrichtung der Sozialhilfebehörden dem Anspruch danach nicht entgegensteht, ist § 18 SGB XII, wonach die Sozialhilfe erst einsetzt, sobald dem Träger der Sozialhilfe bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen, nicht anzuwenden. Da die Sonderregelung des §§ 74 SGB XII die eigenständige Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit verwendet, sind neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten zwar auch andere Momente zu berücksichtigen. Deshalb können auch Umstände eine Rolle spielen, die als solche im allgemeinen Sozialhilferecht unbeachtlich sind, denen aber vor dem Hintergrund des Zwecks des § 74 SGB XII Rechnung getragen werden muss, sodass, selbst wenn die Kostentragung nicht zur Überschuldung oder gar zur Bedürftigkeit des Kosten- verpflichteten führt, der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Kostenbelastung beachtlich sein kann. Der Begriff der Zumutbarkeit ist nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auszulegen. Dies entspricht § 9 Abs. 1 SGB XII, wonach sich die Leistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalls richten. Je enger das Verwandtschaftsverhältnis oder die rechtliche Beziehung war, desto geringer sind in der Regel die Anforderungen an die Zumutbarkeit des Einkommens und Vermögenseinsatzes. Umgekehrt können etwa zerrüttete Verwandtschaftsverhältnisse höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit begründen. Entscheidend sind jeweils die Verhältnisse des Einzelfalls (BSG, Urteil vom 4. April 2019 – B 8 SO 10/18 R – juris Rn. 28; Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R – juris Rn. 15,16).
Eine besondere Bedeutung kommt gleichwohl im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit zunächst den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten zu. Dies ergibt sich aus § 2 SGB XII in Verbindung mit § 19 Abs. 3 SGB XII, wonach Hilfen in anderen Lebenslagen
(§§ 70-74 SGB XII) nur geleistet werden, soweit dem Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nicht zugemutet werden kann. Anders ausgedrückt: Ist der Bestattungspflichtige bedürftig, kann ihm die Übernahme der Bestattungskosten nicht zugemutet werden. Nur bei fehlender Bedürftigkeit kommen sonstige Zumutbarkeitsgesichtspunkte zum Tragen. Bedürftigkeit bzw. Unzumutbarkeit aus anderen Gründen muss insoweit nach Sinn und Zweck der Regelung des § 74 SGB XII im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung des Bestattungsunternehmens vorliegen, weil Leistungsfall die Verbindlichkeit ist, nicht hingegen die erforderliche Bestattung selbst. Resultiert die Unzumutbarkeit allein aus der Bedürftigkeit, muss diese auch noch zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorliegenden, es sei denn, es wäre dem Hilfesuchenden nicht zuzumuten, diese Entscheidung abzuwarten (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R – juris Rn. 17).
Leistungen nach § 74 SGB XII kann ein Bestattungspflichtiger daher regelmäßig nur beanspruchen, wenn er seine für die Beurteilung der Zumutbarkeit im Sinne des §§ 74 maßgeblichen finanziellen und persönlichen Verhältnisse offenlegt (Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider,SGB XII, 21. Aufl. 2023, § 74 Rn. 12). Aus dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) folgt, dass vorhandener Nachlass sowie Leistungen, die aus Anlass des Todes erbracht werden (z.B. Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 63, 64 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), Bestattungsgeld nach §§ 36, 53 Bundesversorgungsgesetz (BVG), Schadensersatzleistungen nach § 844 Abs. 1 BGB oder die Auszahlungen einer privaten Sterbegeldversicherung) regelmäßig zur Bestreitung des Bestattungsaufwandes heranzuziehen sind (Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 21. Aufl. 2023, § 74 Rn. 13).
Können – wie hier - die Bestattungskosten weder aus dem Nachlass des Verstorbenen noch durch die aus Anlass des Todes erbrachten bzw. noch zu erbringenden Leistungen gedeckt werden, ist die Zumutbarkeit der Kostentragung für den Verpflichteten in erster Linie nach den Bestimmungen der §§ 82 ff. SGB XII über den Einsatz von Einkommen und Vermögen zu beurteilen (Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider SGB XII, 21. Aufl. 2023 § 74 Rn. 15). Liegen dabei die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII oder für den Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vor, ist regelmäßig von einer Unzumutbarkeit des Einkommens- und Vermögenseinsatzes auszugehen (BSG, Urteil vom 4. April 2019 – B 8 SO 10/18 R – juris Rn. 15). Besteht nach § 19 Abs. 3 SGB XII eine Einsatzgemeinschaft des Verpflichteten mit seinem Ehegatten, ist auch das Einkommen und Vermögen des Ehegatten zu berücksichtigen (Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider SGB XII, 21. Aufl. 2023 § 74 Rn. 15).
Die Zumutbarkeit im Sinne von § 74 SGB XII ist eine Ausprägung des sogenannten "Nachranggrundsatzes" in § 2 SGB XII, wonach Sozialhilfe nicht erhält, wer sich vor allem durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Dies rechtfertigt es, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Tragung von Bestattungskosten weitere Gesichtspunkte für den Einsatz des Einkommens zu berücksichtigen, insbesondere, dass Bestattungskosten für eine angemessene und erforderliche Bestattung in der Regel in einer Höhe anfallen, die von einem Großteil der Bevölkerung – auch von Besserverdienenden – nicht ohne weiteres durch das im Bedarfsmonat erzielte Monatseinkommen, das daneben auch den Lebensunterhalt sichern muss, gedeckt werden kann. Wollte man allein auf das im Monat des Anfalls der Bestattungskosten zugeflossene Monatseinkommen abstellen, hätte dies zur Folge, dass Bestattungskosten bei einem Großteil der Bestattungsfälle nach § 74 SGB XII vom Sozialhilfeträger zu übernehmen wären. Dies widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, der neben der allgemeinen Regelung in § 19 Abs. 3 SGB XII, die auf die §§ 85, 87 SGB XII verweist, zusätzlich das Kriterium der Zumutbarkeit in § 74 SGB XII aufgenommen hat, das ein Abweichen von der starren, auf den Monat bezogenen Einkommensgrenze – auch zulasten der nachfragenden Person – erlaubt. Zumutbarkeit im Sinne von § 74 SGB XII ist danach so zu verstehen, dass all das zumutbar ist, was typischerweise von einem Durchschnittsbürger in einer vergleichbaren Situation erwartet werden kann. Dazu gehört auch, dass in den Fällen, in denen die Bestattungskosten nicht schon aus vorhandenem Vermögen oder dem im maßgebenden Monat zugeflossenen Monatseinkommen aufgebracht werden können, deren Bezahlung – soweit sie das nach §§ 85, 87 SGB XII einzusetzende Einkommen übersteigen – durch Aufnahme eines Darlehens oder durch eine Stundung
oder Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Kirchenamt oder dem Bestattungsunternehmen ermöglicht wird (BSG, Urteil vom 4. April 2019 – B 8 SO 10/18 R – juris Rn. 30, 31).
Eine detaillierte Ermittlung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger hat die Beklagte aus Anlass der Antragstellung nach § 74 SGB XII zwar nicht vorgenommen. Aus den ebenfalls vorgelegten Leistungsakten der Kläger ergibt sich jedoch, dass der Kläger zu 1. seit Februar 2016 und die Klägerin zu 2. seit Dezember 2016 im Bezug von Leistungen nach dem SGB XII standen. Hinsichtlich der Frage, ob beim Bestattungspflichtigen Bedürftigkeit im Sinne der §§ 82 ff. SGB XII vorliegt und er somit nach § 74 SGB XII leistungsberechtigt ist, ist auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderungen, die im Zusammenhang mit der Bestattung angefallen sind, abzustellen. Dies war vorliegend bezüglich der Kosten des Bestattungshauses A.... im Juni 2016 der Fall. Die Bedürftigkeit muss aber grundsätzlich noch zum Zeitpunkt der abschließenden Behördenentscheidung (hier der Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2017) vorliegen (Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider SGB XII, 21. Aufl. 2023 § 74 Rn. 17). Ausgehend davon steht fest, dass die Kläger bedürftig waren, weshalb es ihnen nicht zuzumuten gewesen ist, die erforderlichen Kosten der Bestattung zu tragen.
Die Kläger haben – wie oben erwähnt - gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Bestattungskosten. Dies ergibt sich, wie aufgezeigt, bereits daraus, dass es sich dabei um keine erforderlichen Kosten der Bestattung handelt. Darüber hinaus ist im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass die Kosten der Überführung des Leichnams nach Russland durch Dritte gedeckt wurde.
Auch die Hilfen in anderen Lebenslagen stehen, wie alle Leistungen der Sozialhilfe, unter dem Vorbehalt, dass dem Hilfebedürftigen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels SGB XII nicht zuzumuten ist (§ 19 Abs. 3 SGB XII). Diese Regelung konkretisiert den allgemeinen sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII. Nach dieser Bestimmung erhält Sozialhilfe nicht, wer sich unter anderem durch den Einsatz seines Einkommens und Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Es ist daher zu prüfen, ob eine unmittelbare direkte Möglichkeit bestand, den Bedarf selbst zu decken (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R – juris Rn. 20ff; Urteil vom 2. Februar 2010 – B 8 SO 21/08 R - juris Rn. 13; Coseriu in: jurisPK-SGB XII 3. Aufl. 2020 § 2 Rn.16). Sozialhilfe bedarf auch derjenige Leistungsberechtigte nicht, dem mit realisierbaren Ansprüchen oder Rechten bereite Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 30; Coseriu in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 2 Rn. 33) oder dem eine tatsächliche Hilfe durch andere zuteil wird (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 35). Die freiwillige Hilfe Dritter ist dann bedarfsdeckend, wenn sie - endgültig - als verlorener Zuschuss oder als Schenkung geleistet wird (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 37; Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider, 21. Aufl. 2023, § 2 Rn. 11ff.).
Die genannten Grundsätze gelten auch im Rahmen des § 74 SGB XII. Soweit der Bestattungspflichtige bereits einen Vertrag mit dem Bestattungsunternehmen abgeschlossen hat, sind vorrangig Ersatzansprüche gegenüber Dritten zu prüfen, die nach dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe zunächst zu verwirklichen sind, bevor ein Anspruch auf Hilfe nach § 74 SGB XII besteht (Deckers in: Grube/Wahrendorf/Flint SGB XII, 7. Aufl., 2020, § 74 Rn. 27). Ist die Bestattung bereits vollzogen, geht es also nur um die Entlastung von den Kosten. Hier ist der Hilfesuchende grundsätzlich darauf zu verweisen, zunächst seine Ersatzansprüche durchzusetzen. Im Einzelfall kann allerdings auch die gerichtliche Durchsetzung eines Ausgleichsanspruchs unzumutbar sein, etwa wenn der Anspruchsgegner die Übernahme der Kosten bereits abgelehnt hat oder erhebliche Unwägbarkeiten bestehen und ein langwieriger Prozess mit ungewissem Ausgang droht. Der Sozialhilfeträger erleidet dadurch keinen unverhältnismäßigen Nachteil, denn er hat die Möglichkeit, den behaupteten Ausgleichsanspruch nach § 93 SGB XII auf sich überzuleiten. Er trägt dann allerdings das Prozessrisiko, das dem Leistungsempfänger im Rahmen der Zumutbarkeit nach § 74 SGB XII nicht zugemutet werden darf (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R – juris Rn. 25).
Die Kläger haben während der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vorgetragen, dass die Kosten der Überführung bereits beglichen worden seien, bevor die Spedition ihre Dienstleistung begonnen hatte, da ansonsten kein Transport erfolgt wäre. Die Überführungskosten sind zunächst durch Verwandte finanziert worden, zur Hälfte sind diese durch die Kläger bereits zurückgezahlt. Zumindest in dem Umfang der bereits erfolgten Rückzahlungen war es den Klägern somit möglich, den Bedarf selbst aus eigenen Mitteln zu decken. Eine Aufnahme erneuter weiterer Kredite haben die Kläger weder behauptet noch dargelegt. Dies wäre auch nicht glaubhaft, denn das Konto der Klägerin zu 2. wies am 6. Dezember 2016 ein Guthaben von 3.232,25 EUR auf und am 30. Dezember 2016 ein Guthaben über 1.522,17 EUR. Darüber hinaus sind aus den Kontoauszügen am 6., 7., 9. und 13. Dezember 2016 jeweils Geldabhebungen am Geldautomaten am Altmarkt in A.... in Höhe von jeweils 500 EUR und am 20. Dezember 2017 von 1.000,00 EUR ersichtlich. Am 14. Juni 2016 wird dem Konto ein Betrag von 400 EUR von einem J.... mit dem Verwendungszweck "Schuldtilgung" gutgeschrieben. Die Kläger waren damit erkennbar in der Lage, die Rückzahlungen der durch die Verwandtschaft verauslagten Mittel – zumindest in regelmäßigen Teilbeträgen – aus eigenen vorhandenen Geldbeträgen zu veranlassen.
Soweit die Rückzahlung der verbliebenen Hälfte der Transportkosten trotzdem weiterhin noch offen sein sollte, haben die Kläger selbst eingeräumt, dass die Rückforderung durch die Verwandtschaft nicht "vehement" eingefordert wird. Ein Fälligkeitstermin der Rückforderung wurde durch die Kläger ebenso wenig benannt wie die Höhe der noch offenen Darlehensbeträge, weshalb auch hier keine konkrete Bedarfslage erkennbar ist.
Die Übernahme weiterer Bestattungskosten ist daher aus den oben dargelegten Gesichtspunkten nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.