1. Die Anerkennung einer Covid19-Infektion als Arbeitsunfall setzt voraus, dass sich zumindest eine nachweislich infektiöse Person (sog. Index-Person) im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld des erkrankten Versicherten aufgehalten hat. Kann keine Index-Person benannt werden, sind die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nicht nachgewiesen.
2. Auch während einer Dienstreise ist eine Covid19-Infektion bei Nahrungsaufnahme nur dann als Arbeitsunfall versichert, wenn besondere Umstande vorliegen, z.B. ein Geschäftsessen. Der Versicherungsschutz endet grundsätzlich an der Außentüre zu dem Raum, der zur Nahrungsaufnahme aufgesucht wird.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist eine Covid19-Infektion als Arbeitsunfall.
Der 1962 geborene Kläger war bei der Firma M. beschäftigt. Für die P-Firma reiste er am 09.01.2021 nach Gambia, um auf dem Kraftwerk B. eine Schulung des Betriebspersonals durchzuführen. Dazu wurde nach Angaben des Arbeitgebers im Vorfeld mit dem Kunden ein Hygiene-Konzept ausgearbeitet, welches vor Ort angewendet wurde. FFP2-Masken wurden verwendet. Der Kläger wurde vor der Ausreise in A-Stadt am 07.01.2021 negativ getestet. Vor der Rückreise wurde er am 21.01.2021 negativ getestet. Die Rückreise erfolgte am 22. Januar nach B-Stadt. Von dort Weiterflug nach C-Stadt. Auch nach Ankunft auf dem Flughafen war ein Covid-Testergebnis negativ. Es erfolgte ein Transfer mit Einzelshuttle nach A-Stadt, wobei nach Angaben des Klägers beide Insassen eine Maske trugen. Der Kläger begab sich dann in häusliche Quarantäne und wurde nach fünf Tagen positiv getestet. Der Kläger vermutete den Flughafen in Gambia als Ansteckungsort, dort die Business Lounge. Dies schilderte er auch nochmals ausführlich in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2022. Zu den Einzelheiten wird auf die Niederschrift verwiesen. Der Kläger verspürte am 26.01.2021 erstmals Krankheitssymptome und war bis 21.02.2021 arbeitsunfähig.
Mit Bescheid vom 12.07.2021 wurde die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt. Es könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass die Infektion mit dem "Corona-Virus "innerhalb einer Arbeitsschicht bzw. überhaupt bei der versicherten Tätigkeit erfolgte. Hierzu müsste ein intensiver beruflicher Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person dokumentiert sein. Eine solche Person ist nicht bekannt und für den Betrieb des Kunden sei ein Hygienekonzept ausgearbeitet worden. Der Kläger habe den Ansteckungsort als "unbestimmt" in seiner Unfallanzeige bezeichnet.
Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch ein. Es sei davon auszugehen, dass sich der Kläger am Flughafen infiziert habe. In der Business Lounge, wo der Kläger auf den Abflug gewartet habe, habe er zu spät bemerkt, dass dort keine Belüftung mit Frischluft vorhanden gewesen sei. Es habe lediglich einen konventionellen Klimaschrank gegeben, der die Luft in dem Raum umwälzte. Deshalb sei davon auszugehen, dass sich der Kläger in dem relativ kleinen Raum mit vielen wechselnden Personen infiziert habe oder in dem Flugfeldbus vom Terminal zum Flugzeug. Mehrere Fahrgäste hätten keine Maske getragen. Zum Beweis legte er mehrere Fotos vor. Ansonsten habe der Kläger seine Nahrung stets allein zu sich genommen. Er sei auf seinem Zimmer geblieben. Auch die Wochenenden habe er alleine verbracht. Deshalb komme nur die Business Lounge infrage, wo wegen der hohen Raumkonzentration infektiöse Aerosole eine Ansteckung nach mehr als 10 Minuten trotz des Tragens eines Mundnasenschutzes oder einer FFP2-Maske erfolgen könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2021 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ein Arbeitsunfall durch eine Covid19-Infektion setze voraus, dass die Infektion auf eine nachweislich mit dem Virus infizierte Person ("Index-Person") zurückzuführen sei. Dies setze einen intensiven beruflichen Kontakt mit der Index-Person voraus. Hierbei komme es vor allem auf die Dauer und Intensität des Kontaktes an. Lasse sich keine konkrete Index-Person feststellen, könne im Einzelfall auch ein nachweislich massives Infektionsgeschehen (sogenanntes Ausbruchsgeschehen) im Betrieb ausreichen. Ein beruflicher Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person während der Dauer der Dienstreise selbst, wurde vom Kläger nicht geltend gemacht und ist auch nicht bewiesen. Auch eine Nachfrage des Klägers vor Ort ergab keinen weiteren Erkrankungsfall bei dem Kunden.
Hiergegen legte der Kläger am 22.11.2021 Klage beim Sozialgericht Augsburg ein. Zur Begründung verwies der Bevollmächtigte darauf, dass das Verwaltungsgericht Würzburg (Az. W 1 K 21.536) in seinem Urteil vom 26.10.2021 gerade nicht das Vorliegen einer konkreten Index-Person für erforderlich gehalten habe. Des Weiteren wurde auf die Voraussetzungen nach Nummer 3101 der Anlage 1 BKV verwiesen. Deshalb sei es nicht erforderlich, dass der Betroffene durch die Tätigkeit bestimmungsgemäß mit infizierten Personen in Kontakt gekommen sei. Die Business Lounge sei mit einem schlecht gelüfteten Klassenzimmer durchaus vergleichbar. Deshalb übersteige die Gefährdung auch die Ansteckungsgefahr, der ein Beschäftigter immer ausgesetzt sein kann, der während seiner Arbeit mit anderen Menschen in Kontakt kommt.
Die Beklagte erwiderte, ein besonders Ausbruchgeschehen sei während der Dienstreise weder während der Tätigkeit für den gambischen Kunden, noch für das Land Gambia selbst bestätigt worden. Auch das Verwaltungsgericht Würzburg habe ausgeführt, dass "Ort und Zeitpunkt der Infektion feststehen müssen". Über die Anerkennung einer Infektionserkrankung nach Nummer 3101 sei bisher nicht entschieden worden.
Der Bevollmächtigte des Klägers verwies auf ein weiteres Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21.07.2021. "Die Erkrankung an einer solchen Krankheit gelte jedoch stets als Dienstunfall, wenn sie durch gesundheitsschädigende Verhältnisse verursacht worden sei, denen der Beamte oder die Beamtin am Ort des dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war, vgl. Art. 46 Abs. 3 Bayerisches BeamtenVG." Die Situation des Klägers sei hiermit vergleichbar. Der Kläger habe sich bei Zwischenlandungen mehrmals in kleinen geschlossenen schlecht durchlüfteten Räumen aufgehalten, die nach dem Steckbrief des RKI damit zu den sogenannten "super spreeding Events" gehören. Dies gelte sowohl für die Business Lounges, als auch für die Flugzeugaufenthalte. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass eine Ansteckung nur am Flughafen in der Business Lounge stattgefunden haben könne. Es wurde die Reisefreigabe des Arbeitgebers des Klägers vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung beantragte der Klägerbevollmächtigte,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2021 zu verurteilen, die am 28.01.2021 erstmalig diagnostizierten Erkrankung des Klägers an SARS-COV-2 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein Arbeitsunfall ist nicht bewiesen.
Nach § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Die Verrichtung muss zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt haben (Unfallkausalität) und das Unfallereignis muss einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht (haftungsbegründende Kausalität) haben. Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung zur Zeit des Unfalls, Unfallereignis sowie Gesundheitsschaden erfüllen sollen, im Grade des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit.
Nach den Angaben des Klägers, insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung, hat er nach der Infektion/Genesung eigene Nachforschungen angestellt. Er hat hierbei erfahren, dass kein Schulungsteilnehmer außer ihm selbst eine Covid19-Infektion hatte. Aufgrund der eingehaltenen Hygienemaßnahmen schließt er selbst eine Infektion in der Schulung selbst aus. Auch während des Hotelaufenthaltes schließt er eine Solche aus, da er keine Aktivitäten unternommen hat. Die von ihm angenommene Ansteckung in der Business Lounge ist jedoch nicht bewiesen.
Es ist nachvollziehbar, dass der konkrete Nachweis des intensiven Kontakts zu einer Index-Person bei der versicherten Tätigkeit die Ausnahme darstellen dürfte, so dass sich für die Frage der Einwirkung bzw. der Erregeraufnahme bei versicherter Tätigkeit unter Berücksichtigung der möglichen Anwendung des Anscheinsbeweises zumindest eine nachweislich infektiöse Person im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld des Klägers sich aufgehalten hat. Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse, insbesondere zu der Ausbreitung und Stabilität der SARS-Cov-2-Erreger in der Raumluft deuten darauf hin, dass gerade besondere Arbeitsbedingungen, wie beispielsweise aus betroffenen Betrieben der Fleischwirtschaft gezeigt haben, einen sehr hohen Einfluss auf die Erregerverbreitung und auch auf die Erregeraufnahme durch die Betroffenen haben können. Ausschlaggebend ist jedoch stets die Anzahl der nachweislich infektiösen Personen im Betrieb im engeren Tätigkeitsumfeld sowie die Anzahl der üblichen Personenkontakte bei der Ausübung der versicherten Tätigkeit und eine solche Index-Person kann der Kläger nicht angeben. Deshalb fehlt es bereits hier an der entscheidenden Voraussetzung.
Hinzu kommt, dass nach ständiger Rechtsprechung die Nahrungsaufnahme selbst nicht versichert ist. Der Kläger hat angegeben, in der Business Lounge etwas getrunken zu haben. Nebenher habe er gearbeitet. Hierzu habe er seine Maske abgenommen. In Zusammenschau mit der Tatsache, dass es sich hier um einen kleinen, nicht belüfteten Raum gehandelt habe, kommt eine Anerkennung als Arbeitsunfall trotzdem nicht in Betracht, da die Maske gerade wegen der Nahrungsaufnahme abgenommen wurde, obwohl der Kläger bemerkt hatte, dass sich mehrere Personen in dem Raum aufhalten und der Abstand nicht immer gewahrt wurde. Der Versicherungsschutz endet grundsätzlich an der Außentüre zu dem Raum, der zur Einnahme des Essens aufgesucht wird. Ausnahmen gelten auch dann, wenn der innere Zusammenhang während der Nahrungsaufnahme ausnahmsweise vorliegt, etwa wenn der Versicherte in Erfüllung seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis tätig wird, etwa wenn es sich um ein verpflichtendes Gemeinschaftsessen handelt. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. Zwar hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Ticket der Business Class bezahlt, was dem Kläger die Möglichkeit gegeben hat, eine Business Lounge aufzusuchen. Er muss dort aber nicht Nahrungsmittel zu sich nehmen, bei denen er seine Maske ablegen musste. Auch wenn er nebenher gearbeitet hat, macht dies die Nahrungsaufnahme nicht dienstlich. Denn es liegen keine besonderen Umstände vor, die die Nahrungsaufnahme in dem Raum erzwungen hätten, wodurch sich eine betriebliche Gefahr verwirklicht hätte.
Letztlich ist das Verhalten des Klägers menschlich nachvollziehbar. Allerdings war zu dem Zeitpunkt Anfang 2021 bereits hinlänglich bekannt, dass eine Maske am besten vor einer Infektion schützt. Ob der Kläger sich auch angesteckt hätte, wenn er in dem kleinen unbelüfteten Raum seine Maske ständig getragen hätte, ist völlig unerheblich. Denn es ist nicht nachgewiesen, dass in diesem Raum eine Index-Person war. Des Weiteren erfolgte die Ansteckung des Klägers während der Aufnahme von Nahrung. (vgl. Bereiter-Hahn, Kommentar zum SGB VII, § 8, Rn. 7.15.5).
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abzuweisen.