L 2 SO 811/22 ZVW

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SO 1282/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 811/22 ZVW
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. September 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren bei dem Bundessozialgericht, die der Beklagte trägt.



Gründe

I.

Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für das Jahr 2017.

Der 1971 geborene, alleinstehende Kläger leidet an atopischer Diathese mit Begleitsyndromen und bezieht Grundsicherungsleistungen vom Beklagten. Seit 1. April 2011 wohnt er in einer 60 m² großen Wohnung (Nr. 1) in dem Sechs-Parteien-Haus in S, H-Straße  im Ortsteil L. Die Wohnung wird mit Strom beheizt. In dem Haus – in anderen Wohnungen – leben auch seine Eltern und seine Schwester. Nach dem Mietvertrag ist eine Kaltmiete von 330,00 € monatlich vereinbart; zusätzlich sind Vorauszahlungen (30,00 € für Wasser/Abwasser, 20,00 € für einen Stellplatz, 30,00 € als Nebenkostenpauschale und – streitig, ob mietvertraglich zulässig nach Wohnungseigentümerwechsel 2014 zudem – 45,00 € für die Nutzung der schon seit 2011 vorhandenen Einbauküche), über die keine Nebenkostenabrechnungen erfolgen. Seit 1. April 2015 übernimmt der Beklagte nach Kostensenkungsaufforderung vom 4. August 2014 nur noch angemessene Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 363,00 € monatlich als Bruttokaltmiete und zuzüglich die tatsächlichen Heizkosten, was – ebenso wie die Frage eines abweichenden höheren Regel- und zusätzlichen Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung – Gegenstand verschiedener Gerichtsverfahren war und ist. Energieversorger des Klägers waren zunächst die Stadtwerke S, die elf Abschlagszahlungen forderten; seit Mai 2018 ist es die L1 GmbH.

Mit Bescheiden vom 27. Dezember 2016, 10. Januar 2017 und 28. März 2017 gewährte der Beklagte für das Jahr 2017 Grundsicherungsleistungen, dabei mindestens 975,94 € (für Januar 2017: Regelbedarf 409,00 € abzüglich 33,31 € Kürzung für Haushaltsenergie, KdU 363,00 €, keine Heizkosten mangels Fälligkeit eines Abschlags, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung 237,25 €, im Februar eine zusätzliche Heizkostenpauschale von 301,00 €, im März von 221,00 €, ab April von 261,00 €, im Oktober zusätzliche Abfallgebühren in Höhe von 79,25 €).

Mit Bescheiden vom 19. Dezember 2017, 5. Februar 2018, 17. April 2018, 23. April 2018 (neuer Energieversorger) und 14. Mai 2018 (Schlussrechnung Energieversorgung) gewährte der Beklagte dem Kläger für 2018 Grundsicherungsleistungen; dabei berücksichtigte er insbesondere ab 1. Januar 2018 einen Regelbedarf von 416,00 € abzüglich 33,31 € für Haushaltsenergie und als angemessene Bruttokaltmiete nunmehr monatlich 375,00 €. Nach wie vor wurden die tatsächlichen Heizkosten berücksichtigt sowie Müllgebühren übernommen.

Die gegen diese Bewilligungsbescheide erhobenen Widersprüche des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 16. Oktober 2018 für das Jahr 2017 und vom 17. Oktober 2018 für das Jahr 2018 zurück. Die Kürzung der Regelbedarfsstufe um die Energiepauschale sei rechtens. Hinsichtlich der KdU sei für 2017 noch der um 10% erhöhte Wert der Wohngeldtabelle und für 2018 der vom Beklagten selbst ermittelte angemessene Wert von monatlich 375,00 € zugrunde zu legen. Aufgrund der rechtmäßigen Kostensenkungsaufforderung vom 4. August 2014 seien die tatsächlichen KdU nicht zu berücksichtigen. Ein erhöhter Regelbedarf aufgrund von Kosten für Bekleidung, Bettwäsche, Pflege- und Reinigungsmittel sei ebenso wenig wie ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nachgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 23. Oktober 2018 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 11 SO 3192/18 geführt wurde. Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte weigere sich, die tatsächliche Miete bzw. die Werte nach der Wohngeldtabelle und die Kosten der Einbauküche zu bezahlen. Der Beklagte verfüge nicht über ein schlüssiges Konzept. Rechtswidrig sei der Abzug einer Energiepauschale vom Regelbedarf. Er habe Anspruch auf „kostenaufwändige“ Bekleidung schon seit April 2013. Das Gericht müsse hierzu ein Gutachten veranlassen.

Mit Beschluss vom 29. April 2019 wurde das Verfahren bezüglich des Bescheides vom 5. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2018 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 11 SO 1949/19 fortgeführt. Mit Beschlüssen vom 15. Mai 2019 wurde jeweils das Ruhen der Klageverfahren wegen der anhängigen Berufungsverfahren angeordnet.

Mit Schreiben vom 28. März 2020 hat der Kläger sinngemäß die Fortführung der Klageverfahren beantragt (S 13 SO 1282/20 für das Jahr 2017 und 1283/20 für das Jahr 2018). Zuletzt hat der Kläger vorgetragen, der Einbehalt des Stromanteils vom Regelsatz werde nicht grundsätzlich beanstandet, sondern nur für die Monate, in denen der Energieversorger keine Abschläge gefordert habe. Sein Aufwand für „kostenaufwändige“ Bekleidung, Pflegemittel, Bettwäsche, Reinigungsmittel und Schuhwerk müsse durch ein Gutachten geklärt werden. Bei der Begutachtung durch H habe er sich aufgrund einer Nachzahlung des letzten Leistungsträgers allergiegerecht ernähren können, sodass der Hautzustand unauffällig gewesen sei. Er habe dem Gutachter gegenüber nicht erklärt, dass es nie zu Reaktionen auf Nahrungsmittel gekommen sei. Allein Vollkost sei für ihn nicht ausreichend. Jedenfalls liege ein Härtefall vor. Er habe Anspruch auf 394,41 € Kaltmiete, sodass im Jahre 2017 monatlich 31,41 € und 2018 wegen des zustehenden Anspruchs von 411,24 € noch 36,24 € fehlten. Das Gericht berücksichtige weder den 10%igen noch den Einbauküchenzuschlag.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Der Gutachterausschuss der Stadt S hat auf telefonische Nachfrage des SG am 11. August 2020 erklärt, der qualifizierte Mietspiegel für S sei zum 1. April 2016 anhand des um 1,52% gestiegenen bundesdeutschen Verbraucherpreisindex fortgeschrieben worden. Zum 1. April 2018 sei ein neuer qualifizierter Mietspiegel – jetzt auch mit den Gemeinden L1, M und W – in Kraft getreten; dieser sei zum 1. April 2020 anhand des Preisindex von 3,21% fortgeschrieben worden.

Mit Urteil vom 17. September 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Bescheide des Beklagten vom 27. Dezember 2016, 10. Januar 2017 und 28. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2018 seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er habe keinen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen für das Jahr 2017. Gemäß § 19 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 41 Abs. 1 und 3 SGB XII würde Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten und dauerhaft voll erwerbsgemindert seien, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gewährt, wenn sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII bestreiten könnten. Die Anspruchsvoraussetzungen für solche Leistungen (dauerhaft volle Erwerbsminderung u.a.) seien dem Grunde nach gegeben. Nach § 42 SGB XII umfassten die Grundsicherungsleistungen u.a. den Regelsatz nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 SGB XII (Nr. 1), die zusätzlichen Bedarfe nach dem 2. Abschnitt des 3. Kapitels (Nr. 2) und die Bedarfe für Unterkunft und Heizung (Nr. 4). Der maßgebliche Regelsatz habe im Jahre 2017 monatlich 409,00 € und im Jahr 2018 monatlich 418,00 € betragen. Allerdings sei vorliegend eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes zu Lasten des Klägers geboten. Im Einzelfall werde der Regelsatz gemäß § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII abweichend von der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgesetzt, wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat nachweisbar vollständig oder teilweise anderweitig gedeckt sei (Nr. 1) oder unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liege, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrunde liegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergäben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden könnten (Nr. 2). Bei einer abweichenden Regelbedarfsfestsetzung nach Satz 1 Nr. 1 seien gemäß § 27a Abs. 4 Satz 2 SGB XII für die monatlich ersparten Verbrauchsausgaben die sich nach § 5 Abs. 1 oder nach § 6 Abs. 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes für die jeweilige Abteilung ergebenden Beträge zugrunde zu legen. Nach § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB XII komme wegen der in den von dem Beklagten vollständig übernommenen Stromkosten als Heizkosten, die sowohl für die Heizung als auch für den Haushaltsstrom des Klägers anfielen, eine Absenkung des Regelsatzes in Betracht. Damit solle verhindert werden, dass Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Sozialhilfeleistungen gegenüber dem Leistungsempfänger Leistungen doppelt erbrächten. Der Anwendungsbereich dieser Norm sei deshalb zur Vermeidung solcher Doppelleistungen nur eröffnet, wenn es bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen zu Überschneidungen mit den durch den Regelsatz pauschal abgegoltenen tatsächlichen Bedarfen komme. Dies setze voraus, dass sie als Teil der mietvertraglich geschuldeten Kosten von den Leistungen für Unterkunft und Heizung bereits mitumfasst seien und insoweit also durch eine anderweitige Leistung des Beklagten tatsächlich („im Einzelfall“) gedeckt würden. Da der Kläger auch in den Monaten, in denen keine Abschlagszahlungen an den alten Energieversorger angefallen seien, Strom tatsächlich bezogen habe, orientiere sich § 27 Abs. 4 Satz 2 SGB XII nicht an den fälligen, anderweitig übernommenen Stromkosten, sondern an den ersparten Verbrauchsausgaben. Unerheblich sei daher, dass der Energieversorger nur elf Abschläge gefordert habe.
Eine Erhöhung des Regelsatzes nach § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII für zusätzlichen Kleidungs- und Pflegebedarf komme nicht in Betracht. Der Kläger leide zwar an einer atopischen Diathese mit Neigung zu krankhaften Neurodermitissymptomen. Jedoch habe der Kläger einen abweichenden Bedarf nicht nachgewiesen. Kostenaufwändige Anschaffungen wie Bettwäsche, Kopfkissen und Steppbett habe der Kläger schon vor dem streitigen Zeitraum angeschafft (vgl. hierzu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2017 – L 7 SO 4789/14 -). Bettwäsche sei grundsätzlich aus dem Regelsatz zu tragen. Kopfkissen und Steppbett seien einmalige Anschaffungen, die im Regelfall über mindestens ein Jahrzehnt verwendet werden könnten. Nicht ersichtlich sei daher ein erneuter Bedarf des Klägers. Zudem sei nicht nachgewiesen, dass die benötigten Pflegeprodukte nicht mit dem im Regelsatz hierfür vorgesehenen Betrag angeschafft werden könnten. Denn die Basistherapie der Neurodermitis bestehe in regelmäßigen fetten Salbengrundlagen oder hydratisierenden Öl-in-Wasser-Emulsionen bei weniger trockener Haut. Anhaltspunkte dafür, dass diese Pflegeprodukte nicht mit dem im Regelsatz zur Verfügung gestellten Betrag angeschafft werden könnten, habe das Gericht nicht. Dem Beweisantrag des Klägers sei daher nicht nachzugehen, da Ermittlungen „ins Blaue hinein“ nicht durchzuführen seien. Ebenso wenig habe der Kläger Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII werde für kranke, genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, da ein ernährungsbedingter Mehrbedarf beim Kläger nicht erkennbar sei. Dies ergäbe sich aus dem vom Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten des H vom 14. Dezember 2011. Danach habe der Kläger auf eingehend detailliertes Nachfragen keine spezifischen Reaktionen auf Nahrungsmittel im Sinne von Anaphylaxie oder eines oralen Allergiesyndroms angeben können. Der Sachverständige habe bei der Untersuchung keine Zeichen einer aktuellen atopischen Dermatitis festgestellt; an der gesamten Körperhülle habe sich kein Ekzem befunden, jedoch eine Dennie-Morgan Falte. Der restliche Hautbefund sei unauffällig und gepflegt gewesen. Der Kläger erreiche einen Atopie-Score von sieben Punkten, wobei eine atopische Hautdiathese bei einem Score über zehn gesichert sei. Nach H bedürfe die zum Untersuchungszeitpunkt gesunde Haut keiner ärztlichen Behandlung, sondern lediglich einer regelmäßigen ausreichenden fettenden Pflege. Die Frage nach einer klinisch relevanten Nahrungsmittelallergie könne nicht beantwortet werden. H habe angegeben, dass es nach den Angaben des Klägers klinisch nie zu einer allergischen Reaktion auf Nahrungsmittel gekommen sei. Aus diesem Grund habe eine Provokation im Sinne einer bestätigenden bzw. prophetischen Testung nicht geplant oder durchgeführt werden können. Aktuelle Nahrungsmittel-Allergietests seien vor diesem Hintergrund nicht aussagekräftig und damit nicht weiterführend, da eine so nachgewiesene Sensibilisierung gegen ein Nahrungsmittel per se keinen Rückschluss auf deren etwaigen Krankheitswert zulasse. Dem hautärztlichen Gutachten von W1 vom 15. Oktober 2013, das im Verfahren S 11 SO 333/13 eingeholt worden sei, könne nicht gefolgt werden. Hierzu werde auf das (rechtskräftige) Urteil des SG vom 17. April 2018 (S 11 SO 1043/17) verwiesen. Denn die gegenüber W1 angegebenen Nahrungsmittelunverträglichkeiten seien nicht glaubhaft. Den detaillierten Erstangaben gegenüber H werde ein höherer Beweiswert zugemessen, da sie von leistungsrechtlichen Überlegungen unbeeinflusst gewesen seien. Deshalb werde auch den neuerlichen Angaben des Klägers, er habe die Angaben gegenüber H so nie abgegeben, nicht gefolgt. Im Übrigen könne selbst bei Vorhandensein solcher Nahrungsmittelunverträglichkeiten diesen mit einem eingeschränkten Konsum (kostenneutral) begegnet werden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Neurodermitis und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung sei nicht ersichtlich. Ebenso ergäbe sich aus den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Gewährung von Krankenkostenzulagen in der Sozialhilfe, die als Orientierungshilfe angewandt werden könnten, dass bei Neurodermitis eine Vollkost bzw. gesunde Mischkost angezeigt sei, ohne dass eine Kostenzulage erforderlich sei.
Schließlich bestünde auch kein Anspruch auf weitere KdU. Gemäß § 42a Abs. 1 SGB XII (in der vom 1. Juli 2017 bis 5. Dezember 2019 geltenden Fassung) bzw. für die Zeit davor ausschließlich nach § 35 SGB XII seien angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach dem vierten Abschnitt des dritten Kapitels anzuerkennen. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII würden Bedarfe für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt. Überstiegen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, seien sie insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Abs. 2 zu berücksichtigen seien, anzuerkennen. Satz 1 gelte so lange, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zumutbar sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Diese Vorschrift begründe eine Obliegenheit des Leistungsberechtigten zur Kostensenkung, wenn die tatsächlichen Kosten höher als die angemessenen Kosten seien. Kostensenkungsmaßnahmen seien dem Leistungsberechtigten aber nur dann subjektiv möglich, wenn er Kenntnis von dieser Obliegenheit habe. Bevor er nicht von dem zuständigen Leistungsträger darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass nach dessen Auffassung die tatsächlichen Aufwendungen der gemieteten Wohnung unangemessen hoch seien, sei es ihm subjektiv nicht möglich, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen. Vorliegend sei der Kläger mit wirksamer Kostensenkungsaufforderung vom 4. August 2014 (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Juni 2015 – L 7 SO 1451/15 ER-B) auf seine Pflicht zur Kostensenkung hingewiesen worden. Deshalb habe der Beklagte nur angemessene KdU zu übernehmen. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten bestimme sich aus dem Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro m² für eine Wohnung, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspreche, wobei genüge, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlage, angemessen sei, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bilde, die angemessene Mietobergrenze nicht übersteige. Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für einen Alleinstehenden betrage in Baden-Württemberg in Anlehnung an die Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 22. Februar 2002 45 m². Beim räumlichen Vergleichsmaßstab könne auf die Stadt S abgestellt werden. Der angemessene m²-Preis könne vom Beklagten auf der Grundlage eines qualifizierten Mietspiegels oder eines schlüssigen Konzepts vorgenommen werden. Allerdings erfordere letzteres eine genaue Datenerhebung ausschließlich in den genau eingegrenzten und über den Vergleichsraum hinaus mit repräsentativen Daten. Ob ein solches vorliege, müsse bezweifelt werden. Dies könne jedoch dahinstehen, da die Stadt S seit 1. April 2014 über einen qualifizierten Mietspiegel verfüge. Aus diesem Grund könne auch nicht auf die Werte der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag von 10% zurückgegriffen werden. Zur Bestimmung der maßgeblichen Referenzmiete könnten qualifizierte Mietspiegel im Sinne des § 558d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wie auch einfache Mietspiegel im Sinne des § 558c BGB herangezogen werden. Liege ein qualifizierter Mietspiegel vor, so werde nach § 558d Abs. 3 BGB vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergäben. Eine objektive Unmöglichkeit, eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen m²-Preis zu finden, könne dann grundsätzlich verneint werden. Jedenfalls soweit ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt worden sei, vorliege, könne davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu dem abstrakt angemessenen m²-Preis im örtlichen Vergleichsraum gäbe. Hierbei könne in zulässiger Weise die in einem Mietspiegel angeführte Standardwohnung zugrunde gelegt werden. Bei der Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft sei aber nicht auf den gesamten Wohnungsmarkt abzustellen, sondern auf die m²-Preise des unteren Mietpreisniveaus. Eine Beschränkung auf Wohnungen, die 20 Jahre und älter seien, sei daher nicht zu beanstanden. Bei dem Mietspiegel der Stadt S handele es sich um einen derartigen qualifizierten Mietspiegel. Für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017 sei ausschließlich noch der erste qualifizierte Mietspiegel, allerdings dessen Fortschreibung ab 1. April 2016 zugrunde zu legen. Aus dem ersten ab 1. April 2016 fortgeschriebenen Mietspiegel ergäbe sich für einen privilegierten Wohnbezirk mit mittlerem Modernisierungsgrad eine durchschnittliche örtliche Vergleichsmiete von 6,24 €/m², für den Wohnbezirk des Klägers von 5,77 €/m² (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Juni 2015 – L 7 SO 1451/15 ER-B -). Vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 ergäben sich demnach mit dem Index von 1,52% Werte von 6,43 €/m² bzw. von 5,94 €/m². Im Mittel ergäbe sich daher ein Wert von 6,19 €/m². Für eine 45 m² große Wohnung sei im Durchschnitt daher eine Kaltmiete von 278,55 € ortsüblich gewesen. Zusammen mit den kalten Nebenkosten – selbst mit der Stellplatzmiete – von monatlich 80,00 € ergäbe sich der Betrag von 358,55 €, der noch unterhalb des vom Beklagten gewährten Betrages von 363,00 € liege. Er liege auch noch unterhalb des vom Beklagten ab 1. Januar 2018 gewährten Betrages von 375,00 €.
Auch ab 1. April 2018 ergäbe sich nichts Anderes. Für Wohnungen, die vor 2004 gebaut worden seien, sei nach dem ab 1. April 2020 geltenden Mietspiegel ein Basiswert von 7,35 €/m², für Wohnungen vor 1995 7,01 €/m², für ältere Wohnungen von 6,74 €/m², 6,51 €/m² (ab 1974) und 6,33 €/m² zugrunde zu legen. Im Schnitt von Wohnungen, die von 1974 bis 1995 gebaut worden seien, ergäbe sich ein Durchschnittswert von 6,75 €/m², der für stadtnahe Wohnungen zu erhöhen sei (um 3 bzw. 7%) bzw. für umliegende Orte abzusenken sei (um 3 bzw. für den konkreten Wohnort des Klägers um 8%). Wenn vom Basiswert von 6,75 €/m² ohne Erhöhung oder Absenkung ausgegangen werde, sei dieser um den Verbraucherpreisindex von 3,21% zu verringern (6,53 €/m²), sodass sich für die Zeit ab 1. April 2018 ein Basiswert einer angemessenen Kaltmiete für eine Wohnung mit 45 m² von 293,85 € ergäbe. Selbst mit den tatsächlichen Nebenkosten des Klägers samt Stellplatzmiete ergäbe sich demnach weiterhin ein geringerer Betrag von 373,85 € im Vergleich zu dem vom Beklagten gewährten Betrag von 375,00 €.

Gegen das dem Kläger am 24. September 2020 mit Postzustellungsurkunde zugestellte Urteil hat er am 19. Oktober 2020 schriftlich beim LSG Berufung (L 2 SO 3281/20) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, es stünden ihm höhere Leistungen zu, weil die Einbauküche-Mietkosten nicht übernommen worden seien und auch im Bereich kostenaufwändiger Bekleidung, Bettwäsche, Pflegemittel und Reinigungsmittel die erforderlichen monatlichen Kosten nicht bewilligt worden seien. Höhere Leistungen wegen des „Stromanteils im Regelsatz“ verfolge er nicht mehr weiter. Zur Feststellung der Höhe dieser Mehrbedarfe für kostenaufwändige Produkte müsse ein Gutachten erstellt werden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung bei H habe er seine Ernährung vollständig umgestellt gehabt, was ihm aufgrund von Nachzahlungen des damaligen Leistungsträgers finanziell möglich gewesen sei. Er habe auf kostenaufwändige Allergiker-Produkte umgestellt gehabt. Deswegen habe sich sein Gesundheitszustand gebessert gehabt. Körperpflegemittel, die bei Neurodermitis laufend benötigt würden, seien in erforderlichem Umfang als Mehrbedarf zu übernehmen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 24. November 2020 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 16. Februar 2022 (B 8 SO 96/20 B) den Beschluss des LSG vom 24. November 2020 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, nunmehr fortgesetzt unter dem Az.: L 2 SO 811/22 ZVW.

Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. September 2020 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 27. Dezember 2016, 10. Januar 2017 und 28. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2018 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise ein Gutachten zu seinem Bedarf für kostenaufwändige Bekleidung, Pflegemittel, Bettwäsche, Reinigungsmittel und Schuhwerk einzuholen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Mit Schreiben vom 22. März 2022 – dem Kläger zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 23. März 2022 - sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten bis zum 24. April 2022.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.


II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das angefochtene Urteil des SG vom 17. September 2020 und die Bescheide des Beklagten vom 27. Dezember 2016, 10. Januar 2017 und 28. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgehend von den dafür gegebenen rechtlichen Grundlagen einen Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mit Blick auf begehrte höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung sowie den „Bedarf“ für kostenaufwändige Bekleidung, Pflegemittel, Bettwäsche, Reinigungsmittel und Schuhwerk wegen der Erkrankung des Klägers zutreffend abgelehnt. Der Senat schließt sich den Entscheidungsgründen des SG nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

In der Berufungsbegründung hat der Kläger nichts Neues vorgetragen, was nicht bereits Gegenstand der Entscheidung des SG gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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