Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1744,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.01.2018 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Anspruchs auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin behandelte in dem von ihr betriebenen Krankenhaus im Zeitraum vom 06.06.2017 bis 08.06.2017 den bei der Beklagten krankenversicherten, 1959 geborenen C. M. wegen einer partiellen Bizepssehnenruptur.
Der Patient wurde mit einem ApolloRFAblationsgerät operiert. Mit Datum vom 19.06.2017 stellte die Klägerin der Beklagten für diese Behandlung auf der Basis der DRG I29B einen Gesamtbetrag von 3684,30 EUR in Rechnung.
Die Beklagte veranlasste nach § 275 SGB V eine Begutachtung durch den MD. Die Fachärztin für Chirurgie, K., kam in einem Gutachten vom 03.01.2018 zu dem Ergebnis, der zweitägige stationäre Aufenthalt des Patienten hätte um einen Tag verkürzt werden können. Zudem sei anstelle des OPS 5-814.4R (Arthroskopische Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des Schultergelenks: Sonstige Rekonstruktion der Rotatorenmanschette) der OPS 5-819.10R (Andere athroskopische Operationen: Debridement einer Sehne: Humerogleniodalgelenk) zugrunde zu legen, weil die Operation mit dem Arthrex SynergyRF-System nicht zu einer Rekonstruktion der Sehne führe.
Die Beklagte verrechnete den von ihr zunächst beglichenen Rechnungsbetrag mit Datum vom 05.01.2018 in Höhe von 1744,30 Euro mit der Forderung aus einem unstreitigen Behandlungsfall.
Mit Schriftsatz vom 04.01.2019 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Vergütung in Höhe der Rechnungslegung begehrt. Zur Begründung führt sie aus, auch am 08.06.2017 sei eine stationäre Überwachung des Patienten notwendig gewesen. Postoperativ habe ein physiotherapeutisches Nachbehandlungsprogramm zur Funktionsverbesserung und Stabilisierung des operierten Schultergelenks erfolgen müssen. Unter intravenöser und oraler Analgetikatherapie sei die postoperative Schulterschmerz-Symptomatik erst am zweiten postoperativen Tag rückläufig gewesen. Zu Recht sei der OPS-Code 5-814.4R abgerechnet worden. Aus dem Operationsbericht sei erkennbar, dass nicht lediglich ein Debridement der Sehne erfolgt sei, sondern eine Rekonstruktion der Rotatorenmanschette mittels Plasmafeldtechnologie und eine Glättung der Supraspinatus-Oberfläche mittels Weichteil-Shaver. Zudem sei eine Adhäsiolyse und Mobilisierung der Supraspinatussehne erfolgt.
Mit dem Apollo-Gerät des Unternehmens Arthrex würden u.a. Partialläsionen der Rotatorenmanschette erfolgreich und mit geringstem Aufwand behandelt. Weichteilgewebe werde abgetragen und gleichzeitig werde durch das Plasmafeld eine gezielte Versiegelung/Schrumpfung des Sehnengewebes erzielt, sodass es im erweiterten und im speziellen Sinne zu einer Rekonstruktion im Bereich der Partialläsion der Rotatorenmanschetten-Sehne komme. Mit dem Plasmafeld werde eine kontrollierte Rekonstruktion durchgeführt, denn durch die gleichzeitige thermische Behandlung, die durch das Plasmafeld erzeugt werde (38 - 47 °C) komme es lokal - gezielt und an gewünschter Stelle - durch die relativ geringfügige Erhitzung zur Verschmelzung und somit zur Schrumpfung und Versiegelung von Sehnengewebe. Dadurch werde eine "Sonstige Rekonstruktion der Rotatorenmanschette“ erreicht. Alle anderen Rekonstruktionen der Rotatorenmanschette seien im DRG-System klar definiert und einer eigenen Ziffer zuzuordnen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.744,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.01.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf die gutachterliche Stellungnahme des MD. Nach den Gegebenheiten des Einzelfalls sei eine stationäre Behandlung nur für einen Tag erforderlich gewesen. Eine Rekonstruktion der Sehne sei nicht erkennbar, sondern lediglich ein Debridement. Demnach ergebe sich der OPS-Kode 5-819.10R (Andere athroskopische Operationen: Debridement einer Sehne: Humerogleniodalgelenk = Schultergelenk).
Die Klägerseite hat ein medizinisches Sachverständigengutachten vom 31.05.2019 aus dem Verfahren S 11 KR 527/18 zu den Akten gereicht. In diesem Verfahren streiten die Beteiligten ebenfalls um die Abrechnung einer Operation am Schultergelenk mittels des Apollogeräts wegen einer Teilverletzung der Supraspinatussehne. Der Sachverständige hat ausgeführt, er halte die Streichung des beanstandeten OPS-Codes medizinisch für nicht nachvollziehbar. Das beim Apollogeräte entstehende Plasma-Feld werde genutzt, um Teilverletzungen von Sehnengewebe zu koagulieren und zu veröden, wodurch eine Rekonstruktion des Sehnengewebes erreicht werde.
Außerdem hat die Klägerseite ein medizinisches Gutachten des MD vom 29.5.2019 von Dr. H. vorgelegt. In dem dort begutachteten Fall (Operation einer Rotatorenmanschette mit dem Plasmafeld-Verfahren, Apollogerät) sah der Sachverständige die Kodierung als korrekt an. Die als Alternative angefragten OPS-Ziffern 5-819.10 und 5.814.d bildeten den tatsächlichen operativen Aufwand nicht ab. Eine Beanstandung der Kodierung entbehre jeder Grundlage.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Chirurgie Dr. D. von der Sozialmedizinischen Begutachtungsstelle A-Stadt. Dieser führt in dem Gutachten vom 16.09.2020 aus, die stationäre Behandlungsdauer von 2 Tagen sei aufgrund der vom Patienten angegebenen Schmerzintensität notwendig gewesen. Eine rein orale Schmerzmittelgabe, die für eine Entlassung notwendig gewesen wäre, hätte zur adäquaten Behandlung der Schmerzen nicht ausgereicht. Die Behandlung sei auch korrekt abgerechnet worden, denn ein Depridement von Weichteilen beschreibe die Operation nicht ausreichend. Aus medizinischen Gesichtspunkten sei durch die Verödung und Versiegelung eine Rekonstruktion der Supraspinatussehne erfolgt.
Die Beklagte verweist auf die Beschreibung der Firma Artherex zu dem Apollogerät. Dort werde eine Ablation, d.h. ein Abtragen und Ablösen beschrieben. Eine Rekonstruktion von zerrissenem Gewebe im Sinne einer Art „Naht“ entstehe nicht. Hinsichtlich der Behandlungsdauer sei zu beachten, dass die hohe Schmerzbelastung des Versicherten zwar am 7.6.2017 angegeben worden sei, wie sich diese im Laufe des Tages entwickelt habe, sei aber nicht dokumentiert. Die Entlassung sei am Folgetag bereits um 10.17 Uhr erfolgt.
Das Gericht hat ein weiteres, in dem Verfahren S 20 KR 529/18 eingeholtes Gutachten von dem Facharzt für Chirurgie, Prof. Dr. S., vom 12.10.2020 beigezogen. Dieser hat ausgeführt, das durch die Wärmeapplikation entstehende Narbengewebe im Bereich der Sehnenoberfläche besitze nicht den strukturellen Aufbau von Sehnengewebe und dadurch eine deutlich geringere Festigkeit. Eine Wiederherstellung der Sehne werde nicht erreicht. Er hält die vom MD vorgeschlagene Kodierung für richtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte sowie der Patientenakte Bezug genommen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist zulässig. Bei der auf Vergütung für die Behandlung eines Versicherten gegen eine Krankenkasse gerichteten Klage eines Krankenhausträger handelt es sich um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Es war weder ein Vorverfahren durchzuführen, noch eine Klagefrist einzuhalten (BSG, Urteil vom 17.06.2000 - B 3 KR 33/99 R; Urteil vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R).
Die Klage ist auch begründet, denn der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch in Höhe von 1744,30 Euro zu.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V i. V. m. § 7 S. 1 Nr. 1 KHEntgG und der Vertrag über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1, BSGE 90, 1, 2 = SozR 3.2500 § 112 Nr. 3). Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses (§ 109 Abs. 4 S. 2 SGB V) steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 iVm § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen u.a. nach dem Fallpauschalen-Katalog abgerechnet, den der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft vereinbart hat. Der Fallpauschalen-Katalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG in zwei Schritten: In einem ersten Schritt sind die Diagnosen und die im Krankenhaus durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren nach den vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Schlüssel zu verschlüsseln (§ 301 Abs. 2 S. 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung haben die Vertragspartner auf Bundesebene die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode dann einer bestimmten DRG zugeordnet, aus der sich nach Maßgabe des Fallpauschalen-Katalogs die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung ergibt (BSG, Urteil vom 18. September 2008, Az. B 3 KR 15/07 R; vom 25. November 2010 - B 3 KR 4/10 R). Die DRG sind eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. etwa Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 27/18 R).
Unabhängig von der Kodierung der erbrachten Leistung kann ein Krankenhausträger die Vergütung einer stationären Behandlung gemäß § 39 SGB V nur verlangen, wenn und solange der stationäre Aufenthalt aus medizinischer Sicht notwendig war. Ein Einschätzungsspielraum des behandelnden Krankenhausarztes besteht dabei nicht (BSG, Beschluss vom 25.09.2007 - GS 1/06 -, BSGE 99, 111 ff.).
Die Beklagte hat zu Recht als Hauptdiagnose den OPS 5-814.4 kodiert. Maßgebend ist die für das Jahr 2017 geltende Fassung des OPS, die lautet:
5-814 Arthroskopische Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des Schultergelenks
5-814.4: Sonstige Rekonstruktion der Rotatorenmanschette
Inkl.: Sonstige Rekonstruktion der Rotatorenmanschette mit Debridement
Dabei folgt die Kammer der Einschätzung des Gutachters Dr. D. im Gutachten vom 16.09.2000. Der Patient litt unter einer Teilverletzung der Supraspinatussehne, einem Impingmentsyndrom, einer Bustitis subcromaialis und einem Riss der langen Bizepssehne mit einer Sehnenverkürzung im rechten Schultergelenk. Mit dem Appollo-Gerät der Firma Arthex erfolgte mittels einer Plasmafeldtechnologie die Glättung der Supraspinatusoberfläche durch einen Weichteilshaver, eine Adhäsiolyse und Mobilisation der Supraspinatussehne mit einer arthroskopischen Acromioplastik und Bursektomie sowie einer Mini-Open-Tenodese der langen Bizepssehne. In dem Verfahren wird Weichteilgewebe debridiert. Durch die mit dem Plasmafeld erzielte Wärme erfolgt eine Koagulation und Verödung des verletzten Sehnengewebes. Es kommt zu einer gezielten Schrumpfung und Versiegelung von Sehnengewebe wodurch eine Längenreduzierung des gesamten Gewebes bei gleichzeitiger Zunahme des Durchmessers erreicht wird (so die Beschreibung in der von Prof. S. in seinem Gutachten vom 12.10.2020 zitierten Doktorarbeit). Anschließend erfolgt ein körpereigener aktiver Reparaturprozess. Auch wenn die Gewebefestigkeit zunächst signifikant unter der Vergleichsgruppe liege - so die Erläuterung in der benannten Doktorarbeit - erhole sich das Gewebe nach sechs Wochen postoperativ soweit, dass eine Gewebeschwächung nicht mehr nachweisbar sei.
Die geschilderte Operationsmethode geht in ihrer Anwendung und im Ergebnis über eine reines Depridement hinaus, weshalb die vom MD vorgeschlagene Kodierung OPS 5-819.10 R (Andere athroskopische Operationen: Debridement einer Sehne: Humerogleniodalgelenk) die durchgeführte Behandlung nicht hinreichend abbildet. Auch wenn die Rekonstruktion nicht durch die Einbringung von Fremdmaterial erfolgt, wie beispielsweise bei einer „Naht“, wird durch das Verfahren doch eine Wiederherstellung der Rotatorenmanschette erzielt. Erforderlich ist keine unmittelbare „künstliche“ Verbindung des ruptierten Teils der Sehne. Nach Auffassung der Kammer ist eine Wiederherstellung der Sehne auch dadurch erreicht, dass durch die Operation die übliche Gewebestärke als Folge einer Schrumpfung und Versiegelung und einem sich anschließenden körpereigenen Regenerationsprozess zeitnah wiederhergestellt wird. Eine übliche Festigkeit des Gewebes wird nach etwa sechs Wochen erreicht. Für die Abrechnung mit dem OPS 5-814.4 sprechen Wortlaut und Systematik der Abrechnungsziffer. Andere Rekonstruktionen der Rotatorenmanschette, wie z. B. die Rekonstruktion durch eine Naht oder durch eine Transplantation sind im OPS-Katalog explizit aufgelistet. Der hier streitige OPS 5-814.4 benennt explizit eine „Sonstige“ Rekonstruktion der Rotatorenmanschette¸ Inkl.: Sonstige Rekonstruktion der Rotatorenmanschette mit Debridement. Exakt die unter Inkl. benannte Rekonstruktion ist im zugrundeliegenden Behandlungsfall erfolgt.
Die stationäre Behandlung war bis zur Entlassung am zweiten postoperativen Tag notwendig. Denn der Patient litt postoperativ an so großen Schmerzen (Schmerzskala 7), dass neben einer PCA Schmerzpumpe die intravenöse und subcutane Gabe eines Schmerzmittels notwendig war. Eine entsprechende Schmerzbehandlung wäre oral nicht möglich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 197a SGG.