L 16 AS 339/22

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 AS 495/21
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 339/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Eine Wohngeldnachzahlung ist bei der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Einkommen zu berücksichtigen, da sie nicht aus einem mit den drei Existenzsicherungssystemen SGB II, SGB XII und AsylbLG vergleichbaren Rechtsgrund stammt.
2. Das einmalige Einkommen aus der Wohngeldnachzahlung ist auch bei abschließender Feststellung des Leistungsanspruchs nach § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II erst ab dem auf den Zufluss folgenden Monat in die Bildung des Gesamteinkommens nach § 41a Abs. 4 Satz 3 SGB II a.F. einzustellen und insoweit bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens nach § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II a.F. zu berücksichtigen (vgl. auch BSG, Urteil vom 18.05.2022 - B 7/14 AS 9/21 R).
3. Zu den Kosten, die Gegenstand der Kostenentscheidung nach § 193 SGG sind, gehören die Kosten des Vorverfahrens nur, soweit der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und der Gegenstand des Vorverfahrens identisch sind. Im Übrigen bleibt die Kostenlastentscheidung des Widerspruchsbescheides nach § 63 SGB X unberührt.

 

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
 
III. Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitgegenständlich ist die Höhe der den Klägern und Berufungsklägern (Kläger) in der Zeit vom 01.10.2020 bis 28.02.2021 gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). In der Sache geht es um die Anrechnung von Wohngeld in Höhe von 572,17 Euro monatlich auf die Leistungen nach dem SGB II, nachdem die Kläger im August 2020 eine Wohngeldnachzahlung in Höhe von 3.433,- Euro erhalten hatten.

Die 1975 und 1983 geborenen Kläger zu 1 und 2 und ihre drei minderjährigen, in den Jahren 2013, 2016 und 2019 geborenen Kinder, die Kläger zu 3 bis 5, beziehen als Bedarfsgemeinschaft seit April 2020 aufstockend Arbeitslosengeld II vom Beklagten und Berufungsbeklagten (Beklagten). Die Kläger bewohnen eine 73 qm große Dreizimmerwohnung, für die im streitgegenständlichen Zeitraum Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 946,- Euro zu zahlen waren. Der Kläger zu 1 ist als angestellter Taxifahrer bei der S erwerbstätig. Nachdem der Arbeitgeber im März 2020 Kurzarbeit beantragt hatte, stellte der Kläger zu 1 im April 2020 einen Antrag auf Arbeitslosengeld II beim Beklagten. Anspruch auf Arbeitslosengeld I hatte der Kläger zu 1 nicht. Die Klägerin zu 2 arbeitet seit Oktober 2015 als Erzieherin. Zum Zeitpunkt der Antragstellung befand sie sich in Elternzeit und bezog bis Mai 2020 Elterngeld. Die Kläger erhielten im Jahr 2020 Kindergeld in Höhe von insgesamt 618,- Euro monatlich bzw. ab Januar 2021 in Höhe von 663,- Euro monatlich. Im streitgegenständlichen Zeitraum bezogen die Kläger zu 1 und zu 2 bis Januar 2021 außerdem für die Kläger zu 3 bis 5 Kinderzuschlag in Höhe von jeweils 185,- Euro bzw. jeweils 205,- Euro (ab Januar 2021).

Die Kläger beantragten am 18.09.2020 die Weiterbewilligung der Leistungen für den hier streitgegenständlichen Zeitraum ab Oktober 2020 und legten einen Bescheid der Landeshauptstadt A vom 13.08.2020 vor, mit dem Wohngeld bewilligt wurde. Ausweislich dieses Bescheides wurde am 31.08.2020 eine Nachzahlung für die Monate November 2019 bis März 2020 in Höhe von 3.433,- Euro an die Kläger ausgezahlt.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21.10.2020 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.10.2020 bis 31.03.2021 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt monatlich 506,83 Euro unter Anrechnung von Wohngeld in Höhe von 572,17 Euro monatlich. Dabei wurde vorläufig von einem Erwerbseinkommen des Klägers zu 1 in Höhe von 450,- Euro brutto wie netto ausgegangen, das nach Abzug der Freibeträge in Höhe von 170,- Euro in Höhe von 280,- Euro auf die Leistungen angerechnet wurde. Beim Kläger zu 3 und der Klägerin zu 4 wurden Kindergeld in Höhe von jeweils 204,- Euro und Kinderzuschlag in Höhe von jeweils 185,- Euro, bei der Klägerin zu 5 Kindergeld in Höhe von 210,- Euro und Kinderzuschlag in Höhe von 185,- Euro als Einkommen berücksichtigt. Die einmalige Einnahme in Form des Wohngeldes wurde laut Bescheid gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II auf sechs Monate verteilt.

Dagegen ließen die Kläger am 23.11.2020 Widerspruch erheben. Im Hinblick auf die im August 2020 zugeflossene Wohngeldnachzahlung beginne der sechsmonatige Verteilzeitraum bereits am 01.09.2020 und ende am 28.02.2021. Außerdem sei das Wohngeld überhaupt nicht bzw. allenfalls im vorhergehenden Bewilligungszeitraum anzurechnen.

Mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 21.11.2020 wurden die Leistungen ab Januar 2021 an den erhöhten Regelsatz angepasst sowie das gestiegene Kindergeld (jeweils 219,- Euro beim Kläger zu 3 und der Klägerin zu 4 sowie 225,- Euro bei der Klägerin zu 5) berücksichtigt und vorläufig insgesamt 552,83 Euro monatlich bewilligt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 21.12.2020 wurden für die Zeit vom 01.01.2021 bis 31.03.2021 insgesamt monatlich 492,83 Euro vorläufig bewilligt, dabei wurde die Erhöhung des Kinderzuschlags von 185,- Euro auf 205,- Euro berücksichtigt.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 23.02.2021 half der Beklagte dem Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 21.10.2020 teilweise ab, da der Verteilzeitraum für die Wohngeldnachzahlung im Februar 2021 und nicht erst im März 2021 ende. Bewilligt wurden für März 2021 damit insgesamt 1.064,99 Euro (572,16 Euro mehr). Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2021 zurück. Die Aufwendungen des Widerspruchsverfahrens würden zu einem Viertel erstattet. Mit Änderungsbescheid vom 25.02.2021 bewilligte der Beklagte für Februar 2021 insgesamt 1.107,82 Euro und für März 2021 insgesamt 1.680,01 Euro, jeweils vorläufig, und berücksichtigte dabei, dass der Kinderzuschlag in Höhe von insgesamt 615,- Euro (205,- Euro pro Kind) ab Februar 2021 weggefallen war.

Die Kläger ließen am 23.03.2021 Klage zum Sozialgericht München erheben. Die Wohngeldnachzahlung dürfe nicht als Einkommen gemäß § 11 SGB II berücksichtigt werden. Es sei zu Verzögerungen von über sechs Monaten durch die Wohngeldbehörde der Stadt A gekommen. Zweck des Wohngeldes sei jedoch ein Zuschuss zur Miete im jeweiligen Bewilligungsmonat. Anstatt des Wohngeldes hätten die Kläger Anspruch auf aufstockende Leistungen nach dem SGB II gehabt. Letztlich sei das Wohngeld vorliegend als existenzsichernde Leistung zu qualifizieren und als solche nicht als Einkommen anzurechnen. Unabhängig davon hätte der Wohngeldzufluss im vorhergehenden Bewilligungszeitraum berücksichtigt werden müssen. Ein Durchschnittseinkommen sei nämlich bei sämtlichen Einkommensarten zu bilden, eine Verteilung gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II sei daher nicht möglich. Der Beklagte erwiderte hierauf, nach § 67 SGB II sei für Bewilligungszeiträume, die bis 31.03.2021 begonnen hätten, abweichend von § 41a Abs. 3 SGB II nur auf Antrag abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch zu entscheiden. Ein solcher Antrag auf endgültige Festsetzung der Leistungen für die Zeit von Oktober 2020 bis März 2021 liege dem Beklagten nicht vor. Mit Schreiben vom 01.09.2021 teilte der Bevollmächtigte der Kläger mit, eine abschließende Entscheidung wurde und werde nicht beantragt.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 22.06.2022 ab. Soweit in der mündlichen Verhandlung erstmals ein Zinsanspruch geltend gemacht worden sei, handele es sich um eine unzulässige Klageänderung, da der Zinsanspruch ein gesonderter Streitgegenstand sei. Der Beklagte habe sich dazu nicht eingelassen und eine Einbeziehung in das Verfahren sei nicht sachdienlich. Da diesbezüglich kein Antrag bei der Verwaltung gestellt worden sei, liege insbesondere keine Entscheidungsreife vor. Gegenstand der vorliegenden Klage seien höhere Leistungen im Zeitraum Oktober 2020 bis Februar 2021, somit die Bescheide vom 21.10.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.11.2020 und 21.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2021. Zwischenzeitlich gälten die vorläufig bewilligten Leistungen als endgültig bewilligt, § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II. Soweit auch der Bescheid vom 23.02.2021 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sei, sei die Klage unzulässig, da dieser Abhilfebescheid den Monat März 2021 betreffe. Die zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sei unbegründet, da die Kläger keinen Anspruch auf höhere Leistungen hätten. Der Bedarf der Kläger sei vom Beklagten richtig errechnet worden. Zutreffend habe der Beklagte Einnahmen in Form von Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Kindergeld, Kinderzuschlag und Wohngeldnachzahlung angerechnet. Zu Recht habe der Beklagte die am 31.08.2020 zugeflossene Wohngeldnachzahlung in Höhe von 3.433,- Euro als einmalige Einnahme gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II in den streitgegenständlichen Monaten Oktober 2020 bis Februar 2021 zu jeweils einem Sechstel als Einkommen angerechnet. Das Wohngeld sei mit Rechtsprechung und Literatur als Einkommen zu qualifizieren. Die von der Klägerseite zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.06.2015 - B 14 AS 17/14 R betreffe die Anrechnung einer Nachzahlung von Asylbewerberleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Durch die Anrechnung im Zuflussmonat August 2020 wäre der Anspruch der Kläger nach dem SGB II vollständig entfallen, so dass die Zahlung auf sechs Monate aufzuteilen gewesen sei. Da die Leistungen für August 2020 bereits erbracht worden seien, beginne der Verteilzeitraum im September 2020 und ende im Februar 2021. Soweit argumentiert werde, dass die Nachzahlung vollumfänglich im vorangehenden Bewilligungszeitraum hätte berücksichtigt werden müssen und nach der Rechtsprechung des BSG für das Durchschnittseinkommen im vorangehenden Bewilligungszeitraum sämtliche Einkommensarten zu berücksichtigen seien, so dass eine Verteilung nicht möglich sei, folge das Sozialgericht dieser Auffassung nicht. Die BSG-Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 11.07.2019 -
B 14 AS 44/18 R) zur Einbeziehung aller Einkommensarten bedeute nicht, dass die Regeln zur Einkommensanrechnung nicht mehr anzuwenden wären. Für einmalige Einnahmen stelle § 11 Abs. 3 SGB II eine besondere Regelung für die Anrechnung auf, die weiterhin anzuwenden sei. Die Teilbeträge seien dann in die Durchschnittsberechnung einzubeziehen.

Gegen das dem Bevollmächtigten der Kläger am 06.07.2022 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat dieser am 04.08.2022 beim Bayerischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Kostenentscheidung im Urteil sei falsch, da der Widerspruch teilweise erfolgreich gewesen sei. Die Kläger hätten für die Zeit vom 01.10.2020 bis 28.02.2021 einen Anspruch auf vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von weiteren 572,17 Euro monatlich. Das Sozialgericht führe nicht aus, weshalb der Sachverhalt nicht mit dem zur Anrechnung von Asylbewerberleistungen ergangenen BSG-Urteil vom 25.06.2015 - B 14 AS 17/14 R vergleichbar sein solle. § 41a SGB II als spezialgesetzliche Vorschrift verdränge § 11 SGB II. Das Urteil des BSG vom 18.05.2022 (B 7/14 AS 9/21 R) überzeuge nicht. Der Wohngeldzufluss hätte nach den allgemeinen Regeln bereits im vorhergehenden Bewilligungszeitraum berücksichtigt werden müssen. Dies werde durch das Urteil des BSG vom 11.07.2019 (B 14 AS 44/18 R) bestätigt.

Der Bevollmächtigte der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.06.2022 aufzuheben und den Bescheid vom 21.10.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.11.2020, 21.12.2020 und 23.02.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2021 dahingehend abzuändern, dass den Klägern in der Zeit von Oktober 2020 bis Februar 2021 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 572,17 Euro bewilligt werden.

Der Beklagte beantragt,
    
    die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat auf die seines Erachtens überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen.

Die Beteiligten sind unter Hinweis auf die Rechtslage mit gerichtlichem Schreiben vom 21.11.2022 zu einer beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung angehört worden.
    
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum von Oktober 2020 bis Februar 2021 keinen Anspruch auf weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 572,17 Euro haben.

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vor der Entscheidung durch Beschluss gehört worden, § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG.

Die nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.06.2022 führt in der Sache nicht zum Erfolg.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide vom 21.10.2020, 21.11.2020 und 21.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.02.2021, mit denen Leistungen vorläufig bewilligt wurden und mit denen (Änderungsbescheid vom 25.02.2021) zuletzt noch berücksichtigt wurde, dass ab Februar 2021 der Kinderzuschlag in Höhe von 205,- Euro pro Kind weggefallen war. Zeitlich ist der Gegenstand des Verfahrens nach dem vor dem Sozialgericht gestellten Klageantrag auf die Monate Oktober 2020 bis Februar 2021 begrenzt.

Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klage hinsichtlich des auch zum Gegenstand der Klage gemachten Änderungsbescheides vom 23.02.2021 für den Monat März 2021 unzulässig ist, da mit diesem Bescheid dem Begehren der Kläger (weitere Leistungen in Höhe von 572,17 Euro) abgeholfen worden ist. Eine Beschwer der Kläger durch diesen Bescheid ist nicht gegeben. Zu Recht hat das Sozialgericht auch darauf hingewiesen, dass die vorläufig bewilligten Leistungen nach § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016 (gültig bis 31.03.2021) nunmehr als abschließend festgesetzt gelten. Einen Antrag auf abschließende Festsetzung, der nach § 67 Abs. 4 Satz 2 SGB II seit Beginn der Corona-Pandemie Voraussetzung für eine abschließende Entscheidung der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist, haben die Kläger ausdrücklich nicht gestellt.

Auch die Entscheidung des Sozialgerichts, dass der erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte Zinsanspruch insbesondere mangels vorherigen Antrags beim Beklagten nicht im Wege einer zulässigen Klageänderung nach § 99 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde, ist nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Berufung ist nur zu prüfen, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (vgl. für die Revision BSG, Beschluss vom 04.09.2017 - B 13 R 191/17 B, Rdnr. 6 juris). Die Kläger haben dies mit der Berufung nicht gerügt; hierfür sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Das Sozialgericht hat die Klage auf höhere Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 01.10.2020 bis 28.02.2021 zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Anrechnung der Wohngeldnachzahlung in der Zeit von Oktober 2020 bis Februar 2021 in Höhe von monatlich 572,17 Euro ist zu Recht erfolgt. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, dass die Anrechnung von Wohngeld auf die Leistungen nach dem SGB II nicht vergleichbar ist mit der - vom BSG im Urteil vom 25.06.2015 (B 14 AS 17/14 R) abgelehnten - Berücksichtigung einer Nachzahlung von Leistungen nach dem AsylbLG als Einkommen im Rahmen des SGB II. Das BSG hat dies für die Leistungen nach dem AsylbLG nachvollziehbar damit begründet, dass für die Nichtberücksichtigung als Einkommen die systematischen Zusammenhänge zwischen den Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLG sprechen, die als existenzsichernde Leistungen früher im Bundessozialhilfegesetz als umfassendem Fürsorgesystem geregelt waren (vgl. ausführlich BSG, a.a.O., Rdnr. 18 ff. juris). Diese drei Leistungssysteme sind strukturell gleichwertig und haben in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) iVm Art. 20 Abs. 1 GG gemeinsame verfassungsrechtliche Grundlagen (vgl. auch BSG, Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 66/08 R, Rdnr. 19 juris; BSG, Urteil vom 25.06.2015 - B 14 AS 17/14 R, Rdnr. 24 juris). Die Nachzahlung aus der Wohngeldbewilligung ist dagegen als Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen, da sie nicht aus einem mit den drei Existenzsicherungssystemen SGB II, SGB XII und AsylbLG vergleichbaren Rechtsgrund stammt.

Auch hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anrechnung der Wohngeldnachzahlung aus August 2020 in Höhe von 3.433,- Euro nicht bereits nach § 41a Abs. 4 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016 (gültig bis 31.03.2021 - im Folgenden: a.F.) vollständig im vorherigen Bewilligungszeitraum (April bis September 2020) zu erfolgen hatte. Zwar ist nach § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II a.F. bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen, soweit keine Ausnahmetatbestände nach § 41a Abs. 4 Satz 2 SGB II vorliegen. Dabei erfasst § 41a Abs. 4 SGB II a.F. nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Grundsatz alle Arten von Einkommen im Bewilligungszeitraum und bezieht alle Monate des Bewilligungszeitraums in die Bildung des Durchschnittseinkommens ein (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2019 - B 14 AS 44/18 R). Das einmalige Einkommen aus der Wohngeldnachzahlung ist jedoch auch bei abschließender Feststellung eines Leistungsanspruchs nach vorläufiger Bewilligung nach § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II erst ab dem dem Zuflussmonat folgenden Monat (hier ab September 2020) in die Bildung des Gesamteinkommens nach § 41a Abs. 4 Satz 3 SGB II a.F. einzustellen und insoweit bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens nach § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II a.F. zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2022 - B 7/14 AS 9/21 R, Rdnr. 18, 33 ff. juris). Der Senat teilt die Auffassung des BSG, wonach einmaliges Einkommen im Rahmen des § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II a.F. wie eine eigene "Einkommensart" anzusehen ist, und systematische Gründe dafür sprechen, dass die allgemeine Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II auch im Fall der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs nach vorläufiger Bewilligung Anwendung findet. § 41a Abs. 4 Satz 1 und 3
SGB II a.F. regeln lediglich, wie mit dem zu berücksichtigenden Einkommen zu verfahren ist (Durchschnittsbildung anstelle einer Berücksichtigung im Zuflussmonat), nicht aber, welches Einkommen in welcher Höhe überhaupt im Bewilligungszeitraum zu berücksichtigen ist. Dies ist unter Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen der §§ 11 ff. SGB II zu prüfen (vgl. auch das der BSG-Entscheidung vorhergehende Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.01.2021 - L 13 AS 173/19, Rdnr. 22 juris).

Auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts in Ziffer II. des Urteils vom 22.06.2022 ist zutreffend erfolgt, da streitgegenständlicher Zeitraum im gerichtlichen Verfahren nur noch die Monate Oktober 2020 bis Februar 2021 waren. Da die Klage für diese streitgegenständlichen Monate nicht erfolgreich war, wurde eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten vom Sozialgericht zutreffend abgelehnt. Zu den Kosten, die Gegenstand der Kostenentscheidung nach § 193 SGG sind, gehören die Kosten des Vorverfahrens nur, soweit der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und des Vorverfahrens identisch sind (vgl. Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 193 Rdnr. 16). Der Widerspruchsbescheid vom 23.02.2021 ist hinsichtlich des Monats März 2021 und der - wegen der Abhilfe für diesen Monat - hierzu ergangenen Kostenentscheidung (Erstattung der klägerischen Aufwendungen zu einem Viertel) aber bestandskräftig und damit zwischen den Beteiligten nach § 77 SGG bindend und insoweit nicht Gegenstand der Klage geworden. Die Kostenlastentscheidung des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2021 bleibt insoweit unberührt. Soweit die Kläger im Vorverfahren obsiegt hatten, kommt ihnen die aufgrund von § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) getroffene Kostenerstattungsregelung weiter zugute (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.06.2021 - L 19 AS 229/21).

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.

 

Rechtskraft
Aus
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