Die Prüfgremien gem. § 106c SGB V (bzw. § 106 Abs. 4 SGB V in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung) sind seit 23.07.2015 nicht mehr für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Versorgung der Hochschulambulanzen zuständig (§ 113 Abs. 4 Satz 1 SGB V), Die Zuständigkeitsänderung wirkt sich auch auf bereits laufende Prüfverfahren aus, weil sie allein das formelle Verfahren betrifft.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.12.2021 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 4.207,03 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht ein Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise.
Die Klägerin ist Trägerin einer Hochschulambulanz. In den Quartalen 3/2013 bis 1/2014 verordnete diese Hochschulambulanz für den bei der Beigeladenen zu 3) gesetzlich krankenversicherten M.B. (im Folgenden: Versicherter), der an Morbus Crohn erkrankt ist, Colestyramin als Rezeptur.
Am 30.09.2014 beantragte die Beigeladene zu 3) bei der Bezirksprüfungsstelle K der Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Landesverbände der Krankenkassen B die Festsetzung eines Regresses i.H.v. 4.207,03 €. Der Versicherte erhalte seit Jahren eine Rezeptur aus Colestyramin N3 100 Beutel, abgefüllt in Kapsel Nr. 0 a 0,5 g. Der Wirkstoff Colestyramin sei in diversen Fertigarzneimitteln enthalten, unter anderem auch in „Vasosan S Dose Granulat z. Herstell. e. Susp z. Einn. 400g". Nach Auskunft des Herstellers sei eine Abmessung von 0,5 g mit beiliegendem Messlöffel trotz fehlender Skalierung möglich und hinreichend sicher in der Dosierung. Für die drei Verordnungen der Klägerin seien unter Berücksichtigung des Rabatts Kosten i.H.v. 841,67 €, 841,34 € und 2.524,02 €, insgesamt 4.207,03 €, entstanden. Diese seien wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise zu erstatten.
Mit Schreiben vom 01.10.2014 informierte die Prüfungsstelle die Klägerin über den Prüfantrag. Die Klägerin wurde gebeten, etwaige Einwendungen schriftlich bis 23.10.2014 darzulegen.
Mit Beschluss vom 19.08.2015 setzte die Prüfungsstelle gegen die Klägerin einen Regress in Höhe von 4.207,03 € fest. Die Verordnung von Colestyramin als Individualrezeptur sei unwirtschaftlich. Für eine Verordnungsmenge von 800 Kapseln, wie im dritten Quartal 2013, ergebe sich ein Nettopreis von 841,34 €. Bei Verordnung eines entsprechenden Fertigarzneimittels würden Kosten i.H.v. 53,04 € anfallen. Diese Form der Verordnung wäre somit wirtschaftlicher gewesen.
Am 21.08.2015 legte die Klägerin bei dem Gemeinsamen Beschwerdeausschuss, dem Beklagten, Widerspruch ein. Sie habe bereits am 22.10.2014 eine Stellungnahme durch E abgegeben. Diese müsse nunmehr im Rahmen des Widerspruchs berücksichtigt werden. Die Kopie eines Schreibens datierend vom 22.10.2014 war beigefügt. Der Versicherte nehme alle 2,5-3 Stunden je fünf Kapseln A5 100 mg ein. Dies seien verteilt über den Tag 17,5 g. Eine solche Darreichungsform sei bei einer festen Form in Kapseln (2 g oder 4 g) nicht möglich. Es bleibe deshalb für den Versicherten nur das Vasosan S Dose Granulat übrig. Unabhängig davon sei die gemeinsame Prüfungsstelle und auch der Beklagte für die streitgegenständliche Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht zuständig. Dies ergebe sich aus § 113 Abs. 4 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Auch der für den Beklagten und den vorstehend betroffenen Zeitraum maßgebliche Hochschulambulanzvertrag bestimme unter § 4 Abs. 1 die Prüfzuständigkeit der Krankenkassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2018 setzte der Beklagte einen Regress i.H.v. 4.207,03 € fest. Die Verordnung von Colestyramin als Rezeptur in den streitgegenständlichen Quartalen verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Prüfungseinrichtungen seien für die Prüfung zuständig. Die Neuregelung des § 113 Abs. 4 S. 1 SGB V in der Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes sei erst am 23.07.2015 in Kraft getreten und ändere an der Zuständigkeit der Kammer über den angefochtenen Prüfbescheid nichts. Der Verweis auf § 106 Abs. 3 SGB V und damit auf die Prüfvereinbarung bedeute, dass anstelle der Krankenkasse die Prüfungsstelle für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Versorgung durch Hochschulambulanzen zuständig sei. Die Prüfvereinbarung B bestimme in § 1 Abs. 1 und Abs. 2, dass die ambulante ärztliche Tätigkeit von Hochschulambulanzen der Prüfung durch die Prüfungseinrichtungen unterliege. Auch sachlich sei an den Feststellungen der gemeinsamen Prüfungsstelle nichts auszusetzen. Der Versicherte erhalte eine Dosierung von 2,5 g Colestyramin alle 2,5-3 Stunden über den Tag verteilt. Die Dosierung von 2,5 g Colestyramin werde durch die Gabe von fünf Kapseln à 0,5 g erreicht. Es sei aber davon auszugehen, dass nicht jede Kapsel exakt 0,5 g Granulat enthalte. Nach den Vorgaben des Europäischen Arzneibuches zur Gleichförmigkeit der Masse und des Gehalts dürfe die Masse einer Kapsel um +/- 10 % mehr vom Durchschnitt abweichen. Für den Gehalt einer Kapsel seien Abweichungen von +/-15 % tolerabel. Die hergestellten Kapseln mit einem Füllgewicht von 0,5 g würden nach diesen Regelungen deshalb Abweichungen von +/- 0,05 g Masse und +/- 0,075 g Gehalt tolerieren. Die Dosierung könne bei der Einnahme von fünf Kapseln deshalb zwischen 2,125 g und 2,875 g schwanken. Offensichtlich toleriere der Versicherte deshalb Schwankungen um +/- 375 mg. Mit dem Fertigarzneimittel Vasosan S liege eine alternative Verordnungsform vor, die wirtschaftlicher als die Rezeptur sei. Ein Dosierungslöffel dieses Produktes fasse 2 g Colestyramin. Der Versicherte müsse für die Gabe von 2,5 g also einen und 1/4 des Dosierlöffel Granulat zu sich nehmen. Die Dosierung von 1/4 Löffel könne gegebenenfalls durch jede öffentliche Apotheke, welche nach der Apothekenbetriebsordnung eine Analysewaage besitze, mit einer einmaligen Messung von 0,5g in genau dem jeweiligen Löffel vorgenommen werden. Als Hilfestellung könne die sich ergebende Pulverhöhe auch berechenbar entsprechend markiert werden. Schwankungen bei der Füllung des Löffels könnten von dem Versicherten entsprechend der zulässigen Schwankungen der Kapselfüllung toleriert werden.
Am 17.04.2018 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) gegen den am 17.03.2018 zugestellten Widerspruchsbescheid Klage erhoben. Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren bezogen. Ergänzend hat sie ausgeführt, auch das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg stelle in Bezug auf die gesetzliche Änderung der Behördenzuständigkeit auf die Rechtslage bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens ab (unter Verweis auf das Urteil des Senats vom 22.05.2019, L 5 KA 728/17).
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit Urteil vom 08.12.2021 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid des Beklagten vom 15.03.2018 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 15.03.2018 sei rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit beruhe auf formellen Mängeln. Der Beklagte und die Prüfungsstelle seien nicht befugt gewesen, ein Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung des Verordnungsverhaltens der Klägerin durchzuführen und einen Regress gegen die Klägerin festzusetzen. Ursprünglich, d.h. bis zum 22.07.2015 habe sich die Befugnis, Wirtschaftlichkeitsprüfungen für eine Hochschulambulanz durchzuführen, nach der Grundregel des § 106 Abs. 2 S. 4 und Abs. 3 S. 3 SGB V, in Verbindung mit der Prüfvereinbarung B, die am 01.01.2008 in Kraft getreten sei, gerichtet. Nach dieser grundsätzlichen Regelung sei für die Prüfung die Prüfungsstelle der Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen B zuständig gewesen. Mit Wirkung ab 23.07.2015 sei indessen eine gesetzliche Änderung der Zuständigkeiten für Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei Hochschulambulanzen in Kraft getreten. Durch Gesetz vom 16.07.2015 sei § 113 Abs. 4 SGB V geändert worden. § 113 Abs. 4 SGB V in der bis 22.07.2015 geltenden Fassung habe vorgehsehen, dass die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung durch Psychiatrische Institutsambulanzen und Sozialpädiatrische Zentren von den Krankenkassen in entsprechender Anwendung der nach § 106a, § 106 Abs. 2 und 3 und § 136 SGB V geltenden Regelungen geprüft würden. Diese Vorschrift sei mit Wirkung ab 23.07.2017 ergänzt worden. Unter anderem sei die Zuständigkeit zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung durch Hochschulambulanzen nach § 117 SGB V ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkassen übertragen worden. Ab diesem Zeitpunkt habe deshalb die sachliche Zuständigkeit für die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei Hochschulambulanzen wie der Klägerin nicht mehr wie zuvor bei den Gemeinsamen Prüfeinrichtungen, sondern bei den Krankenkassen gelegen. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass die Neuregelung durch das Gesetz vom 16.07.2015 erst am 23.07.2015 in Kraft getreten sei und der zu regelnde Sachverhalt die Quartale 3/2013 bis 1/2014 erfasse. Richtig sei zwar, dass bei der rechtlichen Bewertung von Prüfungen grundsätzlich auf das Recht abzustellen sei, das im jeweiligen Prüfzeitraum gegolten habe. Das gelte uneingeschränkt aber nur für materielles Recht. Betreffe die Rechtsänderung materielles Recht sei in der Tat für Prüfungen von Zeiträumen, die vor In-Kraft-Treten einer gesetzlichen Neuregelung abgeschlossen gewesen seien, nur auf das vorher geltende Recht abzustellen. Dieser Grundsatz gelte aber nicht uneingeschränkt. Er erfahre eine Ausnahme unter anderem für den Fall, dass eine anderslautende Übergangsregelung getroffen worden sei und auch für den Fall, dass nicht materielles Recht, sondern nur die Gestaltung des Prüfverfahrens selbst betroffen sei. Betreffe die gesetzliche Neuregelung lediglich Vorschriften des formellen Verfahrens seien diese unmittelbar anzuwenden, auch wenn der Prüfzeitraum in der Zeit vor In-Kraft-Treten der gesetzlichen (formellen) Neuregelung liege. Die gesetzliche Neuregelung, die in der Erstreckung der Prüfzuständigkeit der Krankenkassen auch auf die Hochschulambulanzen nach § 117 SGB V liege, betreffe lediglich formale Aspekte, nämlich die sachliche Zuständigkeit der Prüfbehörde. Damit sei die gesetzliche Neuregelung unmittelbar anzuwenden gewesen. Die Prüfungsstelle hätte deshalb mangels sachlicher Zuständigkeit den Beschluss vom 19.08.2015 nicht mehr erlassen dürfen. Dasselbe gelte für den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15.03.2018. Beide Bescheide lägen zeitlich nach In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelung am 23.07.2015 und verstießen deshalb gegen die ab diesem Zeitpunkt geltende Zuständigkeitsregelung. Die Übertragung der Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfung auf die Krankenkassen ergebe Sinn, weil das Honorar für die ärztlichen Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 SGB V) unmittelbar von der Krankenkasse gezahlt werde (§ 120 Abs. 2 SGB V). Eine Möglichkeit zur Abänderung der gesetzlich geregelten Prüfungszuständigkeit eröffne § 113 Abs. 4 SGB V in Satz 1 – anders als in Satz 2 – nicht. Die Auffassung, in den Regelungen der §§ 106 Abs. 2 S. 4 und Abs. 3 SGB V und 106 Abs. 6 SGB V (alte Fassung) sei eine ausreichende Ermächtigung zur Zuständigkeitsübertragung in Vereinbarungen zu sehen, trage deshalb nicht. Eine solche Ermächtigung zur Zuständigkeitsübertragung lasse sich dem Wortlaut des § 113 Abs. 4 S. 1 SGB V nicht entnehmen. Dort sei lediglich davon die Rede, dass die zuständig gewordene Krankenkasse die Prüfung in entsprechender Anwendung der nach §§ 106 Abs. 2 und 3, 106a und 136 SGB V geltenden Regelungen prüfe. Das bedeute lediglich, dass die Prüfung nach denselben Kriterien, die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung allgemein gelten, durchzuführen sei. Eine Zuständigkeitsübertragung auf andere Behörden und Institutionen entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut und dem gesetzgeberischen Willen scheide deshalb wegen des Gesetzesvorrangs aus. Rechtsnormen, die im Rang unter dem Gesetz stünden, könnten gesetzliche Regelungen nicht abändern, jedenfalls dann nicht, wenn es an einer entsprechenden Ermächtigung fehle.
Gegen das ihm am 07.01.2022 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 04.02.2022 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, § 113 Abs. 4 SGB V müsse teleologisch reduziert werden auf Prüfverfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GKV-VSG nicht bereits nach Maßgabe des bis zum 22.07.2015 geltenden Rechts durch die Prüfgremien begonnen worden waren. Der Wortlaut der Norm sei zu weit gefasst. Werde das Gesetz allein nach dem Wortlaut der Norm angewendet, könne dies zur Folge haben, dass Hochschulambulanzen für bestimmte Quartale, wegen derer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GKV-VSG bereits Prüfverfahren durch die bis dahin zuständigen Prüfgremien liefen, faktisch nicht mehr der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen würden, da sie nicht mehr innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist zum Abschluss gebracht werden könnten. Ein faktisches Außer-Kraft-Setzen des Wirtschaftlichkeitsgebotes verstieße jedoch gegen wesentliche Strukturprinzipien des Vertragsarztrechtes und nicht zuletzt auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weil einzelne Leistungserbringer ohne sachlichen Grund von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen blieben. Das Fehlen einer Übergangsregelung stelle eine planwidrige Regelungslücke dar.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.12.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, das SG folge der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Die von dem Beklagten angeführten Umsetzungsschwierigkeiten seien nicht geeignet, eine Korrektur der Rechtssprechungslinie zu begründen; Praktikabilitätserwägen berührten die Rechtsfolgen einer Norm nicht. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG zur Ausschlussfrist sei auch nicht erkennbar, dass durch den Zuständigkeitswechsel Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung in relevantem Umfang unter Verfristungsaspekten gefährdet sein könnten. Kassenseitig habe über § 113 Abs. 4 SGB V in der bisherigen Fassung auch eine hinreichende Erfahrung bezüglich der eigenen Prüfung und Bescheidung von Angelegenheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Institutsambulanzen (nämlich gemäß den §§ 118 und 119 SGB V) bestanden.
Die Beigeladenen habe sich nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet über die Berufung in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragsärzte, weil es sich vorliegend um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 S. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und zulässig, aber in der Sache unbegründet.
Gegenstand der Berufung ist nur der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15.03.2018, mit dem der beklagte Beschwerdeausschuss den Widerspruch der Klägerin gegen den Prüfbescheid vom 19.08.2015 zurückgewiesen hat. In vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren ist grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand nach § 95 SGG. Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2011 - B 6 KA 13/10 R -, Rn. 16, in juris).
Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 1. Alt. SGG) ist zulässig und begründet. Der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Der Bescheid des Beklagten ist zwar formell rechtmäßig, weil der Beklagte für den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle zuständig ist (s. § 106c Abs. 3 S. 1 SGB V) und auch im Übrigen die Verfahrensvorschriften für das Widerspruchsverfahren beachtet wurden. Der Bescheid des Beklagten ist jedoch materiell rechtswidrig, weil er aus formellen Gründen gegen die Klägerin keinen Regress festsetzen durfte. Die Prüfgremien gemäß § 106c SGB V (bzw. § 106 Abs. 4 SGB V in der bis 31.12.2016 gültigen Fassung) sind seit 23.07.2015 nicht mehr für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Versorgung durch Hochschulkliniken zuständig (§ 113 Abs. 4 S. 1 SGB V in der Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes <GKV-VSG> vom 16.07.2015, BGBl. I 1211). Die Zuständigkeitsänderung wirkt sich auch auf bereits laufende Prüfverfahren aus, weil sie allein das formelle Verfahren betrifft (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 45/14 R -; BSG, Urteil vom 09.04.2008 - B 6 KA 34/07 R -; BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 6 KA 8/03 R -; alle in juris), so dass vorliegend bereits die Prüfungsstelle bei Erlass des Bescheides vom 19.08.2015 nicht mehr für die Festsetzung eines Regresses zuständig war. Das SG hat dies zutreffend im angefochtenen Urteil dargelegt. Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine durchgreifenden neuen Gesichtspunkte. Der vom Beklagten begehrten telelogischen Reduktion des § 113 Abs. 4 SGB V auf Fälle, in denen das Prüfverfahren erst nach Inkrafttreten begonnen hatte, stehen die Grenzen verfassungsrechtlich zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung entgegen. Der Wortlaut der Norm ist eindeutig; eine Übergangsvorschrift hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Von einer planwidrigen Regelungslücke kann nicht ausgegangen werden. Die vom Beklagten angeführten Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Zuständigkeitsänderung und drohende Fristversäumnisse rechtfertigen keine Abweichung vom Gesetzeswortlaut. Angesichts der (damals geltenden) Ausschlussfrist für die Festsetzung von Regressen von vier Jahren (BSG, Urteil vom 14.05.2014 - B 6 KA 13/13 R -; BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 6 KA 5/09 R -; beide in juris) hatten die Krankenkassen ausreichend Zeit, die notwendigen Vorbereitungen – auch für die Übernahme bereits laufender Prüfverfahren – zu treffen, zumal die Strukturen aufgrund ihrer schon zuvor bestehenden Prüfungszuständigkeit für die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch psychiatrische Institutsambulanzen und sozialpädiatrische Zentren (§ 113 Abs. 4 S. 2 SGB V in der bis 22.07.2015 gültigen Fassung) vorhanden waren. Zudem hatten die Krankenkassen als Antragsteller auch hinreichende Kenntnis vom jeweiligen Sachverhalt und waren damit ohne Weiteres in der Lage, über den erstrebten Regress einen Bescheid zu erlassen. Soweit in Einzelfällen – anders als vorliegend – kurz vor Ablauf der Ausschlussfrist der Zuständigkeitswechsel erfolgte und noch kein die Ausschlussfrist wahrender Prüfbescheid ergangen war, mag je nach Grund für die Verfahrensverzögerung eine Hemmung des Laufs der Ausschlussfrist in Betracht kommen. Möglicherweise bewirkte auch bereits der Antrag der Krankenkasse die Hemmung der Ausschlussfrist (offengelassen in BSG, Urteil vom 11.12.2019 - B 6 KA 23/18 R -, in juris). Eine überlange Verfahrensdauer auf Seiten der Prüfgremien ohne, dass hierfür rechtfertigende Umstände vorlagen, dürfte aber einer Hemmung grundsätzlich entgegenstehen. Einer abschließenden Entscheidung, wie mit diesen Fällen im Ergebnis umzugehen sein wird, bedarf es vorliegend jedoch nicht. Eine generelle Abweichung vom Gesetzeswortlaut lässt sich mit diesen Fällen – auch wenn sie, wie der Beklagte vorträgt, in nicht unerheblicher Anzahl vorgekommen sein mögen – jedenfalls nicht begründen. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt daraus nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).