L 8 AL 2190/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2638/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2190/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.06.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Anspruches des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 17.06.2020 bis 16.02.2021.

Der 1972 geborene verheiratete Kläger ist Vater u.a. eines 2005 geborenen Kindes. Er verfügt über keinen Berufsabschluss. Der Kläger war nach dem Hauptschulabschluss ab 1999 als Gabelstaplerfahrer, Produktionshelfer, Maschinen- und Anlagenführer, Helfer im Bereich Lagerwirtschaft sowie nach seinen Angaben auch als Berufskraftfahrer beschäftigt.

Der Kläger hatte in der Zeit vom 08.06. bis 12.06.2015 eine Weiterbildung mit 35 Stunden gemäß § 5 des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes (BKrFQG) i.V.m. § 4 der Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung (BKrFQV) absolviert.

Er bezog nach dem Ende seiner Helfertätigkeit im Bereich Lagerwirtschaft zum 31.10.2017 ab dem 01.11.2017 bis 12.08.2018 Alg von der Beklagten und vom 13.08.2018 bis 27.08.2018 Verletztengeld. Ab dem 11.09.2018 bis zur Erschöpfung des Anspruches am 28.11.2018 bezog er erneut Alg. Der Kläger war ab dem 03.12.2018 bei der D AG als Lkw-Fahrer beschäftigt. Ab dem 19.12.2018 war er arbeitsunfähig und bezog ab dem 30.01.2019 bis zur Aussteuerung am 16.06.2020 Krankengeld.

Der Kläger meldete sich am 14.04.2020 zum 17.06.2020 arbeitsuchend und beantragte sodann Alg. Nach Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit (H) vom 12.05.2020 und 25.05.2020 war der Kläger für den allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig; häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten (über 15 kg) ohne mechanische Hilfsmittel und u.a. Arbeiten im Knien und Hocken seien bei Minderbelastbarkeit des Beines zu vermeiden. Eine Wiedereingliederung am 09.06.2020 musste nach wenigen Stunden wegen Schmerzen abgebrochen werden.

Mit Bescheiden vom 16.06.2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab dem 17.06.2020 als vorläufige Entscheidung mit einem Leistungssatz von 30,49 € täglich für 240 Tage bis zum 16.02.2021, ausgehend von einem Bemessungsentgelt von 63,70 € und einem Leistungsentgelt von 45,51 € (bei Lohnsteuerklasse IV und mit dem erhöhten Prozentsatz von 67%). Ab dem 17.06.2020 sei sein Leistungsvermögen nicht eingeschränkt. Zum Bemessungsentgelt erhalte er ein gesondertes Schreiben (Lesezeichen in E-Verwaltungsakte). Dieses gesonderte Schreiben wurde jedoch tatsächlich nicht an den Kläger versandt. Nach den Unterlagen der Beklagten berücksichtigte sie dabei ein fiktives Bemessungsentgelt nach der Qualifikationsgruppe 4, da bei der Vermittlung (nur) Tätigkeiten in Frage kämen, die keine Ausbildung erforderten.

Der Kläger legte hiergegen, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, am 08.07.2020 Widerspruch ein, der jedoch nicht begründet wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei nicht begründet worden. Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt noch aus den Unterlagen ersichtlich.

Der Kläger hat am 04.09.2020 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, da ihm das Arbeitslosengeld in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 43,55 € zu gewähren sei. Das Alg sei nicht aufgrund einer körperlichen Einschränkung nach einer geringeren Qualifikationsgruppe zu bemessen, da er der Vermittlung ab dem 17.06.2020 uneingeschränkt zur Verfügung gestanden habe. Er habe ausweislich der Bescheinigung vom 11.06.2015 eine von der Beklagten geförderte Weiterbildung zum Berufskraftfahrer absolviert. Er hat hierzu auch augenärztliche Atteste sowie den Bildungsgutschein der Beklagten vorgelegt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, da der Kläger keine abgeschlossene Berufsausbildung habe, ansonsten nur im Helferbereich tätig gewesen sei und eine Beschäftigung als Kraftfahrer nicht mehr uneingeschränkt ausüben könne. Der Wiedereingliederungsversuch bei dem bisherigen Arbeitgeber sei nach wenigen Stunden gescheitert. Nach Stellungnahme der Arbeitsvermittlung kämen daher nur Tätigkeiten in Betracht, die keine Ausbildung erforderten, so dass er in Qualifikationsgruppe 4 einzustufen sei.

Mit Änderungsbescheid vom 28.11.2020 hat die Beklagte das Alg ab dem 01.01.2021 für die verbleibenden 46 Kalendertage bis 16.02.2021 weiterhin vorläufig in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 30,68 € (Bemessungsentgelt 63,70 €, Leistungsentgelt 45,79 €) gewährt.

Mit Bescheid vom 18.02.2021 hat die Beklagte das Alg für den Zeitraum vom 17.06.2020 bis 16.02.2021 in gegenüber den Bescheiden vom 16.06.2020 und 28.11.2020 unveränderter Höhe abschließend bewilligt.

Der Bevollmächtigte hat noch ausgeführt, dass das BSG offengelassen habe, ob bei der Zuordnung zu den Qualifikationsgruppen außer dem ursprünglichen Berufsabschluss einschließlich erfolgreich absolvierter Weiterbildungsmaßnahmen eine tatsächlich ausgeübte höherwertige Tätigkeit entscheidend sein könne, wenn eine Vermittlung in eine entsprechende Beschäftigung aufgrund der bisherigen Tätigkeit realistisch erscheine. Der Kläger könne auch ohne förmlichen Berufsabschluss in dem Bereich als LKW-Fahrer Bereich bestens vermittelt werden, ebenso wie ein LKW-Fahrer mit Berufsabschluss, weil er gerade und nur in diesem Bereich über erhebliche Erfahrung und tägliche Praxis verfüge. Für weiteren Vortrag zur Berufspraxis werde wegen Erkrankung des Klägers um Fristverlängerung bis 30.06.2020 gebeten.

Mit Gerichtsbescheid vom 08.06.2021 hat das SG – nach Anhörung der Beteiligten – die Klage abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf höheres Alg habe. Ihm stehe dem Grunde nach ein Anspruch auf Alg zu, da er die erforderliche Anwartschaftszeit erfülle und er sich arbeitsuchend und auch arbeitslos gemeldet habe. Der Kläger sei auch ungeachtet des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses beschäftigungslos, da bei weiterer Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Lohnzahlung und keine Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistung mehr bestünden. Er sei objektiv für zumutbare Tätigkeiten verfügbar. Soweit der Kläger sich für uneingeschränkt als Kraftfahrer einsetzbar halte, sei dies eine widerlegte Behauptung ins Blaue hinein, da er dann das ungekündigte Arbeitsverhältnis hätte wiederaufnehmen können. Im erweiterten Bemessungsrahmen vom 17.06.2018 bis 16.06.2020 werde mit dem Lohn bzw. der Entgeltfortzahlung im Zeittraum vom 03.12.2018 bis 29.01.2019 kein Bemessungszeitraum von 150 Tagen erreicht, so dass ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen sei. Der Kläger sei dabei zutreffend der Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet worden. Die von dem Kläger angestrebte Qualifikationsgruppe 3 setze voraus, dass der Arbeitslose über den für die Ausübung der angestrebten Beschäftigung erforderlichen formellen Berufsabschluss verfüge und komme danach nur dann in Betracht, wenn sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten auf eine Tätigkeit erstreckten, die eine formell abgeschlossene Berufsausbildung zwingend erfordere. Das BSG habe in seinem Urteil vom 04.07.2012 (B 11 AL 21/11 R) entgegen dem ersten Anschein auch mit Blick auf die übrigen Ausführungen keinen vernünftigen Zweifel daran gelassen, dass es auf den formellen Abschluss ankomme und dass Berufserfahrung und früher erzieltes Gehalt irrelevant seien. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift komme keine Auslegung dahingehend in Betracht, dass auch eine langjährige Berufserfahrung eine Einordnung in eine höhere Qualifikationsgruppe rechtfertigen könne. Denn dann, wenn eine Tätigkeit auch von ungelernten Personen mit langjähriger Berufserfahrung ausgeübt werden könne, erfordere die konkrete Tätigkeit gerade keine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf. Das pauschalierende System der Fiktivberechnung des Bemessungsentgelts einschließlich der damit verbundenen Äquivalenzabweichungen sei auch bei dieser Auslegung aus Sicht des erkennenden Gerichts verfassungsrechtlich unbedenklich und aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung zweckmäßig. Es sei auch nach dem BSG nicht erforderlich, bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistung herzustellen.

Der Kläger verfüge über keine förmliche Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Die 35 Stunden umfassende Weiterbildung im Jahr 2015 habe nur der berufsbegleitenden Weiterbildung nach § 5 BKrFQG gedient. Diese sei auch für berufsmäßig tätige LKW-Fahrer vorgeschrieben, die keine förmliche Berufsausbildung durchlaufen hätten, sondern ihren Beruf auf der Basis der entsprechenden Fahrerlaubnis und auf der Grundlage einer vierwöchigen Grundqualifikation nach § 4 BKrFQG ausübten. Die formelle Ausbildung zum Berufskraftfahrer erfordere nach § 2 der Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung (BKV) demgegenüber eine dreijährige Berufsausbildung. Das Gericht habe nach dem Lebenslauf (Bl. 29 der SG-Akte) keinen Zweifel daran, dass die Tätigkeiten, die der Kläger in der Vergangenheit ausgeübt habe, jeweils auch von einer Person mit Fahrerlaubnis und berufsbegleitender Weiterbildung nach § 5 BKrFQG, aber ohne abgeschlossene Ausbildung im Sinne der BKV ausgeübt werden konnten, und damit seiner formellen Qualifikation entsprachen. Das Bemessungsentgelt habe damit 1/600 der 2020 maßgeblichen Bezugsgröße von 38.220 € und damit 63,70 € am Tag betragen und sei von der Beklagten auch zu Grunde gelegt worden. Sonstige Berechnungsfehler seien nicht ersichtlich. Der Gerichtsbescheid ist dem Bevollmächtigten am 14.06.2021 zugestellt worden.

Der Kläger hat, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, am 30.06.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, da auch die langjährige berufliche Erfahrung des Klägers in dem Bereich als LKW-Fahrer nach der Rechtsprechung des BSG einen formellen Berufsabschluss ersetze. Der Kläger verfüge über Erfahrung als LKW-Fahrer aus den nachfolgenden Arbeitsverhältnissen jeweils mit mindestens 40 Stunden pro Woche: 2 Wochen bei der M B GmbH; 1 Jahr bei der S GmbH & Co.; 3 Monate bei der C GmbH; 6 Monate bei der Leihfirma K, B sowie 2 Jahre bei R,M1.

Der Kläger beantragt, sachdienlich gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.06.2021 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.02.2021 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 17.06.2020 bis einschließlich 16.02.2021 höheres Arbeitslosengeld auf Grundlage eines täglichen Bemessungsentgeltes von 84,93 € zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf den Gerichtsbescheid. Dort sei ausführlich erläutert und mit Rechtsprechung belegt worden, weshalb eine Einstufung in die nächsthöhere Qualifikationsgruppe 3 nicht in Betracht komme.

Der Berichterstatter hat den Kläger mit Verfügung vom 27.12.2021 auf die wohl fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung hingewiesen. Die Beklagte hat auf Aufforderung des Berichterstatters sodann noch die Verbis-Vermerke in ausgedruckter Form vorgelegt.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat an der Berufung festgehalten. Das BSG stelle in seinem Urteil vom 04.07.2012 ausdrücklich fest, dass eine erworbene berufliche Qualifikation für die Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit nicht immer erforderlich sei. Genauso lasse das Bundessozialgericht offen, wie mit tatsächlichen höherwertig ausgeübten Tätigkeiten umzugehen sei. Das Bundessozialgericht habe sich mit dieser Fallkonstellation nicht beschäftigt, weil es in dem dortigen Fall darauf nicht angekommen sei. Die Beklagte müsse bei Arbeitslosigkeit versuchen, den Kläger in einem Bereich zu vermitteln, der seinen Fähigkeiten und bisherigen Tätigkeiten entspreche. Dafür könnten formelle Berufsabschlüsse allenfalls einen Anhaltspunkt geben, allerdings nicht abschließend entscheidend sein. Im Übrigen liege in der Unterscheidung nur nach formellen Kriterien, also nur bei Berücksichtigung eines formellen Berufsabschlusses, eine Ungleichbehandlung, die eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes erfordere.

Der Berichterstatter hat noch darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 18.02.2021 nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sein dürfte.

Die Beteiligten haben sich sodann mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des erstinstanzlichen Verfahrens und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten (zwei Bände elektronische Verwaltungsakten sowie einen Ausdruck der verbis-Vermerke) der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.

Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen die höhenmäßige Begrenzung des Alg (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG) für die Zeit vom 17.06.2020 bis 16.02.2021 ist auch ohne exakte Bezifferung der Höhe der begehrten Leistungen zulässig (BSG, Urteil vom 17.09.2020 – B 11 AL 1/20 R –, in juris). Gegenstand der Anfechtungsklage ist dabei nur noch der während des Klageverfahrens ergangene Bescheid vom 18.02.2021, mit dem die Beklagte als Alg für den streitbefangenen Zeitraum in unveränderter Höhe nach § 328 Abs. 3 SGB III abschließend bewilligt hat. Dieser Bescheid hat die angefochtenen Bescheide ersetzt und damit erledigt (§ 96 Abs. 1 SGG, § 39 Abs. 2 SGB X; vgl. BSG, Urteil vom 14.2.2018 – B 14 AS 17/17 R –, in juris; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.03.2019 – L 32 AS 2123/14 –, in juris). Der Klageantrag war daher anhand des erkennbaren Klagebegehrens entsprechend auszulegen (§ 123 SGG).

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein höheres Alg zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Das SG hat bereits dargelegt, dass der Kläger die auch bei einem Streit um die Höhe des Anspruches zu prüfenden (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 17.09.2020 – a.a.O.) Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit nach §§ 136 Abs. 1 Nr. 1, 137 Abs. 1 SGB III ab dem 17.06.2020 bis 16.02.2021 erfüllte, da er arbeitslos und hier insbesondere auch beschäftigungslos war, er sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat und er auch die erforderliche Anwartschaftszeit unter Berücksichtigung des Krankengeld- und Verletztengeldbezuges aufwies. Zudem bestand eine objektive Verfügbarkeit für zumutbare Tätigkeiten. Hierüber besteht auch jeweils kein Streit. Der Senat schließt sich daher insoweit den Feststellungen in dem Gerichtsbescheid an und sieht von einer eigenen Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Zur Höhe des Anspruchs hat die Beklagte zu Recht entschieden, dass dem Kläger Alg nach einem Bemessungsentgelt von kalendertäglich 63,70 € und einem Leistungsentgelt von 45,51 € bzw. ab 01.01.2021 45,79 € für den streitbefangenen Zeitraum in Höhe eines Leistungssatzes von 30,49 € bzw. ab 01.01.2021 30,68 € zusteht.

Die Bemessung des Arbeitslosengeldes richtet sich nach § 149 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, wonach das Arbeitslosengeld für Arbeitslose mit mindestens einem Kind 67 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) beträgt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Bemessungsentgelt ist das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§ 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltzeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III). Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB III).

Das SG hat zutreffend festgestellt, dass hier im erweiterten Bemessungsrahmen vom 17.06.2018 bis 16.06.2020 kein Bemessungszeitraum von 150 Tagen erreicht wird und daher nach § 152 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt als Bemessungsentgelt zu Grunde zu legen ist. Dem schließt sich der Senat an und sieht daher von einer eigenen Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist die oder der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für die Arbeitslose oder den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat (§ 152 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Dabei ist für Beschäftigungen, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße zu Grunde zu legen. Bei Beschäftigungen, die keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ist ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße zu berücksichtigen (§ 152 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB III).

Die Zuordnung zu einer Qualifikationsgruppe richtet sich nicht unbedingt nach dem bisherigen Beruf, den der Arbeitslose bisher ausgeübt hat, sondern nach der beruflichen Qualifikation, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit ihre Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken hat; sodann ist zu prüfen, welche Ausbildung üblicherweise hierfür erforderlich ist (vgl. Brand/Brand, 9. Aufl. 2021, SGB III § 152 Rn. 5; Valgolio in: Hauck/Noftz SGB III, § 152 Rn. 33 jeweils m.w.N.)

Hier hatten sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten (§ 35 SGB III) vorrangig auf die Tätigkeit als Berufskraftfahrer zu richten, da es sich dabei um die letzte gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung handelte, die 2015 von der Beklagten geförderte Qualifizierungsmaßnahme sich auf diese Tätigkeit bezog und der Kläger in diesem Beruf auch wieder arbeiten wollte.

Es kann dabei offenbleiben, ob der Kläger für diese Tätigkeit auch gesundheitlich leistungsfähig war. In seinem Antrag auf Alg vom 24.04.2020 hatte er sich nur entsprechend eines im Rahmen einer ärztlichen Begutachtung festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung gestellt. Gerade für die am 03.12.2018 aufgenommene Beschäftigung als Lkw-Fahrer bestand zudem Arbeitsunfähigkeit. Der letzten gutachterlichen Stellungnahme von H für die Agentur für Arbeit vom 25.05.2020 ist zu entnehmen, dass die Tätigkeit als Lkw-Fahrer grundsätzlich weiter möglich sei; zugleich wurde aber eine neurologische bzw. verkehrsmedizinische Untersuchung für erforderlich gehalten. Das vorgenommene Profiling für den Zielberuf „Berufskraftfahrer“ vom 25.05.2020 wurde nach den vorgelegten Vermerken der Beklagten im Hinblick auf den fehlgeschlagenen Arbeitsversuch vom 09.06.2020 in der letzten Tätigkeit als Lkw-Fahrer am 16.06.2020 auf Tätigkeiten ohne erforderliche Ausbildung geändert und erst am 21.12.2020 wieder auf „Berufskraftfahrer“ gesetzt.

Hier würde aber auch eine Ausrichtung der Vermittlung auf die Tätigkeit als Berufskraftfahrer nicht zu einer Einstufung in die Qualifikationsgruppe 3 führen. Das SG hat ausführlich dargelegt, dass das Bemessungsentgelt im Falle des Klägers – wie von der Beklagten berücksichtigt – nach der Qualifikationsgruppe 4 mit einem Sechshundertstel der im Jahr 2020 maßgeblichen Bezugsgröße und mithin 63,70 € zu berechnen ist, da auf die erforderliche formelle Qualifikation zur Ausübung der für die Vermittlung in Arbeit in Betracht kommenden Beschäftigungen abzustellen ist, der Kläger über keine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf verfügt, und eine solche auch für eine angestrebte Tätigkeit als Berufskraftfahrer nicht zwingend erforderlich ist. Das SG hat ferner ausgeführt, dass keine sonstigen Berechnungsfehler bei der Bestimmung der Höhe des Anspruches auf Alg in dem streitbefangenen Zeitraum ersichtlich sind. Der Senat sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung auch diesbezüglich aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Bei dem Kläger, dessen jüngstes Kind nach seinen Angaben in der Arbeitslosmeldung vom 24.04.2020 am 18.05.2005 geboren ist und der daher ein Kind i.S.d. § 32 Abs. 1 und 3 EStG hat, berechnet sich das Alg nach § 149 Nr. 1 SGB III nach dem erhöhten Leistungssatz von 67% aus dem Leistungsentgelt. Hierüber besteht auch kein Streit. Hinsichtlich der weiteren Berechnungselemente des Anspruches verweist der Senat daneben auch auf die Begründung des angefochtenen Bescheides vom 18.02.2021 und sieht daher von einer erneuten Darstellung ab (§ 136 Abs. 3 SGG).

Ergänzend ist nur auszuführen, dass entgegen dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren auch eine langjährige berufliche Erfahrung des Klägers (nach dessen eigenen Angaben rund 3 Jahre und 9 Monate) in dem Bereich als LKW-Fahrer nach der Rechtsprechung des BSG keinen formellen Berufsabschluss ersetzen kann. 

Etwas Gegenteiliges lässt sich auch dem Urteil des BSG vom 04.07.2012 (B 11 AL 21/11 R –, in juris) nicht entnehmen. Das BSG hat in diesem Urteil gerade für die Zuordnung zu der jeweiligen Qualifikationsgruppe grundsätzlich darauf abgestellt, ob der Arbeitslose tatsächlich über den für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen förmlichen Berufsabschluss verfügt (a.a.O. Rn. 17). Das BSG hat dies auch im Zusammenhang mit § 68 SGB IX, der § 152 SGB III nachgebildet ist, bestätigt (BSG, Beschluss vom 13.01.2021 – B 13 R 54/20 B –, in juris Rn. 7). Der erkennende Senat hat auch bereits entschieden, dass es diesbezüglich alleine auf den förmlichen Abschluss der maßgeblichen Berufsausbildung ankommt (Urteil des Senats vom 25.10.2021 – L 8 AL 841/20 – n.v.).

Das SG hat zutreffend dargelegt, dass für die zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Berufskraftfahrer nach der BKrFQV keine Ausbildung nach der Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung erforderlich ist. Denn § 2 Abs. 1 Nr. 2 der BKrFQG regelt insoweit lediglich, dass auch durch den Abschluss einer Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer die nach der BKrFQG erforderliche Grundqualifikation erworben werden kann. Diese kann ansonsten auch durch die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKrFQG geregelten Voraussetzungen erreicht werden, die keine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf i.S.d. § 152 Abs. 2 Nr. 3 SGB III darstellen. Dies gilt erst recht für die Besitzstandsregelung des § 4 BKrFQG und die nach § 5 BKrFQG erforderliche kurzzeitige Weiterbildung, die auch der Kläger 2015 absolviert hat.

Das BSG hat in dem Urteil vom 04.07.2012 allerdings unter Hinweis auf Meinungen in der Kommentarliteratur offengelassen, ob bei der Zuordnung außer dem ursprünglichen Berufsabschluss einschließlich erfolgreich absolvierter Weiterbildungsmaßnahmen eine tatsächlich ausgeübte höherwertige Tätigkeit entscheidend sein könne, wenn eine Vermittlung in eine entsprechende Beschäftigung aufgrund der bisherigen Tätigkeit realistisch erscheint (a.a.O. Rn. 17). Dies kann der Berufung jedoch nicht zum Erfolg verhelfen. Der Umstand, dass die zuletzt ausgeübte und in der Vermittlung angestrebte Tätigkeit als Berufskraftfahrer auch von Fahrern mit anerkannter Berufsausbildung ausgeführt werden kann, führt hier nicht dazu, dass für das Bemessungsentgelt die Qualifikationsgruppe 3 heranzuziehen wäre. Denn § 152 Abs. 2 Satz 1 bzw. Abs. 2 Nr. 3 SGB III stellt insoweit auf die erforderliche berufliche Qualifikation und das Erfordernis einer abgeschlossenen Ausbildung in einem Ausbildungsberuf ab. Beides ist für die Tätigkeit als Berufskraftfahrer gerade nicht erforderlich. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat zu der entsprechenden Vorschrift des § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IX daher ausgeführt, dass eine Tätigkeit als Kraftfahrer schon im Ausgangspunkt keine „formale Qualifikation“ im Sinne etwa einer Ausbildung in einem Ausbildungsberuf voraussetzt, in die ein Arbeitnehmer „hineinwachsen“ könnte (Urteil vom 29.01.2020 – L 2 R 377/19 –, in juris, nachgehend gerade der bereits zitierte Beschluss des BSG vom 13.01.2021 – a.a.O.). Dem schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung an.

Die nähere Ausgestaltung der fiktiven Bemessung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere liegt darin nicht ein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art 3 GG. Denn der Gesetzgeber ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen grundsätzlich berechtigt, in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte durch typisierende Regelungen normativ zusammenzufassen, im Tatsächlichen bestehende Besonderheiten generalisierend zu vernachlässigen sowie Begünstigungen oder Belastungen in einer gewissen Bandbreite nach oben und unten pauschalierend zu bestimmen, jedenfalls wenn die damit verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären. Dabei darf der Gesetzgeber auch die Praktikabilität und Einfachheit des Rechts als hochrangige Ziele berücksichtigen, um den Erfordernissen einer Massenverwaltung Rechnung zu tragen (BSG, Urteil vom 29.05.2008 – B 11a AL 23/07 R –, in juris m.w.N.). Das Bemessungsentgelt hätte hier im Übrigen zwar rund 80 € täglich betragen, wenn alleine auf die beiden im erweiterten Bemessungszeitraum von zwei Jahren abgerechneten Arbeitsentgelte in den Monaten Dezember 2018 und Januar 2019 abzustellen gewesen wäre. Auf diesen kurzen Zeitraum, der dazu im Wesentlichen auf einer Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit beruhte, kann für die Bestimmung des im Falle des Klägers 240 Kalendertage dauernden Anspruches auf Alg nach den generell-typisierenden Regelungen in §§ 150ff. SGB III jedoch gerade nicht abgestellt werden. Bedenken gegen die Angemessenheit der Regelungen über das fiktive Bemessungsentgelt (vgl. BSG, Urteil vom 29.05.2008 – a.a.O. Rn. 54) bestehen auch vor diesem Hintergrund nicht.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Rechtskraft
Aus
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