L 8 BA 66/20 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 45 BA 10/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 66/20 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.2.2020 geändert.

Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Aktenzeichen S 45 BA 11/20 beim Sozialgericht  Düsseldorf anhängigen Klage gegen den Bescheid vom 21.6.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2019 wird abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragstellerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

Der Streitwert wird für das gesamte einstweilige Rechtsschutzverfahren auf 15.344,10 Euro festgesetzt.

 

Gründe

 

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf, der in nur knappen Entscheidungsgründen auf einer bloßen Spekulation beruht und eine Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung vermissen lässt, ist aufzuheben und der Eilantrag abzulehnen.

 

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin konnte die Antragsgegnerin die Beschwerde am 11.3.2020 per Fax wirksam einlegen und ist diese damit fristgerecht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 13. Aufl., § 173 Rn. 3 i.V.m. § 151 Rn. 3c m.w.N.).

 

Die Beschwerde ist begründet. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer unter dem Aktenzeichen S 45 BA 11/20 beim SG Düsseldorf anhängigen Klage gegen den Bescheid vom 21.6.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2019 ist zulässig, jedoch nicht begründet.

 

Der Zulässigkeit des am 13.1.2020 (erneut) gestellten Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung steht der Beschluss des SG vom 19.1.2020 (Az: S 45 BA 153/19 ER) nicht entgegen, mit dem dieses einen von der Antragstellerin gestellten (vorigen) Eilantrag vom 12.9.2019 als unzulässig abgelehnt hat. Auch wenn die vom SG abgegebene Begründung, dass nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2019 für die begehrte Anordnung „kein Raum“ mehr sei, unzutreffend war, ist durch den Beschluss nur das Fehlen einer Sachentscheidungsvoraussetzung rechtskräftig festgestellt worden. Auf die Sache selbst erstreckt sich die Rechtskraft jedoch nicht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020. § 142 Rn. 3b i.V.m. § 141 Rn. 9 m.w.N.). Der Beschluss ist daher auch nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, die einem erneuten Antrag und einer erneuten Entscheidung entgegenstünde (vgl. Senatsbeschluss v. 8.7.2020 – L 8 BA 72/20 ER – juris Rn. 12).

 

Der vorliegend streitige Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist jedoch nicht begründet. Es spricht nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht – wie erforderlich (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 4 m.w.N.) – mehr dafür als dagegen, dass sich der angefochtene Bescheid, mit dem die Antragsgegnerin von der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1.1.2014 bis 31.12.2017 Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagen in Höhe von insgesamt 61.376,40 Euro nachfordert, als rechtswidrig erweisen wird.

 

Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen bzw. gem. § 86b Abs. 1 S. 2 SGG die Aufhebung einer schon erfolgten Vollziehung anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die – wie hier erfolgte – Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung.

 

Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 3). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter 1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).

 

1.) Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 12.2.2020 – L 8 BA 157/19 B ER – juris Rn. 5 m.w.N.).

 

Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage nicht anzuordnen, da deren Erfolg nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Es spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass sich der angefochtene Bescheid vom 21.6.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2019 in der Hauptsache als rechtswidrig erweisen wird.

 

Rechtsgrundlage des aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV). Im Rahmen der Prüfung werden gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte (sog. Prüfbescheide) zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide erlassen.

 

a) Der Bescheid vom 21.6.2019 ist formell rechtmäßig. Die Antragstellerin wurde vor seinem Erlass mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 3.4.2019 gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angehört.

 

b) Nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes in materiell-rechtlicher Hinsicht in einem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigenden Umfang nicht gegeben. Es spricht derzeit nicht mehr dafür als dagegen, dass  ZS als mitarbeitender Gesellschafter bei der Antragstellerin in dem der Beitragsnacherhebung zugrunde gelegten Zeitraum sozialversicherungspflichtig beschäftigt war und Beiträge und Umlagen in der von der Antragsgegnerin festgestellten Höhe zu entrichten sind (hierzu unter aa). Dem stehen weder hinreichende Anhaltspunkte für einen Bestandsschutz aus einem früheren Statusbescheid (hierzu unter bb) noch für einen Vertrauensschutz aus früheren Betriebsprüfungen (hierzu unter cc) entgegen.

 

aa) Gem. § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für diese zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d S. 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III].

 

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraus. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – insbesondere bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 14 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG Beschl. v. 20.5.1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 6 ff).

 

Wer Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft hält, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur dann selbstständig erwerbstätig, wenn damit zugleich eine im Gesellschaftsvertrag verankerte wesentliche Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen dergestalt verbunden ist, dass im Einzelfall zumindest Einzelanweisungen an sich jederzeit abgewehrt werden können (vgl. z.B. BSG Beschl. v. 9.4.2019 – 12 KR 91/18 B – juris Rn. 6; Urt. v. 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R – juris Rn. 28 m.w.N.; Urt. v. 19.8.2015 – B 12 KR 9/14 R – juris Rn. 26 f. m.w.N.; Senatsurt. v. 29.1.2020 – L 8 BA 153/19 – juris Rn. 49).

 

Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer bzw. den mitarbeitenden Gesellschafter in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags bestehende Vereinbarungen über die Ausübung von Stimmrechten, wirtschaftliche Verflechtungen oder tatsächliche Einflüsse kraft familiärer Verbundenheit oder überlegenen Wissens ("Kopf und Seele") sind nicht zu berücksichtigen. Sie vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben, weil sie nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände genügen (st. Rspr., vgl. zB BSG Beschl. v. 9.4.2019 – B 12 KR 91/18 B – juris Rn. 7; Urt. v. 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R – juris Rn. 22 m.w.N.; Senatsurt. v. 29.1.2020 – L 8 BA 153/19 – juris Rn. 50 m.w.N.). Jedwede außerhalb der Satzung selbst statuierte Abrede birgt – jedenfalls abstrakt – die Gefahr, durch eine nachträgliche Abänderung zuvor getroffener Abreden rechtsmissbräuchlich rückwirkend Versicherungsfreiheit zu generieren. Dieses Risiko wird dann entscheidend gemindert, wenn nur im Gesellschaftsvertrag selbst verankerte und im Fall der Satzungsänderung dem notariellen Beurkundungsgebot (§§ 53 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 54 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG) unterliegende Abänderungen Maßstab der zu beurteilenden Rechtsmacht sind. Hierdurch wird entsprechend Rechtssicherheit für den Rechtsverkehr im Außenverhältnis der Gesellschaft geboten (vgl. Senatsurt. v. 29.1.2020 – L 8 BA 153/19 – juris Rn. 50 m.w.N.).

 

Eine Rechtsmacht im genannten Sinn – und damit eine anzunehmende Selbstständigkeit – besteht bei einem mitarbeitenden Gesellschafter, der zugleich zum Geschäftsführer der GmbH bestellt ist, wenn er über eine Kapitalbeteiligung von mindestens 50 v.H. verfügt oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist, die es ihm zumindest ermöglicht, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. vom 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 15 m.w.N.; Senatsurt. v. 29.1.2020 – L 8 BA 153/19 – juris Rn. 51).

 

Etwas anderes gilt, wenn der mitarbeitende Gesellschafter einer GmbH nicht zum Geschäftsführer bestellt worden ist. Ein mitarbeitender, nicht geschäftsführender Gesellschafter besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung grundsätzlich nicht regelmäßig auch zugleich die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Seine Rechtsmacht erschöpft sich in solchen Fällen vielmehr allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der Gesellschaft Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 11.11.2015 – B 12 KR 2/14 R – juris Rn. 37 m.w.N.; Urt. v. 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R – juris Rn. 21; Urt. v. 19.8.2015 – B 12 KR 9/14 R – juris Rn. 28 m.w.N.).

 

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und Abgrenzungskriterien ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass für den im Hauptsacheverfahren beizuladenden ZS (vgl. zur fehlenden Beiladungspflicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren z.B. Senatsbeschl. v. 3.7.2015 – L 8 R 672/14 B ER – juris Rn. 29 f.) keine hinreichende Rechtsmacht zur Vermeidung ihm ungenehmer Weisungen bestanden hat und er damit nicht als selbstständig angesehen werden kann.

 

Im streitigen Zeitraum vom 1.1.2014 bis 31.12.2017 war ZS als Gesellschafter am Stammkapital der Antragstellerin zu 25 v.H. beteiligt. Bei Erteilung einer Weisung durch seine zur Geschäftsführerin bestellte Mutter, BS, die mit 75 v.H. am Stammkapital der Antragstellerin beteiligt war, hatte er mit seinem Gesellschaftsanteil nicht die Möglichkeit, die in der Gesellschafterversammlung erforderliche einfache Mehrheit aufzubringen, um die Geschäftsführerin zu einer Änderung anzuhalten. Gleichermaßen konnte er eine gem. § 46 Nr. 5 GmbHG in der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung liegende Abberufung der Geschäftsführerin nicht herbeiführen.

 

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesellschafterbeschluss vom 16.7.2002 und der dem ZS auf dieser Grundlage durch BS erteilten Generalvollmacht vom selben Tag.

 

Der Gesellschafterbeschluss hat die Satzung der Antragstellerin nicht rechtswirksam geändert. Regelungen der Satzung zur Vertretung der Gesellschaft und zu den erforderlichen Mehrheiten bei Beschlüssen der Gesellschafter können – wie dargelegt – nur mit einer gem. § 53 Abs. 2 GmbHG notariell beurkundeten und gem. § 54 Abs. 1 und 3 GmbHG ins Handelsregister eingetragenen Satzungsänderung wirksam geändert werden (vgl. auch BSG Urt. v. 23.2.2021 - B 12 R 18/18 R – juris Rn. 22). Hieran fehlt es vorliegend. Bei der von BS erteilten Generallvollmacht als solcher wiederum handelt es sich um einen außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Rechtslage liegenden Umstand, der eine Selbstständigkeit nicht begründen kann (vgl. zB BSG Beschl. v. 9.4.2019 -- B 12 KR 91/18 B – juris Rn. 7; Urt. v. 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R – juris Rn. 22 m.w.N.; Senatsurt. v. 26.2.2020 – L 8 BA 126/19 – juris Rn. 47).

 

Für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung unerheblich ist die familiäre Verbundenheit des ZS zur BS als deren Sohn (vgl. BSG Urt. v. 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R – juris Rn. 40 ff).

 

Soweit das SG dem Eilantrag – allein – mit der Begründung stattgegeben hat, die 80jährige Geschäftsführerin, BS, sei aufgrund ihres Alters möglicherweise nicht mehr geschäftsfähig (gewesen), handelt es sich um eine bloße Spekulation. Ein solcher Umstand ist weder von der Antragstellerin selbst vorgetragen worden noch findet sich in der Akte hierfür irgendein Anhaltspunkt. Für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status des ZS als mitarbeitendem Gesellschafter sind Alter, Gesundheitszustand und Erwerbsbiographie seiner Mutter auch unmaßgeblich (vgl. Senatsurt. v. 11.4.2018 – L 8 R 1026/16 – juris Rn. 124). Vielmehr ist – wie bereits dargelegt – relevant auf das satzungsrechtliche Weisungsrecht abzustellen.

 

Ob es tatsächlich nicht zu einer Weisung der BS an den ZS oder zum Streitfall darüber gekommen ist, spielt keine Rolle. Maßgeblich für die Beurteilung ist allein die im zu beurteilenden Zeitraum bestehende Rechtsmacht (vgl. z.B. BSG Urt. v. 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R – juris Rn. 23; Urt. v. 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R – juris Rn. 39, 41; Urt. v. 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R - juris Rn. 31).

 

bb) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ZS aufgrund der Bindungswirkung einer (vorigen) Statusentscheidung der beigeladenen Einzugsstelle als versicherungsfrei angesehen werden müsste, liegen nicht vor. Die Beigeladene hat mitgeteilt, keine entsprechende Feststellung getroffen zu haben (Schriftsätze vom 10.11.2020 und 25.2.2021); Akten lägen nach dem Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht mehr vor (Schriftsatz vom 25.2.2021). Die Antragstellerin selbst hat einen (früheren) Statusbescheid nicht beigebracht, obwohl ihr vom Senat hierzu mehrfach die Gelegenheit gegeben worden ist (Verfügungen vom 11.2.2021, 17.3.2021 und 10.5.2021).

 

Das an ZS selbst adressierte Schreiben der Beigeladenen vom 12.1.2007 enthält keine bindende Regelung gegenüber der Antragstellerin des Inhalts, dass dieser in seiner streitbefangenen Tätigkeit bei ihr nicht der Versicherungspflicht unterliege. Im einleitenden Satz wird vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zur Überprüfung der Versicherungspflicht zusätzliche Angaben von „seinem Arbeitgeber“ benötigt würden, also eine Statusentscheidung gerade noch nicht erfolgen konnte und sollte.

 

Soweit handschriftlich auf diesem Schreiben notiert ist „SV-Frei lt. Frau L Telefonat vom 8.2.06 hS“, bleibt dieser Vermerk sowohl hinsichtlich der konkreten Gesprächspartner als auch des Gesprächsinhalts unklar. Vortrag der Antragstellerin hierzu ist nicht erfolgt. Weitere Ermittlungen bleiben insoweit ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

 

cc) Schließlich kann die Antragstellerin entgegen ihrer Auffassung keinen Vertrauensschutz aufgrund vorausgegangener Betriebsprüfungen bzw. der Prüfmitteilungen vom 13.3.2014 und 29.10.2018 beanspruchen. Betriebsprüfungen hatten nach langjähriger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur den Zweck, die Beitragsentrichtung im Interesse der Versicherungsträger und der Versicherten sicherzustellen. Ihnen kam keine Entlastungswirkung für den Arbeitgeber zu, weil sie nicht umfassend oder erschöpfend sein müssen und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken dürfen (vgl. § 11 Beitragsverfahrensverordnung). Eine materielle Bindungswirkung aufgrund einer Betriebsprüfung konnte sich nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und Beitragspflicht sowie -höhe im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden (vgl. z.B. BSG Urt. v. 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 30 m.w.N.). Letztere Voraussetzung gilt unter der neueren Rechtsprechung, die nunmehr auch von einer Schutzwirkung für den Arbeitgeber ausgeht (vgl. BSG a.a.O. – juris Rn. 31 f.), fort (vgl. Senatsurt. v. 29.1.2020 – L 8 BA 153/19 - juris Rn. 74).

 

Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass Feststellungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht – bezogen auf die Tätigkeit des ZS –im Rahmen früherer Betriebsprüfungen durch Verwaltungsakt getroffen worden sind. Einen entsprechenden Bescheid hat sie nicht beigebracht. Die beigezogenen Prüfmitteilungen stellen bereits keinen Verwaltungsakt dar (vgl. BSG a.a.O. – juris Rn. 32). Darüberhinaus enthält die Mitteilung vom 13.3.2014 zur Betriebsprüfung betreffend den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2013 auch keine Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status des ZS in der streitbefangenen Tätigkeit. In der Prüfmitteilung vom 29.10.2018 wiederum wird hinsichtlich der Beurteilung dessen Tätigkeit ausdrücklich auf eine noch ergehende gesonderte Nachricht verwiesen.

 

2.) Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für die Antragstellerin durch die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides liegt nicht vor.

 

Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für sie verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 7.3.2019 – L 8 BA 75/18 B ER – juris Rn. 17).

 

Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 - L 8 BA 266/19 B ER - juris Rn. 27). Dabei ist vom Beitragsschuldner auch darzulegen und glaubhaft zu machen, ob er bei Fortsetzung seines Geschäftsbetriebs und Einhaltung aller rechtlichen Bestimmungen in der Lage ist, derart rentabel zu wirtschaften, dass die noch offene Beitragsforderung in überschaubarer Zeit beglichen werden kann (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 15.6.2020 - L 8 BA 139/19 B ER). Das Vorliegen einer entsprechenden Härte ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 – L 8 BA 266/19 B ER – juris Rn. 30 m.w.N.).

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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