Die Anerkennung einer Kindererziehungszeit kommt nur dann in Betracht, wenn Elternteil und Kind im Erziehungszeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten.
Ob sich jemand gewöhnlich an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält oder vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise entscheiden. Bei der Beurteilung der Zukunftsoffenheit des Aufenthaltes sind alle damit verbundenen Umstände zu berücksichtigen, bei denen es sich um subjektive, objektive, tatsächliche und rechtliche Umstände handeln kann. Dies umfasst bei Ausländern auch die aufenthaltsrechtliche Position. Ist diese auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt, steht dies der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes trotz faktisch andauernden Verbleibens und einem entsprechenden Bleibewillen entgegen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung unter Anerkennung von Kindererziehungszeiten (KEZ) und von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (KBZ).
Die 1962 in Sour/T im Libanon geborene Klägerin hat 13 Kinder, deren Vornamen und Geburtsdaten wie folgt lauten:
L M I A H Mo A R A-A-R A A K A A Ra Aisha A A-M A E |
1979 1981 1983 1984 1986 1988 1990 1991 1992 1994 1996 1998 2001 |
Ausweislich des beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten -Ausländerbehörde (jetzt: Landesamt für Einwanderung; im Folgenden: LBO) geführten Verwaltungsvorgangs kam die Klägerin nach Angaben der Grenzschutzstelle Z (Schreiben vom 25. September 1990) am 09. September 1990 illegal zusammen mit den zu diesem Zeitpunkt geborenen Kindern und ihrem 1955 in T im Libanon geborenen Ehemann Ma A-A – zunächst unter Angabe falscher Namen und fehlender Reisedokumente - über die Grenze der damaligen CSFR nach Deutschland. Der Rucksack mit dem libanesischen Flüchtlingspass der Klägerin und den 7 Identitätskarten der Kinder wurde jedoch im Waldgebiet um die Gemeinde Z aufgefunden. Die Klägerin beantragte im September 1990 eine Aufenthaltserlaubnis, wobei sie für sich und die bereits geborenen Kinder als Staatsangehörigkeit palästinensisch angab. Das Landeseinwohneramt Berlin Abteilung für Ausländerangelegenheiten (LEA) stellte eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung bis zum 13. März 1991 (Duldung) nach § 17 des Ausländergesetzes in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung (AuslG 1965) aus, worin als Staatsangehörigkeit „ungeklärt" angegeben wurde und eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet wurde. Diese Duldung wurde bis zum 13. September 1991 verlängert. Im September 1991 wurde der Pass der Klägerin bei Vorlage der Geburtsurkunde des Sohnes A R eingezogen. Der Klägerin wurde mit Schreiben vom 24. September 1991 Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Aufforderung zur Ausreise und zur beabsichtigten Androhung der Abschiebung, für den Fall der Nichtausreise, gegeben. Die Klägerin verfüge über keine Aufenthaltserlaubnis und eine solche könne auch nicht erteilt werden. Mit Rücksicht auf die Lage im Herkunftsland sei der Aufenthalt bislang geduldet worden. Die Verhältnisse hätten sich dort aber insoweit geändert, dass der Klägerin eine Ausreise möglich sei. Die Duldung wurde bis zum 06. Dezember 1991 verlängert.
Mit Schreiben vom „24. September 1991“, persönlich abgegeben am 01. Oktober 1991, gab die Familie beim LEA an, im Libanon Übergriffen ausgesetzt gewesen zu sein und daher nicht zurückkehren zu können. In Deutschland habe man sich mittlerweile eingelebt. Im April 1992 beantragten die Klägerin, ihr Ehemann sowie ihre Kinder Asyl. Im Rahmen der Prüfung des Asylantrags wurden die Klägerin und ihr Ehemann auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen. Sie teilten am 04. Mai 1992 mit, dass sie ihre Asylgründe nicht darlegen und zunächst mit ihrem Anwalt sprechen wollten. Der Klägerin und ihren Kindern wurde am 09. Juni 1992 eine Aufenthaltsgestattung nach § 20 des Gesetzes über das Asylverfahren (Asylverfahrensgesetz <AsylVfG> in der bis zum 30. Juni 1992 geltenden Fassung < aF>), beschränkt auf das Land Berlin, bis zum 30. November 1992 erteilt und später bis zum 26. Mai 1993, danach bis zum 28. November 1993 verlängert. Am 28. August 1992 wurde eine Aufenthaltserlaubnis von der Klägerin für die Familie beantragt. Hier kreuzte die Klägerin zu den Fragen, ob sie an Krankheiten leide und ob sie eine Arbeitserlaubnis besitze, jeweils „nein" an. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde unter Bezugnahme auf die § 3 Abs. 1, § 11 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz – AuslG), eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 09. Juli 1990 (BGBl. I 1990,1354 ff.) und in Kraft getreten am 01. Januar 1991, (im Folgenden: AuslG 1990) abgelehnt (Bescheid vom 17. Februar 1993), weil die Klägerin ohne Visum eingereist sei. Zur Durchführung des Asylverfahrens sei der Aufenthalt ebenfalls nicht gestattet, werde aber weiterhin ermöglicht. Mit Schreiben vom 24. Februar 1993 legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Bescheid vom 18. August 1993 wurden vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: BAMF) die Anträge der Familie auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 AuslG 1990 abgelehnt und mitgeteilt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG 1990 nicht vorlägen. Die Klägerin und ihre Familie wurden aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von einem Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte die Frist nicht eingehalten werden, würden sie in den Libanon abgeschoben. Im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.
Die am 24. Mai 1993 nunmehr unter Bezugnahme auf § 55 AsylVfG in der ab dem 01. Juli 1992 geltenden Fassung (nF) erteilte Aufenthaltsgestattung wurde (nach Einreichung einer Klage beim Verwaltungsgericht <VG> Berlin) wiederholt verlängert. Der Widerspruch vom 24. Februar 1993 gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07. September 1995 zurückgewiesen. Hierbei wurde darauf hingewiesen, dass kein Anspruch auf dauerhaften Aufenthalt bestehe.
Mit Schreiben vom 28. März 1996 beantragte die Klägerin für sich und ihre Kinder die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Ihr sei es wegen verschärfter Einreisebestimmungen nicht mehr möglich, in den Libanon zurückzukehren. Es liege ein Abschiebehindernis vor. Sie werde ihren Asylantrag gegen Erteilung der beantragten Aufenthaltsbefugnis zurücknehmen. Der Antrag wurde vom LEA mit Bescheid vom 02. Januar 1997 abgelehnt. Eine Aufenthaltsbefugnis könne nur erteilt werden, wenn einer freiwilligen Ausreise und einer Abschiebung Hindernisse entgegenstünden, die der Ausländer nicht zu vertreten habe. Diese lägen hier nicht vor. Zudem seien die Einreisebeschränkungen im Libanon von vorübergehender Natur. Es sei zudem beabsichtigt, die Tochter A zur Ausreise aufzufordern und die Abschiebung anzudrohen, da ihr Aufenthalt nur durch das Asylverfahren der Klägerin ermöglicht werde.
Im Rahmen des Asylverfahrens reichte die Klägerin ärztliche Kurzbescheinigungen für folgende Krankheits-/Arbeitsunfähigkeitszeiten ein: 15. November bis 22. November 1994, 04. November bis 11. November 1996, 07. Dezember bis 11. Dezember 1998 (fieberhafte Bronchitis), 02. November bis 08. November 1999, 17. April 2003 bis 18. April 2003.
Letztlich wurde die Aufenthaltsgestattung bis zum 16. Oktober 2003 verlängert (Verlängerung vom 17. April 2003). Sämtliche Aufenthaltsgestattungen nach § 20 AsylVfG aF bzw. § 55 AsylVfG nF waren mit der Klausel versehen, dass die Arbeitsaufnahme erlaubt sei, wenn eine Arbeitserlaubnis vom zuständigen Arbeitsamt erteilt werde. Das BAMF teilte der Ausländerbehörde am 15. Juli 2003 mit, dass der Antrag der Klägerin, ihres Ehemannes und der Kinder auf Anerkennung als Asylberechtigte wie auch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 hinsichtlich des Herkunftsstaates unanfechtbar abgelehnt worden sei. Abschiebungshindernisse im Sinne von § 53 AuslG 1990 lägen nicht vor. Die Entscheidung beruhe auf dem rechtskräftigen Urteil des VG Berlin (VG 34 X 67.02) vom 16. Mai 2003 (zugestellt dem BAMF am 22. Mai 2003, den Klägern am 23. Mai 2003). Lediglich das Verfahren der volljährigen Tochter M betreffend ein Abschiebehindernis nach § 53 AuslG 1990 war vom VG abgetrennt worden (VG 34 X 161.03).
Die Klägerin (und ihre minderjährigen Kinder) erhielt (erhielten) dann Bescheinigungen über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) vom 04. August 2003, 03. Februar 2004, 02. August 2004, 01. Februar 2005, 29. Juli 2005, 27. Januar 2006 und 27. Juli 2006, wobei jeweils eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet wurde. Die Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung wurde am 27. Juli 2006 mit dem Zusatz versehen: „Kein Aufenthaltstitel! Der Inhaber ist ausreisepflichtig".
Am 31. Oktober 2005 beantragte(n) die Klägerin (ihr Ehemann und die minderjährigen Kinder) erneut eine Aufenthaltserlaubnis. Mit Schreiben vom 02. Januar 2006 wurde diese unter der Bedingung zugesichert, als dass der Behörde innerhalb von drei Monaten ein Document de Voyage der Republik L vorgelegt werde. Nachdem die Klägerin und ihr Ehemann zunächst mitteilen ließen, dass sie keinen Kontakt zur L Botschaft hätten, wurde ihnen auf ihren Antrag mit Schreiben vom 22. September 2006 erneut die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorlage der Dokumente innerhalb von zwei Monaten zugesichert. Diese Frist wurde zweimalig auf jeweils sechs Monate verlängert (Schreiben vom 09. November 2006 und 11. Januar 2007).
Nach Vorlage eines Document de Voyage am 16. Januar 2007 erhielt die Klägerin noch am gleichen Tag eine befristete Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 5 des am 01. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), die wiederholt verlängert wurde. Nach Einbürgerung ihrer 3 jüngsten Kinder wurde der Klägerin am 18. März 2014 eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG erteilt, die verlängert wurde.
Die Klägerin, die über keine berufliche Ausbildung verfügt, noch nie eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, in Deutschland bis Januar 2013 Sozialhilfe bzw. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hat und seit Februar 2013 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, beantragte am 03. Juni 2013 bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab an, dass ihre Staatsangehörigkeit ungeklärt sei. Als Zeitraum für die Erziehung von Kindern im Ausland gab sie die Zeit vom 07. Dezember 1979 bis zum 31. August 1990 im L an. Zudem bestätigte sie, dass sie keine Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten zurückgelegt habe, die im Versicherungsverlauf nicht enthalten seien. Des Weiteren legte die Klägerin ärztliche Unterlagen über bei ihr bestehende Leiden (Diabetes Mellitus, Bluthochdruck, Lumboischialgien, Impingement-Syndrom der Schulter, Halswirbelsäulen- (HWS-) Syndrom, Adipositas, Kopfschmerzsyndrom, depressive Verstimmungen etc.) vor. Die Beklagte holte eine Auskunft vom 21. Oktober 2013 nach § 34 des Gesetzes über das Äusländerzentralregister (AZR-Gesetz) beim Bundesverwaltungsamt zum aufenthaltsrechtlichen Status der Klägerin seit 1990 ein.
Mit Bescheid vom 26. November 2013 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf der Klägerin bis zum 31. Dezember 2006 nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) verbindlich fest. Hierbei wurden lediglich KBZ vom 01. Februar 2007 bis zum 20. Mai 2008 für den Sohn A-A-M und vom 01. Februar 2007 bis zum 15. März 2011 für den Sohn A E vorgemerkt. Die Ablehnung weiterer Zeiten wegen Kindererziehung wurde u.a. damit begründet, dass während der Erziehung der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht auf einem zukunftsoffenen Aufenthaltstitel beruht habe und deshalb kein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorgelegen habe.
Mit weiterem Bescheid vom 26. November 2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Sie begründete die Entscheidung damit, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Rentengewährung nicht erfüllen würde. Es fehle an der Erfüllung der Mindestversicherungszeit, d.h. der „allgemeinen Wartezeit" von 60 Monaten, vor Eintritt der Erwerbsminderung. Auf die allgemeine Wartezeit würden Beitragszeiten und Ersatzzeiten sowie Wartezeitmonate aus Versorgungsausgleich, Rentensplitting und geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung angerechnet. Das Versicherungskonto der Klägerin enthalte bis zum 30. Juni 2013 keinen Wartezeitmonat. In bestimmten Fällen könne die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt sein, wenn die Erwerbsminderung z.B. durch einen Arbeitsunfall oder innerhalb von 6 Jahren nach einer Ausbildung eingetreten sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Mit Schreiben vom 05. Dezember 2013 erhob die Klägerin gegen die Rentenablehnung mit der Begründung Widerspruch, ihre Gesundheit sei eingeschränkt, und legte ärztliche Bescheinigungen sowie den Bescheid über die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 20 vom 29. August 2013 vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Februar 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Rente sei nicht aus medizinischen Gründen abgelehnt worden, sondern weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung erhielten erwerbsgeminderte Versicherte, die die allgemeine Wartezeit erfüllt und in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hätten. Die allgemeine Wartezeit betrage nach § 50 Abs. 1 SGB VI 5 Jahre. Gemäß § 51 Abs. 1 SGB VI würden auf die allgemeine Wartezeit die Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet. Da von der Klägerin keine Beiträge entrichtet worden seien, sei die Wartezeit nicht erfüllt.
Mit der am 10. März 2014 beim Sozialgericht Berlin (SG) eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Rentenbegehren weiterverfolgt und vorgetragen, sie habe die allgemeine Wartezeit erfüllt, da für ihre sechs in Deutschland geborenen Kinder jeweils 3 Jahre KEZ und damit Pflichtbeitragszeiten anzuerkennen seien. Hiermit habe sie die allgemeine Wartezeit erfüllt. Zudem lägen auch die Voraussetzungen hinsichtlich des Fünfjahreszeitraums vor. Seit Februar 2013 beziehe sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, so dass die Zeit ab Februar 2013 als Anrechnungszeit gelte. Damit erstrecke sich der Fünfjahreszeitraum auf den Zeitraum zwischen Februar 2008 und Februar 2013. Des Weiteren liege gemäß § 57 SGB VI eine KBZ vom 16. März 2001 bis zum 16. März 2011 wegen Erziehung des jüngsten Kindes vor. Nach Verlängerung des Fünfjahreszeitraums auch um diese KBZ ergäbe sich ein Zeitraum vom 16. März 2001 bis heute, in welchem Pflichtbeitragszeiten von über 3 Jahren wegen Kindererziehung vorlägen. Es seien ab ihrer Einreise im September 1990 KEZ und KBZ anzuerkennen, da sie seitdem ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB l) in der Bundesrepublik Deutschland habe. Bei ungeklärter Staatsangehörigkeit und vorangegangenem Aufenthalt in einem Flüchtlingslager im L habe sie von der Ausländerbehörde Kettenduldungen erhalten, die 2007 in eine Aufenthaltserlaubnis übergegangen seien. Die objektiven Umstände ihres Aufenthaltes seit 1990 ließen erkennen, dass sie nicht nur vorübergehend, wie etwa besuchsweise oder zu Urlaubs- oder Behandlungszwecken, hier verweilt habe. Für die Vorlage eines gewöhnlichen Aufenthaltes bedürfe es keines besonderen aufenthaltsrechtlichen Titels. Zudem sei die Abschiebepraxis der Behörden sowie der Umstand zu beachten, dass bei einzelnen Personenkreisen - wie vorliegend – die Kettenduldung zur Normalität geworden sei. Auch sei eines ihrer Kinder in Deutschland sehr krank gewesen und auch dies sei ein Grund gewesen, sie nicht abzuschieben. Das Kind habe Bronchitis und Herzprobleme gehabt und sei auch drei Monate im Krankenhaus behandelt worden. Nach 2001 sei sie zudem selbst erkrankt und u.a. aufgrund einer Hirnhautentzündung ins Koma gefallen. Es werde auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Februar 1988 (B 10 RKg 17/87) sowie die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 07. Juli 2016 zum Aktenzeichen L 27 R 428/15 (betreffend Kettenduldungen einer Staatsangehörigen aus B und H) hingewiesen. Die Klägerin hat u.a. ihren am 22. März 2016 ausgestellten Personalausweis vorgelegt, wonach sie nunmehr die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Des Weiteren hat sie den Teil B einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 17. März 2014, erstellt von dem Dipl.- Med. P und dem Arzt W für das Jobcenter B M, zur Akte gereicht, wonach aufgrund der erheblichen Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Klägerin voraussichtlich bis zu 6 Monate von ihr wirtschaftlich sinnvolle Erwerbsarbeiten nicht zu erbringen seien.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten: Bei allen Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Grundgesetz (GG) seien, müssten zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes zusätzlich zu dem auf rein tatsächlichen Umständen beruhenden zukunftsoffenen Aufenthalt im Inland nach der Rechtsprechung des BSG rechtliche Erfordernisse hinzutreten, weil sie ansonsten zur Ausreise verpflichtet seien. Es sei daher ein Aufenthaltstitel erforderlich. Eine zukunftsoffene Aufenthaltserlaubnis in diesem Sinne habe die Klägerin erst ab Januar 2007 innegehabt. Deshalb könnten bis Dezember 2006 keine weiteren KEZ und KBZ angerechnet werden. Weil KEZ bis Dezember 2006 aus den oben genannten Gründen nicht berücksichtigt werden könnten, könnten auch die entsprechenden Berücksichtigungszeiten nicht angerechnet werden. Asylbewerber hätten während des Asylverfahrens keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Nur bei Bewilligung von Asyl liege ein gewöhnlicher Aufenthalt ab dem Tag der Einreise vor. Bei rechtskräftiger Ablehnung des Antrags und Erteilung einer Duldung werde grundsätzlich kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet. Auf die Ablehnung des Asylantrags am 07. Juni 2003 werde verwiesen.
Das SG hat die Ausländerakte der Klägerin in Kopie zur Gerichtsakte genommen.
Mit Urteil vom 28. Juni 2017 hat das SG die auf Aufhebung des Bescheides vom 26. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Februar 2014 und Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung setze nach § 43 SGB VI voraus, dass bei der Versicherten volle oder teilweise Erwerbsminderung vorliege (1.), diese in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit habe (2.) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt habe (3.). Die allgemeine Wartezeit wiederum betrage 5 Jahre (§ 50 SGB VI). Auf die allgemeine Wartezeit würden Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet (§ 51 SGB VI). Beitragszeiten seien Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten seien auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Als Beitragszeiten gälten auch Zeiten, für die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig KBZ oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder vorliegen. Nach § 56 SGB VI seien KEZ die Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten 3 Lebensjahren, wobei dem Elternteil Erziehungszeiten zugeordnet würden, der sein Kind erzogen habe. Voraussetzung für die Anrechnung sei, dass die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen sei, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei oder einer solchen gleichstehe und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen sei. Nach § 56 Abs. 3 SGB VI sei die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten habe. Für den gewöhnlichen Aufenthalt sei auf § 30 SGB l abzustellen. Hiernach gelte, dass die Vorschriften dieses Gesetzbuchs für alle Personen gälten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich hätten. Einen Wohnsitz habe jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehabe, die darauf schließen ließen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen werde. Den gewöhnlichen Aufenthalt habe jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile.
Ausländer hätten, solange ihre Asylberechtigung im Anerkennungsverfahren nicht bindend oder rechtskräftig festgestellt sei, im Bundesgebiet in der Regel keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. Seewald in: Kasseler Kommentar, SGB l, § 30 Rn. 24). Die Anerkennung von KEZ und/oder KBZ sei bei ausländischen Elternteilen für Zeiten vor Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ausgeschlossen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Juni 2012 - L 2 R 89/10 -).
Insoweit schließe sich die Kammer auch den Ausführungen des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 07. Dezember 2004 (L 11 RJ 1912/04) an, welches ausgeführt habe: „Die Voraussetzungen, unter denen dem Kläger eine Kindererziehungszeit anzuerkennen wäre, liegen aber für die Zeit vom 17.09.1996 bis 16.09.1999 nicht vor. Dabei lässt auch der Senat wie das SG offen, ob der Kläger das Kind S. tatsächlich überwiegend erzogen hat, denn die Anerkennung einer Kindererziehungszeit scheitert vorliegend an der Erziehung im Inland. Damit die Erziehung in der Bundesrepublik erfolgt ist, müssen der Kläger und das Kind S. sich während des fraglichen Zeitraums der Kindererziehung dort gewöhnlich aufgehalten haben. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil - SGB l -). An den Wohnsitz nach § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB l knüpft § 56 Abs. 3 SGB VI nicht an. Die Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB l gilt für alle Sozialleistungsbereiche des SG, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 Satz 1 SGB l). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts knüpft an die objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnisse während des Beurteilungszeitraums an (vgl. BSG SozR 3 - 2600 § 56 Nr. 7). Ein Domizilwille, der mit den tatsächlichen Umständen nicht übereinstimmt, ist unbeachtlich (BSG SozR 3 - 1200 § 30 Nr. 13; BSG SozR 3 - 6710 Art. 1 Nr. 1). Der Elternteil und das Kind müssen während der als Kindererziehungszeit geltend gemachten Zeit faktisch den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse im Inland gehabt und sich hier rechtlich gebilligt und nicht nur vorübergehend - etwa besuchsweise oder zu Urlaubs- oder Behandlungszwecken - aufgehalten haben. Der Aufenthalt muss zukunftsoffen, d. h. nicht auf Beendigung angelegt gewesen seien. Zu den nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB l der Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts zugrunde zu legenden Umständen gehört auch der ausländerrechtliche Status, der so beschaffen sein muss, dass der tatsächliche Aufenthalt des die Anrechnung der Kindererziehungszeit begehrenden Elternteils während des in Frage stehenden Zeitraums nicht nur vorübergehend war. Einen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Sinne haben Ausländer, die einer Aufenthaltsgenehmigung bedürfen, wenn sie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG) oder einer Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG) und - unter bestimmten Umständen - einer Aufenthaltsbefugnis (§ 30 ff. AuslG) sind. Asylbewerbern ist nach § 55 AsylVerfG der Aufenthalt im Inland zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet. Sie haben vor bindender oder rechtskräftiger Feststellung des Asylrechts ihren gewöhnlichen Aufenthalt regelmäßig nicht im Inland (BSGE 49, 254; 58, 294; 62, 67; 67, 243; BSG SozR 3 - 2600 § 56 Nr. 2, 3, 11). Hierbei bleibt die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts außer Betracht, unabhängig davon, wie lange er bereits andauerte oder noch andauern wird (BSG Breithaupt 1988, S. 339). Bloße Duldungen nach §§ 55, 56 AuslG stehen der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts stets entgegen, weil sie eine aktuelle Ausreisepflicht voraussetzen, deren Durchsetzung vorübergehend zeitweise ausgesetzt wird. Das gleiche gilt von einer Aussetzung der Abschiebung nach § 54 AuslG und für rein verwaltungsinterne Regelungen oder Handhabungen, nach denen eine bestehende Ausreisepflicht vorübergehend nicht durchgesetzt wird."
Dies zugrunde gelegt, sei festzustellen, dass für die Klägerin zunächst nur eine kurze Duldung ausgesprochen worden sei, sie dann aber bereits am 24. September 1991 zur Ausreise aufgefordert und im Falle der Nichtausreise die Abschiebung angedroht worden sei, weil sich die Lage im Herkunftsland verbessert habe. Nur durch die Meldung als Asylbewerberin sei es der Klägerin möglich gewesen, sich wegen der Durchführung des Asylverfahrens weiterhin in Deutschland aufzuhalten. Hier habe sie allerdings nur eine Aufenthaltsgestattung gehabt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei mehrfach abgelehnt worden. Dabei schließe sich das Gericht hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes abzuschätzen sei, der Entscheidung des LSG vom 07. Juli 2016 an. Denn ob sich jemand gewöhnlich an einem Ort oder in einem Gebiet aufhalte oder nur vorübergehend dort verweile, lasse sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise entscheiden. Diese habe alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände zu berücksichtigen; dies könnten subjektive wie objektive, tatsächliche wie rechtliche Umstände sein. Es könne demnach nicht allein auf den Willen der Betroffenen ankommen, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen; dies gelte insbesondere dann, wenn dieser nicht mit den tatsächlichen objektiven Umständen übereinstimme. Bei Ausländern sei bei dieser Gesamtbetrachtung u.a. darauf abzustellen, ob eventuelle Hindernisse der Abschiebung eines Ausländers entgegenstünden. Der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts eines Ausländers stünden danach grundsätzlich keine Hindernisse entgegen, soweit keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen getroffen oder zu erwarten seien. Davon sei u.a. auszugeben, wenn der Betreffende aufgrund besonderer ausländer- bzw. aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen oder behördlicher Praxis auch bei endgültiger Ablehnung eines Antrags auf ein dauerhaftes Bleiberecht nicht mit einer Abschiebung zu rechnen brauche. Sei demnach die Frage des gewöhnlichen Aufenthaltes aufgrund einer Prognose zu beurteilen, verbiete sich von vornherein die von der Klägerin vorgenommene Betrachtung ex-post unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer bis zur Erlangung der ersten Aufenthaltserlaubnis. Vielmehr sei im Rahmen der Prognose darauf abzustellen, wie sich die Situation der Klägerin bei der Geburt der Kinder, für die KEZ in Betracht kämen, dargestellt habe.
Hier sei gerade nicht von einem zukunftsoffenen Aufenthalt der Klägerin in Deutschland auszugehen. Zum einen sei hier die Androhung der Abschiebung vom 24. September 1991 anzuführen und auch die Mitteilung im Bescheid vom 18. August 1993, in dem die Klägerin auch aufgefordert worden sei, Deutschland zu verlassen, und mitgeteilt worden sei, dass im Falle der Nichteinhaltung eine Abschiebung drohe. Diese Verpflichtung habe auch nach Abschluss des Asylverfahrens fortbestanden und angedauert. Erst am 04. August 2003 seien wieder Duldungen ausgesprochen worden, wobei hier die Zusicherung einer Aufenthaltserlaubnis nur unter der Einreichung von Dokumenten ausgesprochen worden sei. Dass es sich nicht um einen zukunftsoffenen Aufenthalt gehandelt habe, ergebe sich zudem aus dem behördlichen Vermerk auf dem Titel zur Aussetzung der Abschiebung vom 27. Juli 2006, mit dem die Ausreisepflicht nochmals festgestellt worden sei. Eine behördliche Praxis der Nichtabschiebung in vergleichbaren Fällen sei dem Gericht nicht bekannt, vielmehr habe die Ausländerbehörde mehrfach festgestellt, dass keine Abschiebehindernisse bestünden. Erstmals im Januar 2007 habe die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erhalten. Erst zu diesem Zeitpunkt habe daher ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden können.
Die von der Klägerin im Klageverfahren als Abschiebungshindernisse vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkungen seien weder in den Verfahren der Ausländerbehörde vorgetragen oder aktenkundig worden, noch seien hierfür Nachweise bei Gericht eingereicht worden.
Die Anerkennung von KEZ für die Erziehung der Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland scheide daher aus, weshalb die allgemeine Wartezeit für den geltend gemachten Rentenanspruch nicht erfüllt sei.
Gegen das ihr am 02. August 2017 zugestellte Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer am 04. September 2017 (Montag) beim LSG Berlin-Brandenburg eingelegten Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Entgegen der Auffassung des SG sei die Ergänzung der Voraussetzungen des § 30 SGB I durch statusrechtliche Merkmale (insbesondere des Ausländer-/Asylrechts) des Berechtigten angesichts des rechtsstaatlichen sowie des in § 31 SGB I ausdrücklich normierten Gesetzesvorbehaltes nicht zulässig (vgl. Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 82. EL 2017, SGB I § 30 Rn. 12; ebenso Schlegel in: jurisPK-SGB I, § 30 Rn. 51 m.w.N.). Auch das BSG habe in seinem Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R -, Rn. 19, dargelegt, dass es der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthaltes zuwiderlaufe, wenn unter Berufung auf eine sogenannte Einfärbungslehre vor allem des früheren 4. Senats des BSG dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt würden. Zudem reiche es auch ex-ante aus, wenn die Verweildauer zunächst ungewiss sei. Es genüge, dass ein längeres Verweilen in Betracht komme. Trotz ergangener Ausreiseaufforderungen seien sie und ihre Familie nie abgeschoben worden, sondern hätten in der Folge von der Ausländerbehörde Duldungen erhalten, die 2007 in eine Aufenthaltserlaubnis übergegangen seien. Als Palästinenser ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon hätten sie bereits deshalb nicht abgeschoben werden können, weil sie von der libanesischen Botschaft keine Pässe hätten erhalten können, da sie keine libanesische Staatsangehörige seien. Zudem habe einer Abschiebung die gleich nach der Geburt beginnende Erkrankung ihres 1992 geborenen Sohnes A A K und auch ihre eigene Erkrankung entgegen gestanden. Als Schwangere und Mutter von sehr kleinen Kindern habe sie immer zu einem besonders geschützten Personenkreis gehört. Hinsichtlich der Problematik der palästinensischen Flüchtlinge aus dem Libanon werde nochmals auf die Entscheidung des BSG vom 23. Februar 1988 - B 10 RKg 17/87 -, Rn. 19, hingewiesen. Für diese habe es von 1982 bis 1990 praktisch die ganze Zeit einen Abschiebestopp gegeben. Nach Einführung des neuen AuslG von 1990 sei es den Ländern verwehrt, eigene Abschiebstopps zu erlassen. Allerdings seien auch weiterhin Duldungen aus politischen und nichtpolitischen Gründen erfolgt. Hierzu werde auf den auszugsweise in Kopie vorgelegten Aufsatz des Herrn Ralph Ghadban „Die Libanon-Flüchtlinge in Berlin,“ 2. Aufl. 2008, Seiten 163 bis 166, sowie den ebenfalls zur Akte gereichten Artikel von Thomas Dreger „Wie ein Blatt im Wind“, veröffentlicht in der TAZ vom 25. April 1998 verwiesen. Die Klägerin hat ein Attest der Kinderarztpraxis, bei der ihr 1992 geborener Sohn wegen einer im März 1994 diagnostizierten und medikamentös behandelten Myokarditis in Behandlung war, vorgelegt, welches von den Nachfolgerinnen der früheren Kinderärztin anhand der Patientenakte am 17. August 2022 ausgestellt worden ist. Darin heißt es, dass vermutlich nach Ausheilung der Erkrankung im Jahr 1994 keine Medikamente mehr verordnet worden waren und die Kardiologie in der Charité Kinderklinik im September 2002 telefonisch nach einer Kontrolle das Herz als gesund befunden hatte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend. Sie hat auf Anforderung des Senats einen aktuellen Versicherungsverlauf für die Klägerin vorgelegt, der keine weiteren als die bereits vorgemerkten Zeiten enthält.
Auf Anfrage des Senats hat das Landesamt für Einwanderung (Ausländerbehörde) unter dem 11. August 2022 die Weisungen des Landes Berlin betreffend aufenthaltsrechtliche Regelungen für palästinensische Flüchtlinge aus dem Libanon aus den Jahren 1989 bis 2007 übersandt, die den Beteiligten digital zur Verfügung gestellt worden sind; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausdrucke Blatt 180 ff. der Gerichtsakte verwiesen. Zudem hat das VG Berlin das das Asylverfahren beendende Urteil vom 16. Mai 2003 – VG 34 X 67.02 – in Kopie zur Akte gereicht, welches den Beteiligten ebenfalls zur Kenntnis gegeben worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der Kopie der Ausländerakte der Klägerin sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die frist- und formgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz < SGG>) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig.
Bei sachgerechter Auslegung (§ 123 SGG) ist das von der Klägerin bereits erstinstanzlich erhobene Begehren als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG zu werten, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Februar 2014 und Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach (§ 130 Abs. 1 SGG) zur Gewährung einer Geldleistung in Gestalt einer Rente wegen voller, hilfsweiser wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet, denn das SG hat mit Urteil vom 28. Juni 2017 zu Recht die Klage abgewiesen. Der von der Klägerin angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Februar 2014 erweist sich als rechtmäßig. Wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat, erfüllt die Klägerin nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach §§ 43 Abs. 1 und Abs. 2, 240 SGB VI. Ein Anspruch nach § 240 SGB VI scheidet bereits deshalb aus, weil diese Regelung nur Leistungsansprüche für vor dem 02. Januar 1961 geborene Versicherte ermöglicht, die Klägerin jedoch 1962 geboren ist.
Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist dagegen nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu berücksichtigen ist.
Ob bei der Klägerin das körperliche und geistige Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt bei Stellung des Rentenantrages am 03. Juni 2013 oder erst ab einem späteren Zeitpunkt soweit eingeschränkt war bzw. ist, dass volle oder zumindest teilweise Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI festgestellt werden kann, vermag der Senat anhand der Aktenlage mangels aussagekräftiger sozialmedizinischer Gutachten nicht zu beurteilen. Die für das Jobcenter B M von dem Dipl.-Med. Pf und dem Arzt W erstellte sozialmedizinische Stellungnahme vom 17. März 2014 lässt noch nicht auf ein dauerhaftes bzw. länger als 6 Monate eingeschränktes Leistungsvermögen schließen. Jedoch bedurfte es hierzu keiner weiteren Ermittlungen von Amts wegen, da der geltend gemachte Rentenanspruch schon aus einem anderen Grund abzulehnen war.
Die Klägerin erfüllt schon nicht die allgemeine Wartezeit.
Gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI ist die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (60 Monate nach § 122 Abs. 2 SGB VI) Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Auf die allgemeine Wartezeit werden Kalendermonate mit Beitragszeiten (§ 51 Abs. 1 SGB VI), aber auch Kalendermonate mit Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 4 SGB VI) angerechnet.
Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Als Beitragszeiten gelten auch Zeiten, für die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig KBZ oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder vorliegen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).
Da vorliegend Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ersatzzeiten nach § 250 SGB VI nicht ersichtlich sind, die Klägerin weder einer beitragspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist noch freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat, kommen hier allein KEZ als nach §§ 56 Abs. 1, 249 Abs. 1 SGB VI gleichgestellte Beitragszeiten in Betracht. Denn nach § 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind Personen in der Zeit, für die ihnen KEZ anzurechnen sind (§ 56), versicherungspflichtig. Die Pflichtbeiträge sind vom Bund zu zahlen (§ 177 SGB VI).
Der Geltendmachung von KEZ und KBZ im Rahmen des Rentenverfahrens steht auch nicht der nach § 149 Abs. 5 SGB VI erlassene bestandskräftige Feststellungsbescheid vom 26. November 2013 entgegen. Zwar handelt es sich bei dem Feststellungsbescheid nach § 149 Abs. 5 SGB VI auch hinsichtlich der Ablehnung bestimmter rentenrechtlicher Tatsachen (Negativ-Bescheid) um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der Bindungswirkung entfaltet (vgl. Diel in: Hauck/Noftz, SGB VI, Werkstand: 2. EL 2022, § 149 Rn. 43 ff, mit Verweis auf die Rechtsprechung des BSG). Jedoch hat der Feststellungsbescheid nach § 149 Abs. 5 SGB VI bei einem laufenden Rentenverfahren seine beweissichernde Funktion verloren, wenn im (ablehnenden) Rentenbescheid - wie hier – letztlich alle Daten aus dem Feststellungsbescheid übernommen werden bzw. dem Bescheid zugrunde gelegt werden. Damit hat sich der Feststellungsbescheid auf sonstige Weise im Sinne von § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erledigt, die Feststellung weiterer rentenrechtlicher Tatbestände ist dann im Rahmen der Prüfung des Rentenanspruches vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2005 – B 4 RA 21/04 R -, juris).
KEZ sind nach § 56 Abs. 1 SGB VI Zeiten der Erziehung eines (nach dem 31. Dezember 1991 geborenen) Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Die KEZ für ein vor dem 01. Januar 1992 geborenes Kind endet gemäß § 249 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 30. Juni 2014 maßgebenden Fassung zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Erst mit Wirkung ab dem 01. Juli 2014 werden 24 Kalendermonate und mit Wirkung ab dem 01. Januar 2019 30 Kalendermonate für vor dem 01. Januar 1992 geborene Kinder angerechnet.Für ein Elternteil wird eine KEZ angerechnet, wenn 1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, 2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht, und 3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 SGB VI beginnt die KEZ nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, sodass eine KEZ anzurechnen ist, wird die KEZ für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert (§ 56 Abs. 5 Satz. 2 SGB VI).
Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer KEZ auch in dieser Zeit vorliegen (§ 57 Satz 1 SGB VI).
Mangels Vorliegens einer abweichenden übereinstimmenden Erklärung der Eltern im Sinne von § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI kommt hier zwar die Zuordnung von KEZ zur Klägerin als Mutter der Kinder (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI) in Betracht. Zur Überzeugung des Senats werden jedoch die weiteren Voraussetzungen für die Feststellung von KEZ (und KBZ) nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 SGB VI von der Klägerin vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (nach § 25 Abs. 5 AufenthG) am 16. Januar 2007 nicht erfüllt. Anhaltspunkte für das Vorliegen der in § 56 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB VI genannten Voraussetzungen, d.h. für ein Gleichstehen der Erziehung der Kinder im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, sind hier nicht ersichtlich.
KEZ (und KBZ) liegen nur dann vor, wenn die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist. Eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI nur dann erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Der gewöhnliche Aufenthalt bestimmt sich nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I.
Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I besteht der gewöhnliche Aufenthalt dort, wo sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Die darin enthaltene Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des SGB, soweit sich nicht aus seinen übrigen Büchern etwas anderes ergibt (§ 37 Satz 1 SGB I).
Ob sich jemand gewöhnlich an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält oder vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise (Prognose) entscheiden. Wenn Änderungen eintreten, kann der gewöhnliche Aufenthalt an dem Ort oder in dem Gebiet nur vom Zeitpunkt der Änderung an begründet werden oder entfallen, sodass es nicht rechtserheblich ist, dass bei späterer rückschauender Betrachtung eine andere prognostische Beurteilung gerechtfertigt sein könnte. Die Prognose hat alle mit dem Aufenthalt verbundene Umstände zu berücksichtigen, bei denen es sich um subjektive, objektive, tatsächliche und rechtliche Umstände handeln kann. Es kommt daher nicht allein auf den Domizilwillen an, sondern auf die Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Tatsachen, die zu Beginn und während der Dauer des streitigen Zeitraums vorgelegen haben (vgl. BSG, Urteile vom 10. Dezember 2013 - B 13 R 9/13 R-, Rn. 28 ff., 31. Oktober 2012 - B 13 R 1/12 R -, Rn. 25 ff., 30, 32, und vom 03. April 2001 – B 4 RA 90/00 R -, Rn. 18, jeweils in juris). Für den gewöhnlichen Aufenthalt ist das Kriterium seiner längeren Dauer wesentlich, wenn auch ein dauerhafter, ständiger Aufenthalt nicht erforderlich ist und eine starre Zeitgrenze in der Rechtsprechung mit Verweis auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abgelehnt worden ist. Dauerhaft ist ein Aufenthalt, wenn und solange er unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist (so auch BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R -, Rn 18, und vom 31. Oktober 2012 - B 13 R 1/12 R -, Rn. 30 f., jeweils in juris).
Zwar hat die Klägerin von September 1990 bis Januar 2007 den örtlichen Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Bundesgebiet gehabt. Dies reicht zur Überzeugung des Senats für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes für die Zeit vor dem 16. Januar 2007 nicht aus, da es im Hinblick auf dessen Umstände, insbesondere dem ausländerrechtlichen Status der Klägerin, an dem weiteren Erfordernis der Zukunftsoffenheit fehlt.
Dabei kann dahinstehen, ob der Beurteilung die in der älteren Rechtsprechung des BSG – vor allem des früheren 4. Senats - (vgl. BSG, Urteile vom 03. April 2001 - B 4 RA 90/00 R -, Rn. 14 ff., und vom 27. Januar 1994 – 8 RJ 16/93 -, Rn. 26 ff., jeweils in juris; anders: BSG, Urteile vom 30. April 1997 - 12 RK 30/96 -, Rn. 17 ff., juris, für die Familienversicherung nach § 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>, und vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R -, Rn. 19 f, juris, für den Bereich des SGB II – konkret § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II -, wobei im Falle der dortigen Klägerin dies nicht entscheidungserheblich war, da sich die Zukunftsoffenheit ihres Aufenthaltes schon aus ihrem unmittelbar aus dem Freizügigkeitsrecht der Europäischen Union resultierenden Aufenthaltsrecht ergab) vertretene „Einfärbungslehre“ zugrunde zu legen ist. Unter Bezugnahme auf § 37 Satz 1 SGB I wurde hierbei vertreten, dass die darin vorgesehene Möglichkeit, abweichende Regelungen zu treffen, zeige, dass der Begriff des „gewöhnlichen Aufenthaltes“ nur hinreichend unter Berücksichtigung des Zweckes des Gesetzes bestimmt werden könne, in welchem der Begriff gebraucht werde. Die einzelgesetzliche Materie bewirke eine „Einfärbung“ des Begriffs. Entscheidungen und Begriffsbestimmungen zum gewöhnlichen Aufenthalt, die aus anderen Gesetzen stammten oder sich auf andersgeartete Materien bezögen, könnten deshalb nur mit einer gewissen Zurückhaltung auf weitere Sachgebiete übertragen werden. Infolgedessen war die Frage, wann ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, vom BSG ungeachtet der vereinheitlichenden Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes in § 30 Abs. 3 SGB I für den Bereich verschiedener Sozialgesetze unterschiedlich beantwortet worden (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1994 – 8 RJ 16/93 -, Rn. 26 ff., m.w.N. zur Rechtsprechung, juris). Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung in Teilbereichen, etwa beim Kinder-, Erziehungs- und Elterngeld, aufgegriffen und einen Anspruch von einem definierten Aufenthaltsstatus abhängig gemacht (z.B. § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz <BKGG>, § 1 Abs. 7 Bundeselterngeld- und -elternzeitgesetz <BEEG>, § 1 Abs. 6 Bundeserziehungsgeldgesetz <BErzGG> in der Fassung bis zum 31. Dezember 2006; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Differenzierungskriterien: Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 06. Juli 2004 - 1 BvR 2515 /95 - in BVerfGE 111, 176 ff.). Die sogen. „Einfärbungslehre“ hat Kritik sowohl in der Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R -, Rn. 19, juris) als auch in der Literatur (vgl. Spellbrink in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 118. EL März 2022, SGB I § 30, Rn. 26; Pitz in: jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 30, Rn. 26, 52, 57) dahingehend erfahren, dass sie über die Wortlautinterpretation hinausgehe und dem Gesetz nicht zu entnehmende Tatbestandserfordernisse in Form bestimmter materiell-rechtlicher Aufenthaltstitel anfüge, was jedoch gemäß § 31 SGB I dem Gesetzgeber vorbehalten sei.
Allerdings erfasst, was auch von den Kritikern der sogen. „Einfärbungslehre“ zugestanden wird (vgl. Spellbrink in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 118. EL März 2022, SGB I § 30, Rn. 29, 30; Pitz in: jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 30, Rn. 57; vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5 RJ 12/97 R -, Rn. 16 ff., und vom 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R -, Rn. 26, jeweils in juris), bereits die Grundregelung des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I den ausländerrechtlichen Status insofern, als zu den Umständen, aus denen sich für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts ergeben muss, dass der Ausländer nicht nur vorübergehend im Bundesgebiet verweilt, auch der ausländerrechtliche Status gehört. Ist die aufenthaltsrechtliche Position auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt, steht dies der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts trotz faktisch andauernden Verbleibens und einem entsprechenden Bleibewillen entgegen; denn der Ausländer hat es nicht in der Hand, über die Dauer seines Aufenthalts im Inland frei zu bestimmen. Dabei ist bei befristeten oder zweckgebundenen Aufenthaltsberechtigungen, Gestattungen oder Duldungen der Aufenthalt aber nicht erst dann auf Beendigung angelegt, wenn zusätzlich besondere ausländerbehördliche Maßnahmen dazu getroffen sind. Insoweit wird die Aufenthaltsposition durch den Inhalt der von der Ausländerbehörde erteilten Bescheinigungen bestimmt, wie es sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstellt. Auf einen bestimmten ausländerrechtlichen Titel kommt es dagegen nicht an (vgl. BSG, Urteile vom 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R -, Rn. 26, und vom 18. Februar 1998 – B 5 RJ 12/97 R -, Rn. 16 f., jeweils in juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 18. März 2021 – L 13 R 223/21 -, veröffentlicht in: www.sozialgerichtsbarkeit.de). Bei ausländerrechtlichen Duldungen (vgl. § 17 AuslG 1965, §§ 55, 56 AuslG 1990, § 60a AufenthG), die nur eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung eines Ausländers darstellen, da sie weder die Ausreisepflicht (vgl. § 12 AuslG 1965, § 42 AuslG 1990, § 50 AufenthG) noch deren Vollziehbarkeit beseitigen (vgl. Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. 1999, § 56 AuslG 1990 Rn. 2, bzw. 8. Aufl. 2005, § 60a AufenthG Rn. 14), lässt sich eine Prognose dahingehend, dass der Ausländer sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten werde, nicht treffen (vgl. BSG, Urteile vom 03. Dezember 2009 – B 10 EG 6/08 R -, Rn. 46 ff., und vom 01. September 1999 – B 9 SB 1/99 R -, Rn. 15, jeweils in juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 2015 - L 2 R 5352/13 -, und LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14. Januar 2021 – L 1 R 223/19 -, jeweils veröffentlicht in: www.sozialgerichtbarkeit.de). Da der geduldete Ausländer nach Ablauf der Duldung jederzeit mit der Abschiebung rechnen muss, wird auch bei wiederholten Verlängerungen der Duldung (sogen. Kettenduldungen) und einem damit faktisch einhergehenden langjährigen Verweilen im Inland das der Duldung innewohnende provisorische Element seines Aufenthaltes nicht beseitigt (vgl. BSG, Urteil vom 03. Dezember 2009 – B 10 EG 6/08 R -, Rn. 46 ff., juris). Insbesondere die Asylbewerbern allein zum Zwecke der Durchführung des Asylverfahrens nach § 20 AsylVfG aF bzw. § 55 AsylVfG nF erteilte Aufenthaltsgestattung vermag vor bindender oder rechtskräftiger Feststellung des Asylrechts einen zukunftsoffenen Aufenthalt nicht zu begründen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5 RJ 12/97 R -, Rn. 17, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07. Dezember 2004 - L 11 RJ 1912/04 -, Rn. 31, juris; Spellbrink in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 118. EL März 2022, SGB I § 30, Rn. 30; Fichte in: Hauck/Noftz, SGB VI; Werkstand 2. EL 2022, § 56, Rn. 60; jeweils m.w.N.). Ausnahmsweise kommt bei einer Duldung oder einer endgültigen Ablehnung eines Antrages auf ein dauerhaftes Bleiberecht (z.B. Asyl) ein gewöhnlicher Aufenthalt in Betracht, wenn der Betreffende aufgrund besonderer ausländer- bzw. aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen oder behördlicher Praxis, z.B. aufgrund einer länderspezifischen Weisungslage, nicht mit einer Abschiebung zu rechnen braucht, d.h. wenn von einem Abschiebehindernis auf unabsehbare Zeit auszugehen ist (vgl. BSG, Urteile vom 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R -, Rn. 26, und vom 18. Februar 1998 – B 5 RJ 12/97 R -, Rn. 16 f., jeweils in juris; Spellbrink in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 118. EL März 2022, SGB I § 30, Rn. 30).
Dies zugrunde gelegt, vermag der Senat eine Zukunftsoffenheit des Aufenthalts der Klägerin in Deutschland vor dem 16. Januar 2007 nicht festzustellen.
Die Klägerin, ihr Ehemann und ihre noch im Libanon geborenen Kinder reisten am 09. September 1990 ohne die erforderliche Aufenthaltserlaubnis (§ 2 AuslG 1965) und unter Vortäuschung anderer Identitäten und des Verlustes ihrer Reisedokumente über die Grenze der damaligen CSFR nach Deutschland ein. Tatsächlich verfügten die Klägerin, ihr Ehemann und die 7 Kinder über gültige libanesische Reisedokumente (Flüchtlingspässe und Identitätskarten für die Kinder). Auf ihren nach Einreise gestellten Antrag wurde der Klägerin (und ihrer Familie) keine Aufenthaltserlaubnis erteilt, sondern am 14. September 1990 nur eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung), befristet bis zum 13. März 1991 und verbunden mit weiteren Auflagen (Beschränkung des Aufenthaltes auf den Bereich des Landes Berlin, Erwerbstätigkeit nicht gestattet), gemäß §§ 17 Abs. 1, 7 Abs. 3 AuslG 1965 ausgestellt. Die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) wurde am 14. März 1991 nach der nunmehr maßgeblichen Regelung in § 54 Satz 1 i.V.m. § 56 Abs. 3 AuslG 1990 unter Beibehaltung der Auflagen um 6 Monate bis zum 13. September 1991 verlängert. Zugleich mit der nach § 56 Abs. 6 AuslG 1990 erfolgten Anhörung zur beabsichtigten Aufforderung zur Ausreise und zur beabsichtigten Androhung der Abschiebung, für den Fall der Nichtausreise, wurde am 24. September 1991 die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nochmals für drei Monate bis zum 06. Dezember 1991 verlängert.
Zutreffend hat das SG ausgehend von den lediglich nach § 17 AuslG 1965 bzw. § 54 Satz 1 AuslG 1990 für jeweils sechs bzw. drei Monate aus humanitären Gründen erteilten Duldungen eine Zukunftsoffenheit des Aufenthaltes verneint. Die Klägerin (und ihre Familie) konnten nach der damaligen Weisungslage nicht mit einem Verbleiben auf unabsehbare Zeit in Deutschland rechnen. Nach der im Land Berlin zum Zeitpunkt der Einreise geltenden Weisungslage, d.h. nach der Weisung Nr. 20 vom 29. September 1989 in der Fassung vom 03. Januar 1990, konnten Ausländer, die vor dem 15. Dezember 1989 in das Land Berlin eingereist waren, nach den allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften zur Ausreise verpflichtet waren und wegen der lebens- oder freiheitsbedrohenden Verhältnisse in ihrem Herkunftsland nicht abgeschoben werden konnten, was insbesondere damals noch für den Libanon galt, eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten (vgl. Zif. II Nrn. 2.1, 3.2 der Weisung Nr. 20 in der Fassung vom 03. Januar 1990). Bei Ausländern – wie hier die Klägerin und ihre Familie -, die die Voraussetzungen der Nr. 2.1 erfüllten, jedoch erst vom Stichtag 15. Dezember 1989 an eingereist waren und nach den allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften zur Ausreise verpflichtet waren, war nach Zif. II Nr. 2.2 der Weisung Nr. 20 in der Fassung vom 03. Januar 1990 von der Durchsetzung der Ausreisepflicht abzusehen. Sie waren auf das Asylverfahren zu verweisen. In Fällen, wie dem vorliegenden, in denen bei Antragstellung auf eine Aufenthaltserlaubnis keine Anhaltspunkte für die Voraussetzungen eines Asylverfahrens vorlagen, war davon abzusehen, den Ausländer zur Stellung eines Asylantrags aufzufordern. Diese Ausländer erhielten eine auf jeweils sechs Monate befristete Duldung, räumlich beschränkt auf Berlin und verbunden mit dem Ausschluss der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (Zif. II Nr. 2.2 der Weisung Nr. 20 in der Fassung vom 03. Januar 1990). Dem entsprach die der Klägerin (und ihrer Familie) am 14. September 1990 erteilte und bis zum 13. März 1991 befristete Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung).
Wie die Klägerin unter Bezugnahme auf Ralph Ghadban „Die Libanon-Flüchtlinge in Berlin,“ 2. Aufl. 2008, Seiten 163 bis 166, zutreffend ausgeführt hat, gab es vor In-Kraft-Treten des AuslG 1990 für die Bundesländer die Möglichkeit, einen (längerdauernden) Abschiebestopp für bestimmte Flüchtlingsgruppen zu erlassen. Von dieser Möglichkeit wurde im Hinblick auf den im April 1975 begonnenen und erst infolge des 1989 geschlossenen Abkommens von Taif im Jahr 1990 endenden Bürgerkrieg im Libanon auch noch nach Aufhebung des generellen Abschiebstopps für den Libanon durch Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) vom 03. Oktober 1986 von einigen Bundesländern Gebrauch gemacht. So auch vom Land Berlin, jedoch – worauf auch Ralph Ghadban a.a.O. hinweist - nur bis Ende 1989, wie auch die Weisung Nr. 20 in der Fassung vom 03. Januar 1990 mit der „Altfallregelung“ für vor dem 15. Dezember 1989 eingereiste Libanon-Flüchtlinge verdeutlicht. Seit dem 01. Januar 1991 konnten die Bundesländer nur noch im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Inneren (BMI) einen Abschiebestopp, d.h. eine Aussetzung der Abschiebung für länger als 6 Monate, (vgl. § 54 Satz 2 AuslG 1990) oder eine Altfallregelung (vgl. § 32 AuslG 1990) treffen. Da es an einer einvernehmlichen Regelung mit dem BMI zunächst fehlte, bestand nach der Weisung Nr. 40 vom 03. Januar 1991 nur die Möglichkeit, den Ausländern ohne Rückkehrmöglichkeit, die nach dem 14. Dezember 1989 aber vor dem 01. Januar 1991 eingereist waren und eine Duldung nach der früheren Weisungslage erhalten hatten, diese Duldung nach § 54 Satz 1 AuslG 1990 für 6 Monate zu verlängern (vgl. Zif. I Nr. 2 der Weisung Nr. 40 vom 03. Januar 1991). Dementsprechend war die Duldung der Klägerin (und ihrer Familie) am 14. März 1991 nach der nunmehr maßgeblichen Regelung in § 54 Satz 1 i.V.m. § 56 Abs. 3 AuslG 1990 unter Beibehaltung der Auflagen um 6 Monate bis zum 13. September 1991 verlängert worden. Wie der Weisung Nr. 56 vom 03. Juli 1991 zu entnehmen ist, hatte der BMI erst auf der IMK vom 03. Mai 1991 sein Einvernehmen nach § 32 und § 54 Satz 2 AuslG 1990 (nur) zu der in der Weisung Nr. 56 unter Zif. I aufgeführten Regelung erteilt. Danach erhielten u.a. Libanesen und Palästinenser aus dem Libanon, die bis zum 31. Dezember 1988 eingereist waren, sowie ihre Familienangehörigen (Ehegatten und minderjährige ledige Kinder), die bis zum 31. Dezember 1990 eingereist waren, eine Aufenthaltsbefugnis, ohne dass ein vorheriges Asylverfahren erforderlich war (vgl. Zif. I Nr. 1 der Weisung Nr. 56 vom 03. Juli 1991). Da die Klägerin (und ihr Ehegatte) erst nach dem 31. Dezember 1988 eingereist waren, konnte sie von dieser Altfallregelung nicht erfasst werden, sodass es bei den allgemeinen ausländerrechtlichen Bestimmungen blieb. Hierzu sah die Weisung Nr. 56 vom 03. Juli 1991 unter Zif. III Nr. 2 Buchst. a) für den Fall, dass bereits eine Verlängerung der Duldung in der ersten Jahreshälfte 1991 um weitere 6 Monate nach § 54 Satz 1 AuslG 1990 erfolgt war, im Hinblick auf das nach § 54 Satz 2 AuslG 1990 fehlende erforderliche Einvernehmen mit dem BMI den Ausschluss einer weiteren Verlängerung der Duldung nach § 54 Satz 1 AuslG vor. In diesen Fällen wurde zu dem dann nach § 56 Abs. 6 AuslG 1990 vorgesehenen Verfahren der Abschiebung, insbesondere zu der Dreimonatsankündigung der Abschiebung nach § 56 Abs. 6 Satz 2 AuslG 1990, vorgesehen, für diese Frist den weiteren Verbleib nach § 55 Abs. 3 AuslG 1990 wegen eines „erheblichen öffentlichen Interesses“ durch eine Duldung zu ermöglichen. Im Rahmen der Anhörung sollte der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er im Falle der Unmöglichkeit der Rückkehr in sein Heimatland oder des Vorliegens von Abschiebungshindernissen seine Rechte im Asylverfahren bzw. im Verfahren gemäß § 51 AuslG 1990 geltend machen musste. Diese Vorgaben der Weisung Nr. 56 wurden vom LEA mit der nach § 56 Abs. 6 AuslG 1990 am 24. September 1991 erfolgten Anhörung zur beabsichtigten Aufforderung zur Ausreise der Klägerin (und ihrer Familie) und zur beabsichtigten Androhung der Abschiebung der Klägerin (und ihrer Familie), für den Fall der Nichtausreise, und der am gleichen Tag erfolgten Aussetzung der Abschiebung (Duldung) bis zum 06. Dezember 1991 umgesetzt. Die ab 1990 im Land Berlin geltende ausländerrechtliche Weisungslage für palästinensische Flüchtlinge aus dem Libanon und deren konkrete Umsetzung im Falle der Klägerin (und ihrer Familie) vermögen daher bezogen auf den Zeitraum ab Aufenthaltsnahme im September 1990 bis zur Stellung des Asylantrages im Jahr 1992 keinerlei Anhaltspunkte für eine Zukunftsoffenheit dieses Aufenthaltes zu vermitteln.
Auch der Umstand, dass die Abschiebung nach Ablauf der Duldungsfrist am 06. Dezember 1991 nicht durchgesetzt wurde, begründete damals noch keine Aussicht auf einen zukunftsoffenen Aufenthalt. Denn die Klägerin und ihr Ehemann hatten mit am 01. Oktober 1991 beim LEA eingegangenen Schreiben vom „24. September 1991“ geltend gemacht, im Libanon Übergriffen aus politischen Gründen ausgesetzt gewesen zu sein und daher nicht zurückkehren zu können. Hierbei handelte es sich um die Geltendmachung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990, über deren Vorliegen nach § 51 Abs. 1 Abs. 2 Satz 2 AuslG 1990 das BAMF ebenso wie auch über den im April 1992 von der Familie gestellten Asylantrag in einem Asylverfahren nach dem AsylVfG zu entscheiden hatte. Die dann jeweils allein zum Zwecke der Durchführung des Asylverfahrens nach § 20 AsylVfG aF bzw. § 55 AsylVfG nF der Klägerin (und ihrer Familie) erteilten Aufenthaltsgestattungen (Duldungen) können bei bestandskräftiger Ablehnung sowohl des Antrages auf Asyl als auch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 hinsichtlich des Herkunftsstaates und der Feststellung des Nichtvorliegens von Abschiebehindernissen nach § 53 AuslG 1990 durch das die Entscheidung des BAMF vom 18. August 1993 bestätigende rechtskräftige Urteil des VG Berlin (VG 34 X 67.02) vom 16. Mai 2003 keine Zukunftsoffenheit des Aufenthaltes begründen.
Soweit die Klägerin vorträgt, eine Abschiebung sei unabhängig vom laufenden Asylverfahren und dessen Ausgang wegen der schweren Erkrankung ihres im Dezember 1992 geborenen Sohnes A A K bzw. ihrer eigenen schweren Erkrankung dauerhaft nicht möglich gewesen, fehlt es an jeglichen Nachweisen hierfür. Der beigezogenen Ausländerakte ist hierzu kein Vortrag der Klägerin zu entnehmen. Vielmehr hatte die Klägerin bei dem am 28. August 1992 gestellten Antrag auf Aufenthaltserlaubnis zu den Fragen, ob sie an Krankheiten leide und ob sie eine Arbeitserlaubnis besitze, jeweils „nein" angekreuzt. Erhebliche gesundheitliche Einschränkungen der Klägerin und ihres 1992 geborenen Sohnes wurden weder im folgenden Widerspruchsverfahren noch in dem weiteren Verwaltungsverfahren zu dem von der Klägerin und ihrer Familie am 09. April 1996 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vorgetragen. Dem im Berufungsverfahren vorgelegten Attest der Kinderarztpraxis vom 17. August 2022, bei deren Praxisvorgängerin der 1992 geborene Sohn in Behandlung war, lässt sich nur entnehmen, dass die beim Sohn im März 1994 diagnostizierte Myokarditis nach medikamentöser Behandlung im Jahr 1994 ausgeheilt war und das Herz bei Kontrolluntersuchungen als gesund befundet worden war. Den im Rahmen der Verlängerung der Aufenthaltsgestattungen nach § 55 AsylVfG nF vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen über eine Verhinderung der persönlichen Vorsprache durch die Klägerin wegen kurzzeitiger Erkrankung/Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 15. November bis zum 22. November 1994, 04. November bis zum 11. November 1996, 07. Dezember bis zum 11. Dezember 1998 (fieberhafte Bronchitis), 02. November bis zum 08. November 1999 und vom 17. April 2003 bis 18. April 2003 sind Anhaltspunkte für eine schwere, andauernde Erkrankung der Klägerin nicht zu entnehmen. Auch das VG Berlin vermochte bei seiner Entscheidung am 16. Mai 2003 (VG 34 X 67.02) aus den im dortigen Verfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen für die Klägerin und ihre (minderjährigen) Kinder ein Abschiebehindernis in Form einer schweren, andauernden Erkrankung, deren Behandlung im Herkunftsstaat nicht möglich wäre bzw. für die Klägerin und ihre Familie nicht finanzierbar wäre, nicht festzustellen. Akute Erkrankungen, wie durchgemachte Infektionskrankheiten (Bronchitiden) und die (wohl 2001) bei der Klägerin aufgetretene und erfolgreich behandelte Meningokokkenmenigitis, sind nur vorübergehender Natur und daher kein anhaltendes Ausreise- bzw. Abschiebehindernis, so dass auf sie prognostisch eine Zukunftsoffenheit des Aufenthaltes nicht gestützt werden kann. Nichts anderes gilt für die von der Klägerin angeführten Mutterschutzzeiten bzgl. der in Deutschland geborenen Kinder.
Die im Land Berlin während der Dauer des Asylverfahrens gegebenen Weisungslage lässt ebenfalls den Schluss auf einen zukunftsoffenen Aufenthalt der Klägerin (und ihrer Familie) nicht zu.
a) Die Weisung Nr. 101 vom 08. November 1995 sah sowohl in der ursprünglichen als auch in der Fassung vom 31. Mai 1996 und nach Ergänzung am 30. Oktober 1996 vor, dass Palästinenser aus dem Libanon auf Antrag eine zunächst auf 6 Monate befristete Duldung, räumlich begrenzt auf das Land Berlin und versehen mit weiteren Auflagen, erhalten konnten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG 1990 gegeben seien, da derzeit Palästinenser - auch bei Besitz eines gültigen Reisedokumentes - in den Libanon nur einreisen könnten, wenn sie außerdem ein Rückkehrvisum besäßen, welches aber in der Regel nicht erteilt werde. Danach hätten die Klägerin (und ihre Familie), sofern sie kein Asylverfahren betrieben hätten, rein hypothetisch ab Herbst 1995 allenfalls zeitlich befristete Duldungen im Hinblick auf eine vorübergehende Verhinderung der Einreise ins Herkunftsland erhalten können. Eine dauerhafte, langfristige Rückreiseverhinderung in den Libanon lässt sich aus dieser, nur auf eine vorübergehende Lage ausgerichteten Weisung noch nicht entnehmen.
b) Die Weisung Nr. 104 vom 31. Mai 1996 wiederholte unter Zif. I lediglich die in der Weisung Nr. 56 vom 03. Juli 1991 getroffene „Altfallregelung“ für Angehörige bestimmter Staaten/Personengruppen, d. h. für die vor dem 31. Dezember 1988 eingereisten Palästinenser aus dem Libanon, von der die Klägerin und ihre Familie nicht erfasst wurden.
Unter Zif. II der Weisung Nr. 104 wurde eine von der IMK am 29. März 1996 getroffene Härtefallregelung für ehemalige Asylbewerber aufgenommen, zu der der BMI sein Einvernehmen nach § 32 AuslG 1990 erteilt hatte. Nach Zif. II Nr. 1 sollten Vergünstigungen gelten:
- für Asylbewerberfamilien, die vor dem 01. Juli 1990 zum Zwecke der Asylantragstellung eingereist waren, und mit mindestens einem minderjährigen Kind, das sich ebenfalls seit dem 01. Juli 1990 oder seit Geburt in Deutschland aufhielt, in häuslicher Gemeinschaft lebten,
- alleinstehende und verheiratete (ehemalige) Asylbewerber ohne Kinder, die vor dem 01. Januar 1987 zum Zwecke der Asylantragstellung eingereist waren.
Diese Vergünstigungen galten jedoch nicht für Ausländer, die nicht zum Zwecke der Asylantragstellung eingereist waren, sondern den Asylantrag erst zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. im Zusammenhang mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen) gestellt hatten.
Von den Vergünstigungen erfassten Asylbewerbern sollte nach Zif. II Nr. 2 der Regelung eine Aufenthaltsbefugnis für jeweils längstens zwei Jahre gewährt werden, soweit weitere Voraussetzungen vorlagen bzw. fortbestanden. U.a. wurde unter Nr. 2 Buchst. a) gefordert, dass der Lebensunterhalt der Familie einschließlich ausreichendem Krankenversicherungsschutz durch legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert war. Zudem sah Nr. 3 vor, dass die für eine Härtefallentscheidung in Betracht kommenden Familienmitglieder innerhalb einer Frist von sechs Wochen alle noch anhängigen Asyl- oder ausländerrechtlichen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren durch Antragsrücknahme zum Abschluss bringen mussten; andernfalls schied die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus.
Von dieser unter Zif. II der Weisung Nr. 104 getroffenen Härtefallregelung wurden die Klägerin und ihre Familie offensichtlich nicht erfasst, da sie erst nach dem 01. Juli 1990 ins Bundesgebiet eingereist waren. Zudem waren die von der Klägerin und ihrem Ehemann für sich und die gemeinsamen Kinder am 26. März und 28. März 1996 gestellten Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung bzw. –befugnis nach dem AuslG 1990 durch das LEA mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen mit bestandskräftigem Bescheid vom 02. Januar 1997 abgelehnt worden.
c) Ausweislich der vom Landesamt für Einwanderung übersandten Regelungen „B.32.1 Härtefallregelung für Ausländer mit langjährigem Aufenthalt“ ergibt sich zunächst die unter Zif. I getroffene „Altfallregelung“ für Angehörige bestimmter Staaten/Personengruppen vom 12. Mai 1998. Danach sollten auf der Basis des vom BMI auf der IMK vom 03. Mai 1991 erteilten Einvernehmens nach § 32 AuslG 1990 u.a. Palästinenser und staatenlose Kurden aus dem Libanon, die bis zum 31. Dezember 1988 in den Geltungsbereich des AuslG eingereist waren, sowie ihre bis zum 31. Dezember 1990 eingereisten Familienangehörigen (Ehegatten und minderjährige ledige Kinder) unabhängig davon, ob ein Asylverfahren anhängig war oder nicht, eine Aufenthaltsbefugnis erhalten. Diese Aufenthaltsbefugnis sollte jeweils für zwei Jahre erteilt und um jeweils zwei Jahre verlängert werden, bis die Voraussetzungen für die unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 35 AuslG 1990) gegeben sind, und mit Auflagen verbunden sein. Hierzu wurde aufgeführt, dass Grund für diese Bleiberechtsregelung die - zumindest damalige - Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Rückkehr in das Herkunftsland war, sodass die erstmalige Erteilung der Aufenthaltsbefugnis dann nicht in Betracht kam, wenn der Ausländer nachweislich nach dem Stichtag in das Herkunftsland gereist war.
Von dieser Altfallregelung wurden die Klägerin und ihre Familie aufgrund ihrer Einreise nach dem Stichtag offensichtlich nicht erfasst.
Nach der unter Zif. II aufgeführten „Bleiberechtsregelung für Asylbewerber mit langjährigem Aufenthalt“, die mehrmals - zuletzt am 17. September 2002 - aktualisiert wurde, ergab sich Folgendes:
Ausgehend von dem Beschluss der IMK vom 19. November 1999 und dem vom BMI erteilten Einvernehmen gemäß § 32 AuslG 1990 sollten gemäß Zif. II Nr. 1 Vergünstigungen gelten:
- für Asylbewerberfamilien, die vor dem 01. Juli 1993 eingereist waren und um Asyl nachgesucht hatten, und mit mindestens einem minderjährigen Kind, das sich ebenfalls seit dem 01. Juli 1993 oder seit Geburt (nach dem 01. Juli 1993) in Deutschland aufhielt, in häuslicher Gemeinschaft lebten,
- für abgelehnte Vertriebenenbewerber sowie deren Ehegatten und minderjährigen Kinder, die als Vertriebenenbewerber vor dem 01. Juli 1993 eingereist waren……,
- für inzwischen volljährig gewordene und bis zum Stichtag 01. Juli 1993 im Familienverband eingereiste Kinder, die eine Ausbildung durchliefen, die zu einem anerkannten Bildungs- bzw. Ausbildungsabschluss führt, oder die bereits beruflich eingegliedert waren, d. h. in einem Arbeitsverhältnis standen.
Die Klägerin und ihre Familie fielen aufgrund ihrer Einreise ins Bundesgebiet vor dem neuen Stichtag zwar in den Kreis der Begünstigten, jedoch erfüllten sie nach Lage der Akten nicht die in der Weisung genannten weiteren Voraussetzungen.
Nach Zif. II Nr. 2 der Bleiberechtsregelung war grundlegende Voraussetzung für deren Anwendung, dass die Betroffenen ihren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet gefunden und sich in der hiesigen wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Ordnung eingefügt hatten. Die Erteilung wie auch die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis setzte die Erfüllung der Passpflicht voraus. Zudem war das Vorliegen und Fortbestehen diverser unter Buchst. a) bis f) aufgelisteter Integrationsbedingungen am 19. November 1999 Voraussetzung für die Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltsbefugnis für jeweils 2 Jahre. So musste der Lebensunterhalt einschließlich ausreichendem Krankenversicherungsschutz durch legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert sein (Zif. II Nr. 2 Buchst. a)). Die Klägerin und ihre Familie bestritten jedoch ihren Lebensunterhalt vollständig entweder durch Sozialhilfe oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Zwar waren der Klägerin und ihrem Ehemann im Zusammenhang mit den Aufenthaltsgestattungen nach § 55 AsylVfG die Arbeitsaufnahme nach Einholung einer Arbeitserlaubnis gestattet. Aus den vorliegenden Akten lässt sich weder die Einholung einer Arbeitserlaubnis durch die Klägerin und ihren Ehemann noch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens im Jahr 2003 entnehmen. Auch wenn für die Zeit der Betreuung eines Kleinkindes bzw. von Schulkindern – vorübergehend - die Inanspruchnahme ergänzender Sozialhilfeleistungen durch die Familie im Rahmen einer Härtefallprüfung ausnahmsweise als unschädlich angesehen wurde, so wurde jedoch gefordert, dass mindestens ein Elternteil den Lebensunterhalt der Familie durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern versuchte. Hierfür fehlt es im Falle der Klägerin und ihres Ehemannes an jeglichen Anhaltspunkten. Ebenso wenig ist erkennbar, ob die Klägerin die Passpflicht in jener Zeit erfüllt hatte bzw. sich um gültige Reisedokumente bemüht hatte.
Zwar sah die Bleiberechtsregelung für Antragsteller, denen die Erwerbstätigkeit bereits gestattet war und die unverschuldet arbeitslos waren, bei Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ebenfalls für sechs Monate vor, um ihnen die Möglichkeit zum Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes innerhalb dieses Zeitraumes einzuräumen. Zur Überzeugung des Senats kann diese rein hypothetische Möglichkeit einer allenfalls befristet zu erteilenden, zweckgebundenen Aufenthaltsbefugnis bei fehlendem Nachweis einer vorangegangenen intensiven Arbeitssuche nicht für die Prognose eines zukunftsoffenen Aufenthaltes nach Ablehnung des Asylantrages herangezogen werden.
Ebenso wenig vermag der Senat für den Zeitraum der Kindererziehung ab Mai 2003, d. h. nach bestandskräftiger Ablehnung des Asylantrages im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, eine Zukunftsoffenheit des Aufenthaltes der Klägerin festzustellen.
Zwar wurden vom LEA bzw. LBO nach Kenntniserlangung von der Bestandskraft der Ablehnung des Asylantrages der Klägerin (und ihrer Familie) Bescheinigungen über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nach § 55 AuslG 1990 am 04. August 2003, 03. Februar 2004 und 02. August 2004 bzw. nach § 60a Abs. 2 AufenthG am 01. Februar 2005, 29. Juli 2005, 27. Januar 2006 und 27. Juli 2006 erteilt und diese mit der Auflage versehen, dass keinerlei Erwerbstätigkeit gestattet war, so dass die Klägerin (und ihre Familie) weiterhin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen. Allein aus dem Umstand, dass es sich um wiederholte Duldungen (Kettenduldungen) handelte, vermag der Senat – wie bereits das SG – nicht auf eine nunmehr bestehende Aussicht auf ein Verbleiben in Deutschland zu schließen. Gegen die Ermöglichung einer Verfestigung des Aufenthaltes spricht hier schon das Verbot der Erwerbstätigkeit, aber auch der ausdrücklich aufgenommene Zusatz in der Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung vom 27. Juli 2006 „Kein Aufenthaltstitel! Der Inhaber ist ausreisepflichtig". Aus der beigezogenen Ausländerakte der Klägerin lassen sich Anhaltspunkte für andauernde Abschiebungshindernisse oder für die Art der Duldungsgründe nicht entnehmen.
Ob die Klägerin nach unanfechtbarer Ablehnung ihres Asylantrages im Hinblick auf § 30 Abs. 5 AuslG 1990 i.V.m. § 30 Abs. 3 und 4 AuslG 1990 einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis hatte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Zum einen sind der Klägerin tatsächlich nur Duldungen erteilt worden. Zum anderen waren die nach § 30 Abs. 4 AuslG geforderten 2 Jahre nach Unanfechtbarkeit der Ausreiseverpflichtung nach Ablehnung des Asylantrags frühestens im Mai 2005, dh. nach Ablauf der 3 Jahre Erziehungszeit nach Geburt des jüngsten Kindes im März 2001, verstrichen. Allenfalls ab diesem Zeitpunkt könnte theoretisch von einer Zukunftsoffenheit ausgegangen werden, ohne dass dies einen Anspruch auf Feststellung von KEZ begründen würde. Zudem konnte nach § 10 Abs. 3 AufenthG einem unanfechtbar abgelehnten Asylbewerber vor der Ausreise nur ein Aufenthaltstitel nach Abschnitt 5 (§§ 22 bis 26 AufenthG) erteilt werden, wobei vorliegend allenfalls eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (in der damals geltenden Fassung) in Betracht kam. Nach dieser Regelung konnte einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig war, abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich war und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen war. Nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG sollte die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt war. Eine Aufenthaltserlaubnis durfte nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert war. Ein Verschulden des Ausländers lag insbesondere vor, wenn er falsche Angaben machte oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuschte oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllte (§ 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG).
Auf diese Regelung zielte anscheinend der Antrag der Klägerin (ihres Ehemannes und der minderjährigen Kinder) vom 31. Oktober 2005 ab, auf den sich das LBO bereit erklärte, der Klägerin bei Vorlage eines von der Republik Libanon ausgestellten gültigen Document de Voyage (DDV) bzw. eines Laissez-passer (LP) eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (vgl. Zusicherungen über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Vorlage bei der Libanesischen Botschaft vom 02. Januar 2006, 22. September 2006, 09. November 2006 und 11. Januar 2007). Dazu kam es aber mangels zeitnaher Mitwirkung der Klägerin nicht. Erst nachdem die Klägerin am 16. Januar 2007 die neuen Reisedokumente für sich und ihre vier jüngsten Kinder beim LBO vorgelegt hatte, wurde ihr umgehend eine – befristete - Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt.
Im Übrigen hätte auch nach der weiteren vom Landesamt für Einwanderung vorgelegten Weisung E.Lib.3. „Anwendbarkeit des § 25 Abs. 5 AufenthG für palästinensische Volkszugehörige ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon“ vom 15. Mai 2007, die wohl im Hinblick auf die im Januar 2007 begonnenen bürgerkriegsähnlichen Unruhen (vgl. https://de.wikinews.org/wiki/Unruhen_im_ Libanon_schüren_Angst_vor_Bürgerkrieg, Stand 21. August 2021) erlassen und zuletzt mit Datum 06. April 2009 veröffentlicht worden war, der Klägerin nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden können. In dieser Weisung heißt es, dass derzeit grundsätzlich von einer tatsächlichen Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise und Abschiebung für palästinensische Volkszugehörige ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon auszugehen und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses regelmäßig auch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Voraussetzung war jedoch, dass der Antragsteller zum Nachweis seiner Identität fortlaufend im Besitz eines gültigen DDV bzw. LP sein musste. Zur Beschaffung gültiger Reisedokumente sollte dem Antragsteller zur Vorlage bei der Libanesischen Botschaft eine schriftliche Zusicherung dergestalt erteilt werden, dass er bei Vorlage eines DDV ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werde. Hierzu war dem Antragsteller eine Frist von neun Monaten unter Duldung des Aufenthaltes und Beibehaltung der bisherigen Nebenbestimmungen zu gewähren.
Zutreffend ist daher die Beklagte für die Zeit ab Erteilung der befristeten Aufenthaltserlaubnis im Januar 2007 von einer nunmehrigen Zukunftsoffenheit des weiteren Aufenthaltes der Klägerin und ihrer noch minderjährigen Kinder ausgegangen und hat dem durch die Vormerkung von KBZ nach § 57 SGB VI i.V.m. § 122 SGB VI Rechnung getragen. Denn die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer KEZ auch in dieser Zeit vorliegen (§ 57 Satz 1 SGB VI). Auch für § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI gilt, dass Veränderungen des aufenthaltsrechtlichen Status unbeachtlich sind, die erst nach dem Zeitraum eintreten, für den eine KEZ anrechenbar wäre. Dies folgt schon daraus, dass für die Beurteilung der Kindererziehungszeit als Zeit der Versicherungspflicht (§ 3 SGB VI) - wie stets bei der Beurteilung der Versicherungspflicht - grundsätzlich auf die Umstände im Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht abzustellen ist. Eine Änderung dieser Beurteilung durch später eintretende Umstände ließe sich allenfalls damit rechtfertigen, dass nicht die Umstände im Zeitraum der Kindererziehung, sondern die Umstände im Zeitpunkt der Leistungsgewährung (d. h. des Versicherungsfalls) für Leistungen wegen Kindererziehung maßgebend sein sollten. Der Gesetzgeber hat aber nicht auf die Umstände zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung abgestellt, sondern durch die Ausgestaltung der KEZ als Zeit der Versicherungspflicht auf die zur Zeit der womöglich anrechenbaren Kindererziehung maßgebenden Umstände (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. Mai 2017 - L 1 R 449/13 -, veröffentlicht in www. sozialgerichtsbarkeit.de; BSG, Urteil vom 18 Februar 1998 – B 5 RJ 12/97 R - , Rn. 16, juris m.w.N.).
Da vorliegend der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bereits wegen Nichterfüllung der allgemeinen Wartezeit abzulehnen war, bedarf es keiner Prüfung der weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Drei-Fünftel-Belegung).
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 162 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.