Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Mai 2022 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und das erstinstanzliche Verfahren auf 90.971,95 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitig ist die sofortige Vollziehbarkeit von Beitragsforderungen der Antragsgegnerin aus sechs Änderungsbescheiden vom 29. Oktober 2021 zur Beitragsfestsetzung für die Jahre 2015, 2016 und 2017.
Die Antragstellerin ist ein seit Dezember 2014 in der Rechtsform einer GmbH geführtes Bauunternehmen, das für den streitgegenständlichen Zeitraum ein Gewerbe für die Erbringung von Schalungs- und Maurerarbeiten sowie Stahlverlegung angemeldet hatte und dessen alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter V K war. Das Unternehmen wurde am 23. April 2015 an den Bruder F K veräußert. Die Antragstellerin ist Mitglied der Antragsgegnerin. Auf Grund der von der Antragstellerin mitgeteilten Lohnsummen in den einzelnen Gewerbezweigen setzte die Antragsgegnerin die Beiträge sowie die Beiträge für den Arbeitsmedizinischen-Sicherheitstechnischen Dienst (ASD) zunächst wie folgt fest:
Jahr Bescheiddatum Beitrag Gewerbe/Entgelt Büro/Entgelt
2015 26.04.2016 15.631,36 € 240.596 € 3.585 €
2015 (ASD) 26.04.2016 198,27 €
2016 25.04.2017 38.175,16 € 438.919 € 11.300 €
2016 (ASD) 25.04.2017 477,41 €
2017 25.04.2018 19.683,70 € 232.091 € 11.750 €
2017 (ASD) 25.04.2018 222,77 €
Diese Beiträge wurden von der Antragstellerin entrichtet.
Aufgrund des Verdachts unter anderem des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Strafgesetzbuch (StGB) sowie des Betrugs (§ 263 StGB) und der Steuerhinterziehung (§ 370 Abgabenordnung - AO) durch illegale Beschäftigung weiterer, nicht angemeldeter Arbeitnehmer wurde gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin am 05. Dezember 2016 ein Strafverfahren eingeleitet. Insoweit wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft Berlin (Az.: 246 Js 902/17) verwiesen.
Im Rahmen der Ermittlungen erfolgten unter anderem Durchsuchungen in den Büroräumen der Antragstellerin, bei dem mit der Finanz- und Lohnbuchhaltung beauftragen Unternehmen, bei einem Vorarbeiter der Antragstellerin und in der als Wohnsitz angegebenen Wohnung des Geschäftsführers, Vernehmungen von auf Baustellen der Antragstellerin tätigen Personen und Bauleitern von Auftraggebern. Außerdem wurden Durchsuchungen bei Nachunternehmern der Antragstellerin, die in dem Verdacht standen, als sogenannte Servicefirmen Scheinrechnungen erteilt zu haben, durchgeführt und deren Angestellte und Geschäftsführer vernommen. Es erfolgte die Beschlagnahme einer Vielzahl von Unterlagen zu von den von der Antragstellerin geschlossenen Verträgen mit Auftraggebern und Nachunternehmen, von Lohnaufzeichnungen sowie von Unterlagen der Nachunternehmen. Die Ermittlungsbehörden werteten u. a. Daten zum Zahlungsverkehr, zu Barabhebungen und Scheckeinlösungen für die Konten der Antragstellerin und der Subunternehmen (vgl. z. B. Anzeige des Verdachts auf Geldwäsche gegenüber der L GmbH, aus und führten in Bezug auf auf den Baustellen der Antragstellerin beschäftigte sowie bei der Antragstellerin und Nachunternehmen zur Sozialversicherung gemeldete Personen Abfragen beim Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern durch. Die Ermittlungsergebnisse sind geordnet nach den Servicefirmen in den Sonderbänden 8 bis 14 der Akten der Staatsanwaltschaft zusammengefasst.
Das Hauptzollamt Frankfurt (Oder) (HZA) bat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 09. Juni 2020 um Berechnung ihres Beitragsschadens. Sie verwies hierzu auf eine Berechnung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Berlin-Brandenburg vom 28. Mai 2020, die am 15. Juni 2020 noch einmal geändert wurde. Die DRV ging nach einer Betriebsprüfung gem. § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) unter Berücksichtigung eines Lohnkostenfaktors von 90% in Bezug auf die Firmen D, D GmbH, KEGmbH, KL GmbH, L GmbH und S GmbH von Lohnkosten in Höhe von 988.987,58 Euro für 2015, in Höhe von 1.962.963,37 Euro für 2016 und in Höhe von 1.483.947,71 Euro für 2017 aus.
Die Antragsgegnerin errechnete nach Abzug der bereits an sie gemeldeten Entgelte einen Beitragsschaden in Höhe von 363.887,81 Euro für die Jahre 2015 bis 2017. Das HZA übermittelte der Antragsgegnerin am 23. November 2020 den von ihm erstellten Zwischenbericht vom 13. September 2019. Daraus ergab sich, dass auf Grund der gegen diese geführten Ermittlungen davon auszugehen sei, dass es sich bei den von der Antragstellerin beauftragten Unternehmen um sogenannte Servicefirmen handele, die Scheinrechnungen erstellten. Ermittlungen zu verschiedenen Großbauvorhaben hätten ergeben, dass die als Subunternehmen beauftragten Firmen dort nicht bekannt gewesen seien und von einer Baudurchführung durch die Antragstellerin auszugehen sei. Auf Grund dieser Erkenntnisse sei davon auszugehen, dass eine Verwendung von Scheinrechnungen durch die Antragstellerin erfolgt sei, um Aufwendungen für Schwarzlohnzahlungen für nicht oder nicht korrekt gemeldete Arbeitnehmer zu verschleiern. Daraufhin hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 26. November 2020 zur Festsetzung höherer Beitragsforderungen für die Jahre 2015 bis 2017 an. Das HZA habe mitgeteilt, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer F K wegen des Verdachts der Vorenthaltung und Veruntreuung von Sozialversicherungsbeiträgen eingeleitet worden sei. Dabei sei festgestellt worden, dass Entgelte von sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern nicht beitragspflichtig abgerechnet worden seien. Sie beabsichtige, ihren Beitragsberechnungen die von der DRV festgestellten Bruttoarbeitsentgelte zu Grunde zu legen. Die Höhe der Bruttolohnsummen für die einzelnen Jahre sowie die Höhe der beabsichtigten Beitragsnacherhebungen waren in dem Anhörungsschreiben aufgeführt. Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 07. Dezember 2020 hierzu mit, dass ihre Arbeitnehmer ordnungsgemäß angemeldet seien. Das Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer laufe noch, es werde von einer Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung ausgegangen. Die Antragsgegnerin nahm im Rahmen eines Prüfauftrages im Dezember 2020 Einsicht in die Ermittlungsakten des HZA. Das HZA übersandte ihr am 01. Oktober 2021 den gemeinsamen Schlussbericht der Steuerfahndung Berlin, des HZA und des FKS Cottbus (im Folgenden: Schlussbericht des HZA).
Daraufhin änderte die Antragsgegnerin mit Bescheiden vom 29. Oktober 2021 die ursprünglichen Beitragsbescheide für die Jahre 2015 bis 2017 ab und setzte die Beiträge wie folgt neu fest: für das Jahr 2015 auf 92.786,36 Euro, für das Jahr 2016 auf 189.350,54 Euro sowie für das Jahr 2017 auf 150.032,88 Euro. Darüber hinaus änderte sie die Beitragsfestsetzungen für die ASD-Beiträge für das Jahr 2015 auf 1.135,29 Euro, für das Jahr 2016 auf 2.976,98 Euro und für das Jahr 2017 auf 1.994,43 Euro ab. In dem hierzu an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin verfassten Anschreiben vom 04. November 2021 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie keine eigenen Ermittlungen durchzuführen brauche. Sie sei berechtigt, die Ermittlungsergebnisse des HZA, die diese nach § 2 und § 6 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) getroffen und übermittelt habe, beizuziehen und zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen.
Mit ihrem am 17. November 2021 gegen die sechs Änderungsbeitragsbescheide vom 29. Oktober 2021 erhobenen Widerspruch machte die Antragstellerin geltend, dass die Antragsgegnerin nach § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eigene Ermittlungen anzustellen und nach § 28p SGB IV eigene Prüfungen bei den Arbeitgebern vorzunehmen habe. Hiervon sei sie nicht auf Grund der Regelungen in § 2 SchwarzArbG entbunden. Die FKS sei nach § 14 SchwarzArbG als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft für die strafrechtlichen Prüf- und Ermittlungsmaßnahmen berufen, wohingegen die DRV nur die Prüfungs- und Ermittlungskompetenz des Sozialabgabenrechts nach § 28p SGB IV für sich in Anspruch nehmen könne. Den Bescheiden mangele es zudem an einer ausreichenden Begründung. Die Ermittlungsergebnisse, die die Antragstellerin zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht habe, hätten in den Bescheiden mitgeteilt werden müssen. Es werde nicht dargelegt, worauf die Antragsgegnerin ihre Behauptung stütze, dass die Antragstellerin Arbeitnehmer nicht zur Sozialversicherung angemeldet habe. Entsprechende Ausführungen enthalte auch das Schreiben vom 26. November 2020 nicht, die Antragstellerin sei daher auch nicht ordnungsgemäß gem. § 24 SGB X angehört worden. Die rechtliche und tatsächliche Grundlage der ermittelten Arbeitsentgelte sei unklar. Jede einzelne Beitragsnacherhebung für jeden Arbeitnehmer und jeden Prüfmonat stelle eine eigenständige Regelung im Sinne des § 31 SGB X dar. Die Antragstellerin begehrte Einsicht in die Verwaltungsakten, insbesondere die Ermittlungsakten des HZA bzw. der FKS, diese Akten lägen ihr nicht vor. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Bescheide, da die Rechtmäßigkeit der Bescheide ernstlichen Zweifeln begegne und die Vollstreckung zu einer unbilligen Härte führe, weil sie die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin zerstören würde.
Die Antragsgegnerin lehnte mit Schreiben vom22. Dezember 2021 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Beitragsnachtragsbescheide ab. Es würden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide bestehen. Sie sei nicht verpflichtet, eigene Ermittlungen anzustellen. Sie könne nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB X Ermittlungen und Auskünfte jeder Art einholen sowie Urkunden und Akten beiziehen und sei daher berechtigt, die Ermittlungsergebnisse des HZA und der Staatsanwaltschaft zur Grundlage ihrer Entscheidung machen. Für eine unbillige Härte, die nur durch die Aussetzung der Vollziehung abgewendet werden könne, bestünden keine Anhaltspunkte. Sie übersandte der Antragstellerin zudem die Prüfberichte der DRV mit der Schadensberechnung vom 28. Mai 2020 und 15. Juni 2020 und den gemeinsamen Schlussbericht der Steuerfahndung Berlin, des HZA und der FKS Cottbus zur Einsichtnahme. Die Antragstellerin verwies mit E-Mail vom 21. Januar 2022 darauf, dass sie mindestens 40 Mitarbeiter in Vollzeit beschäftige, deren Arbeitsplätze bei einer durch die Vollstreckung der Beitragsnachforderungen drohenden Insolvenz in Gefahr wären. Sie bezeichnete die Vorwürfe als nicht haltbar und erbat die Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung. Dies lehnte die Antragsgegnerin ab. Das HZA Berlin kündigte vielmehr im Auftrag der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. Februar 2022 die Vollstreckung der Beitragsnachforderungen an.
Die Staatsanwaltschaft Berlin erhob am 24. März 2022 gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin Anklage vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Berlin, unter anderem mit dem Vorwurf der Straftaten nach § 266a StGB und § 370 AO. Die Anklage wurde noch nicht zur Hauptverhandlung zugelassen.
Die Antragstellerin hat sich am 21. Februar 2022 mit dem Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz an das Sozialgericht Berlin (SG) gewandt und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die geänderten Beitragsbescheide vom 29. Oktober 2021 betreffend die Jahre 2015 bis 2017 beantragt. Sie hat auf ihr Vorbringen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens verwiesen und die Auffassung vertreten, dass die Übersendung der Ermittlungsergebnisse des HZAs für die Gewährung rechtlichen Gehörs nicht genüge. Die Antragstellerin müsse die Möglichkeit haben, sich selbst in die 8 Bände und ca. 20 Sonderbände der Ermittlungsakten einzuarbeiten und sich damit auseinanderzusetzen. Die Antragsgegnerin dürfe sich auch nicht allein auf den Schlussbericht des HZA, der eine Bewertung der ermittelten Tatsachen sei, verlassen, sondern müsse die Ermittlungsergebnisse selbst bewerten. Allein das Bestreiten illegaler Beschäftigungsverhältnisse durch die Antragstellerin reiche daher aus, um ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Antragsgegnerin zu begründen. Es bestehe zudem ein Anspruch auf vollständige Einsichtnahme in die Ermittlungsakten im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens. Aus dem Schlussbericht ergebe sich zudem, dass Zeugenaussagen dort nur unvollständig wiedergegeben worden seien, was den Verdacht nahelege, dass sie der Antragstellerin vorenthalten werden sollten.
Auch aus dem von der Antragsgegnerin allein überlassenen Schlussbericht des HZA ließen sich Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der Bescheide und Widersprüche ablesen. So gebe es nach den Bewertungen der Steuerfahndung und des HZAs Anhaltspunkte dafür, dass nicht nur der Antragstellerin, sondern auch deren Auftraggebern (z. B. der S Bau GmbH) die Arbeitgeberstellung hinsichtlich der kontrollierten Arbeitnehmer beizumessen gewesen sei. Auf Grund der Ermittlungsergebnisse scheine eine eindeutige Zuordnung nicht feststellbar. Dies sei aber bei jedem Arbeitnehmer anhand der für die Arbeitgeberstellung maßgeblichen Kriterien zu prüfen gewesen. Zudem dürften sich auf Grund der Ermittlungsergebnisse konkrete Berechnungen der Arbeitszeiten und damit des verschwiegenen Arbeitsentgelts anstellen lassen. Jedenfalls lasse sich nicht belegen, dass eine solche Zuordnung der DRV nicht möglich gewesen sei. Anhand der Ermittlungsergebnisse sei nicht belegbar, dass neben den sich aus den Mitarbeiterlisten ergebenden Beschäftigten auch andere Personen von der Antragstellerin beschäftigt worden seien. Es komme daher allenfalls deren Anpassung an eine Vollzeitstelle in Betracht. Dies könne konkret berechnet werden, eine Schätzung sei demnach unzulässig. So dürften sich u. a. auf den sogenannten „P-Sticks“ und anderen sichergestellten Unterlagen personalisierte Daten teilweise mit Stundenaufzeichnungen zu Aufträgen der KL GmbH, der DO GmbH, der L GmbH und der SI Bau GmbH befinden. Dass die personalisierte Aufstellung und Festsetzung der Beiträge einen unverhältnismäßigen Aufwand verursacht hätte, könne dem nicht entgegengehalten werden. Zudem sei die Höhe der Schätzung überzogen. Die Schätzungsgrundlage sei lediglich mit 60% und nicht mit 90% anzunehmen. Es sei zudem möglich, dass die angenommenen Scheinrechnungen nicht der Verschleierung von Schwarzlohnzahlungen, sondern nur zur Gewinnreduzierung in die Buchhaltung eingeflossen seien. Aus dem Schlussbericht gehe zudem hervor, dass bereits 6 bis 10% der Nettorechnungssumme für die Erstellung der Scheinrechnungen aufzuwenden gewesen sei. Es sei auch nicht gerechtfertigt, weitere Subunternehmen der KE GmbH, der DOGmbH und der KL GmbH in die Schätzung der Nettolohnsummen mit einzubeziehen, weil sich keine Anhaltspunkte für die Auslagerung von Personal auch an diese Firmen ergeben hätten. Die Berechnungen erwiesen sich unter der vom HZA zugrunde gelegten Annahme eines Stundenverrechnungssatzes gegenüber den Auftraggebern in Höhe von 24 bis 26 Euro und einer Nettoschwarzlohnzahlung in Höhe von 14 Euro als unplausibel. Die DRV gehe von Schwarzlohnzahlungen in Höhe von 4.435.898,66 Euro aus, was 316.850 Arbeitsstunden entsprechen würde, die wiederum einen Auftragswert in Höhe von 7.921.250 Euro ergeben würden. Es sei dagegen nur von einem Umsatz der Antragstellerin in Höhe von 6,9 Mio Euro im Tatzeitraum ausgegangen worden.
Es liege auch eine unbillige Härte i. S. v. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG vor. Die Antragstellerin würde irreparable finanzielle Nachteile – bis hin zum Insolvenzantrag – erleiden. Von dem Konto, gegen das sich die Vollstreckung richte, würden die Löhne der Arbeitnehmer gezahlt. Es sei für die Fortführung des Geschäftsbetriebes wichtig, über liquide Mittel zu verfügen. Die Antragstellerin sei nicht in der Lage, die von ihr eingeforderten Beiträge zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat an ihren Änderungsbescheiden und deren sofortiger Vollziehung festgehalten. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide bestünden nicht. Aus dem ihr vom HZA übermittelten Schlussbericht ergebe sich, dass es sich bei zahlreichen Nachunternehmen der Antragstellerin um sogenannte Servicefirmen gehandelt habe, die tatsächlich keine Leistungen für die Antragstellerin erbracht hätten, sondern deren Rechnungsstellung für vermeintliche Fremdleistungen der Generierung von Bargeld diene, das die Antragstellerin an schwarz beschäftigte Arbeitnehmer und Scheinselbstständige gezahlt habe, um so Steuern und Sozialabgaben zu hinterziehen bzw. nur in minimalem Ausmaß zu erbringen. Die Erkenntnisse des HZA seien u. a. durch Zeugenaussagen, bei Durchsuchungen gefundene Belege, Notizen, Kontobewegungen, Rechnungen, Kalkulationen und Angaben von Auftraggebern untermauert, schlüssig und nicht zu beanstanden. Das Gesamtbild der Ermittlungen ergebe ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin durch die Beauftragung von Serviceunternehmen die Beschäftigung von Arbeitnehmern verschleiere. Aufgrund untauglicher Personalunterlagen sei es nicht möglich, die Arbeitsentgelte personenbezogen, zeitlich oder mengenmäßig zuzuordnen. Den vom HZA vorgenommenen Berechnungen hinsichtlich des Umfangs der geleisteten Schwarzarbeit und des hierfür aufgebrachten Nettolohnes sowie der Berechnung der DRV vom 15. Juni 2020 im Hinblick auf das zugrundezulegende Bruttoentgelt schließe sie sich unter Hinweis auf § 165 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) an. Sie sei befugt, sich das Ergebnis der Prüfung des HZA sowie der DRV zu eigen zu machen und ohne eigene Ermittlungen zu übernehmen. Auf dieser Grundlage sei die Schätzung nach § 165 Abs. 3 SGB VII möglich gewesen und erweise sich als nachvollziehbar und fundiert. Die DRV habe 90% des jeweiligen Nettoumsatzes der Servicefirmen als Lohnkosten in Ansatz gebracht, bereits gemeldetes Entgelt sei in Abzug gebracht worden. Anschließend habe die DRV in Anwendung eines Umrechnungsfaktors aus Steuern und Arbeitgeberanteilen ein Bruttoentgelt ermittelt. Die Ausführungen der Antragstellerin zu der Einbeziehung der von der KE GmbH, der DOGmbH und der KL gestellten Rechnungen führten zu keiner abweichenden Bewertung. Gleiches gelte angesichts des Umstandes, dass weitere Geldflüsse und Wertschöpfungen verschleiert worden sein könnten und im Hinblick auf die mit einer Schätzung naturgemäß verbundene Unschärfe für die zwischen den angenommenen Schwarzlohnzahlungen und den Umsätzen aufgezeigte Diskrepanz. Die Beitragsbescheide seien gemäß § 168 Abs. 2 Ziff. 2 SGB VII mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten der Antragstellerin aufzuheben gewesen. Eine unbillige Härte könne im vorläufigen Einzug der Beiträge nicht erkannt werden. Die Antragstellerin habe u. a. ihre aktuelle Vermögenslage nicht dargelegt.
Das SG Berlin hat den Antrag mit Beschluss vom 17. Mai 2022 abgelehnt. In Beitrags- und Umlageangelegenheiten sei Maßstab für die Aussetzung der Vollziehung, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestünden und ob die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden nicht. Sie seien formell rechtmäßig. Mit dem Schreiben vom 26. November 2020 sei eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 24 SGB X erfolgt. Die Antragsgegnerin sei lediglich gehalten gewesen, die wesentlichen ihrer Änderungsentscheidung zu Grunde liegenden Tatsachen mitzuteilen. Hierzu zählten nicht die Ermittlungsakten, die die Antragsgegnerin selbst auch nicht beigezogen hätte. Aus dem Anhörungsschreiben gehe hervor, dass sie beabsichtige, das Ermittlungsergebnis des HZA in Bezug auf die Unrichtigkeit der Angaben der Antragstellerin und die Berechnungsergebnisse der DRV in Bezug auf die Beitragshöhe ihrer beabsichtigten Beitragsnachforderung zu Grunde zu legen. Sie habe damit – sollten sich die entsprechenden Bewertungen nicht als zutreffend erweisen – das Risiko der Fehlerhaftigkeit auf sich genommen. Ihre Entscheidungsgrundlage habe sie aber der Antragstellerin offengelegt. Die entsprechenden Unterlagen habe die Antragsgegnerin nicht übermitteln müssen, deren Identifizierbarkeit genüge. Die Antragstellerin sei damit in die Lage versetzt worden, diese Unterlagen bei den anderen Behörden oder aber bei der Antragsgegnerin anzufordern. Bis zum Erlass der angegriffenen Bescheide habe die Antragstellerin diese Unterlagen aber nicht verlangt. In materieller Hinsicht erschienen die Bescheide ebenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrechtmäßig. Die Antragsgegnerin habe voraussichtlich eine Schätzung nach § 165 Abs. 3 SGB VII vornehmen dürfen, da nach den vorliegenden Erkenntnissen die der Antragstellerin obliegenden Mitteilungen nach § 165 Abs. 2 SGB VII nicht bzw. nicht zutreffend erfolgt seien. Aus den Ermittlungen des HZA, wie sie insbesondere dem Schlussbericht vom 25. Juli 2021 zu entnehmen seien, ergäben sich gewichtige Anhaltspunkte dahingehend, dass die Antragstellerin Rechnungen von einer Reihe von Unternehmen erhalten habe, ohne dass die genannten Unternehmen hierfür tatsächlich eine Gegenleistung erbracht hätten bzw. Arbeitnehmer bei diesen beschäftigt gewesen wären (sogenannte Abdeckrechnungen) und dass von den so als Betriebsausgaben gebuchten Geldern tatsächlich von der Antragstellerin Arbeitnehmer „schwarz“ beschäftigt worden seien. Diese Darstellungen im Schlussbericht seien angesichts der dort aufgeführten Beweismittel nachvollziehbar. Einer individuellen Beitragszuordnung habe es im Rahmen der Beitragserhöhung nach dem SGB VII nicht bedurft. Die Maßgaben des Bundessozialgerichts (BSG) zu §§ 28f und 28p SGB IV würden nicht greifen. Die Antragsgegnerin sei vielmehr zu einer Schätzung der (kumulierten) Arbeitsentgelte berechtigt gewesen und habe diese in nicht zu beanstandender Weise vorgenommen. Grundlagen für eine verlässliche Schätzung z. B. anhand der Zahlen der Vorjahre hätten nicht vorgelegen. Die Schätzung der Lohnkosten von 90 % des Umsatzes bewege sich am oberen Rand des Schätzungsbereichs. Es sei jedoch zu beachten, dass nach den Feststellungen im Schlussbericht des HZA keine Materialkosten von der Antragstellerin zu stellen gewesen seien. Auch die Einwendungen der Antragstellerin, dass bei einer Gegenprüfung die Annahmen der Antragsgegnerin zu einem Differenzbetrag von 1 Million zum tatsächlichen Umsatz führen würden, sowie dass keine zureichenden Anhaltspunkte für die Auslagerung von Personal an einige der Subunternehmen erkennbar seien, führten zu keiner anderen Bewertung. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liege nicht vor und die Abweichung von ca. 14,8 % des Umsatzes stelle die Nachvollziehbarkeit der Schätzung nicht gänzlich infrage. Soweit die Antragstellerin sich darauf berufe, dass sie durch die Beitreibung der hier streitgegenständlichen Forderung in die Insolvenz getrieben werde, rechtfertige dies nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass das liquide Vermögen der Antragstellerin zur Deckung der Forderungen nicht ausreiche, führe das zu keiner unbilligen Härte. Das Interesse der Antragsgegnerin an einer zeitnahen Durchsetzung der Beitragsforderung werde gerade dann hoch sein, wenn die Antragstellerin behaupte, dass Zahlungsunfähigkeit drohe. Eine beachtliche Härte sei daher regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelinge darzustellen, dass die Beitreibung der Forderung aktuell die Zerstörung seiner Lebensgrundlage zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zur Zeit.
Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss am 15. Juni 2022 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg erhoben und damit im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. In dem angegriffenen Beschluss habe das SG die Maßstäbe, die für § 24 SGB X gelten würden verkannt. Die schlichte Verweisung auf ein Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin, in dem festgestellt worden sein soll, dass Beiträge zur Sozialversicherung nicht ordnungsgemäß abgeführt worden sind, reiche nicht aus. Dem Betroffenen müssten auch die entscheidungserheblichen Tatsachen in einer Weise unterbreitet werden, dass er sie als solche erkennen und sich sachgerecht hierzu äußern könne. Nur die Mitteilung, dass die Antragsgegnerin sich den Wertungen des Hauptzollamtes und des Rentenversicherungsträgers anschließe, eröffne nicht die Möglichkeit der Antragstellerin, sich inhaltlich mit den entscheidungserheblichen Tatsachen und den subjektiven Einschätzungen der Ermittlungsbehörden auseinanderzusetzen. Indem das SG mit seiner Entscheidung die gebotene wirksame Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vertage, werde es dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht gerecht. In materieller Hinsicht hätten sich sowohl die Antragsgegnerin als auch das SG einer Tatsachenfeststellung durch eigene Beweiswürdigung verschlossen, indem sie schlicht 90 % des Nettoumsatzes sämtlicher als Servicegesellschaft qualifizierter Subunternehmer als verschleiertes Arbeitsentgelt unterstellt und als eigene Schätzungsgrundlage hätten genügen lassen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Mai 2022 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin vom 17. November 2021 gegen die Beitragsänderungsbescheide vom 29. Oktober 2021 (betreffend die Jahre 2015 bis 2017) anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin auf Anordnung von einstweiligem Rechtsschutz im Vorverfahren vom 17. Juni 2022 zurückzuweisen.
Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide bestünden nicht. Eine Verpflichtung zur Übersendung von Beweismitteln, jedes Zwischenberichtes oder des Schlussberichtes der Ermittlung des HZA oder der Auswertung der DRV oder der Steuerfahndung ließen sich aus dem Anspruch auf Anhörung nicht ableiten. Die Antragsgegnerin verweist erneut darauf, dass sie zur Tatsachenfeststellung berechtigt sei, sich allein auf die im Rahmen der Bekämpfung der Schwarzarbeit gewonnenen Ermittlungsergebnisse des HZA bei dessen Betriebsprüfungen nach §§ 2 und 6 SchwarzArbG i.V.m. § 28p SGB IV sozialversicherungs- und beitragsrechtlich zu stützen sowie das Ergebnis der Betriebsprüfung der DRV heranzuziehen. Weitergehende Ermittlungen habe sie im Rahmen ihrer Schätzung nicht zu führen. Die Schätzung sei jedoch nach § 165 Abs. 3 SGB VII unter Berücksichtigung der ausgewerteten betriebswirtschaftlichen Parameter von ihr selbst vorgenommen worden.
Während des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin die Beitragsfestsetzungen aus den angegriffenen Änderungsbescheiden vom 29. Oktober 2021 noch einmal abgeändert. Mit Bescheiden vom 25. August 2022 hat sie die Beiträge wie folgt neu festgesetzt: für das Jahr 2015 auf 63.388,74 Euro, für das Jahr 2016 auf 128.439,36 Euro sowie für das Jahr 2017 auf 100.580,39 Euro. Darüber hinaus änderte sie die Beitragsfestsetzungen für die ASD-Beiträge für 2015 auf 778,27 Euro, für das Jahr 2016 auf 1.980,73 Euro und für das Jahr 2017 auf 1.201,91 Euro ab. Grund für die erneuten Beitragsänderungen ist eine veränderte Schätzungsgrundlage der Antragsgegnerin. Sie ist nunmehr davon ausgegangen, dass 65 % der von den Servicefirmen verbuchten Rechnungssummen als zusätzlich zu den gemeldeten Entgelten gezahlte Schwarzlohnsummen anzunehmen seien und hat für das Jahr 2015 zu den bereits gemeldeten Entgelten weitere Schwarzlöhne in Höhe vom 714.268,80 Euro, für 2016 in Höhe von 1.417.695,76 Euro und für 2017 in Höhe von 1.071.740,03 Euro zu Grunde gelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der von der Antragsgegnerin beigezogenen Verwaltungsakten sowie der Akten der Staatsanwaltschaft bzw. des Landgerichts Berlin zum Aktenzeichen 246 Js 902/17 verwiesen, die bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGG i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des SG Berlin vom 07. März 2022 ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 86b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Den Widersprüchen der Antragstellerin vom 17. November 2021 gegen die Änderungsbescheide vom 29. Oktober 2021 betreffend die Beiträge für die Jahre 2015 bis 2017 kommt entgegen § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung zu, weil nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die aufschiebende Wirkung bei der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben entfällt.
Die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat auf Grund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen hinsichtlich des Sofortvollzuges zu erfolgen, wobei neben den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens auch der Sinn und Zweck des Gesetzes, die Entscheidung des Gesetzgebers, ob Anfechtungsklagen und Widersprüche gegen solche Bescheide grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben sollen, sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 12e ff.). Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist daher in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG, dass das Interesse des durch den Verwaltungsakt Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage oder seines Widerspruches das kraft Gesetzes als vorrangig angesehene öffentliche Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 86b Rn.12b und c, m.w.N.). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss daher eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. Keller, a.a.O., § 86b Rn. 12c und 12e, m.w.N.). Nach § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Zwar richten sich die Voraussetzungen für die Herstellung der aufschiebenden Wirkung an die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat. Dieser Maßstab findet jedoch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung auch auf die nach § 86b Abs. 1 SGG zu treffende gerichtliche Abwägungsentscheidung Anwendung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Mai 2012 - L 8 R 164/12 B ER -, juris; Keller, a.a.O., § 86b Rn. 12b; jeweils m.w.N.).
Es bestehen aber weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit Bescheiden vom 25. August 2022 geänderten Beitragsfestsetzungen vom 29. Oktober 2021 noch stellt deren Vollziehung gegenüber der Antragstellerin eine unbillige Härte dar.
Nach der im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nach § 168 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 i. V. m. §§ 153 ff. SGB VII erlassenen o. g. Bescheide.
Das gilt zunächst in formeller Hinsicht, insbesondere in Bezug auf die von der Antragstellerin der Sache nach als unzureichend gerügte Anhörung. Der Antragstellerin sind mit dem Anschreiben vom 26. November 2020 die konkreten Entgeltdifferenzen für die einzelnen Jahre ebenso mitgeteilt worden wie die Höhe der beabsichtigten Beitragserhebung und der zugrundeliegende Sachverhalt, wonach Entgelte von sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern nicht beitragspflichtig abgerechnet worden seien. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Mitteilung dieser Umstände für eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 24 SGB X bereits ausreichend ist, denn nach vorläufiger Bewertung ist jedenfalls zwischenzeitlich eine ordnungsgemäße Anhörung erfolgt.
Gemäß § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Genügt eine Anhörung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, ist dies gem. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X unbeachtlich, wenn sie bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachgeholt wird. Kann aber die Anhörung demnach noch durch bzw. im Widerspruchsverfahren erfolgen, ist bei während des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens noch laufendem Widerspruchsverfahren für die Frage, ob eine ordnungsgemäße Anhörung erfolgt ist, nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides, sondern (frühestens) auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen.
Die Heilung eines Anhörungsmangels kann während des Widerspruchsverfahrens erfolgen, wenn dem Betroffenen hinreichende Gelegenheit gegeben wird, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (BSG, Urteil vom 29. November 2017 – B 6 KA 33/16 R -, juris; Schütze in: Schütze, 9. Aufl. 2020, SGB X § 41 Rn. 15). Die Behörde dokumentiert dann durch Erlass des Widerspruchsbescheides (oder Abhilfebescheides), ob und inwiefern sie an ihrer Entscheidung festhält (Franz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., Stand: 01. Dezember 2017, § 24 Rn. 65). Erfolgt die Nachholung während eines bereits anhängigen gerichtlichen Verfahrens, so ist nach der Rechtsprechung des BSG zu fordern, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dies setzt regelmäßig voraus, dass die Behörde dem Kläger in einem gesonderten "Anhörungsschreiben" alle erheblichen Tatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will, und sie ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 10 LW 2/11 R –, juris, Rn. 39; a. A. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. August 2007 – L 20 AS 99/06 –, juris).
Für die Nachholung der Anhörung sind vorliegend die für das Widerspruchsverfahren geltenden Maßstäbe zu Grunde zu legen. Ungeachtet des (parallel) geführten gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahrens befinden sich die angegriffenen Verwaltungsakte noch im Stadium des Widerspruchsverfahrens. Mit der währenddessen erfolgten Übersendung des Schreibens vom 22. Dezember 2021 nebst Anlagen ist jedenfalls eine ausreichende Anhörung erfolgt und wurde ein etwaiger Anhörungsmangel geheilt.
Eine ordnungsgemäße Anhörung erfordert, dem Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu den für den beabsichtigen Verwaltungsakt entscheidungserheblichen Tatsachen zu gewähren. Von Art und Inhalt der beabsichtigten Entscheidung ist maßgeblich abhängig, um welche konkreten Tatsachen es sich dabei im Einzelfall handelt. Welche Tatsachen hierunter fallen, hängt ebenso davon ab, worauf sich die Behörde bei Erlass des Verwaltungsakts zumindest auch stützen möchte, also welche Tatsachen aus Sicht der Behörde die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass des beabsichtigten Bescheids erfüllen. Maßstab ist dabei die Sichtweise der Behörde hinsichtlich der materiellen Rechtslage (Vogelgesang in: Hauck/Noftz SGB X, Werkstand: 2. Ergänzungslieferung 2022, § 24, Rn. 14). Eine in diesem Zusammenhang fehlerhafte Rechtsansicht der Behörde stellt deshalb keinen Anhörungsmangel dar (Franz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., Stand: 01. Dezember 2017, § 24 Rn. 24). Dem Beteiligten sind die Tatsachen derart zu unterbreiten, dass er diese als entscheidungserheblich erkennen kann und er in die Lage versetzt wird, sich hierzu ggf. nach Nachfrage bei der Behörde sachgerecht zu äußern (Franz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., Stand: 01. Dezember 2017, § 24 Rn. 26).
Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt, hat die Antragsgegnerin mit dem Anhörungsschreiben vom 26. November 2020, dem Erlass der angegriffenen Bescheide vom 29. Oktober 2021 und dem Schreiben vom 22. Dezember 2021 nebst Anlagen eine ordnungsgemäße Anhörung durchgeführt. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass sie berechtigt sei, eine Beitragsfestsetzung allein auf Grund der Ergebnisse der Ermittlungen des HZA und der Staatsanwaltschaft sowie auf Grund der Prüfungsergebnisse der DRV vorzunehmen. Sie hat mehrfach betont, dass sie, ohne eigene Ermittlungen anzustellen, gem. § 20 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB X berechtigt sei, Auskünfte jeder Art einzuholen und Urkunden und Akten beizuziehen und diese zur Grundlage ihrer Entscheidungen zu machen. Aus der insoweit maßgeblichen Sicht der Antragsgegnerin waren die entscheidungserheblichen Tatsachen daher die Ermittlungsergebnisse des HZA und der Staatsanwaltschaft sowie die Berechnungen der DRV zu den Bruttolohnsummen. Dieser Rechtsauffassung folgend, hat sie gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2021 dargelegt, dass sie ihre Beitragsfestsetzungen auf die Ermittlungsergebnisse des HZA gestützt habe, und hat ihr die Prüfberichte der DRV mit der Schadensberechnung vom 28. Mai 2020 bzw. 15. Juni 2020 und den gemeinsamen Schlussbericht der Steuerfahndung Berlin, des HZA und der FKS Cottbus übersandt. Sie hat damit der Antragstellerin alle ihrer Auffassung nach für die Beitragsnachforderung maßgeblichen Tatsachen mitgeteilt und ausreichend Gelegenheit zu einer sachgerechten Auseinandersetzung und Äußerung gegeben. Einer Übermittlung der Akten der Staatsanwaltschaft, die der Antragsgegnerin selbst auch gar nicht vorgelegen haben und auf die sie ihre Entscheidung daher auch nicht gestützt haben kann, bedurfte es nach vorläufiger Bewertung der Rechtslage durch den Senat nicht. Mit ihrem Schreiben vom 22. Dezember 2021 hat die Antragsgegnerin zu erkennen gegeben, ggf. auf neuen Vortrag der Antragstellerin hin, ihre Entscheidung möglicherweise noch abzuändern. Sie hat ausgeführt, dass die Antragstellerin „bisher“ noch keine Sachverhalte vorgetragen habe, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des HZA aufkommen ließen. Die Antragsgegnerin hatte ohnehin weitergehenden Vortrag spätestens bei Erlass des Widerspruchsbescheides zu berücksichtigen und darüber zu befinden, ob sie an den Änderungsbescheiden festhält. Letztlich ist eine solche Änderung bereits im laufenden Widerspruchsverfahren tatsächlich erfolgt.
Es spricht auch Überwiegendes für die materielle Rechtmäßigkeit der Bescheide. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 168 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 i. V. m. § 153 ff. SGB VII liegen voraussichtlich vor.
Nach den vom Senat anhand dessen Akten bzw. der Akten der Staatsanwaltschaft summarisch nachvollzogenen Ermittlungen des HZA ergeben sich aus dem Gesamtbild erdrückende Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin unter Einsatz von als Subunternehmen bezeichneten Schein- bzw. Servicefirmen (zum Begriff vgl. ausführlich auch Finanzgericht <FG> Düsseldorf, Beschluss vom 03. März 1999 - 5 V 7436/98 A (U) -, juris, insbesondere Rn. 22 ff) und von diesen erstellter „Abdeckrechnungen“ (solche, bei der ein tatsächlich entstandener Aufwand - hier für Schwarzlohnzahlungen - als Betriebsausgabe zum Ansatz gebracht wird und die tatsächlich entstandenen Ausgaben in der Buchführung unter Zuhilfenahme dieser Rechnung „abgedeckt“ werden) die (Mehr-) Beschäftigung von Arbeitnehmern verschleiert hat, so dass die Antragsgegnerin zur Beseitigung der Beitragserstfestsetzung und - ohne, dass ihr hierbei Ermessen zustand (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 2 U 2/08 R -, juris) – zur Neufestsetzung der Beiträge zur Unfallversicherung und zum ASD für die Jahre 2015 bis 2017 berechtigt war. Ebenso wenig begegnet die aufgrund der Ermittlungsergebnisse des HZA und der DRV vorgenommene und mit Bescheiden vom 25. August 2022 korrigierte Schätzung der Arbeitsentgelte (§ 153 Abs. 1, § 165 Abs. 1 und 3 SGB VII) rechtlichen und tatsächlichen Bedenken.
Nach § 168 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII ist der Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zuungunsten der Beitragspflichtigen dann aufzuheben, wenn 2. die Meldung nach § 165 Abs. 1 unrichtige Angaben enthält oder sich die Schätzung als unrichtig erweist.
Diese Voraussetzungen lagen vor. Die Antragsgegnerin hatte für die Umlagejahre 2015 bis 2017 jeweils Beitragsfestsetzungen erlassen, mit denen der Höchstbetrag der Beitragsschuld gemessen an der gesetzlichen Beitragsschuld zugunsten der Antragstellerin rechtswidrig zu niedrig festgesetzt worden war, weil deren Lohnnachweise nach § 165 Abs. 1 SGB VII unrichtig waren.
Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben die Unternehmer nach Ablauf eines Kalenderjahres die Arbeitsentgelte der Versicherten und die geleisteten Arbeitsstunden mit dem Lohnnachweis nach § 99 SGB IV zu melden. Die Angaben der Antragstellerin nach § 165 Abs. 1 SGB VII zu den gezahlten Arbeitsentgelten/Lohnsummen, auf denen die o.g. jeweiligen Beitragsfestsetzungen der Jahre 2015 bis 2017 basierten, erscheinen nach summarischer Prüfung zu Lasten der Beitragsforderungen der Antragsgegnerin als unrichtig, da sie zu niedrige Lohnsummen an die Antragsgegnerin gemeldet hat. Dies hat zur Folge, dass die Antragsgegnerin für diese Jahre jeweils zu niedrige Beiträge festgesetzt und von der Antragstellerin erhoben hat. Sie musste daher, ohne dass das Gesetz ihr Ermessen einräumt, die Festsetzung der Beitragsforderungen aus den Beitragsbescheiden für die Jahre 2015 bis 2017 jeweils aufheben und weitere Beiträge festsetzen.
Dabei durfte die Antragsgegnerin auf der Basis der vom HZA zur Verfügung gestellten Unterlagen und der Schadensberechnung der DRV davon ausgehen, dass die von der Antragstellerin erzielten Umsätze mit mehr Personalaufwand erwirtschaftet wurden als bei der Antragsgegnerin angemeldet war. Dass die Antragsgegnerin hierzu keine eigenen Ermittlungen durchgeführt, sondern sich ausschließlich auf die durch das HZA im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin wegen des Verdachts der Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB, Steuerhinterziehung nach §§ 369, 370 AO und Betrug an der Sozialkasse des Landes Berlin und der Berufsgenossenschaft Bau gemäß § 263 StGB, Aktenzeichen 246 Js 902/17, gewonnenen Ermittlungsergebnisse gestützt und diese lediglich beitragsrechtlich ausgewertet hat, ist unschädlich. Das Verwaltungsverfahren ist nicht an bestimmte Formen gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen; es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen (§ 9 SGB X). Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB X bestimmt die Behörde Art und Umfang der Ermittlungen. Sie bedient sich nach § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, wozu sie nach Satz 2 Nr. 1 und 3 der Regelung Auskünfte jeder Art einholen sowie Urkunden und Akten beiziehen kann. Reichen die vom HZA ermittelten Umstände, insbesondere die vor Ort eingeholten Auskünfte und beigezogenen Unterlagen zu einer Prüfung nach § 168 SGB VII aus, kann sich der Unfallversicherungsträger auf diese Beweismittel beschränken und das Verfahren gemäß § 8 SGB X durch Bescheid abschließen. Reichen demgegenüber die vom HZA ermittelten Umstände zu einer (abschließenden) Prüfung nach § 28p SGB IV nicht aus, hat die Antragsgegnerin nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB X) die für eine abschließende Prüfung noch fehlenden Umstände zu ermitteln (vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 22. April 2016 – L 1 KR 228/11 –, juris Rn. 31, sowie Beschluss vom 12. Februar 2018 – L 9 KR 496/17 B ER -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juni 2017 – L 10 R 592/17 –, juris Rn. 19 ff. zur Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV; Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28p SGB IV, Rn 181).
Weitere Ermittlungen im Hinblick auf die Höhe der Beitragsfestsetzung wären nur dann erforderlich gewesen, wenn aus den Ermittlungen des HZA ersichtlich gewesen wäre, dass namentlich bekannte, ohne größeren Verwaltungsaufwand befragbare Personen als Arbeitnehmer in Frage kommen könnten (vgl. hierzu Bayerisches LSG, Beschlüsse vom 21. Oktober 2013 – L 5 R 605/13 B ER –, juris Rn. 22, und vom 04. Dezember 2013 – L 5 R 652/13 B ER –, juris Rn. 27 ff.; s. dazu auch Pietrek in: jurisPR-SozR 14/2015 Anm. 2). Für derartige oder sonstige weitere Ermittlungsansätze, die ein zusätzliches Tätigwerden der Antragsgegnerin angezeigt erscheinen ließen, ist nichts ersichtlich. Zwar trägt die Antragstellerin – und insoweit auch zutreffend (vgl. Sonderband 20 der Akten der Staatsanwaltschaft) – vor, dass sich aus einigen der beschlagnahmten Unterlagen Stunden- und Lohnlisten für einzelne Arbeitnehmer ergeben würden. Diese sind aber eher fragmentarisch und nicht geeignet, auf die Gesamtentgelte die der Beitragsberechnung der Antragsgegnerin zu Grunde zu legen sind, zu schließen. Selbst wenn sich daraus für einzelne Arbeitnehmer für gewisse Zeiträume die Arbeitsstunden ermitteln ließen, führte dies nicht zu einer Berechenbarkeit der Beitragsforderung.
Die im Rahmen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft des HZA gewonnenen Erkenntnisse lassen voraussichtlich auch den Schluss auf die Verschleierung von Schwarzlohnzahlungen durch die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin zu. Die vom Senat im Rahmen der im Eilverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nachvollzogenen umfangreichen Ermittlungen des HZA und der Staatsanwaltschaft ergeben nach dem Gesamtbild hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin unter Einsatz von als Subunternehmen bezeichneter „Servicefirmen“ und von diesen erstellten „Abdeckrechnungen“ die Beschäftigung von Arbeitnehmern zielgerichtet verschleiert hat, um die Abführung arbeitnehmerbezogener sozialversicherungsrechtlicher Beiträge zu unterbinden. Umstände von gleichem oder höheren Gewicht, die gegen ein solches Vorgehen sprechen, sind von der Antragstellerin dagegen nicht vorgetragen worden und im vorläufigen Rechtsschutzverfahren auch sonst nicht ersichtlich.
Nach den in dem gemeinsamen Schlussbericht zusammengefassten Ermittlungen der Steuerfahndung Berlin, des HZA und des FKS Cottbus HZA, die durch den Senat stichprobenhaft anhand der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft nachvollzogen wurden, folgt zunächst, dass die hiesige Antragstellerin weitere Nachunternehmen beauftragte (D DO GmbH, KE GmbH, KL GmbH, L GmbH und der SI Bau GmbH) und Überwiegendes dafür spricht, dass diese Firmen Scheinrechnungen erstellten. Insoweit ergaben u. a. die Durchsuchungen der Firmenräume und bei Angestellten sowie die Überprüfung der Konten und Geschäftsunterlagen dieser Nachunternehmer, dass sie weder räumlich, personell noch logistisch über die Ausstattung verfügten, um tatsächlich einer Baugewerbe-Geschäftstätigkeit im Umfang der an die Antragstellerin ausgestellten Scheinrechnungen nachzugehen und sie die Arbeitnehmer in Teilzeit- oder geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen führten (vgl. z. B. Akten der Staatanwaltschaft Sonderbände 8 und 9 zu S GmbH, Sonderband 10 zu KL GmbH, Sonderband 11 zu KEGmbH, Sonderband 12 zu De, Sonderband 13 zu L Bau GmbH Sonderband 14 zu D GmbH). Nur beispielhaft sei aus den umfangsreichen Ermittlungsunterlagen aufgeführt, dass in den Büroräumen der Antragstellerin zwar an die Subunternehmen ausgestellte Rechnungen, jedoch weder Verträge, Aufmaße oder sonstige im Rahmen der Bauauftragsausführung übliche Korrespondenz (zu Rechnungsprüfungen, Abweichungen der Ausführung von der Beauftragung, Mängelanzeigen) gefunden wurden. Trotz umfangreicher Rechnungsstellungen der Subunternehmen an die Antragstellerin konnten im Hinblick auf konkrete Baustellen zum Teil keinerlei Bautagebücher o. ä. gefunden werden, auch waren die von der Antragstellerin beauftragten Unternehmen weder auf den Baustellen tätigen Arbeitern noch Bauleitern der Auftraggeber der Antragstellerin bekannt. Zwei Mitarbeiterinnen bzw. Geschäftsführerinnen, die für eine Reihe von Serviceunternehmen tätig waren, bestätigten in ihren Aussagen, dass u. a. für die DO GmbH, KE GmbH, KL GmbH und L GmbH die Rechnungen durch sie auf Zuruf erstellt wurden, ohne dass eine Leistung dahinter stand, und sie mit jeder Rechnungsstellung an (vermeintliche) Auftraggeber zugleich eine um 10%, 15% oder 20% reduzierte Rechnung an eine Servicefirma erstellt hätten, zudem sei eine Auslagerung von Personal an diese Firmen erfolgt (Sonderband 14, S. 116 ff.). Dies konnte durch Daten, die sich auf sichergestellten USB-Sticks (sog. P-Sticks, vgl. Akte der Staatsanwaltschaft StA Bd. VI, S. 1473 ff., sowie Aussagen und Stick des Zeugen M, Sonderband 8, 194ff.) befunden haben, bestätigt werden. Hier fanden sich u. a. Rechnungsstellungen für die KE GmbH, KL GmbH und L Bau GmbH an die Antragstellerin. Bei dem Zeugen M (Sekretär der S GmbH) wurden Unterlagen betreffend die L GmbH, u. a. ein Firmenstempel und vertrauliche Geschäftsunterlagen sichergestellt. Der Zeuge M schilderte zudem, dass bei der S GmbH nicht nur Rechnungen für eine Provisionsgebühr von 2% bis 7% gekauft, sondern auch Personal „geparkt“ werden konnte. Er bestätigte die Erstellung von Scheinrechnungen und die Führung von Personal für die Antragstellerin. Er führte weiter aus, dass das von der Antragstellerin überwiesene Geld von der Zeugin K abgehoben, später abgezählt und dann nach Abzug der Provision in vorher beschriftete Briefumschläge gesteckt worden sei. Die Kunden hätten sich zum Teil das Geld abgeholt oder es sei zu den Kunden gebracht worden (Sonderband 8, S. 232 ff.) Bei den Vernehmungen ließ sich u. a. der Geschäftsführer der KE GmbH (Sonderband 11, 287ff.) dahingehend ein, dass mit der Firma tatsächlich nicht gebaut, sondern Rechnungen gegen Prozente verkauft wurden. Im Hinblick auf die KL GmbH fanden sich Provisionsabrechnungen in sichergestellten Unterlagen. Auch hier berichtete die ehemalige Geschäftsführerin (Sonderband 10, S. 121 ff.), Rechnungen auf Anweisung geschrieben und Bargeld in großen Mengen abgehoben, jedoch keine Einblicke in die tatsächliche Tätigkeit des Unternehmens gehabt zu haben. Von den Konten der benannten Firmen sind zum Teil innerhalb kurzer Zeiträume erhebliche Barabhebungen erfolgt, in der Regel auch zeitnah zu den Geldeingängen (z. B. Aufstellung Akten der Staatsanwaltschaft Bd. I, S. 99 ff.).
Für die tatsächliche Erbringung der Leistungen im beauftragten Umfang sprechen auch nicht die von der Antragstellerin oder den Nachunternehmen erstellten Personalerfassungslisten und die teilweise durch die genannten Unternehmen vorgenommene Meldung zur Sozialversicherung. Zum einen wurde nur ein sehr geringer Teil der auf den Personalerfassungslisten eingetragenen Personen zur Sozialversicherung (vgl. Aufstellung der SOKA-Bau Akten der Staatsanwaltschaft Bd. 6, S. 1443) angemeldet. Zum anderen erfolgten die Meldungen nur in einem sehr geringen Umfang der Tätigkeit (geringfügige Beschäftigung oder in Teilzeit). Dass - so die Schlussfolgerung des HZA - eine Teilzeitbeschäftigung der beschäftigten Arbeitnehmer im Bauwesen zumindest sehr untypisch ist, ist für den Senat in der Bewertung plausibel. Zudem waren nach Angaben von Bauleitern der Hauptauftraggeber nahezu alle Arbeiter in Vollzeit beschäftigt. Zudem werden einige der Personen auf Personalerfassungslisten anderer Unternehmen aufgeführt, als demjenigen, über das sie zur Sozialversicherung angemeldet waren bzw. wurden nach Zeugenaussagen und auf Grund von Baustellenprüfungen direkt für die Antragstellerin tätige Personen bei Nachunternehmen gemeldet.
Auch der Einwand der Antragstellerin, dass eine Auslagerung von Personal an einige der Servicefirmen nicht nachgewiesen sei bzw. nach den Ermittlungen des HZA nicht wahrscheinlich sei, vermag an der nachvollziehbaren Bewertung, dass hier voraussichtlich Abdeckrechnungen erstellt worden sind, nichts zu ändern. Das System der Abdeckrechnungen zur Generierung von Schwarzlohnzahlungen funktioniert auch ohne die Auslagerung von Personal. Allein der Umstand, dass buchhalterisch die Leistungen an Nachunternehmen vergeben und diese bezahlt wurden, genügt nicht, um die Annahme der Beschäftigung von nicht oder nicht ordnungsgemäß gemeldeten Arbeitnehmern durch die Antragsgegnerin zu erschüttern. Dass die Buchhaltung insoweit nicht zu beanstanden ist, ist ja gerade der Sinn und Zweck der formalen Vergabe der Aufträge an sogenannte Servicefirmen.
Die Antragsgegnerin durfte für ihre eigene Beitragsnachberechnung die in den Bescheiden vom 25. August 2022 aufgeführten Lohnsummen zugrunde legen.
Dabei ist die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen, dass im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die Beitragsberechnung nach § 153 ff. SGB VII auf der Grundlage der geleisteten Arbeitsstunden (Lohnsumme) im Betrieb zu ermitteln ist und somit keine arbeitnehmerbezogene Lohnfeststellung, wie dies im Bereich des Gesamtsozialversicherungsbeitrages nach § 28d SGB IV vorgeschrieben ist, erfolgt.
Die Antragsgegnerin durfte die zu Grunde zu legenden Arbeitsentgelte schätzen. Gemäß § 165 Abs. 3 SGB VII kann der Unfallversicherungsträger, soweit der Unternehmer die Angaben zum Jahresnettolohn nicht, nicht rechtzeitig, unrichtig oder unvollständig macht, eine Schätzung vornehmen. Das ist nach summarischer Prüfung hier der Fall, da nach den vorliegenden Erkenntnissen die Antragstellerin die ihr obliegenden Mitteilungen nach § 165 Abs. 2 SGB VII nicht bzw. nicht zutreffend abgegeben hat. Wie bereits dargelegt, ergeben sich auch keine anderen Ansätze zur Ermittlung konkreter Arbeitsentgelte.
Diese Schätzung ist schlüssig und nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin hat ihrer Schätzung die vom HZA ermittelten Rechnungssummen der als Servicefirmen eingeschätzten Firmen D, D GmbH, KEGmbH, KL GmbH, L Bau GmbH und S GmbH zu Grunde gelegt und angenommen, dass 65% dieser Rechnungssummen als Schwarzlohnzahlungen an die Arbeitnehmer ausbezahlt wurden. Dies erscheint angesichts des hier wohl betriebenen Aufwandes zur Verschleierung der Schein- bzw. Abdeckrechnungen sachdienlich und angemessen. Den Zeugenaussagen ist – wie bereits dargelegt - zu entnehmen, dass die Provisionen für die Servicefirmen allein für die Abdeckrechnungen zwischen 2% und 7% lagen. Da die Antragstellerin wohl zum Teil aber auch die Auslagerung von Personal auf die Servicefirmen vorgenommen hat und hierfür weitere Kosten/Provisionen für den Verwaltungsaufwand angefallen sein dürften, erscheint ein höherer Abzug gerechtfertigt. Darüber hinaus ist – worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist – davon auszugehen, dass mit den Scheinrechnungen nicht nur Schwarzlohnzahlungen ermöglicht, sondern auch Gewinne generiert werden sollten. Insgesamt einen Abschlag von 35% vorzunehmen erscheint jedenfalls nicht zuungunsten der Antragstellerin unangemessen. Die Schadensberechnung im Rahmen der Anklageschrift (S. 13) geht ebenfalls von einem solchen Abschlag (10% Provisionen, 20% Gewinne und 5% Sicherheitszuschlag) aus. Dass diese Berechnung nicht zur genauen Ermittlung der Schwarzlohnzahlungen dienen kann, ist dem Wesen einer Schätzung, zu der die Antragsgegnerin durch das Gesetz aber gerade ermächtigt ist, immanent.
Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin schließlich darauf, die Vollziehung der Beitragsbescheide bedeute für sie eine unbillige Härte.
Umstände, die die Annahme einer unbilligen Härte vorliegend rechtfertigen würden, sind nicht erkennbar. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 09. März 2006 - L 6 R 967/05 ER -, juris). Vielmehr wird das Interesse des Unfallversicherungsträgers an einer zeitnahen Durchsetzbarkeit der Beitragsforderung gerade dann hoch sein, wenn von Seiten des Unternehmens behauptet wird, dass Zahlungsunfähigkeit drohe. Gerade in einer solchen Situation ist der Unfallversicherungsträger gehalten, die Beiträge rasch einzutreiben, um die Funktionsfähigkeit der Unfallversicherung sicherzustellen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – L 3 U 112/13 B ER –, juris Rn. 52; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Februar 2012 – L 8 R 1047/11 B ER –, juris Rn. 37). Aus demselben Grund begründet auch die Höhe einer Beitragsforderung allein keine unbillige Härte. Eine beachtliche Härte in diesem Sinne kann regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen und glaubhaft zu machen, dass die Beitreibung der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit. Daran fehlt es hier. Die Antragstellerin hat lediglich pauschal auf eine ansonsten möglicherweise drohende Insolvenz hingewiesen, ohne ihre aktuelle Vermögenslage (Firmen- und Privatvermögen) im Einzelnen offenzulegen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154Abs. 1 und § 161 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach Abänderung der Beitragsbescheide im Beschwerdeverfahren hat sich das Verfahren zum Teil erledigt. Im Übrigen war die Antragstellerin unterlegen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 63 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Abänderung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Die Höhe des festzusetzenden Streitwerts ergibt sich gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG aus der Höhe der geltend gemachten bezifferten Beitragsleistung. Die Bemessung auf ein Viertel des Regressbetrags entspricht der sonstigen gerichtlichen Handhabung bei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 5. Aufl. 2017 [Stand März 2017] unter Nr. 10.2 zu Verfahren gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 und § 86b Abs. 2 SGG; BSG, Beschluss vom 29. August 2011 - B 6 KA 18/11 R -, SozR 4-1500 § 86a Nr. 2, Rn. 21). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war der Streitwert daher auf ein Viertel der Beitragsforderung, hier mithin auf 90.971,95 Euro (ausgehend von einer Beitragsnachforderung von 363.887,81 Euro) festzusetzen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.