Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.02.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1958 geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert und war zuletzt bis März 2012 als Versandmitarbeiterin bei B beschäftigt. Im Anschluss bezog die Klägerin Krankengeld bis zum 21.09.2012 und danach lückenlos Arbeitslosengeld und Krankengeld im Wechsel bis zum 02.08.2013. Ab 19.12.2013 bis zum 10.06.2014 stand die Klägerin erneut im Bezug von Arbeitslosengeld. Vom 11.06.2014 bis zum 21.07.2014 war sie arbeitslos gemeldet ohne Leistungsbezug, Gleiches gilt für die Zeit vom 04.11.2014 bis 16.02.2016 (Versicherungsverlauf Bl 43 LSG-Akte). Im Übrigen weist das Versicherungskonto seit Juni 2014 keine weiteren Versicherungszeiten auf.
Am 29.04.2015 beantragte die Klägerin erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst diverse ärztliche Unterlagen bei (ua Rehaentlassungsbericht Klinik am S N vom 19.05.2010 bis zum 23.06.2010, Diagnosen Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, Diabetes mellitus Typ II, Cervicobrachialgie rechts, Zustand nach Sprunggelenksfraktur beidseits, Zustand nach Bandscheibenvorfall C6-C7, Leistungsbeurteilung: Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten: sechs Stunden und mehr; Bericht über die teilstationäre Behandlung vom 08.02.2011 bis zum 15.04.2011 in der Tagesklinik B1, Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen; Bericht über die stationäre Behandlung vom 11.04.2012 bis zum 06.06.2012 in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie S1, Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, cervicaler Bandscheibenschaden, nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus (Typ II-Diabetes) ohne Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet; Rehaentlassungsbericht der M-Klinik K vom 19.12.2012 bis zum 23.01.2013, Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, cervicaler Bandscheibenschaden, Schulterläsion, nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus (Typ II-Diabetes ohne Komplikationen). Anschließend veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch die B2, die nach ambulanter Untersuchung der Klägerin im Gutachten vom 01.10.2015 eine Dysthymie bei narzisstischer Persönlichkeitsstörung, ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, eine Wirbelsäulenfehlstatik mit guter Mobilität, rezidivierenden Cervicozephalgien und Brachialgien, eine Bursitis trochanterica beidseits mit Schmerzangabe und erhaltener Wegefähigkeit sowie einen inzwischen insulinpflichtigen Diabetes mellitus ohne relevante Folgeerkrankungen diagnostizierte und die Klägerin für noch leistungsfähig für leichte Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich und mehr erachtete. Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 21.10.2015 ab. Im sich anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein weiteres Gutachten ein, diesmal bei dem T. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 05.07.2016 eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung sowie ein chronisches Schmerzsyndrom und hielt die Klägerin noch für leistungsfähig für leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich und mehr. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG; S 12 R 2188/16), das zunächst den behandelnden B3 als sachverständigen Zeugen befragte und im Anschluss N1 mit der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens betraute. In ihrem am 30.09.2017 erstellten Gutachten teilte N1 mit, dass eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige Episode, eine Dysthymia sowie eine Migräne ohne Aura vorlägen und die Klägerin noch in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Das SG wies die Klage daraufhin mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2018 ab.
Im sich anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 8 R 988/18) verwies die Klägerin auf die Einschätzung des B3 und legte eine Stellungnahme desselben vom 23.07.2018 vor, wonach jetzt neuerlich eine Exazerbation einer anhaltenden schweren chronifiziert depressiven Störung mit sozialem Rückzugsverhalten aufgetreten sei. Der 8. Senat holte auf Kosten der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein psychiatrisches Gutachten bei B4 ein, der darin am 19.02.2019 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode bis phasenweise schwer, sowie eine beginnende Hirnleistungsstörung auf psychiatrischem Fachgebiet diagnostizierte. Die Klägerin sei nicht in der Lage, einer Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen.
Mit Urteil vom 24.05.2019 wies der 8. Senat die Berufung auf der Grundlage des im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachtens von N1 vom 30.09.2017 sowie der im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von B2 vom 01.10.2015 sowie von T vom 05.07.2016 zurück. In den Entscheidungsgründen führte der Senat ua Folgendes aus:
Der Senat stellt aufgrund des Gutachtens von N1 fest, dass bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Episode mit im Zeitpunkt der Begutachtung am 30.09.2017 leichtgradiger Episode, eine Dysthymia sowie eine Migräne ohne Aura besteht. N1 führt aus, dass eine mittelgradige Einschränkung der Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, ein depressionsbedingter auf negative Inhalte gerichteter Gedankengang, eine durch Grübelschleifen beeinträchtigte kognitive Flexibilität und eine geminderte Fähigkeit, sich auf andere Personen und Situationen einzustellen und eine leichtgradig geminderte Fähigkeit zur Planung bestehe. Die Klägerin sei dennoch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Eine Minderung des Antriebs unabhängig vom Kontext liege nicht vor. Der Rückzug von Aktivitäten beschränke sich bei der Klägerin im Wesentlichen auf Pflichten. Angenehme Aktivitäten wie Treffen mit ihrer Schwester oder ihrer Bekannten sowie Telefonate oder Reisen in die Türkei würden dagegen noch ausgeübt. Der Senat bewertet die Ausführungen der Gutachterin als schlüssig und überzeugend. Insbesondere weist die Gutachterin zutreffend darauf hin, dass nur objektivierbare Zeichen der Krankheitsschwere und nicht der vorgetragene subjektive Leidensdruck bei der Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens zu berücksichtigen sind. Die Schwingungsfähigkeit der Klägerin war reduziert, jedoch nicht aufgehoben, der psychomotorische Antrieb war regelrecht, der motivationale Antrieb leichtgradig gemindert. Höhergradige Einschränkungen der Konzentration und des Durchhaltevermögens sowie kognitive Einschränkungen traten nicht auf. Die Klägerin zeigte sich auch zum Ende der Untersuchungszeit lebhafter. Die von N1 erhobenen objektiven Befunde rechtfertigen noch nicht die Annahme einer Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens auch für leichte Arbeiten. Die Klägerin befindet sich auch nicht in engmaschiger psychiatrischer Behandlung, was gegen einer höhergradigen seelischen Leidensdruck spricht. Die Behandlung bei B3 findet in mehrmonatigen Abständen statt. Eine Psychotherapie wird nicht durchgeführt. Auch hat sich der Ehekonflikt, welcher erheblich zur Verstärkung der depressiven Symptomatik beitrug, nach den Angaben der Klägerin bei der Begutachtung durch N1 gebessert. Der Senat vermag daher nach den von N1 erhobenen Befunden eine rentenrechtlich relevante Leistungseinschränkung nicht festzustellen.
Auch dem Gutachten von T vom 05.07.2016 vermag der Senat kein Absinken des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden für leichte Tätigkeiten zu entnehmen. Der neurologische Befund zeigte sich weitgehend unauffällig. Hinweise für Schmerzen zeigten sich während der Untersuchung nicht. Auffällige kognitive oder neuropsychologische Störungen sowie Störungen der Konzentration, der Aufmerksamkeit oder des Gedächtnisses konnten nicht erhoben werden. Die Affektlage war leicht depressiv und klagsam, die Schwingungsfähigkeit etwas eingeschränkt ohne Hinweise auf akute Suizidalität. Der Antrieb und die Psychomotorik waren ausgeglichen. T diagnostiziert auf neurologisch – psychiatrischem Fachgebiet eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren sowie einen Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung. Die chronische, mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung erfülle nach ihrem Schweregrad nicht die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung. Eine relevante Schmerzsymptomatik oder Antriebsminderung konnte der Gutachter nicht nachvollziehen. Die Klägerin erscheine derzeit nicht sehr unzufrieden mit ihrer Lebensführung. Grundsätzlich bestünden keine Zweifel an den beklagten depressiven Beschwerden und Schmerzen. Die angegebene Intensität und funktionelle Beeinträchtigung im Alltag sei dagegen nicht glaubhaft und plausibel. Eine wesentliche Veränderung im Vergleich zur letzten stationären Behandlung in der M-Klinik sei nicht zu verzeichnen.
B2 kommt in ihrem Gutachten vom 01.10.2015 ebenfalls zum Ergebnis, dass noch keine Leistungseinschränkung in zeitlicher Hinsicht besteht und eine Erwerbsminderung nicht festgestellt werden kann. Sie diagnostiziert eine Dysthymie bei narzisstischer Persönlichkeitsstörung sowie ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren. Die Klägerin zeigte sich affektiv auflockerbar und im weiteren Gesprächsverlauf schwingungs- und resonanzfähig. Eine psychiatrische Leistungseinschränkung konnte von B2 nicht erhoben werden. Auch nach den von B2 erhobenen Befunden lässt sich eine Erwerbsminderung der Klägerin nach Überzeugung des Senats nicht feststellen.
Die abweichende Beurteilung von B4 in seinem Gutachten vom 19.02.2019 nach § 109 SGG konnte der Senat nicht als überzeugend ansehen. Die Klägerin wurde im psychopathologischen Befund als zögerlich und auffassungsverlangsamt beschrieben. Über das Sprachschwierigkeitsverständnis hinaus imponierten eine ausgeprägte Dekonditionierung mit Auffassungsdefizit und Bradyphrenie (Pschyrembel online: Verlangsamung der geistigen Funktionen und Denkabläufe) sowie sozialphobische, diffuse und agoraphobische Ängste. Es bestünde ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl und Insuffizienzerleben mit resultierender Ziel- und Planlosigkeit. Das Gedächtnis sei im Zeitgitter auffällig unsicher mit Akalkulie (Pschyrembel online: Erworbene Störung im Umgang mit Zahlen nach primär intaktem Erwerb der Zahlenverarbeitung und des Rechnens bei intakter Intelligenz). Die ausgeprägte subjektive Vergesslichkeit korrespondiere mit dem klinischen Erscheinungsbild. B4 diagnostiziert eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode bis phasenweise schwer sowie eine beginnende Hirnleistungsstörung. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, einer Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen. Die von B4 diagnostizierte schwere Konzentrationsstörung, Zeitgitterstörung und der Verdacht auf eine beginnende Hirnleistungsstörung wird jedoch allein auf der Grundlage der subjektiven Angaben der Klägerin zum Tagesablauf und dem noch verbliebenen Aktionsradius sowie nach testpsychologischen Untersuchungen ohne ausreichende Validierung gestellt. So weist D in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 12.03.2019 zutreffend darauf hin, dass der Uhrentest, welcher frühzeitig Hinweise auf kognitive Defizite geben könne, völlig unauffällig gewesen sei und der Gutachter seine Einschätzung auf testpsychologischen Untersuchungen treffe, welche mitarbeitsabhängig seien (zur Aussagekraft solcher testpsychologischen Standardtestungen vgl. Urteil des Senats vom 24.05.2019 – L 8 R 4655/14 -). Der Gutachter nimmt nicht zu der Frage Stellung, dass die von ihm angenommene kognitive Einschränkung bei den vorangegangenen Gutachten nicht erhoben wurde und ob der bei der jetzigen Begutachtung sehr vermindert geschilderte Tagesablauf auf einer tatsächlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder auf einer angepassten Beschwerdeschilderung beruht. Eine kritische Würdigung und Validierung der subjektiven Angaben des Probanden ist indes, gerade bei abweichenden Darstellungen in der Anamnese, eine Kernaufgabe des Gutachters. B4 weist selbst darauf hin, dass die Exploration bei N1 wesentlich präzisere Angaben der Klägerin ergeben hat und einen nicht so schwergradigen psychopathologischen Befund. Der Verweis des Gutachters, dass der Zustand der Klägerin offenkundig schwanke und dass die zwischenzeitlichen Behandlungsmaßnahmen zwar zu einer Besserung geführt hätten, welche jedoch nicht von Dauer gewesen sei, ist angesichts der konsistenten Gutachten von B2, T und N1 bei gleichbleibend niederfrequenter ambulanter Behandlung nicht geeignet, die Diskrepanzen zwischen dem Gutachten von B4 und den vorangegangenen Gutachten zu erklären. Bezüglich der Frage der Ursache für die anamnestisch angegebene Verschlechterung ist auch zu beachten, dass der ursprüngliche (Mit-)Auslöser für die depressive Erkrankung, die Konflikte in der Ehe, sich gebessert hat. Auch ist zu prüfen, ob der mitgeteilte völlige Rückzug von den Haushaltstätigkeiten krankheitsbedingt erfolgte oder ein sekundärer Krankheitsgewinn (mit-)ursächlich ist. Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin im Vergleich zur Begutachtung durch N1 tatsächlich derart schwergradig verschlechtert hat. Entsprechende objektive Befunde vermag der Senat dem Gutachten von B4 nicht zu entnehmen. Auch die Annahme, die Klägerin sei austherapiert, ist angesichts der nur niederfrequenten ambulanten Behandlung und der durch die zwischenzeitlich erfolgten teil- und vollstationären Maßnahmen erreichte Besserung, nicht nachvollziehbar. Die Tatsache, dass keine nachhaltige Besserung des Gesundheitszustandes im Anschluss an die Maßnahmen erreicht werden konnte – B3 hat gegenüber dem SG sogar angegeben, die Klägerin habe von der Reha-Maßnahme durchaus profitiert –, ist auch dadurch begründet, dass die empfohlenen Behandlungsmaßnahmen im Anschluss an die stationäre Behandlung, wie die Durchführung einer Psychotherapie, nicht erfolgten. Im Übrigen wäre bei einer schwergradigen depressiven Störung eine Intensivierung der Behandlungsmaßnahmen zu erwarten gewesen. Dies ist jedoch seit dem Jahr 2016 nicht geschehen. Der Senat kann somit die Aussage von B4, dass die Klägerin austherapiert und schon seit Jahren dermaßen dekonditioniert wäre, so dass keine Arbeit von wirtschaftlichem Wert mehr möglich sei, nicht nachvollziehen.
Auch die Leistungseinschätzung des B3 ist nicht überzeugend, denn sie lässt sich nicht aus den von ihm mitgeteilten Befunden objektivierbar ableiten. B3 teilt in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG vom 11.01.2017 mit, dass die letzte teilstationäre Behandlung im April 2016 eine deutliche Besserung mit Remission der depressiven Symptomatik erbracht habe. Die Klägerin befand sich auch nachfolgend nur noch mit teilweise mehrmonatigen Abständen in seiner Behandlung. Dies spricht gegen eine erhebliche Verschlechterung des Zustandes und daher auch gegen die Annahme einer Leistungseinschränkung von erwerbsmindernder Relevanz.
Der Senat vermag auch nicht auf der Grundlage der Erkrankungen auf orthopädischem bzw. internistischem Fachgebiet eine Erwerbsminderung festzustellen. Die von B2 diagnostizierte Wirbelsäulenfehlstatik mit guter Mobilität und rezidivierenden Cervikocephalgien und Brachialgien bedingt lediglich den Ausschluss von mittelschweren und schweren Arbeiten. Die Wirbelsäule zeigte sich nicht höhergradig bewegungseingeschränkt. Die Schulterbeweglichkeit war mit Schürzen-, Überkopf- und Nackengriff unauffällig. Die Beweglichkeit der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke war unauffällig ohne Hinweise für Bandinstabilität, Überwärmung oder Gelenkerguss. Auch den Gutachten von T, N1 und B4 sind schwergradige Leistungseinschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet nicht zu entnehmen. Entsprechend findet auch keine fachorthopädische Behandlung statt. Die koronare 1-Gefäßerkrankung wurde durch Anlage eines Stents behandelt und hat noch zu keiner sozialmedizinisch relevanten Leistungsminderung auf kardiologischem Fachgebiet geführt. Entsprechende Befunde sind nicht ersichtlich. Der Diabetes Mellitus Typ II ist insulinpflichtig, hat jedoch nach den Gutachten von B2 und N1 noch nicht zu Folgeerkrankungen geführt. Die orthopädischen und internistischen Erkrankungen führen daher – wie N1 in ihrem Gutachten zutreffend ausführt – zum Ausschluss von mittelschweren und schweren Tätigkeiten. Eine Erwerbsminderung lässt sich dagegen hierdurch nicht begründen.
Am 06.06.2019 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 19.07.2019 ab, weil die Klägerin die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diese Rente nicht erfülle. Im maßgebenden Zeitraum 01.01.2013 bis 05.06.2019 seien nur 15 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 31.07.2019 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2020 (Versand am 20.02.2020, Eingang beim Klägerbevollmächtigten am 25.02.2020) zurückwies.
Am 23.03.2020 hat die Klägerin hiergegen erneut Klage beim SG erhoben. Sie trägt vor, der Versicherungsfall der Erwerbsminderung sei jedenfalls spätestens im Januar 2015 eingetreten. Zur Untermauerung ihres Vortrags hat die Klägerin ua den Arztbrief des ZfP S2 vom 27.07.2020 über die stationäre Behandlung vom 22.05.2020 bis 28.07.2020 vorgelegt (Diagnosen ua rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, psychische und Verhaltensstörungen durch Sedative oder Hypnotika, Abhängigkeitssyndrom).
Das SG hat die Klage ohne weitere medizinische Ermittlungen mit Gerichtsbescheid vom 22.02.2021 abgewiesen. Die Klägerin habe angesichts der im Versicherungsverlauf zuletzt für Juni 2014 genannten rentenrechtlichen Zeiten bereits seit mehreren Jahren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht mehr erfüllt. Selbst wenn nach Juni 2014 noch weitere Verlängerungstatbestände vorgelegen haben sollten, seien diese nach Aktenlage allenfalls bis Januar 2016 gegeben. Bereits zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung des LSG vom 24.05.2019 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben. Das Gericht schließe sich der Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg an, dass von einem entsprechend früheren Leistungsfall, für den die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt wären, nicht ausgegangen werden könne. Etwas anderes folge auch nicht aus dem im vorliegenden Rechtsstreit vorgelegten Entlassungsbericht des ZfP S2 vom 27.07.2020. Ausweislich dieses Berichts habe sich die Klägerin vom 22.05.2020 bis 28.07.2020 zum ersten Mal in stationärer Behandlung in dieser Klinik befunden. Eine Aussage über einen Leistungsfall der Erwerbsminderung mehrere Jahre zuvor könne aus diesem Bericht nicht abgeleitet werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 01.03.2021 Berufung beim LSG eingereicht unter Wiederholung der im erstinstanzlichen Verfahren abgegebenen Begründung. Der ausschließliche Rückgriff auf früher ergangene Sachverständigengutachten, die für die Klägerin ungünstig ausgefallen seien, überzeuge nicht, nachdem es auch Gutachten mit gegenteiligem Ergebnis gebe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.02.2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2020 zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat den V mit der Erstellung eines Gutachtens betraut. Im Gutachten vom 31.07.2021 hat V nach ambulanter Untersuchung der Klägerin eine chronisch-depressive Störung, derzeit schwer ausgeprägte Episode ohne psychotische Symptome (F33.2), sowie ein Syndrom der unruhigen Beine, Restless-legs-Syndrom (G25.81), diagnostiziert. Die Beurteilung des Krankheitsverlaufes könne nur mit einer gewissen Unsicherheit vorgenommen werden, auch da von der Probandin die Behandlungsdaten nur grob erinnert würden. Letztlich könne die Krankheitsgeschichte nur anhand der vorliegenden Unterlagen rekonstruiert werden. Hier könne eine schwere depressive Störung, zunächst auch mit psychotischen Symptomen für die Jahre 2010 und 2011 nachvollzogen werden. 2013 sei von der M-Klinik eine mittelgradige depressive Verstimmung gesehen worden, anschließend 2016 und 2020 von der S3 Klinik bzw der psychiatrischen Klinik W erneut eine schwere depressive Störung. Bei dem von den Kliniken und von Herrn B3, dem behandelnden Psychiater, beschriebenen Verlauf müsse von einer durchgehenden Erwerbsunfähigkeit seit dem Jahr 2010 ausgegangen werden. Auch bei der Beschreibung einer mittelgradigen depressiven Störung habe die M-Klinik im Jahr 2012 eine anhaltende Behandlungsbedürftigkeit angenommen. Insofern lasse sich aus den Unterlagen eine Erwerbsminderung auch ab dem Jahr 2017 nachvollziehen. Auf die Kritik der Beratungsärztin D, V verlasse sich allein auf die subjektive Beschwerdeschilderung der Klägerin, ohne diese zu objektivieren, auch ergebe sich aus dem Medikamentenspiegel keine Einnahme eines Antidepressivums und widerspreche die Einschätzung des V den Gutachten der B2, des T sowie der N1, hat V ergänzend vom 21.09.2021 dargelegt, Anhaltspunkte für Simulierung oder Aggravation hätten sich nicht gezeigt. Dass Patienten bei therapieresistenten Depressionen Medikamente absetzten, sei nicht ungewöhnlich. Die Gutachten der Vorgutachter stünden im Gegensatz zu den Angaben sämtlicher behandelnder Ärzte. Hierzu hat wiederum D erwidert, die Klägerin sei stets in gebessertem Beschwerdebild aus den Kliniken entlassen worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der beigezogenen Akten S 12 R 2188/16 sowie L 8 R 988/18 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2020 zu Recht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt und das SG die hiergegen gerichtete Anfechtungs- und Leistungsklage aus zutreffenden Gründen abgewiesen hat.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).
Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt.
Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Wie sich aus § 43 Abs 1 SGB V ergibt, ist Voraussetzung für die Gewährung einer Rente nicht nur das Vorliegen einer Erwerbsminderung, sondern überdies müssen weitere besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein, nämlich das Vorliegen von drei Jahren Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung.
Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich gemäß § 43 Abs 4 SGB VI um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
Berücksichtigungszeiten,
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nr. 1 oder 2 liegt,
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.
Anrechnungszeiten sind ua Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) oder arbeitslos (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI) gewesen sind, wenn dadurch ua eine versicherte Tätigkeit unterbrochen ist (§ 58 Abs 2 Satz 1 SGB VI).
Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären hier nur erfüllt, wenn spätestens im Oktober 2017 Erwerbsminderung eingetreten wäre. Der Fünf-Jahres-Zeitraum vor September 2017 war hierbei um die Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 11.06.2014 bis 21.07.2014 (2 Monate, Verlängerung nach § 43 Abs 4 Ziff 1 SGB VI iVm § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI) sowie vom 04.11.2014 bis 16.02.2016 (16 Monate, § 43 Abs 4 Ziff 3 SGB VI), zusammen somit um 18 Monate zu verlängern und umfasst die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.09.2017.
Nach dem in den Akten vorliegenden Versicherungsverlauf vom 15.03.2021 (Bl 41 ff LSG-Akte) finden sich in diesem verlängerten Zeitraum die letzten 36 Monate an Pflichtbeiträgen in folgenden Monaten, wobei Teilmonate nach dem Monatsprinzip (§ 122 Abs 1 SGB VI) als volle Monate zählen:
04/2011 bis 12/2011 9 Monate
01/2012 bis 12/2012 12 Monate
01/2013 bis 08/2013 8 Monate
12/2013 1 Monat
01/2014 bis 06/2014 6 Monate
36 Monate
Um somit die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der 3/5-Belegung zu erfüllen, hätte die Erwerbsminderung spätestens im Oktober 2017 eintreten müssen, weil dann in dem (verlängerten) Fünf-Jahres-Zeitraum vor Oktober 2017 (also ab April 2011 bis einschließlich September 2017) exakt 36 Monate an Pflichtbeiträgen vorlägen. Wäre die Erwerbsminderung erst im November 2017 eingetreten, hätte dies zur Folge, dass sich der (verlängerte) Fünf-Jahres-Zeitraum nach hinten verschöbe und nun erst ab Mai 2011 begönne. In diesem Fall fehlte es indes an den Pflichtbeiträgen im April 2011 und würden die notwendigen 36 Monate Pflichtbeiträge nicht mehr erreicht. Die Beklagte hält demgegenüber einen letztmöglichen Eintritt der Erwerbsminderung am 30.09.2017 für notwendig (vgl Berechnung Seite 60 LSG-Akte; dies wäre für die Klägerin ungünstiger als der vom Senat errechnete Zeitpunkt und bedarf daher hier keiner Entscheidung).
Es kann nicht unter Heranziehung des § 241 Abs 2 SGB VI von der Mindestanzahl von Pflichtbeiträgen abgesehen werden, da die allgemeine Wartezeit (§ 50 SGB VI - fünf Jahre) nicht bereits vor dem 01.01.1984 erfüllt war. Das Versicherungskonto der Klägerin weist erst Versicherungszeiten ab August 1982 auf, so dass die erforderlichen fünf Jahre nicht erreicht werden. Die Erwerbsminderung ist auch nicht bereits vor dem 01.01.1984 eingetreten (§ 241 Abs 2 SGB VI) und auch nicht schon vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (§ 43 Abs 6 SGB VI). Ein Fall des § 43 Abs 5 SGB VI (vorzeitige Wartezeiterfüllung) liegt gleichfalls nicht vor, insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die verminderte Erwerbsfähigkeit durch einen Arbeitsunfall (§ 53 Abs 1 Satz 1 Ziffer 1 SGB VI) eintrat.
Im Ergebnis bestünde nur dann ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung der begehrten Rente, wenn Erwerbsminderung spätestens im Oktober 2017 eingetreten wäre. Der Senat stellt fest, dass eine Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß bei der Klägerin spätestens zu diesem Zeitpunkt indes nicht nachgewiesen ist.
Der Nachweis für die den Anspruch begründenden Tatsachen muss hierbei im Wege des sog Vollbeweises erfolgen. Dies erfordert, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann. Dies bedeutet, das Gericht muss von der zu beweisenden Tatsache mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit ausgehen können; es darf kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalles begründeter Zweifel mehr bestehen. Von dem Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen muss insoweit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden können (vgl BSG 14.12.2006, B 4 R 29/06 R; BayLSG 26.07.2006, L 16 R 100/02; beide in Juris; BSGE 45, 285; BSGE 58, 80). Können die genannten Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte. Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Erwerbsminderung trägt insoweit der Versicherte die Darlegungs- und objektive Beweislast (vgl BSG 23.10.1996, 4 RA 1/96, Juris).
Bei der Beurteilung des Leistungsvermögens stützt sich der Senat zum einen auf die im Wege des Urkundenbeweises zu verwertenden Gutachten der B2 vom 01.10.2015, des T von 05.07.2016 sowie das im Verfahren S12 R 2188/16 durch das SG eingeholte Gutachten der N1 vom 30.09.2017, die allesamt nach ambulanter Untersuchung und sorgfältiger Begutachtung zu dem Ergebnis eines vollschichtigen Leistungsvermögens kamen. Diesbezüglich verweist der erkennende Senat auf die zutreffenden Ausführungen des 8. Senats im Urteil vom 24.05.2019, denen er sich nach eigener Überprüfung vollumfänglich anschließt.
Soweit B4 in seinem Gutachten vom 19.02.2019 zu einem anderen Ergebnis kommt und nun keinerlei Erwerbstätigkeit mehr für möglich hält, vermag dies nichts zu ändern. Selbst, wenn diese Einschätzung zum Zeitpunkt der Untersuchung durch B4 am 14.02.2019 zutreffend sein sollte - was der Senat offenlassen kann -, wären die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt. Wie dargelegt, hätte die Erwerbsminderung spätestens im Oktober 2017 eintreten müssen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten indes sämtliche Gutachter eine Erwerbsminderung verneint. Selbst B4 hielt sich außerstande, den von ihm angenommenen Beginn der Leistungseinschränkung aus eigener Beurteilung vorzunehmen. Er schrieb lediglich, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin seit Jahren dermaßen dekonditioniert sei, dass sie schon seit Jahren nicht mehr einer vernünftigen Arbeit von wirtschaftlichem Wert nachkommen könne. Mit einer solch vagen Aussage sind die vorangegangenen Gutachten nicht zu erschüttern, zumal die Gutachter B2, T sowie N1 die Klägerin allesamt eigenhändig untersucht hatten und ihre gesundheitlichen Einschränkungen zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht für derart gravierend erachteten, dass sich eine Erwerbsminderung begründen ließe. Solch einer zeitnahen Beurteilung der Erwerbsfähigkeit kommt nach Überzeugung des Senats ein ungleich höherer Beweiswert zu als einer nachträglichen, noch dazu auf vager Grundlage, wie B4 selbst einräumen muss. Aus dem gleichen Grund überzeugt auch das Gutachten des V nicht, in dem er meint, eine Erwerbsminderung auch ab dem Jahr 2017 nachvollziehen zu können. Dieser hat die Klägerin am 11.05.2021 untersucht und damit 3,5 Jahre nach dem hier relevanten Zeitpunkt. Auch er schreibt, die Beurteilung des Krankheitsverlaufes könne nur mit einer gewissen Unsicherheit vorgenommen und nur anhand der vorliegenden Unterlagen rekonstruiert werden. Bei der Auswertung der Unterlagen stützt sich V dann allerdings lediglich auf die Diagnosen, die in Kliniken und durch B3 gestellt wurden, ohne zu beachten, dass die Klägerin aus sämtlichen stationären und teilstationären Behandlungen in wesentlich gebessertem Zustand entlassen wurde. So befand sich die Klägerin vom 08.02.2011 bis zum 15.04.2011 in teilstationärer Behandlung in der Tagesklinik B1, zfp S2 (Bericht vom 29.04.2011, Bl 116 SG-Akte S 12 R 2188/16) aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptome, konnte aber remittiert entlassen werden. Aus einer stationären Behandlung vom 11.04.2012 bis zum 06.06.2012 in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie S1 (Bericht vom 08.06.2012, Bl 111 SG-Akte S 12 R 2188/16), wo sie wegen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, behandelt wurde, wurde die Klägerin ebenfalls in deutlich gebessertem Stimmungszustand, innerlich ruhiger und mit einer gewissen Zuversicht entlassen. Vom 19.12.2012 bis 23.01.2013 nahm die Klägerin an einer stationären psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme in der M-Klinik K teil (ärztliche Unterlagen V-Akte) und wurde mit einem Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr entlassen. Gleiches gilt für die teilstationäre Behandlung in den S3-Kliniken für Psychosomatische Medizin (Bericht vom 13.05.2016, Bl 151 SG-Akte S 12 R 2188/16). Hier wurde die Klägerin vom 29.02.2016 bis zum 09.04.2016 erneut wegen rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, zunächst stationär, vom 11.04.2016 bis 15.04.2016 teilstationär behandelt, und erneut gelang es, sie in deutlich stabilisierter Stimmung in remittierter depressiver Symptomatik zu entlassen. Angesichts dieser Remissionen folgt der Senat der Annahme des V, Erwerbsminderung bestehe seit 2017, nicht. Aus dem gleichen Grund überzeugt auch seine Aussage nicht, die hohe Behandlungsintensität in mehreren Kliniken in den Jahren 2010-2012 lege eine therapieresistente depressive Störung nahe, die sich dann auch im Verlauf nicht mehr gebessert habe. Die oben zitierten Entlassberichte sämtlicher Kliniken beweisen doch, dass die Erkrankung der Klägerin gerade nicht therapieresistent war. Insofern spricht nach Überzeugung des Senats die nach 2012 eingetretene Verringerung der Zahl der Krankenhausaufenthalte verbunden mit einer nur unregelmäßigen psychiatrischen Behandlungsfrequenz eher für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes als dagegen. Vor diesem Hintergrund sind die Gutachten der B2, des T sowie der N1, die jeweils in den Jahren zwischen Klinikaufenthalten und somit in Zeiten der Remission erstellt wurden, anders als V annimmt, gerade nicht diskrepant, sondern stimmig.
Der Einwand des Klägerbevollmächtigten, der ausschließliche Rückgriff auf früher ergangene Sachverständigengutachten, die für die Klägerin ungünstig ausgefallen seien, überzeuge nicht, nachdem es auch Gutachten mit gegenteiligem Ergebnis gebe, ist unzutreffend. Tatsächlich gibt es keinerlei für die Klägerin positive Gutachten aus der Zeit bis Oktober 2017, auf die die Klägerin einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente stützen könnte. Lediglich der behandelnde Neurologe und Psychiater B3 ging bereits im Januar 2017 auf Nachfrage durch das SG (Stellungnahme vom 11.01.2017, Bl 19 ff SG-Akte S 12 R 2188/16) von einem eingeschränkten Leistungsvermögen aus. Hier ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin B3 offensichtlich nur unregelmäßig aufsuchte, denn zum Zeitpunkt seiner Stellungnahme lag der letzte Behandlungstermin bereits über 7 Monate zurück (20.05.2016). N1 schrieb sogar in ihrem Gutachten vom 30.09.2017, dass auch danach bis zum Zeitpunkt der Begutachtung keine erneute Behandlung durch B3 stattgefunden habe, so dass B3 aus diesem Grund nicht in der Lage ist, den Gesundheitszustand der Klägerin in den 1,5 Jahren vor Oktober 2017 zu beurteilen. Aber auch für die Zeit davor spiegelt sich die Einschätzung des B3 nicht in den Berichten der Kliniken wider, in denen die Klägerin ab 2011 behandelt wurde. Wie oben dargelegt, wurde die Klägerin stets in weit gebessertem bzw remittiertem Zustand entlassen, so dass die Annahme einer durchgängigen Erwerbsminderung nicht überzeugt. Zudem spricht gegen eine andere Beurteilung des Sachverhaltes allein aufgrund der Stellungnahmen der behandelnden Ärzte folgender Aspekt: Aufgabe behandelnder Ärzte ist es, ihren Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten zu untersuchen, seinen Wünschen und Vorstellungen zu entsprechen und gemeinsam mit dem Patienten eine wirksame Behandlung für die gesundheitlichen Einschränkungen zu finden. Die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens spielt - anders als bei der Begutachtung durch einen Sachverständigen - in diesem Arzt-Patienten-Verhältnis demgegenüber keine bzw nur eine untergeordnete Rolle. Im Gegensatz dazu ist ein Sachverständiger gehalten, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen, ohne hierbei Gefahr zu laufen, durch eine kritische Beurteilung das Vertrauen des Patienten zu verlieren. Vor diesem Hintergrund kommt der Beurteilung beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche und damit objektive Sachverständige nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953; 30.06.2020, L 11 R 4342/18) und auch anderer LSG (vgl Hessisches LSG 28.03.2017, L 2 R 415/14, Rn 65, Juris; Hessisches LSG, 04.09.2019, L 6 R 264/17, Rn 85, Juris; LSG Berlin, 20.10.2004, L 17 RA 101/03, Rn 24, Juris) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte.
Soweit die Klägerin wiederholt stationär behandelt wurde, haben solche Zeiten in der Vergangenheit Arbeitsunfähigkeitszeiten bedingt, nicht jedoch zu Erwerbsminderung geführt. Letzteres wird nur angenommen, wenn Arbeitsunfähigkeit so häufig auftritt, dass die während eines Arbeitsjahres zu erbringenden Arbeitsleistungen nicht mehr den Mindestanforderungen entsprechen, die ein "vernünftig und billig denkender Arbeitgeber" zu stellen berechtigt ist, sodass eine Einstellung oder Weiterbeschäftigung eines solchen Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch ausgeschlossen ist (BSG 31.10.2012, B 13 R 107/12 B, SozR 4-2600 § 43 Nr 19). Geklärt hat das BSG, dass diese Mindestanforderungen jedenfalls dann nicht mehr als erfüllt anzusehen sind, wenn der Versicherte die Arbeitsleistung für einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen (sechs Monate bzw die Hälfte) im Jahr gesundheitsbedingt nicht mehr erbringen kann (BSG 31.10.2012 aaO unter Verweis BSG 05.03.1959, 4 RJ 27/58, BSGE 9, 192; BSG 23.03.1977, 4 RJ 49/76, SozR 2200 § 1247 Nr 16 S 27, BSG 21.07.1992, 4 RA 13/91, Juris Rn 17 ff). Bei Arbeitsunfähigkeitszeiten von geringerer Dauer, die aber dafür gehäuft auftreten (etwa jede Woche über mehrere Tage), ist jedenfalls eine Verweisungstätigkeit zu benennen (BSG, 31.03.1993, 13 RJ 65/91, SozR 3-2200 § 1247 Nr 14, Rn 18). Von einer solchen dauerhaften bzw rezidivierenden Arbeitsunfähigkeit konnte sich der Senat - jedenfalls bis Oktober 2017 - nicht überzeugen, da die Klägerin wie oben dargelegt aus den stationären bzw teilstationären Behandlungen stets remittiert bzw jedenfalls in deutlich gebessertem Zustand entlassen werden konnte.
Soweit die Klägerin vor dem SG einen Arztbrief des ZfP S2 vom 27.07.2020 über eine stationäre Behandlung vorgelegt hat, wonach das Demenzscreening auffällige Werte ergeben habe, kommt diesem für den Rechtsstreit keine Bedeutung zu, da darin über den Gesundheitszustand vom 22.05.2020 bis 28.07.2020 berichtet wird und naturgemäß keine Beurteilung der Erwerbsminderung bis Oktober 2017 erfolgt ist - zumal es sich um die erste stationäre Behandlung in dieser Klinik handelt.
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Klägerin bereits spätestens im Oktober 2017 eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wären, bestehen nicht. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Die zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze sind auch für Ansprüche auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (BSG 11.12.2019, B 13 R 7/18 R). Vom praktisch gänzlichen Fehlen von Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die nur mit leichten körperlichen und geistigen Anforderungen verknüpft sind, kann derzeit nicht ausgegangen werden, auch nicht aufgrund der Digitalisierung oder anderer wirtschaftlicher Entwicklungen (BSG 11.12.2019, aaO Juris Rn 27). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr 90). Der Ausschluss von Zwangshaltungen oder Überkopfarbeiten wird von der Beschränkung auf leichte Arbeit ohnehin erfasst. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn - wie hier - typische Verrichtungen wie zB das Bedienen von Maschinen oder das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen möglich sind. Einschränkungen, die dem entgegenstehen könnten, lassen sich den oben zitierten Gutachten jedenfalls bis Oktober 2017 nicht entnehmen.
Es ergeben sich aus den Akten auch keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Gehfähigkeit bereits bis Oktober 2017 in rentenrelevantem Ausmaß (vgl BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R, Juris mwN).
Auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit steht der im Jahr 1958 geborenen Kläger nicht zu (§ 240 Abs. 1 SGB VI), da sie mangels Ausbildung keinen Berufsschutz genießt. Der Senat verweist auf hier auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des 8. Senats.
Der Sachverhalt ist in medizinischer Hinsicht vollständig aufgeklärt. Die vorliegenden Gutachten der B2, des T sowie der N1 haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung [ZPO]). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig, zumal die Beurteilung des Gesundheitszustandes vor nunmehr mehr als 3 Jahren zunehmend schwierig wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 530/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 802/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
Saved