L 4 KR 232/22 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 2815/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 232/22 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 23. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.


Gründe


1. Die nach § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht beim Sozialgericht Ulm (SG) gegen dessen Beschluss vom 23. Dezember 2021 eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG ausgeschlossen. Denn der Antragsteller begehrt keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.

2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung. Das SG hat den Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig eine elektronische Versichertenkarte ohne Lichtbild auszustellen, zu Recht abgelehnt.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen. Die beiden Voraussetzungen stellen ein bewegliches System dar: Je nach Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Hauptsache können die Anforderungen an den Anordnungsgrund geringer sein. Vollständig fehlen darf der Anordnungsgrund hingegen nicht (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – L 7 SO 3150/18 ER-B – juris, Rn. 24 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG § 86b Rn. 29 m.w.N.). Andernfalls ist der Antragsteller auf Inanspruchnahme des Rechtsschutzes in der Hauptsache zu verweisen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe lehnte das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht ab. Nach summarischer Prüfung ist bereits ein Anordnungsanspruch zu verneinen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren, das zwischenzeitlich beim Senat unter dem Aktenzeichen L 4 KR 415/22 anhängig ist, erfolgreich sein wird.

Gemäß § 291 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) stellt die Krankenkasse für jeden Versicherten eine elektronische Gesundheitskarte aus. Nach § 291a Abs. 1 Satz 1 SGB V dient die elektronische Gesundheitskarte mit den in den Absätzen 2 bis 5 genannten Angaben dem Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (Versicherungsnachweis) sowie der Abrechnung mit den Leistungserbringern. Auf der elektronischen Gesundheitskarte müssen die in Abs. 2 der Regelung im einzelnen aufgeführten Daten gespeichert sein. Darüber hinaus ist die elektronische Gesundheitskarte gemäß Abs. 5 der Regelung mit einem Lichtbild des Versicherten zu versehen. Versicherte, die jünger als 15 Jahre sind sowie Versicherte, deren Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich ist, erhalten eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild (§ 291a Abs. 5 Satz 2 SGB V).

Die Voraussetzungen, unter denen Versicherte eine Versichertenkarte ohne Lichtbild erhalten, erfüllt der Antragsteller nicht. Der 1963 geborene Antragsteller ist nicht jünger als 15 Jahre und es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass seine Mitwirkung bei der Erstellung eines Lichtbildes nicht möglich ist.

Soweit der Antragsteller im Antragsverfahren geltend machte, Fotogeschäfte seien pandemiebedingt geschlossen, ist dies aktuell nicht mehr der Fall. Im Übrigen wies das SG anknüpfend an den entsprechenden Hinweis der Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass es zur Anfertigung eines Lichtbildes nicht erforderlich ist, ein Fotogeschäft aufzusuchen, das erforderliche Lichtbild vielmehr auch in einer öffentlich zugänglichen Foto-Box erstellt werden kann. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit – auch hierauf wies die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Ausführungen hin –, dass der Antragsteller von sich selbst ein Foto aufnimmt und es an die Antragsgegnerin übermittelt, wobei er das Foto auch direkt online hochladen kann. Da das Foto hierdurch im häuslichen Bereich aufgenommen werden kann, kann den Bedenken des Antragstellers, wonach es nicht zumutbar sei, die partikelfiltrierende Schutzmaske für ein Foto abzusetzen, in vollem Umfang Rechnung getragen werden.

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren geltend gemacht hat, aufgrund eines Unfalls sei das Gesicht nicht zu erkennen, hat er dieses Vorbringen weder näher konkretisiert noch glaubhaft gemacht. Soweit er diesbezüglich vorgebracht hat, eine Glaubhaftmachung scheitere daran, dass die Geschäftsstelle der Antragsgegnerin in A geschlossen sei, ist darauf hinzuweisen, dass im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Tatsache gegenüber dem erkennenden Gericht glaubhaft zu machen ist, jedoch nicht gegenüber der Antragsgegnerin. Eine persönliche Vorsprache erfordert die Glaubhaftmachung im Übrigen nicht. Nicht glaubhaft gemacht hat der Antragsteller darüber hinaus auch seine Behauptung „Zugang zu ‘Foto-Boxen‘ bestehen keine“. Insoweit ist bereits nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Antragsteller keinen Zugang zu öffentlich zugänglichen Foto-Boxen haben sollte und bspw. nicht den F Automaten im K A, Dstraße, aufsuchen kann. Schließlich hat der Antragsteller auch die weitere Behauptung nicht glaubhaft gemacht, es „bestehen keine finanziellen Mittel um Lichtbilder anzufertigen.“ Insoweit hat der Kläger schon nicht vorgetragen, welche Kosten für das Anfertigen von Lichtbilden anfallen und auch nicht glaubhaft gemacht, dass er diese Kosten aus seinen Einkünften nicht bestreiten kann.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

4. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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