L 1 R 145/19

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 48 R 202/17
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 145/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 17/22 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine Aufhebungs– und Erstattungsentscheidung ist auch dann hinreichend bestimmt, wenn sich der geltend gemachte Erstattungsbetrag aus dem Verfügungssatz des Bescheides und die konkreten monatlichen Rentenansprüche sowie die jeweiligen Kürzungen wegen Einkommensanrechnung einschließlich der dazu erforderlichen Berechnungen auch zur Höhe des Rückzahlungsanspruches aus den Anlagen zum Bescheid ergeben. Anlagen sind zur Auslegung eines Verwaltungsaktes mit heranzuziehen. Dabei muss ein verständiger Empfänger damit rechnen, dass in den Anlagen weitere maßgebliche Erläuterungen und Regelungen enthalten sind (aA BSG, Urteil vom 20. März 2013 B 5 R 16/12 R –).

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. Juni 2019 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung, mit der die Beklagte eine Überzahlung der gewährten großen Witwenrente wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze zwischen 1. Juni 2008 bis 30. April 2016 geltend macht.

 

Die 1950 geborene Klägerin ist Witwe des am 3. Februar 2008 verstorbenen Versicherten R, für den die Beklagte ebenso wie für die Klägerin die zuständige Rentenversicherungsträgerin war und ist.

 

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten mit unterschriebenem Formular vom 18. Februar 2008 eine Witwenrente, wobei sie unter anderem die Erklärung abgab, die Beklagte zu benachrichtigen, wenn sich nach Stellung dieses Rentenantrags bis zum Rentenbeginn eine Änderung der Höhe des Arbeitsentgelts oder des Arbeitseinkommens ergab (Bl. 11 VA). Darüber hinaus fügte sie dem Antrag das Formular R660 bei, unterschrieben ebenfalls mit Datum 18. Februar 2008, mit dem ihr Einkommen, sei es Arbeitsentgelt oder verschiedene andere Leistungen, abgefragt wurde. Sie gab insbesondere an, kein Erwerbseinkommen zu haben und verpflichtete sich gleichzeitig, es der Beklagten mitzuteilen, sobald sie – etwa – ein Arbeitsentgelt erzielt. Kopien des Antrags nebst Anlagen fertigte sie nicht.

 

Mit Bescheid vom 7. April 2008 gewährte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente in Höhe von monatlich 224,55 EUR ab Juni 2008 und ferner eine Nachzahlung für den Zeitraum vom 3. Februar 2008 bis 31. Mai 2008 in Höhe von 1.471,23 EUR. Die Klägerin bestreitet, diesen Bescheid erhalten zu haben.

Mit Schreiben vom 22. April 2008, das auf den Bescheid vom 7. April 2008 Bezug nimmt, stellte die Beklagte die Abrechnung der Rentennachzahlung dar, indem sie mitteilte, einen Betrag in Höhe von 1.006,97 EUR an das Jobcenter zu erstatten in Aufrechnung mit laufenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Der restliche Nachzahlungsbetrag betrage damit 464,26 EUR.

 

Am 5. Mai 2008 nahm die Klägerin eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf. Tätig war die Klägerin fortan bei einem christlichen Träger im Bereich der Erwachsenenbildung und Bildung für Jugendliche, wobei sie Gruppen leitete, Coachingmaßnahmen durchführte und auch mit der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter zusammenarbeitete. Die Klägerin teilte dies der Beklagten nicht mit. Seitens des Arbeitsgebers der Klägerin wurden Sozialversicherungsabgaben an die Beklagte geleistet.

 

Die Beklagte übersandte der Klägerin jährliche Änderungsmitteilungen zu ihrer laufenden Witwenrente.

 

Am 4. Februar 2016 beantragte die Klägerin eine Regelaltersrente. Hierbei stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin seit Juni 2008 neben dem Bezug der Witwenrente Einkommen erzielt hatte. Sie ermittelte durch Befragung des Arbeitgebers der Klägerin und Abfrage der Meldung zur Sozialversicherung die Höhe dieses Einkommen (zu den Einzelheiten Blatt 83 bis 86 der Verwaltungsakte). Hierbei stellte die Beklagte schließlich angesichts des zu berücksichtigenden Einkommens eine Überzahlung der Witwenrente fest. Mit Schreiben vom 27. April 2016 hörte sie sodann die Klägerin zu einer Überzahlung in Höhe von 22.044,71 EUR für den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis 30. April 2016 und einer entsprechenden Erstattungspflicht auf Grundlage des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an.

 

Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der damaligen Wohnort-Gemeindeverwaltung der Klägerin – A – am 6. Mai 2016 machte die Klägerin geltend, mit der Erstattungsforderung nicht einverstanden zu sein. Ihr Arbeitgeber habe ihr Einkommen ordnungsgemäß an die Beklagte gemeldet, so dass sie hier kein Verschulden treffe. Sie habe auf die richtige Berechnung der Rentenhöhe vertraut.

 

Mit Bescheid vom 19. Mai 2016 nahm die Beklagte eine teilweise Aufhebung der Witwenrente ab 5. Mai 2008 vor. Auf der ersten Seite des Bescheids verfügte sie, dass die große Witwenrente ab 5. Mai 2008 „neu berechnet“ werde; die laufende Rente betrage ab 1. Juli 2016 179,70 EUR abzüglich Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherung. Weiter machte sie für den Zeitraum vom 5. Mai 2008 bis 30. Juni 2016 eine Überzahlung in Höhe von 22.231,97 EUR geltend, die zu erstatten sei. Auf der zweiten Seite des Bescheids gab sie an, Gründe für die Neuberechnung der Rente seien, dass eine Rentenanpassung durchzuführen gewesen sei, sich das auf die Rente anzurechnende Einkommen geändert habe und ein anderer Beitragssatz zu Kranken- und Pflegeversicherung maßgebend sei. Auf der dritten Seite des Bescheids erläuterte die Beklagte unter der Überschrift „Überzahlung“, dass die Anlage „Berechnung der Rente“ die Einzelheiten zur Berechnung der Überzahlung enthalte. Jene Anlage „Berechnung der Rente“ war dem Bescheid als Blatt 5-9 beigefügt und untergliederte den Zeitraum vom 5. Mai 2008 bis 1. Juli 2016 in 19 Teilabschnitte für die jeweils die Berechnung der jeweiligen monatlichen Rente dargestellt wurde. Hierbei wurde zunächst begründet, was sich im jeweiligen Zeitabschnitt geändert hatte, namentlich etwa das sich auf die Rente anzurechnende Einkommen. Bis Ende Mai 2008 war wegen der Sonderregelung zu den drei Kalendermonaten nach dem Versterben des Ehemannes der Klägerin kein Einkommen anzurechnen. Ab 1. Juni 2008 werden für die jeweiligen Zeitabschnitte das anzurechnende Einkommen und die jeweiligen Beiträge zur Sozialversicherung ausgegeben. Bei einer Änderung auf Grund des anzurechnenden Einkommens hieß es für den entsprechenden Zeitabschnitt weiter, dass sich die Einzelheiten dazu aus der Anlage „Ermittlung des anzurechnenden Einkommens“ ergäben. Die Anlage „Berechnung der Rente“ endete auf Blatt 8 (Rückseite) des Bescheids bis Blatt 14 (Rückseite) mit einem Abschnitt „Abrechnung für abgelaufene Zeiträume mit Verrechnung von Beträgen“. Dort wurde dargestellt, welcher Zahlbetrag nach der nunmehr vorgenommenen Berechnung im jeweiligen Zeitabschnitt zu zahlen gewesen wäre, wobei die Summe für den gesamten jeweiligen Zeitabschnitt gebildet wurde. Weiter wurde dargestellt, mit welchem tatsächlich gezahlten Betrag (der monatliche Betrag wird dort in Klammern ausgewiesen) dieser nunmehrige Zahlbetrag zu verrechnen war, so dass sich für die einzelnen Zeitabschnitte unterschiedliche Überzahlungsbeträge ergeben.

Auf Blatt 10 bis 14 des Bescheids schloss sich die Anlage „Ermittlung des anzurechnenden Einkommens“ an, auf die in der vorangegangenen Anlage Bezug genommen wurde. Dort wird für die spiegelbildlichen Zeitabschnitte, in denen als Änderungsgrund für die Neuberechnung der Rente ein verändertes Einkommen angegeben worden war, die entsprechende Berechnung im Detail dargestellt, so dass für jeden dieser Zeitabschnitte sich ein konkretes anzurechnendes Einkommen ergibt. Auf den Bescheid und dessen Einzelheiten wird Bezug genommen (Bl. 12-25R VA).

 

Gegen diesen Bescheid vom 19. Mai 2016 richtete sich der unbegründet gebliebene Widerspruch der Klägerin vom 14. Juni 2016.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Neue Tatsachen seien nicht vorgebracht worden, so dass der Bescheid nicht zu beanstanden sei.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 10. Mai 2017 Klage zum Sozialgericht Lübeck erhoben. Mit dieser hat sie geltend gemacht, keinen förmlichen Rentenbescheid erhalten zu haben. Das Schreiben vom 22. April 2008 habe sie als Rentenbescheid angesehen. Sie habe – als Sozialpädagogin – bereits Hilfe bei der Antragstellung durch eine Sachbearbeiterin der Verbandsgemeinde A benötigt, so dass ihr nicht bewusst gewesen sei, ihr Einkommen selbstständig der Beklagten mitteilen zu müssen. Dies sei auch nicht landläufig bekannt. Sie habe die überzahlte Summe gutgläubig verbraucht. Zusätzlich habe ihr Arbeitgeber Mitteilung über ihr Erwerbseinkommen an die Beklagte zwecks eigener Sozialversicherung gemacht. Somit fehle es an Verschulden ihrerseits. Schließlich fordere die Beklagte auch anteilig Krankenversicherungsbeiträge zurück, wofür sie – die Klägerin – nicht erstattungspflichtig sei. Letztlich erhebe sie ausdrücklich die Einrede der Verjährung.

 

Die Beklagte ist diesem Vortrag entgegen getreten: Es sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin davon ausgegangen sei, Leistungen ohne Bescheid zu erhalten, zumal ihr als vormaliger Empfängerin von SGB II-Leistungen das Konzept von Bescheiden bekannt gewesen sei. Die Einkommensabhängigkeit von Witwenrenten sei in der Bevölkerung allgemein bekannt, überdies habe die Klägerin die entsprechende Anlage bei ihrer Antragstellung unterschrieben. Die Versicherungsnummer der Klägerin sei im Rahmen der Gewährung der Witwenrente nicht bekannt gewesen, so dass eine eigenständige Überwachung etwaigen Erwerbseinkommens der Klägerin durch die Beklagte nicht möglich gewesen sei.

 

Im Rahmen der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat – nach gerichtlichem Hinweis – die Beklagte den Erstattungsbescheid betreffend die Monate Mai und Juni 2016 mangels vorheriger Anhörung aufgehoben und die Klägerin das entsprechende Teilanerkenntnis angenommen. Im Übrigen hat das Sozialgericht Lübeck die Klage abgewiesen. Begründend hat es sich auf § 50 Abs. 2 SGB X i.V.m. §§ 45, 48 SGB X analog gestützt und ausgeführt, dass die Erstattung auch bei fehlendem bewilligenden Rentenbescheid auf – richtigerweise – § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X analog gestützt werden könne, da die Klägerin ihr Einkommen während des Bezugs der Witwenrente zwischen dem 5. Mai 2008 und 30. April 2016 nicht mitgeteilt habe. Angesichts des im Rahmen des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X normierten intendierten Ermessens der Behörde für rückwirkende Erstattungen sei kein atypischer Fall festzustellen, der eine rückwirkende Erstattung verbiete. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin jedenfalls grob fahrlässig nicht erkannt habe, den parallelen Bezug eigenen Einkommens der Beklagten mitteilen zu müssen, da sie im Antragsformular, im Anlageformular und in den jährlichen Änderungsmitteilungen hierauf hingewiesen worden sei. Ein Fehlverhalten der Beklagten sei darüber hinaus zumindest zweifelhaft, da dieser – als Massenverwaltung – nicht auferlegt werden könne, in eigener Zuständigkeit etwaiges Erwerbseinkommen neben einer Witwenrente zu ermitteln. Sollte man gleichwohl von einem Fehlverhalten der Beklagten ausgehen wollen, werde dieses jedenfalls von der groben Pflichtverletzung der Klägerin überlagert. Sie habe in keiner Weise davon ausgehen dürfen, von ihren Mitteilungspflichten – etwa durch die parallele Meldung ihres Arbeitgebers – befreit zu sein.

 

Gegen das ihr am 6. September 2019 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung vom 2. Oktober 2019. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter und vertieft ihr Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, dass – anders als vom Sozialgericht ausgeführt – die Ermächtigungsgrundlage nicht von § 45 SGB X auf § 48 SGB X umgedeutet werden könne, da es sonst nie zur Aufhebung eines falschen Erstattungsbescheides kommen könne. Schließlich verfüge die Beklagte über hoch ausgebildete Fachleute. Gleichzeitig könne ihr – der Klägerin – als Fachfremden, die bereits bei der Antragstellung Hilfe benötigt habe – nicht abverlangt werden, über ihre Pflicht, Einkommen mitteilen zu müssen, Bescheid zu wissen, zumal sie keinen förmlichen Rentenbescheid erhalten habe. Der Antrag sei unter dem Eindruck des nur wenige Tage zurückliegenden Todes ihres Ehemannes in fremder Umgebung und mit Hilfe einer Sachbearbeiterin der Verbandsgemeinde A ausgefüllt worden. Sie habe acht Jahre gutgläubig darauf vertraut, dass die Rentenhöhe korrekt sei, zumal die Beklagte während des gesamten Zeitraums keine Überpüfungsabfrage betreffend etwaiges Einkommen – wie in solchen Fällen üblich – durchgeführt habe.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. Juni 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2017, soweit dieser nicht bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2019 aufgehoben wurde, aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

          die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie macht sich die Begründung des erstinstanzlichen Urteils zu Eigen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2022 verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) der Klägerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 19. Mai 2016 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2017
ist – soweit erstinstanzlich nicht bereist ein angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben worden ist – rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

 

Die Beklagte hat die Bewilligung einer großen Witwenrente ab Juni 2008 teilweise der Höhe nach rechtsfehlerfrei aufgehoben und konnte die Erstattung der im Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis 30. April 2016 überzahlten Rentenleistungen fordern.

 

Rechtsgrundlage für die Erstattungsentscheidung ist § 50 Abs. 2 SGB X, der eine analoge Anwendung der §§ 45, 48 SGB X betreffend die Aufhebung der zu Grunde liegenden Entscheidung ermöglicht. Voraussetzung für Erstattungen nach § 50 Abs. 2 SGB X ist dabei zunächst, dass die rückzuerstattende Leistung keine Grundlage in einem Verwaltungsakt hat, was im Rahmen einer „ex-post“-Betrachtung festzustellen ist (Dörr DAngVers 1989, 465). Eine entsprechende Bewilligungsentscheidung kann dabei in der Zahlung einer Leistung liegen, wenn damit einem Antrag des Zahlungsempfängers entsprochen worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 29. Oktober 1992 – 10 RKg 4/92 –, juris). So liegt es hier. Denn der Zugang des förmlichen Rentenbescheides vom 7. April 2008 ist nicht nachweisbar. Vor diesem Hintergrund ist kein entsprechender Verwaltungsakt bekannt gegeben und damit wirksam geworden (§ 39 Abs. 1 SGB X). Anders als im Fall der Behauptung eines verspäteten Zugangs kann von einem Adressaten, der – wie hier die Klägerin – den Zugang überhaupt bestreitet, keine weitere Substantiierung verlangt werden. Wählt die Behörde statt der förmlichen Zustellung die Bekanntgabe des Bescheides durch einfachen Brief, trägt sie im Falle des Bestreitens das Risiko der Unerweislichkeit des Zugangs, ohne dass ihr die Erleichterungen des Anscheinsbeweises zugutekommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2016 – 9 C 19/15 –, Rn. 18 m.w.N.; OVG Schleswig, Urteil vom 9. Januar 2020 – 2 LB 2/19 –, Rn. 27; OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 9 ME 142/18 –, Rn. 41; OVG Münster, Beschluss vom 8. November 2017 – 14 A 386/17 –, Rn. 2, jeweils juris; Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 21. Auflage 2020, § 41 Rn. 42a).

 

Für die dem § 50 Abs. 2 SGB X zu Grunde liegende Aufhebungsentscheidung ist in analoger Anwendung auf § 45 SGB X zurückzugreifen, da es bei Fingierung eines bewilligenden Verwaltungsaktes, an den die analoge Anwendung anknüpfen soll (BSG, Urteil vom 10. August 1993 – 9 BV 4/93­ –, juris), auf den Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsentscheidung ankommt. Diesen Zeitpunkt erkennt der Senat in der tatsächlich – ersten – Auszahlung der laufenden Witwenrente im Juni 2008 und sodann fortlaufend. Denn in der Auszahlung eines Geldbetrages kann nach entsprechender hoheitlicher Entscheidung die Bekanntgabe des zugrundeliegenden Verwaltungsakts gesehen werden kann (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29. Oktober 1992 – 10 RKg 4/92 –, juris).

 

Damit ergibt sich jedenfalls ein Zeitpunkt nach Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit durch die Klägerin am 5. Mai 2008, so dass sich die bekannt gegebene Bewilligungsentscheidung für laufende Witwenrentenleistungen als von Anfang an rechtswidrig darstellt. Denn sie berücksichtigt das zu diesem Zeitpunkt ebenfalls erzieltes Erwerbseinkommen nicht, so dass § 45 SGB X analog heranzuziehen ist.

 

Einen zeitlich früheren Anknüpfungspunkt für eine Bewilligungsentscheidung vermag der Senat nicht zu erkennen. Insbesondere ergibt sich allein daraus, dass die Beklagte den Rentenbescheid mit dem Bescheid vom 7. April 2008 erlassen wollte, nicht der tatsächliche Erlass des Bescheides, da er nicht nachweisbar wirksam bekannt gegeben worden ist.

 

Eine Anknüpfung an das Schreiben der Beklagten vom 22. April 2008 kommt ebenfalls nicht in Betracht. Mit diesem verhält sich die Beklagte lediglich zu Aufrechnung und Nachzahlung von Rentenbeträgen angesichts des vorangegangenen Bezugs von SGB II-Leistungen durch die Klägerin, und zwar explizit für den Zeitraum vom 3. Februar bis 31. Mai 2008. Eine Regelung zu laufenden Rentenleistungen ab Juni 2008, die aber allein von der hier streitigen Aufhebungs- und Erstattungsforderung betroffen sind, ist diesem Schreiben nicht zu entnehmen.

 

Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung ist sodann formell – nach erfolgter Anhörung gemäß § 24 SGB X – und materiell rechtmäßig erfolgt.

 

Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X. Denn die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Bescheids vom 19. Mai 2016 ist hinreichend konkret. Eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung ist dann hinreichend konkret, wenn sie Adressat, Zeitraum der Aufhebung und den konkreten Umfang der Aufhebung erkennen lässt (BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 –B 7 AL 58/03 R –, juris). Der Bescheid vom 19. Mai 2016 lässt unzweideutig erkennen, welchen Zahlungsanspruch die Beklagte gegenüber der Klägerin geltend macht, und zwar für welchen Zeitraum. Unschädlich ist dabei, dass der Regelungsgehalt des Verfügungssatzes erst durch Auslegung ermittelt werden kann (etwa BSG, Urteil vom 15. Mai 2002 – B 6 KA 25/01 R – juris), wobei die Auslegung an Hand der Begründung des Verwaltungsaktes (BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 11 Rar 43/96 – juris) einschließlich der ihm beigefügten Anlagen (BSG, Urteil vom 15. Mai 2002 a.a.O.) erfolgt.

 

Es lässt sich auf der ersten Seite des Bescheids unter der Überschrift „Überzahlung“ eindeutig entnehmen, dass die ursprünglich bewilligte Witwerrente zurückgenommen wurde, und zwar in Höhe von 22.231,97 EUR, weil sich – so wörtlich – im Zeitraum vom 5. Mai 2008 bis 30. Juni 2016 eine Überzahlung ergibt; diese Überzahlung ist zu erstatten. Mit Blick auf diesen Verfügungssatz konkretisiert der Bescheid auf seiner Seite 2 zunächst die Gründe für die Neuberechnung der Rente im gesamten geregelten Zeitraum und auf seiner Seite 3 unter der Zwischenüberschrift „Überzahlung“, dass sich die Einzelheiten der Berechnung der Überzahlung der Anlage „Berechnung der Rente“ entnehmen lassen. Die Berechnung der Rente ergibt sich sodann aus Seite 9 ff. des Bescheids (namentlich aus der Anlage „Berechnung der Rente“), wobei diese Berechnung – angesichts des sich auf gut acht Jahre erstreckenden Zeitraums, in dem es zu einer Überzahlung gekommen ist – über sieben Seiten einnimmt. Für die einzelnen Zeitabschnitte, für die hier eine Neuberechnung vorgenommen wird, wird einerseits darauf hingewiesen, dass sich das auf die Rente anzurechnende Einkommen ändert, und andererseits, dass die Einzelheiten zur Ermittlung des anzurechnenden Einkommens sich aus der entsprechenden Anlage ergeben, namentlich die Anlage „Ermittlung des anzurechnenden Einkommens“, die wiederum fünf Blätter umfasst. Die Anlage „Berechnung der Rente“ schließt auf ihrer Seite 8 bis 10 (entspricht Seite 16 bis 18 des Gesamtbescheids) mit einer Abrechnung der vergangenen Zeitabschnitte ab, d.h. dort wird im Einzelnen aufgeschlüsselt, welche Rentenleistungen erbracht wurden und in welcher Höhe diese nun in Gänze für den jeweiligen Zeitraum bzw. monatlich zu verringern sind.

 

Aus diesen Darstellungen ergibt sich, dass und in welcher Höhe die Beklagte den Zahlungsanspruch wegen Nichtberücksichtigung anrechnungsfähigen Erwerbseinkommens verringern wollte. Dass diese Berechnungen umfangreich sind, da sie einen langen Zeitraum betreffen und zudem mit Änderungen im Beitragssatz zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung sowie mit einer Rentenanpassung zusammenfallen, führt nicht zur Unbestimmtheit. Vielmehr schlüsselt die Beklagte dezidiert jede einzelne Änderung auf, so dass für alle Teilzeiträume zwischen dem 5. Mai 2008 und dem 30. Juni 2016 nachvollziehbar wird, wie genau sich die jeweiligen Überzahlungen ergeben. Dabei geht die Beklagte – der Komplexität und dem Umfang des Sachverhalts angemessen – schichtweise vor und benennt auf Seite 1 ihres Bescheids im Verfügungssatz die Gesamtüberzahlung für den Gesamtzeitraum, so dass an herausgehobener Stelle der maßgebliche Rückforderungsbetrag geregelt wird. Auf Seite 2 des Bescheids erläutert sie, welche Gründe zu einer Neuberechnung geführt haben und verweist sodann auf Seite 3 auf die Anlage „Berechnung der Rente“, die die Details zur Überzahlung darstellt und für den Laien durchaus komplex sein können. Diese Komplexität führt indes nicht dazu, dass es der Rückforderungsverfügung im Ganzen an Bestimmtheit mangeln würde – vielmehr setzt die Darstellungen in den Anlagen „Berechnung der Rente“ und „Ermittlung des anzurechnenden Einkommens“ die Rechtslage zur Einkommensanrechnung bei Zusammentreffen von großer Witwenrente und Erwerbseinkommen um.

 

Zur Auslegung des Aufhebungs- und Rückforderungsbetrags sind dabei neben dem Verfügungssatz auch die Begründung des Bescheids und die Anlagen heranzuziehen, um die Einzelheiten der Aufhebungs- und Erstattungssumme zu erfassen. Dieses Vorgehen ist für den Senat nicht nur sachgerecht, sondern darüber hinaus erheblich übersichtlicher, als – alternativ – im Verfügungsteil des Bescheids für jeden etwaig zu regelnden Teilzeitraum unbegründete Einzelbeträge auszuwerfen, deren Berechnungseinzelheiten sich wiederum aus anderen Teilen des Bescheids ergeben müssten, um den Verfügungsteil bei einem Regelungszeitraum wie im hiesigen Verfahren nicht auf mehrere Seiten erstrecken zu müssen. Dabei überzeugt den Senat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in dessen Urteil vom 20. März 2013 (B 5 R 16/12 R –, juris) nicht, sofern diese dahingehend zu verstehen sein sollte, dass sich eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung dann nicht mehr als hinreichend bestimmt darstellt, wenn sich erst durch das Zusammenspiel der Erläuterungen aller Anlagen die Details der Berechnung der Aufhebungs- und Erstattungsforderung ergeben. Dies gilt umso mehr, als das BSG in anderen Entscheidungen davon ausgeht, dass bereits der Antrag eines Berechtigten zur Auslegung des Regelungsgehalts eines Bescheids heranzuziehen ist (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2018 – B 5 RE 3/18 R – juris), so dass – erst Recht – Begründung und Anlagen eines Bescheids für dessen Auslegung maßgeblich sein müssen (so auch BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 11 Rar 43/96 –, Urteil vom 15. Mai 2002 – B 6 KA 25/01 R – juris).

 

Nach alledem stellt sich die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten als hinreichend bestimmt dar.

 

Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf sodann ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 SGB X normiert weiter, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,

2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder

3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

In § 45 Abs. 3 SGB X heißt es, dass bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden kann, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind. Nur in den Fällen des Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Absatz 4 Satz 1). Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen (Absatz 4 Satz 2).

 

Die fiktive und begünstigende Bewilligungsentscheidung durch erstmalige Auszahlung einer großen Witwenrente im Juni 2008 durch die Beklagte ist hinsichtlich des Zahlbetrags aufgrund der fehlerhaft nicht vorgenommenen Anrechnung von Erwerbseinkommen von Beginn an rechtswidrig.

 

Diese Entscheidung ist nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 27. April 2016 auch innerhalb eines Jahres nach Kenntnis aller relevanten Entscheidungsgrundlagen im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X durch die Behörde getroffen worden (vgl. § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X).

 

Die Rücknahme des hier vorliegenden Dauerverwaltungsaktes für die Vergangenheit darf auch nach Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe nur erfolgen, wenn die Klägerin nicht auf dessen Richtigkeit vertraut hat und ihr Vertrauen nicht schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 iVm Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X).

 

Auch diese Voraussetzung ist erfüllt. Denn die Klägerin durfte nicht auf den Bestand des die große Witwenrente bewilligenden (fiktiven) Verwaltungsaktes durch Auszahlung der Leistungen vertrauen. Denn gemäß § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X beruhte die Bewilligungsentscheidung auf Angaben, die die Klägerin in wesentlicher Beziehung grob fahrlässig unvollständig gemacht hat. Denn sie hat ihr – ab 5. Mai 2008 hinzukommendes – Erwerbseinkommen der Beklagten nicht mitgeteilt. Hierbei handelte sie grob fahrlässig. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird (vgl. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X). Das Außerachtlassen von gesetzlichen Mitteilungspflichten, auf die vom Versicherungsträger in einem Leistungsbescheid hingewiesen wurde, ist im Allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und nach seinem Bildungsstand die Vorschrift bzw. entsprechende Hinweise nicht verstanden hat (BSG, Urteil vom 20. September 1977 - 8/12 RKg 8/76 –, juris). In gleicher Weise trifft dies auf Mitteilungspflichten zu, auf die im Rahmen der Antragstellung hingewiesen worden ist. Auf dem Antragsformular und nochmals im Anlageformular hat die Klägerin am 18. Februar 2008 unterschrieben, etwaig erzieltes Erwerbseinkommen der Beklagten mitzuteilen. Diese Pflicht gilt unabhängig davon, ob es der Beklagten ggf. möglich gewesen wäre, auf anderem Wege an diese Information zu gelangen. Dass die Klägerin diese Pflicht nicht verstanden haben könnte, erscheint fernliegend. Sie war verpflichtet, die von ihr gestellten Anträge gewissenhaft zu lesen, was sie mit ihrer Unterschrift bestätigt hat. Ihr war es als Sozialpädagogin bei Lektüre der entsprechenden Formulierung direkt über ihren Unterschriften auf den Formularen intellektuell möglich, den diesbezüglichen Sinngehalt zu erfassen. Dies steht für den Senat nach dem Eindruck, den die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2016 hinterlassen hat, fest, zumal sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Sozialpädagogin in der Erwachsenenbildung mit Arbeitsagentur und Jobcenter zusammengearbeitet hat, also grundsätzlich mit behördlicher Arbeitsweise vertraut war.

 

Nachvollziehbar erscheint zwar der Vortrag, dass die Klägerin unter dem Eindruck des erst kurz zurückliegenden Todes ihres Ehemannes Anfang Februar 2008 bei Antragstellung am 18. Februar 2008 die Formulare tatsächlich nicht gänzlich erfasst hat. Dies entbindet sie rechtlich jedoch nicht von der entsprechenden Pflicht, ihren Antrag vollständig und gewissenhaft zu lesen, was sie mit ihrer Unterschrift bestätigt hat. Insbesondere wenn die Klägerin die notwendigen Formulare – wie vorgetragen – unter dem Eindruck ihrer Trauerreaktion gewissermaßen „im Rausch“ unterschrieben haben sollte, war ihr aufzuerlegen, ihre Antragsformulare erneut durchzulesen, wenn ihr später nicht mehr präsent gewesen sein sollte, welche Pflichten mit der von ihr beantragten und später bezogenen Witwenrente einhergehen (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 1987 – 5b RJ 36/86 –, juris). Dies hat sie indes nicht getan – es war ihr auch nicht möglich. Denn sie hat angegeben, keine Kopien des Antrags gefertigt zu haben.

 

Im Ergebnis wirkt diese Pflichtverletzung zwar sehr lange fort, nämlich bis Mai 2016, als die Beklagten das Erwerbseinkommen der Klägerin durch ihren Antrag auf Altersrente bekannt geworden ist, ohne dass der Klägerin zwischenzeitlich aufgezeigt worden wäre, dass sie Erwerbseinkommen der Beklagten mitzuteilen habe. So wird im Rahmen von Rentenanpassungsmitteilungen nicht erneut auf etwaig bestehende Mitteilungspflichten hingewiesen. Indes waren die Hinweise der Beklagten im Antragsformular, die vor dem Überzahlungszeitraum von mehreren Jahren erteilt wurden, deutlich und klar, so dass Zweifel bei der Klägerin nicht aufkommen konnten (vgl. zu diesem Maßstab auch: Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006 – L 2 R 188/06 –, juris).

 

In der Rechtsfolge hat die Beklagte im Rahmen der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung ihr Ermessen erkannt und ausgeübt. Fehler sind nicht festzustellen. Insbesondere ergibt sich keine zwingend andere Entscheidung daraus, dass es der Beklagten grundsätzlich möglich gewesen sein könnte, das Erwerbseinkommen der Klägerin selbstständig über ihr Versichertenkonto zu ermitteln. Denn mangels Anhaltspunkten hierfür im Witwenrentenverfahren der Klägerin hatte die Beklagte keinen Anlass hierfür. Ihr ist es im Rahmen der Massenverwaltung nicht aufzuerlegen, in jedem Einzelfall „ins Blaue hinein“ zu überprüfen, ob die Angaben der Antragstellenden zutreffen. Zudem ist das Zusammentreffen des gleichen Rentenversicherungsträgers für Witwenrente und eigene Rentenanwartschaft Zufall.

 

Verjährung tritt nach § 45 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 SGB X nach zehn Jahren ab Bekanntgabe ein, da es sich bei der laufenden Witwenrente um einen (fiktiven) Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt und – wie dargelegt – die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X erfüllt sind. Dieser Zeitraum war bei der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung am 19. Mai 2016 noch nicht abgelaufen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Der Senat hat im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage der Bestimmtheit der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.

Rechtskraft
Aus
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