Pflicht eines Sachverständigen zur vollständigen und fristgerechten Geltendmachung seiner Vergütung, Anforderungen an den Inhalt eines Wiedereinsetzungsantrags wegen einer Vergütung als Sachverständiger
1. Der Sachverständige muss seinen Vergütungsanspruch innerhalb der Frist von drei Monaten vollständig beziffern.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG muss eine aus sich heraus verständliche Darstellung der Umstände enthalten, auf welche Weise und durch wessen Verschulden die Drei-Monats-Frist versäumt wurde.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Geltendmachung einer zusätzlichen Vergütung für das Gutachten vom 13. Februar 2022 wird abgelehnt.
Gründe
I.
Streitig ist, ob dem Antragsteller für die Geltendmachung einer weiteren Vergütung als Sachverständiger Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) zu gewähren ist.
Der Antragsteller wurde im Berufungsverfahren durch den Berichterstatter des 12. Senats im Verfahren L 12 R 1038/20 mit Beweisanordnung vom 11. August 2021 zum ärztlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dem gerichtlichen Schreiben vom gleichen Tage an den Antragsteller war beigefügt ein „Merkblatt für die/den Sachverständigen“ (Erhalt bestätigt durch unterzeichnetes Empfangsbekenntnis vom 18. August 2021). In diesem Merkblatt wird im vierten Absatz am Ende auf Folgendes hingewiesen:
„ Der Entschädigungsantrag muss binnen drei Monaten nach Eingang des Gutachtens bei Gericht eingegangen sein, weil sonst der Anspruch erlischt.“
Mit am 18. August 2021 eingegangenem Schreiben teilte der Antragsteller mit, dass der bislang angeforderte Kostenvorschuss in Höhe von 3.000,00 € nicht ausreiche und vielmehr ein Kostenvorschuss in Höhe von 5.000,00 € erforderlich sei. Grund hierfür sei, dass die vorliegende radiologische Diagnostik nicht ausreiche und auch ein psychometrisches Assessment durchzuführen sei. Daraufhin forderte der Berichterstatter des Senats mit Verfügung vom 20. August 2021 die Klägerin auf, einen weiteren Kostenvorschuss in Höhe von 2.000,00 € zu zahlen. Der Antragsteller wurde gebeten, bis zur Nachzahlung von der Erstellung des Gutachtens abzusehen. Nach Nachzahlung des Kostenvorschusses erstellte der Antragsteller das Gutachten. Im Rahmen dessen fertigte die Radiologie M L beauftragt durch den Antragsteller am 3. Februar 2022 eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule, ein Röntgen der Hals/Brustwirbelsäule, des Beckens und eine Computertomographie der Lendenwirbelsäule.
Das vom Antragsteller erstellte Gutachten und ein Vergütungsfestsetzungsantrag des Antragstellers in einer Gesamthöhe von 5.031,32 € gingen am 15. Februar 2022 beim Thüringer Landessozialgericht ein. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte am 10. Mai 2022 die Vergütung für das Gutachten vom 13. Februar 2022 abweichend auf 4.722,52 € fest und wies den Betrag zur Zahlung an. Ein Antrag auf gerichtliche Festsetzung seiner Vergütung wurde durch den Antragsteller in der Folgezeit nicht gestellt.
Mit am 27. Juli 2022 beim Thüringer Landessozialgericht eingegangenem Schreiben reichte der Antragsteller einen Entschädigungsantrag hinsichtlich der durchgeführten radiologischen Diagnostik über 858,73 € ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs. 2 JVEG. Zur Begründung führte er aus, dass ein Bürofehler seiner Mitarbeiterin vorliege. Aufgrund des genehmigten Kostenvorschusses in Höhe von 5.000,00 € bitte er bei bereits erstatteten 4.722,52 € um Überweisung von 277,48 €.
Die Vertreterin der Staatskasse erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Akte des Verfahrens L 12 R 1038/20 wurde zum Verfahren beigezogen.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung wegen der zusätzlichen Vergütung für erbrachte radiologische Diagnostik, über den gemäß § 2 Abs. 1 JVEG das Gericht, hier also der Kostensenat des Thüringer Landessozialgerichts, zu entscheiden hat, ist abzulehnen. Denn der Antragsteller hat einen Wiedereinsetzungsgrund für die Beantragung der zusätzlichen Vergütung nicht glaubhaft gemacht.
Vorab ist auszuführen, dass der Antragsteller die Vergütung für die durchgeführte radiologische Diagnostik als Auslagen grundsätzlich selbst geltend machen kann. Der 12. Senat des Thüringer Landessozialgerichts hat keine radiologische Zusatzbegutachtung angeordnet. Vielmehr hat der Berichterstatter des 12. Senats die Durchführung der radiologischen Zusatzdiagnostik durch die begehrte Erhöhung des Kostenvorschusses zumindest konkludent genehmigt. Die Kosten für die durchgeführte radiologische Diagnostik können dem Sachverständigen, der diese nicht selbst durchführt, grds. als besondere Aufwendungen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG erstattet werden. Nach dieser Vorschrift werden bestimmte für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens notwendige besondere Kosten gesondert ersetzt, u.a. die (notwendigen) Aufwendungen für eigene Hilfskräfte (soweit deren Tätigkeit nicht von der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG oder Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ erfasst sind), die Aufwendungen für die bei der Untersuchung verbrauchten Stoffe und Werkzeuge sowie die Kosten für notwendige Fremduntersuchungen (ThürLSG, Beschluss vom 09. November 2015 – L 6 JVEG 570/15 –, juris). Besondere Kosten können nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG jedoch nur Berücksichtigung finden, wenn eine Rechnung vorgelegt wird, aus der sich in nachvollziehbarer Form die Kosten für den konkreten Begutachtungsfall ableiten lassen.
Der geltend gemachte zusätzliche Vergütungsanspruch für die Durchführung der radiologischen Diagnostik war allerdings bereits erloschen, als er am 27. Juli 2022 beim Thüringer Landessozialgericht geltend gemacht wurde.
Der Anspruch auf Entschädigung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt im Fall der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten beauftragt hat, § 2 Abs. 1 Nr. 1 JVEG. Das Gutachten ist am 15. Februar 2022 beim Thüringer Landessozialgericht als der Stelle, die den Antragsteller beauftragt hat, eingegangen. Die dreimonatige Frist zur Geltendmachung des dafür entstandenen Entschädigungsanspruchs ist dementsprechend am 15. Mai 2022 abgelaufen. Unerheblich ist, dass der Antragsteller einen zusätzlichen Vergütungsanspruch geltend macht, weil im Entschädigungsantrag vom 15. Februar 2022 die Kosten der Radiologie „vergessen“ wurden. Ein Anspruchsteller muss nach dem JVEG seinen Vergütungsanspruch innerhalb der Frist von drei Monaten vollständig beziffern (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 14. August 2020 – III-2 Ws 396/20 –, juris).
Der zusätzliche Entschädigungsantrag ist erst am 27. Juli 2022 und damit nach Fristablauf eingegangen. Eines weiteren Hinweises des Gerichts auf den bevorstehenden Ablauf der Frist oder einer Aufforderung zur Bezifferung der Entschädigungsforderung bedurfte es nicht. Dies gilt hier umso mehr, als der Antragsteller am 15. Februar 2022 seinen Vergütungsanspruch grundsätzlich geltend gemacht hat.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert daran, dass der Antragsteller keinen Wiedereinsetzungsgrund für die Geltendmachung des zusätzlichen Vergütungsanspruchs glaubhaft gemacht hat.
Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG ist einem Anspruchsteller nach dem JVEG bei Versäumung der Frist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG Wiedereinsetzung nur dann zu gewähren, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses für die (rechtzeitige) Antragstellung einen Wiedereinsetzungsantrag stellt, einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft macht und den Entschädigungsanspruch beziffert sowie sich das Gericht bei weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen vom glaubhaften, d. h. überwiegend wahrscheinlichen Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrunds überzeugt hat. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, wenn die anspruchsberechtigte Person glaubhaft macht, dass sie ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage war, die Frist einzuhalten und den Anspruch zu beziffern (Jahnke/Pflüger, JVEG, Kommentar, 28. Auflage 2021, § 2 Rn. 5).
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 7 i. V. m. § 4 Abs. 6 Satz 1 JVEG sind die im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags erforderlichen Erklärungen (Wiedereinsetzungsantrag, Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrunds und Bezifferung des Vergütungs- oder Entschädigungsanspruchs) zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts abzugeben oder schriftlich einzureichen.
Das Fehlen des Verschuldens an der Versäumung der Frist ist nicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG zu vermuten, weil der Antragsteller bei der Beauftragung mit Übersendung des Merkblattes deutlich und unmissverständlich über die geltende Drei-Monats-Frist für die Beantragung der Vergütung entsprechend § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG belehrt wurde.
An der Glaubhaftmachung einer unverschuldeten Fristversäumnis fehlt es hier. Der Antragsteller hat im Schreiben vom 25. Juli 2022 als Wiedereinsetzungsgrund einen Bürofehler einer Mitarbeiterin geltend gemacht. Danach kann bereits nicht entschieden werden, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fristgerecht gestellt wurde. Denn der Antragsteller hat nicht mitgeteilt, wann der Bürofehler, wegen dem der Antragsteller an der Geltendmachung der Vergütung gehindert war, entdeckt worden ist. Darauf kommt es jedoch nicht an, da auch bei einem fristgerecht gestellten Antrag ein Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft gemacht wurde.
Aus dem Vortrag des Antragstellers im am 27. Juli 2022 bei Gericht eingegangenen Schreiben ist nicht ersichtlich, welche Mitarbeiterin er konkret mit welchen Aufgaben im Rahmen der Stellung des Vergütungsantrages beauftragt hat und worin der Bürofehler dieser Mitarbeiterin gelegen haben soll. Solche pauschalen Angaben genügen nicht, vielmehr sind konkrete Angaben zu Art, Dauer, Auswirkungen und Behebung des Hinderungsgrundes erforderlich. Mangels anderweitiger Angaben im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist davon auszugehen, dass der Antragsteller bei Erstellung des Vergütungsfestsetzungsantrages, welcher am 15. Februar 2022 beim Thüringer Landessozialgericht einging, seinen Kontrollaufgaben nicht genügt hat.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG liegen daher nicht vor.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§§ 2 Abs. 2 S. 6, 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 2 Abs. 2 S. 6, 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).