§ 26 SGBVII, § 109 SGG
Voraussetzungen eines Behandlungsanspruchs des Versicherten gegenüber dem Unfallversicherungsträger wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls - verbrauchtes Antragsrecht: Anhörung eines bestimmten Arztes gem. § 109 SGG
1. Der Unfallversicherungsträger hat nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII mit allen geeigneten Mitteln den durch den Versicherungsfall i. S. des § 7 SGB VII verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen und zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Der Nachweis unfallbedingter Behandlungsbedürftigkeit setzt zwecks Beurteilung der Geeignetheit der einzelnen Heilbehandlungsmaßnahme voraus, dass ein klar definiertes Behandlungsziel vorliegen muss.
2. Zur Ablehnung eines Antrags des Versicherten auf gutachterliche Anhörung eines bestimmten Arztes wegen Verbrauchs des Antragsrechtes.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. September 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme weiterer Heilbehandlungskosten (manuelle Physiotherapie, Eisanwendungen und klassische Massagen) wegen eines am 4. Dezember 2005 erlittenen Arbeitsunfalles hat.
Die 1973 geborene Klägerin erlitt am 4. Dezember 2005 einen Wegeunfall, als sie zu Hause vor der Tür auf dem Weg zur Arbeit ausrutschte und auf die rechte Schulter stürzte. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom 5. Dezember 2005 zog sie sich eine dislozierte Humeruskopfmehrfragmentfraktur zu. Im Auftrag der Beklagten erstattete der Chirurg H1 am 7. September 2010 ein Zusammenhangsgutachten. Darin führte er aus, dass durch das Unfallereignis vom 4. Dezember 2005 eine Oberarmkopffraktur rechts mit Fragmentdislokation erfolgt sei. Aktuell leide die Klägerin an einem subagromialen Schmerzsyndrom rechts ausgelöst durch postoperative Verwachsungen und geringgradige Läsion an der Rotatorenmanschette rechts. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde mit 10 vom Hundert (v. H.) beziffert. Eine Nachuntersuchung sei erforderlich, weil bislang kein Abschluss im Heilverlauf eingetreten sei. Bei den Beschwerden an der rechten Schulter handele es sich noch nicht um einen Dauerzustand. Funktionsverbesserung durch Gebrauch und Gewöhnung könnten erwartet werden. Eine berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung für die Dauer von drei Wochen sei zu empfehlen. Dieser Empfehlung widersprach der Beratungsarzt der Beklagten S1 in einer Stellungnahme vom 14. Oktober 2010. Weitere Behandlungsmaßnahmen seien bei guter Funktion nicht angezeigt.
Durch Bescheid vom 7. Dezember 2010 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 4. Dezember 2005 als Arbeitsunfall an mit folgenden Unfallfolgen: Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes, Verschmächtigung des Schultergürtels, Missempfinden im Narbenbereich, röntgenologisch nachweisbare Veränderungen im ehemaligen Bruchbereich nach fest verheiltem Oberarmkopfbruch rechts. Nicht als Unfallfolge anerkannt wurde eine Arthrose des Acromio-Clavicular-Gelenks. Die Gewährung einer Verletztenrente wurde abgelehnt. Ein hiergegen durch die Klägerin eingelegter Widerspruch wurde durch Bescheid vom 27. April 2011 zurückgewiesen. Am 18. Dezember 2012 stellte die Klägerin einen Überprüfungsantrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und beantragte, auch die Arthrose des Acromio-Clavicular-Gelenks als Unfallfolge festzustellen und eine MdE von 40 v. H. anzuerkennen. Daraufhin erstattete im Auftrag der Beklagten der Direktor der Klinik für Unfallchirurgie H2 am 14. August 2014 ein weiteres unfallchirurgisches Gutachten. Darin führt dieser aus, dass in Auswertung der bildgebenden Befunde die beschriebene Schultereckgelenkarthrose nicht ursächlich auf das Unfallereignis vom 4. Dezember 2005 zurückgeführt werden könne. Es bleibe daher bei der als Unfallfolge anerkannten Oberarmkopfmehrfragmentfraktur rechts. Die MdE sei mit 20 v. H. einzuschätzen. Gegenüber den Vorgutachten sei eine Verschlechterung eingetreten.
Daraufhin gewährte die Beklagte durch Bescheid vom 28. Oktober 2014 der Klägerin ab dem 6. Mai 2013 wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. auf unbestimmte Zeit. Als Unfallfolgen wurden definiert:
„Bewegungseinschränkung der Schulter in allen Richtungen, Muskelminderung am Arm, röntgenologisch nachweisbare Veränderungen am Oberarmkopf (Stufenbildung und Konturinhomogenität) nach fest verheiltem Oberarmkopfbruch rechts“.
Als Unfallfolge nicht anerkannt wurde die AC-Gelenksarthrose.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin vorsorglich Widerspruch ein. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 2. Dezember 2014 führte H2 aus, dass auch bei Berücksichtigung der Schultereckgelenkarthrose die MdE mit 20 v. H. zu bewerten sei. Hinsichtlich der arthrotischen Veränderungen liege rechts wie links ein annähernd identischer Zustand vor. Die Beschwerden der Klägerin beruhten ausschließlich auf der Fehlstellung der verbliebenen Oberarmkopffraktur. Daraufhin nahm die Klägerin den Widerspruch zurück. In der Folgezeit erfolgten verschiedene Verordnungen von Heilbehandlungsmaßnahmen zu Lasten der Beklagten. In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15. März 2016 teilte der Chirurg M1 mit, dass hinsichtlich der Beweglichkeit des Schultergelenkes von einem Endzustand auszugehen sei. Die weiter bestehenden Beschwerden seien durch die Fraktur nicht zu erklären. Hier sei eher an die unfallunabhängige AC-Gelenksarthrose zu denken. Die verordneten Therapien mit manueller Therapie, klassischer Massage und Kälteanwendungen würden eher für einen aktiven Prozess im Sinne der AC-Gelenksarthrose sprechen und nicht für einen Endzustand nach knöchern konsolidierter Fraktur. Die physiotherapeutischen Maßnahmen sollten daher beendet werden.
Daraufhin teilte die Beklagte dem behandelnden Chirurgen der Klägerin M2 am 15. März 2016 mit, dass die Kosten für die beantragte Schmerzlasertherapie nicht übernommen würden. Ferner wurde er gebeten, die in der Vergangenheit verordneten Therapien zu beenden bzw. diese Therapien nicht weiterhin zu Lasten der Beklagten zu verordnen. Dagegen legte die Klägerin am 8. April 2016 Widerspruch ein. In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10. Mai 2016 legte M1 erneut dar, dass ein Endzustand vorliege und sich ein solcher Endzustand durch weitere therapeutische Maßnahmen nicht mehr beeinflussen lasse. Die zum Einsatz gekommene Kombinationstherapie sei ungewöhnlich. Daraufhin erließ die Beklagte am 16. Juni 2016 einen Bescheid - gerichtet an die Klägerin - des Inhalts, dass weder die Schmerzlasertherapie, noch manuelle Therapie, Eisanwendungen und klassische Massagen mehr übernommen werden. Hiergegen legte die Klägerin am 20. Juni 2016 Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid vom 22. September 2016 zurückgewiesen wurde.
Dagegen hat die Klägerin fristgerecht vor dem Sozialgericht Nordhausen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat eine Aufstellung der von der Beklagten in den Jahren 2016 und 2017 übernommenen Therapien beigezogen. Anschließend hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines unfallchirurgischen Gutachtens von M3 vom 10. April 2018. Dieser hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Klägerin bei dem Unfallereignis einen mehrfragmentären Bruch am Oberarmkopf rechts erlitten habe. Gleichzeitig hätten zum Unfallzeitpunkt jedoch dem Lebensalter vorauseilende Verschleißveränderungen am rechten Schultergelenk in Form von Texturstörungen des Schultereckgelenkes bestanden. Diese seien vor dem Unfallereignis als Schadensanlage stumm gewesen. Haftungsausfüllend seien sie jedoch von großer Bedeutung. Im Verlauf der Heilbehandlung sei von einer Dominanz unfallfremder Gesundheitsstörungen auszugehen. Unfallbedingt bestehe nicht die Notwendigkeit der Verordnung etwaiger Heilmittel. Der mehrfragmentäre Bruch am Oberarmkopf rechts sei zur Ausheilung gekommen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 28. November 2018 hat M3 betont, dass seinerseits eine valide Untersuchung der Klägerin vorgenommen worden sei.
Sodann hat das Sozialgericht auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Chirurgen S2 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 27. Mai 2019 ausgeführt, dass den Ausführungen von M3 nicht gefolgt werden könne. Wenn alles von der Erkrankung des Acromio-Clavicular-Gelenks hervorgerufen würde, dann müssten im linken Schultergelenk ähnliche Beschwerden vorhanden sein. Die Oberarmkopffragmentfraktur gelte als schwere Schultergelenkverletzung. Es sei bekannt, dass nicht immer eine vollständige Wiederherstellung erreicht werden könne. Bezüglich der Behandlung durch Schmerzlasertherapien fehle es an einem Wirksamkeitsnachweis. Zu verordnen seien krankengymnastische Behandlungen auf neurophysiologischer Grundlage und Wärmeanwendung bei einem oder mehreren Körperabschnitten und zusätzlich manuelle Therapie. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 21. August 2019 hat S2 an seiner Einschätzung festgehalten.
Durch Urteil vom 24. September 2020 hat das Sozialgericht Nordhausen den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016 aufgehoben und festgestellt, dass die Beklagte Kosten für verordnete manuelle Therapie, Eisanwendungen und klassische Massagen zu übernehmen hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage mit dem Hauptantrag gerichtet auf Verpflichtung der Beklagten, die Kosten für Maßnahmen der manuellen Therapie, Eisanwendungen, klassische Massagen und eine Schmerzlasertherapie nach Verordnung durch einen Arzt zu übernehmen, unzulässig sei. Die Klägerin begehre keine Kostenerstattung für eine selbst beschaffte Maßnahme. Für eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der beantragten Leistungen bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Insofern fehle es bereits an einer konkreten Therapiemaßnahme, über die nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden könnte. Der Hilfsantrag auf Feststellung sei zulässig und teilweise begründet. Das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die Beklagte nicht bereit sei, weitere Behandlungskosten zu übernehmen. Die Beklagte sei verpflichtet, die gewährten Behandlungsmaßnahmen mit Ausnahme der Schmerzlasertherapie zu übernehmen. Insoweit werde den Ausführungen des Sachverständigen S2 gefolgt. Nicht nachvollziehbar sei, dass nach dem Vortrag der Beklagten die Einschränkungen der Klägerin ausgeheilt sein sollen. Die unfallunabhängige Arthrose sei nicht für die Bewegungseinschränkungen verantwortlich. Eine Kostenübernahme für die Schmerzlasertherapie scheide nach den Ausführungen von S2 aus.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Das Sozialgericht berücksichtige in seinen Entscheidungsgründen nicht, ob die bei der Klägerin bestehenden Unfallfolgen einer Behandlung noch zugänglich seien. Der Sachverständige S2 treffe keine Aussage über die Sinnhaftigkeit weiterer Behandlungen. Bei der Klägerin liege eine knöchern fest verheilte Oberarmkopfmehrfragmentfraktur mit Funktionseinschränkungen vor. Hinzu kämen unfallunabhängige Erkrankungen in Form einer Arthrose des Schultereckgelenkes. Jede medizinische Behandlung müsse ein definiertes Behandlungsziel haben. Einen Funktionsgewinn bei der Klägerin sei nach all den Jahren physiotherapeutischer Behandlung gerade nicht eingetreten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. September 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise nach § 109 SGG ein Sachverständigengutachten des Orthopäden J aus N (vgl. Schriftsatz vom 23. September 2022) zu den Beweisfragen wie in der Beweisanordnung vom 15. Oktober 2021 einzuholen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil.
Der Senat hat im Berufungsverfahren ein Sachverständigengutachten beim Facharzt für Orthopädie und physikalische Therapie S3 eingeholt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 23. Februar 2022 aus, dass bei der Klägerin auf seinem Fachgebiet unfallbedingt eine Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schulterkomplexes nach knöchern vollständig konsolidiertem Mehrfragmentbruch des Oberarmkopfes vorliege. Die formbildenden Veränderungen der Gelenkpartner beider Schultereckgelenke im Sinne einer endogen-schicksalhaft entstandenen zweitgradigen Arthrose seien unfallunabhängig. Im zeitlichen Verlauf lasse sich eine spürbare Verschlechterung der Seitwärtsführung des rechten Armes zwischen April 2010 und August 2014 objektivieren. Diese gelte auch für die Verschlechterung der Armführung vorwärts (Anteversion). Es sei von einem fest verheilten Oberarmkopfbruch auszugehen. Anhaltspunkte für eine verzögerte Knochenbruchheilung oder gar eine Falschgelenkbildung beziehungsweise Pseudoarthrose hätten sich zu keinem Zeitpunkt gefunden. Jede medizinische Therapie müsse ein klar definiertes Behandlungsziel haben. Im Falle der Klägerin sei es zwischen April 2010 und August 2014 bzw. März 2016 zu einer deutlichen Verschlechterung vor allem in den Freiheitsgraden Seitwärtsführung des rechten Armes, Armführung vorwärts sowie Einwärtsdrehung mit anliegendem Arm gekommen. Diese habe selbst mit einer bis 2016 gewährten hochfrequenten Therapieverordnung in Gestalt von Krankengymnastik, klassischer Massage, manueller Therapie und lokaler Eisapplikation sich nicht verbessern lassen. Es sei von einem dauerhaften allein mit konservativen Maßnahmen nicht mehr beeinflussbaren Behandlungszustand auszugehen. Eine manuelle Therapie könne bei einem strukturellen Defizit keinen wirksamen Beitrag zu einer Funktions- bzw. Beweglichkeitsverbesserung leisten. Dies gelte ebenso für Krankengymnastik. Die lokale Eisapplikation besitze im Kontext mit abschwellenden Maßnahmen bzw. bei entzündlich überwärmten Gelenken ihre Hauptindikation. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 16. Juni 2022 führt S3 aus, dass ein durch klassische Behandlungsmethoden nicht mehr wesentlich beeinflussbarer Status quo, ein sogenannter Beharrungszustand bezüglich der verbliebenen Funktionen des gesamten Schulterkomplexes, vorliege. Eine lokale Eisanwendung sei in Fällen einer im Vergleich zur Umgebung wärmeren, oftmals ebenso umfangsvermehrten oder angeschwollenen Gelenkkapseln indiziert. Mit einer Kryotherapie erreiche man durch eine Reduzierung der Weiterleitungsgeschwindigkeit für nervale Schmerzreize eine Herabsetzung der Schmerzempfindlichkeit.
Die Beklagte sieht sich durch das Gutachten in ihrer Auffassung bestätigt, dass wegen der Folgen des Unfalles vom 4. Dezember 2005 keine weiteren physiotherapeutischen Behandlungen erforderlich seien. Die Klägerin sieht bei fehlender Fortführung der Behandlungen ihre Arbeitsfähigkeit gefährdet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten, die Gegenstand der Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg (§§ 143, 151 SGG). Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil der Wert der zugesprochenen Sachleistung nach sachgerechter Schätzung über 750,00 € liegen dürfte (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), als auch in Ansehung des zeitlich nicht begrenzten Klageantrages und in Ansehung der Krankengeschichte der Klägerin seit 2005 die Beteiligten über wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr streiten (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 SGG). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegt hier keine Feststellungsklage vor, vielmehr ist von einer zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG, gerichtet auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide und auf die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen der Heilbehandlung im Sinne eines Grundurteils auszugehen.
Streitgegenstand sind dabei einerseits bei zweckentsprechender Auslegung des klägerischen Antrags – anderenfalls hätte ein dem Antrag entsprechender Tenor wegen seiner Unbestimmtheit keinen vollstreckbaren Inhalt, die Leistungsklage wäre deshalb bereits unzulässig – nur solche Leistungen der Heilbehandlung, wie sie die Beklagte in der Vergangenheit gewährt hat bzw. konkret von der Klägerin geltend gemacht werden. Andererseits hat die Klägerin im gesamten Verfahren vorgetragen und durch entsprechende Antragstellung deutlich gemacht hat, dass sie lediglich die Gewährung künftiger Leistungen der Krankenbehandlung als Sachleistung und nicht die Übernahme etwaiger zwischenzeitlich verauslagter Behandlungskosten im Wege der Kostenerstattung begehrt.
Mit diesen Maßgaben an den Streitgegenstand ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Heilbehandlung in Form von manueller Physiotherapie, Eisanwendung und klassischen Massagen wegen des am 4. Dezember 2005 erlittenen Arbeitsunfalles. Nach § 26 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte unter anderem Anspruch auf Heilbehandlung. Der Unfallversicherungsträger hat danach mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mindern. Wesentlich ist, dass der Unfallversicherungsträger nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nur den durch den Versicherungsfall im Sinne des § 7 SGB VII verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern hat. Die begehrte Maßnahme muss geeignet sein und zumindest die Prognose einer gewissen Wahrscheinlichkeit des angestrebten Erfolgs erlauben. Ausgehend hiervon hat die Klägerin bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Heilbehandlung, denn die Behandlungsmaßnahmen die sie begehrt, dienen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen nicht der Besserung oder Beseitigung von Unfallfolgen. Die von der Klägerin begehrten Heilbehandlungsmaßnahmen sind auch prognostisch nicht in der Lage, die Folgen des Versicherungsfalles (Mehrfachfragmentfraktur des rechten Oberarmkopfes) zu bessern oder zu lindern. S3 führt in seinem Sachverständigengutachten vom 23. Februar 2022 aus, dass die von der Beklagten bescheidmäßig festgestellten Unfallfolgen auch zum jetzigen Zeitpunkt in vollem Umfang zutreffen. Nach wie vor ist auch daran festzuhalten, dass die Veränderungen im rechten Schultereckgelenk im Sinne einer zweitgradigen Arthrose mit Belastbarkeitseinbuße unfallunabhängig sind. Hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten bezüglich der Folgen des operativ versorgten Mehrfragmentbruchs des Oberarmkopfes rechts führt S3 in dem Gutachten aus, dass jede medizinische Therapie stets ein klar definiertes Behandlungsziel haben muss. Dies entspricht auch den Vorgaben des § 26 SGB VII. Denn ohne Nennung eines Behandlungszieles kann nicht geprüft werden, ob die begehrte Behandlung den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern in der Lage ist. Als Behandlungsziel im Fall der Klägerin kommen insoweit eine Verbesserung der Funktion des betroffenen Gelenkes, eine muskuläre Kräftigung der entsprechenden Extremität oder auch eine Schmerzlinderung in Betracht. Daraus zieht S3 zutreffend den Schluss, dass wenn durch bestimmte Maßnahmen ein messbarer Funktionsgewinn erreicht bzw. eine kurzfristig drohende Verschlechterung verhindert werden kann, entsprechende Verordnungen erfolgen können. Daraus folgt zugleich, dass der reine Erhalt des Status quo regelhaft keinen Grund für eine Therapie darstellt. Grundsätzlich ist nach osteosynthetischer Versorgung einer Oberarmkopffraktur bei regelhafter Rekonvaleszenz - wie im Fall der Klägerin - mit einem Defizitausgleich nach neun bis 12 Monaten zu rechnen. Im Fall der Klägerin tritt hinzu, dass sich aus der Gegenüberstellung der Bewegungsausmaße durch den Sachverständigen S3 in seinem Gutachten vom 23. Februar 2022 entnehmen lässt, dass es zwischen April 2010 und August 2014 beziehungsweise März 2016 zu einer deutlichen Verschlechterung vor allem in den Freiheitsgraden Seitwärtsführung des rechten Armes, Armführung vorwärts sowie Einwärtsdrehung gekommen ist. Der Sachverständige hebt insoweit hervor, dass dies selbst mit einer bis 2016 gewährten hochfrequenten Therapie in Gestalt von zweimal wöchentlich Krankengymnastik im Wechsel mit klassischen Massagen, manueller Therapie und lokaler Eisapplikation funktionell nicht verbessert werden konnte. Aktuell fand sich bei der Untersuchung ein nahezu stationärer Zustand ohne objektivierbare signifikante Verschlechterung. Daraus zieht S3 ebenso wie der Sachverständige M3 in seinem Gutachten vom 10. April 2018 nachvollziehbar den Schluss, dass von einem dauerhaften, allein mit konservativen Maßnahmen nicht mehr beeinflussbaren Beharrungszustand auszugehen ist. Insoweit ist es im Rahmen der anzustellenden Prognose nicht möglich, von einer Geeignetheit der begehrten Maßnahmen auszugehen. Darüber hinaus legt der Sachverständige S3 dar, dass die begehrte manuelle Therapie beim strukturellen Defizit zwar subjektiv als angenehm empfunden wird, mit großer Wahrscheinlichkeit aber keinen wirksamen Beitrag zu einer Funktions- bzw. Beweglichkeitsverbesserung leisten kann. Dies gilt ebenso für den Einsatz von Krankengymnastik. Hinsichtlich der Eisapplikation führt er aus, dass diese eine Möglichkeit der physikalischen Schmerztherapie im Kontext mit abschwellenden Maßnahmen bei noch entzündlich überwärmten Gelenken ihre Hauptindikation besitzt. Dies hat der Sachverständige in einer ergänzenden Stellungnahme vom 16. Juni 2022 auch nochmals bestätigt. Bezüglich der lokalen Eisanwendung hat er in dieser ergänzenden Stellungnahme noch zusätzlich ausgeführt, dass es durch eine solche zur Verringerung bzw. vorteilhaften Beeinflussung entzündlicher Gelenkveränderungen und Schwellzustände beim Patienten komme. Die Anwendung sei nur in Fällen einer im Vergleich zur Umgebung wärmeren, oftmals angeschwollenen Gelenkkapsel indiziert. Dies ist bei der Klägerin im Hinblick auf die Unfallfolgen ersichtlich nicht der Fall. Der Hinweis der Klägerin, dass es auch Ziel der Behandlung sein müsse, ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten, ändert hieran nichts. Wenn die begehrten Maßnahmen keinen wirksamen Beitrag zu einer Funktions- bzw. Beweglichkeitsverbesserung leisten können und ein Endzustand vorliegt, können die Maßnahmen auch nicht der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit dienen.
Die Ausführungen des Sachverständigen S2 überzeugen hingegen nicht. Dieser zieht sich bei der Beantwortung der Beweisfrage 4. darauf zurück, dass im Fall der Klägerin die begehrten Therapieformen mit Ausnahme der Lasertherapie zum Einsatz kommen sollten, ohne den erforderlichen konkreten Bezug zum Einzelfall herzustellen. Zunächst erfolgt eine umfangreiche Auswertung von Literatur, ohne dass der erforderliche konkrete Bezug zum Einzelfall hergestellt wird. Soweit S2 anschließend ausführt, dass physiotherapeutische Behandlungen im Bereich regionaler Verletzungen, zum Beispiel nach den Handlungsanleitungen der Berufsgenossenschaften immer angemessen seien und ein Enddatum einer physiotherapeutischen Therapie nicht erwähnt werde, führt er selbst aus, dass die Benennung eines Enddatums deshalb keinen Sinn mache, weil entscheidend sei, ob Folgen des Arbeitsunfalles noch bestehen. Dies ist aber insofern schon vom rechtlichen Ausgangspunkt her unpräzise, als die Verordnung von Heilbehandlung voraussetzt, dass ein bestimmtes Behandlungsziel, nämlich eine Verbesserung des Funktionszustandes erreicht werden kann. Für den Senat nicht nachvollziehbar sind seine Ausführungen, dass er die Argumentation, wonach aufgrund eines Endzustandes des Oberarmkopfbruches eine Verordnung von Physiotherapien nicht mehr in Frage komme, deshalb nicht nachvollziehen könne, weil eine Literaturstelle, die diese ablehnende Haltung untermauere, ihm nicht bekannt sei. Dies ist unerheblich. Denn entscheidend ist, ob im konkreten Einzelfall der Klägerin noch ein konkretes Behandlungsziel definiert werden kann. Dies erfolgt durch S2 nicht. Soweit er allgemein ausführt, dass die Schultergelenkbeweglichkeit erhalten bleiben soll, findet ebenfalls keine Auseinandersetzung mit den konkreten Beweglichkeitsausmaßen bei der Klägerin statt. Die Ausführungen von S3 sind insoweit bereits deshalb weit überzeugender, da dieser darlegt, dass auch die Verschlechterung der Bewegungsausmaße in den Jahren 2010 bis 2014 trotz der durchgeführten hochfrequenten Therapien nicht verhindert werden konnte.
Dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag brauchte der Senat nicht nachkommen. Dieser Antrag ist zurückzuweisen. Das Antragsrecht ist durch die Einholung des Gutachtens von S2 in erster Instanz verbraucht. Ein neues Antragsrecht nach § 109 SGG ist anschließend nicht mehr entstanden. Einem wiederholten Antrag ist nur stattzugeben, wenn weitere Gesichtspunkte neu aufgetreten sind, die noch nicht Gegenstand des ersten Gutachtens gewesen sind. Auch ein erstinstanzlich nach § 109 SGG durchgeführtes Begutachtungsverfahren verbraucht das Antragsrecht für die Berufungsinstanz, es sei denn, die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände hätten sich inzwischen wesentlich verändert (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.07.2017 - L 3 U 22/11 -, juris). Wesentlich geänderte rechtliche oder tatsächliche Umstände, die es rechtfertigen könnten, das Anhörungsrecht nach § 109 SGG neu zu eröffnen, können vorliegend aber nicht festgestellt werden. Dass zwischenzeitlich ein weiteres Gutachten von S3 von Amts wegen eingeholt worden ist, begründet hier nicht das Erfordernis einer erneuten Anhörung. Insoweit haben sich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse ergeben. Schon der Sachverständige M3 ging in seinem Gutachten vom 10. April 2018 von einem Endzustand bzgl. der Unfallfolgen aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die gemäß § 160 SGG die Zulassung der Revision rechtfertigten, sind nicht ersichtlich.