L 20 SO 314/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 297/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 314/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 20/20 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgericht Detmold vom 27.05.2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung eines Guthabens aus einer Heiz- und Betriebskostenabrechnung und der daraus folgenden Teilaufhebung der Leistungsbewilligung i.H.v. 166,85 €.

 

Der 1942 geborene Kläger bezieht eine Regelaltersrente und ergänzend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Sein am 22.10.2007 unterschriebener Antrag auf Grundsicherung enthielt den handschriftlichen Vermerk, dass die Miete und die Stadtwerkeabschläge „von der Grundsicherung überwiesen werden“ sollen. Der Vermerk war mit dem Datum vom 26.10.2007 und dem Namen eines Mitarbeiters der Beklagten versehen.

 

Aufgrund der von der Vermieterin des Klägers gestellten Nebenkostenabrechnung vom 29.06.2016 und vom 29.06.2017 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 im Rahmen der Unterkunftskosten einen monatlichen Betrag von 85,00 € auf die Betriebs- und einen Betrag i.H.v. 23,00 € auf die Heizkosten. Zuletzt bewilligte sie mit Bescheid vom 25.05.2018 Leistungen für den Zeitraum vom Juni 2018 bis Mai 2019 i.H.v. 676,23 € monatlich; mit Änderungsbescheid vom 22.06.2018 bewilligte sie für Juli 2018 665,77 €. Die Unterkunftskosten zahlte die Beklagte direkt an die Vermieterin des Klägers aus.

 

Die Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2017 für die Wohnung des Klägers vom 29.06.2018 wies – bei anteiliger Berücksichtigung der Betriebskosten von 965,17 € und der Vorauszahlungen von 1.020,00 € – ein Guthaben von 54,83 € aus, ferner – bei 163,98 € anteiligen Heizkosten und 276,00 € Vorauszahlungen – ein Heizkostenguthaben von 112,02 €. Das Gesamtguthaben von insgesamt 166,85 € werde auf die Miete für August 2018 angerechnet, so dass in diesem Monat nur 234,66 € an Miete zu zahlen seien.

 

Am 09.07.2018 reichte der Kläger die Betriebs- und Heizkostenabrechnung bei der Beklagten ein. Zugleich beantragte er die Erteilung einer schriftlichen Bestätigung, dass er sich das Guthaben von seiner Vermieterin auszahlen lassen dürfe.

 

Die Beklagte stellte die beantragte Bescheinigung nicht aus. Mit Bescheid vom 16.07.2018 hob sie den Bescheid vom 25.05.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.06.2018 für die Zeit vom 01. bis zum 31.08.2018 i.H.v. 166,85 € auf und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Aufhebungsentscheidung an. Für August 2018 sei eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers eingetreten, die bei der Berechnung des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen zu berücksichtigen sei. Dem Kläger werde Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII i.H.v. 166,85 € aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2017 zufließen, da die Vermieterin das Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung mit der für August 2018 zu zahlenden Miete verrechnen werde. Dieses Einkommen mindere im August 2018 den Anspruch auf Grundsicherungsleistungen.

 

Mit Leistungsbescheid vom 20.07.2018 bewilligte die Beklagte für den Monat August 2018 nur mehr 665,83 €; dabei berücksichtigte sie das Nebenkosten-Guthaben des Klägers von 166,85 € bedarfsmindernd. Die Unterkunftskosten von (noch) 234,66 € zahlte sie wiederum direkt an die Vermieterin aus.

 

Den am 19.07.2018 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2018 zurück, ohne zuvor sozial erfahrene Dritte beteiligt zu haben. Der Zufluss aus der Gutschrift stelle eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dar, so dass die bisherigen Bewilligungen entsprechend aufzuheben seien. Da in den Vorjahren das Guthaben wegen der aufschiebenden Wirkung von gegen die entsprechenden Aufhebungsbescheide eingelegten Widersprüchen habe ausgezahlt werden müssen, sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides erforderlich gewesen.

 

Am 29.10.2018 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben. § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII bestimme eindeutig und unmissverständlich, dass Leistungen der Sozialhilfe kein Einkommen seien. Mit der Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunftskosten für das Jahr 2017 durch die Beklagte sei er Eigentümer der angewiesenen Beträge geworden. Eigentum könne zivilrechtlich aufgrund des im Sachenrecht geltenden Abstraktionsprinzips nur durch sachenrechtlichen Übereignungsvertrag verloren gehen oder durch Enteignung. Einen derartigen Vertrag habe er mit seiner Vermieterin nicht geschlossen; diese sei treuhänderische Besitzerin der Vorauszahlungen geworden und habe ihre Kosten abziehen dürfen. Die verbliebenen 166,85 € seien weiterhin sein Eigentum.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

den Bescheid vom 16.07.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15.10.2018 aufzuheben.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung hat sie auf den angefochtenen Bescheid vom 16.07.2018 sowie den Widerspruchsbescheid vom 15.10.2018 verwiesen. In der Vergangenheit hätten das Sozialgericht und das Landessozialgericht bereits mehrfach entschieden, dass Guthaben aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung anzurechnendes Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII sei.

 

Das Sozialgericht hat für die mündliche Verhandlung am 27.05.2019 das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet. Mit Schriftsatz vom 13.05.2019 hat der Kläger daraufhin u.a. ausgeführt, der Kammervorsitzende habe ihm die Möglichkeit einer Terminsteilnahme „abgeschnitten“, weil er jegliche Reisekostenvergütung „abgebogen“ habe, indem er das persönliche Erscheinen nicht für geboten halte. Eine Reaktion des Sozialgerichts hierzu erfolgte nicht. Die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung weist aus, dass für den Kläger niemand erschienen und der Kläger ordnungsgemäß zum Termin geladen worden ist.

 

Mit Urteil vom 27.05.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der vom Kläger für August 2018 geschuldete Mietzins habe sich durch die Verrechnung der Vermieterin mit der Gutschrift um 166,85 € verringert. Denn die Mietforderung sei insoweit durch Aufrechnung seitens der Vermieterin erloschen; dieses Freiwerden von einer Verbindlichkeit stelle Einkommen des Klägers dar.

 

Gegen das am 31.05.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.06.2019 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Der Senat hat die Berufung zugelassen (Beschluss vom 21.08.2019).

 

Zur Begründung der Berufung wiederholt der Kläger seinen bisherigen Vortrag.

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.05.2019 abzuändern und die Bescheide vom 16.07.2018 und 20.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2018 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Leistungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil der Kläger in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG) und der Sachverhalt geklärt war. Zwar hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.01.2020 mitgeteilt, er benötige eine Rückfahrkarte für die mündliche Verhandlung am 27.01.2020, sollte das Gericht wegen des juristischen Kenntnisstandes der ehrenamtlichen Richter Bedenken haben und seine Anwesenheit für erforderlich halten. Derartige Bedenken hatte der Senat indes nicht, und er hielt die Anwesenheit des Klägers nicht für erforderlich. Im Übrigen kommt – anders als im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 13.05.2019 – in dem Schriftsatz vom 17.01.2020 kein (unbedingtes) Verlangen des Klägers zum Ausdruck, an der mündlichen Verhandlung persönlich teilzunehmen; schon deshalb war der Senat nicht etwa unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs gehalten, das persönliche Erscheinen des Klägers noch anzuordnen und für entsprechende Reisemittel Sorge zu tragen.

 

II. Die nach Zulassung durch den Senat insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

 

1. Ein wesentlicher Verfahrensfehler, der zur Zurückweisung an das Sozialgericht nach § 159 Abs. 1 SGG führen könnte, liegt nicht vor. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Zwar hat das Sozialgericht das im Schriftsatz vom 13.05.2019 deutlich zum Ausdruck gekommene Begehren des Klägers, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und hierfür einen Reisekostenzuschuss zu erhalten, schlicht übergangen und in Abwesenheit des Klägers verhandelt und entschieden. Bei einem mittellosen und nicht rechtskundig vertretenen Kläger stellt ein solches Vorgehen eine Versagung rechtlichen Gehörs und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (vgl. BSG, Urteile vom 11.02.2015 – B 13 R 329/13 B sowie vom 19.12.2017 – B 1 KR 38/17 B). Dieser führt im Falle des Klägers jedoch nicht dazu, dass eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich wäre. Die Beteiligten streiten – bei nicht weiter klärungsbedürftigem Sachverhalt – vielmehr allein um eine Rechtsfrage. Eine Zurückverweisung an das Sozialgericht nach § 159 Abs. 1 SGG scheidet deshalb aus.

 

2. Die zulässige Klage ist unbegründet.

 

a) Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 16.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2018, mit dem die Beklagte die durch Bescheid vom 25.05.2018 dem Kläger gewährten Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII teilweise – in Höhe von 166,85 € – aufgehoben hat. Nach § 86 SGG ist darüber hinaus der Bescheid vom 20.07.2018 Klagegegenstand, der die Aufhebungsentscheidung umgesetzt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1).

 

b) Das notwendige Vorverfahren (§ 78 SGG) ist durchgeführt worden. Ein etwaiger Verstoß gegen § 116 Abs. 2 SGB XII wegen Nichtbeteiligung sozial erfahrener Dritter (dazu weiter unten) würde daran nichts ändern; § 78 SGG verlangt allein die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens als solches, nicht jedoch dessen Fehlerfreiheit (vgl. z.B. Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Auflage 2017, § 78 Rn. 2; BSG, Urteil vom 24.03.2015 – B 8 SO 16/14 R).

 

c) Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Eine Beschwer des Klägers im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG besteht nicht. Die Entscheidung der Beklagten, für August 2018 die Leistungsbewilligung vom 16.03.2017 teilweise – in Höhe von 166,85 € – aufzuheben, ist rechtmäßig.

 

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

 

Die Beklagte hat zu Recht für August 2018 das Heiz- und Betriebskostenguthaben des Klägers bedarfsmindernd berücksichtigt.

 

aa) Die Aufhebungsentscheidung ist formell rechtmäßig ergangen.

 

(1) Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2018 genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten (§ 33 Abs. 1 SGB X). Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Betroffene bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt wird, die in ihm bestimmte Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (vgl. BSG, Urteile vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R, vom 29.11.2012 – B 14 AS 196/11 R sowie vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12).

 

Der angefochtene Aufhebungsbescheid genügt diesen Maßstäben. Aus ihm geht deutlich hervor, dass die Beklagte die Bewilligungsentscheidung (nur) für August 2018 in Höhe des Nebenkostenguthabens des Klägers aufheben wollte. Zwar benennt der Bescheid vom 16.07.2018 auch den Änderungsbescheid vom 22.06.2018 als teilweise aufgehoben. Dieser Änderungsbescheid betrifft jedoch von vornherein nicht die Leistungsbewilligung für August, sondern allein für Juli 2018. Die Aufhebungsentscheidung benennt jedoch den konkret betroffenen Aufhebungszeitraum (August 2018), den Umfang der Aufhebung (166,85 €) sowie den Grund der Aufhebung (Einkommen aus der Nebenkostenabrechnung). Für den Kläger waren damit alle für die Aufhebung maßgebenden Umstände ohne weiteres erkennbar. Dass die Beklagte versehentlich zudem einen Bescheid benannt hat, der mit Juli 2018 nicht den Aufhebungszeitraum August betrifft, ist deshalb unschädlich; eine Aufhebung der Leistungsbewilligung auch für Juli ist denn auch ersichtlich nicht erfolgt.

 

(2) Es kann offen bleiben, ob eine Anhörung des Klägers (§ 24 Abs. 1 SGG) vor der Aufhebungsentscheidung nötig oder aber von vornherein (nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X) entbehrlich war. Jedenfalls wäre eine fehlende Anhörung durch das Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X). Denn die Behörde kann eine unterbliebene Anhörung im Widerspruchsverfahren nachholen, wenn sie – wie hier; s.o. zu (1) – im Aufhebungsbescheid selbst alle wesentlichen Tatsachen für die Aufhebung der gewährten Grundsicherungsleistungen genannt hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.07.1994 – 7 RAr 104/93 und Urteil vom 27.3.1984 – 5a RKn 2/83 Rn. 19; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 41 Rn. 15).

 

(3) Zwar ist eine beratende Beteiligung sozial erfahrener Dritter vor Erlass des Widerspruchsbescheides i.S.v. § 116 Abs. 2 SGB XII unterblieben (vgl. zur Anwendbarkeit von § 116 Abs. 2 SGB XII auf Aufhebungsbescheide: Blüggel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, Stand 11.09.2017, § 116 Rn. 31). Dieser Formfehler ist jedoch gemäß § 42 S. 1 HS 2 SGB X unbeachtlich (vgl. dazu Schütze, a.a.O., § 42 Rn. 11; Blüggel, a.a.O., § 116 Rn. 42 m.w.N.). Denn der Verwaltung ist bei der Aufhebung eines Verwaltungsaktes für die Zukunft kein Ermessen eröffnet (Brandenburg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, Stand 01.12.2017, § 48 Rn. 126); deshalb kann eine fehlerhaft unterbliebene Beteiligung sozial erfahrener Dritter die Entscheidung der Beklagten i.S.v. § 42 S. 1 HS 2 SGB X "offensichtlich in der Sache nicht beeinflusst" haben (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 17/09 R Rn. 13; LSG NRW, Urteil vom 22.06.2015 – L 20 SO 103/13 Rn. 47 ff.).

 

bb) Die angefochtene Aufhebungsentscheidung ist auch materiell rechtmäßig. Die materiellen Voraussetzungen für eine Aufhebung der Leistungsbewilligung für August 2018 in Höhe von 166,85 € nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X liegen vor.

 

(1) Der Bewilligungsbescheid vom 25.05.2018 ist mit seiner Leistungsgewährung für den Zeitraum von Juni 2018 bis Mai 2019 ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Gegenüber dem Bewilligungszeitpunkt (Mai 2018) ist mit der vermieterseitigen Aufrechnung der (teilweisen) Mietzinsforderung für August 2018 gegen den Nebenkostenerstattungsanspruch des Klägers eine wesentliche Änderung eingetreten. Denn durch den Nebenkostenerstattungsanspruch verringerte sich durch vermieterseitige Aufrechnung die Mietzinsverpflichtung des Klägers in diesem Monat um 166,85 €. Diese Verringerung seiner Mietzinspflicht stellt Erwerbseinkommen dar, das zu einer Verringerung seines grundsicherungsrechtlichen Zahlungsanspruchs führte (§§ 19 Abs. 2 S. 1, 41, 43, 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII), so dass die Leistungsbewilligung insoweit aufzuheben war.

 

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. Eigene Mittel sind insbesondere das eigene Einkommen und Vermögen (§ 41 Abs. 1 und § 43 SGB XII). Zum Einkommen gehören nach § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB XII, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Einkommen ist alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (Giere in Grube/Warendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 82 Rn. 15). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (vgl. BSG, Urteile vom 30.07.2008 – B 14 AS 26/07 R und vom 24.02.2011 – B 14 AS 45/09 R; Giere, a.a.O., § 82 Rn. 19. ff.).

 

Das Heiz- und Betriebskostenguthaben i.H.v. 166,85 € ist Einkommen des Klägers im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII. Zwar ist es ihm nicht unmittelbar ausgezahlt worden. Ein Erstattungsanspruch für Guthaben aus einer Nebenkostenabrechnung, gegen den der Vermieter in voller Höhe mit seinem laufenden Mietzinsanspruch aufrechnet, ist dennoch ein zur Bedarfsdeckung heranzuziehendes Einkommen, weil es wegen der mit ihm verbundenen Verringerung der Mietzinsverpflichtung einen bestimmten, in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besitzt (BSG, Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 58/06 R Rn. 37 und vom 16.05.2012 – B 4 AS 132/11 R; BT-Drucks 16/1696 S. 27).

 

Tatsächlich zugeflossen ist es in dem Monat, in dem der Kläger von einem Teil seiner Mietzinsverpflichtung freigeworden ist, also im August 2018. Zwar bestimmt § 82 Abs. 7 S. 1 SGB XII näher, dass einmalige Einnahmen, bei denen für den Monat seines Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der Einnahme erbracht worden sind, im Folgemonat berücksichtigt werden sollen. Im Falle des Klägers konnte das Einkommen jedoch rechtzeitig berücksichtigt werden, da im Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung vom 16.07.2018 Grundsicherungsleistungen für August 2018 noch nicht ausgezahlt waren.

 

(3) Der Kläger kann der Aufhebungsentscheidung auch nicht einen Anspruch auf weitere Grundsicherungsleistungen entgegenhalten. Insbesondere ergibt sich ein unerfüllter Leistungsanspruch nicht etwa daraus, dass die Beklagte die Miete des Klägers direkt an dessen Vermieterin ausgezahlt hat.

 

Zwar sind Grundsicherungsleistungen an sich dem Leistungsberechtigten selbst auszuzahlen; dies gilt indes nicht, wenn er selbst um Zahlung an den Vermieter gebeten hat (BSG, Urteil vom 19.05.2009 – B 8 SO 35/07 Rn. 13). So ist es beim Kläger, ohne dass dies zwischen den Beteiligten streitig wäre. Denn seinem Grundsicherungsantrag vom 22.10.2007 ist zu entnehmen, dass er eine Direktüberweisung an seine Vermieterin wünschte. Insofern ist der entsprechende Vermerk zwar nicht vom Kläger selbst, sondern von einem Mitarbeiter der Beklagten auf dem Antragsformular angebracht worden. Der Kläger hat jedoch seither – also für etwa elf Jahre vor der hier streitigen Aufhebungsentscheidung – keinerlei Einwände gegen die Direktüberweisung an seine Vermieterin erhoben; deshalb geht der Senat davon aus, dass der Vermerk aus dem Jahre 2007 der seinerzeit zwischen den Beteiligten abgesprochenen Handhabung bei der Leistungsgewährung für Unterkunftskosten entspricht.

 

(4) Soweit der Kläger einwendet, das Heiz- und Betriebskostenguthaben sei eine Leistung nach dem SGB XII und müsse als solche durch § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII (als „Leistung nach diesem Buch“) gerade anrechnungsfrei bleiben, verkennt er, dass sich der Rechtscharakter der Leistungsbeträge für solche Wohnungsnebenkosten mit der Zahlung der entsprechenden Abschläge an den Vermieter ändert. Zwar sind die monatlichen Leistungen, die die Beklagte nach dem SGB XII für diese Abschläge erbringt, als solche zunächst kein Einkommen i.S.v. § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Mit der Gutschrift auf dem Konto des Vermieters gehen die Vorauszahlungen jedoch in dessen Vermögen über; befinden sie sich damit nicht mehr im rechtlichen Verfügungsbereich des Leistungsempfängers, haben sie den Charakter einer Leistung nach dem SGB XII verloren. Dementsprechend ist eine Erstattungszahlung eines Vermieters nach der Endabrechnung der Nebenkosten von vornherein keine Leistung nach dem SGB XII, sondern die Erfüllung einer zivilrechtlichen Forderung des erstattungsberechtigten Leistungsberechtigten; der Erstattungsbetrag ist deshalb dessen Einkommen i.S.v. § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII.

 

Anderes folgt auch nicht aus § 82 Abs. 1 S. 2 SGB XII. Danach sind zwar Rückerstattungen, die auf Vorauszahlungen beruhen, welche Leistungsberechtigte aus dem Regelsatz erbracht haben, kein Einkommen. Die Abschlagszahlungen für den Kläger an seine Vermieterin wurden jedoch von vornherein nicht „aus dem Regelsatz erbracht“. Denn Kosten für Unterkunft einschließlich der Betriebskosten oder sonstiger Nebenkosten werden nicht als Bestandteil der Regelsatzleistungen (§ 42 Nr. 1 SGB XII) gewährt, sondern – gerade von diesen zu unterscheiden – als Leistungen für Unterkunfts- bzw. Heizungsbedarf (§ 42 Nr. 4 i.V.m. § 42a SGB XII). Damit zeigt § 82 Abs. 1 S. 2 SGB XII entgegen der Ansicht des Klägers gerade, dass Rückerstattungen aus Vorauszahlungen, die diese unterkunftsbezogenen Kosten betreffen, anzurechnendes Einkommen i.S.d. § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII sind.

 

cc) War das Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung auf den Anspruch des Klägers auf Grundsicherungsleistungen für August 2018 mithin anzurechnen, so war der Beklagten für die angefochtene teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung kein Ermessen eröffnet, da sie allein für die Zukunft wirkte (§ 48 Abs. 1 S. 1 SGB X) und Fristen von vornherein nicht zu beachten waren (vgl. § 48 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X).

 

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

 

IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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