L 16 R 85/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 97 R 1128/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 85/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 13/22 R
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

 

Streitig ist die Gewährung einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung (EM) unter Berücksichtigung von Zeiten des Besuchs einer Fachschule vom 1. Oktober 1987 bis zum 18. September 1990 anstelle früher zurückgelegter Ausbildungszeiten.

 

Die 1956 geborene Klägerin absolvierte im Anschluss an ihr 1976 abgelegtes Abitur von Oktober 1976 bis Dezember 1980 ein Hochschulstudium in Deutschland und Frankreich (Magister-Studium in Linguistik, Romanistik und Psychologie; ohne Abschluss) und vom 21. September 1987 bis zum 20. September 1990 eine Fachschulausbildung zur Logopädin.

 

Mit Bescheid vom 3. Februar 2020 gewährte die Beklagte der Klägerin, die seit dem 1. Januar 2022 Altersrente bezieht, ab 1. Februar 2019 bis zum 31. Dezember 2021 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe eines anfänglichen monatlichen Zahlbetrages (nach Abzug des Anteils an den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sowie am Zusatzbeitrag) von 859,25 Euro. Sie legte dabei als Summe der persönlichen Entgeltpunkte 29,1137, einen Rentenartfaktor von 1,0 und einen monatlichen aktuellen Rentenwert von 32,03 Euro zugrunde. Im dem Rentenbescheid beigefügten Versicherungsverlauf ist vom 27. Februar 1973 bis 21. Juni 1976 eine Schulausbildung (41 Monate), vom 1. Juli 1976 bis zum 30. September 1976 eine Übergangszeit (drei Monate), vom 1. Oktober 1976 bis zum 5. Dezember 1980 eine Zeit der Hochschulausbildung (51 Monate) und für die Zeit vom 21. September 1987 bis 30. September 1987 eine Fachschulausbildungszeit (ein Monat) vermerkt.

 

Mit ihrem Widerspruch gegen den Rentenbescheid bat die Klägerin „um vorrangige Berücksichtigung“ ihrer „gesamten 3-jährigen Fachschulausbildung vor der Hochschulausbildung“. Die Fachschulausbildung sei ihre einzige Berufsausbildung und Voraussetzung für ihre anschließende sozialversicherungspflichtige Tätigkeit als Logopädin gewesen. Mit Bescheid vom 12. März 2020 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Zeit vom 1. Oktober 1987 bis zum 18. September 1990 könne nicht als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung berücksichtigt werden, da diese Zeit der Ausbildung die berücksichtigungsfähige Höchstdauer überschreite. Der bisherige Bescheid über die Feststellung dieser Zeit werde insoweit ab Rentenbeginn aufgehoben. Im Wesentlichen mit derselben Begründung wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2020).

 

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass es ihr nicht um eine Verlängerung der Anrechnungszeiten für Ausbildung über die gesetzlich vorgesehene Grenze von acht Jahren hinaus gehe, sondern um vorrangige Berücksichtigung ihrer Fachschulausbildung. Das Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2021, der Klägerin zugestellt am 18. Januar 2021, abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Der Rentenbescheid der Beklagten in der Fassung des Bescheides vom 12. März 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 sei rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine höhere EM-Rente. Die Rentenberechnung setze die gesetzlichen Vorgaben zutreffend um. Die Klägerin dringe mit dem geltend gemachten Anspruch auf vorrangige Berücksichtigung ihrer Fachschulausbildung nicht durch. Die zeitlich frühere Hochschulausbildung könne nicht nachrangig berücksichtigt werden. Seien – wie im Fall der Klägerin – Zeiten bis zu einer Höchstdauer zu berücksichtigen, würden nach den gesetzlichen Vorgaben die am weitesten zurückliegenden Kalendermonate zunächst berücksichtigt. Eine Verschiebung des Beginns zur Einbeziehung solcher Zeiten der schulischen Ausbildung, die sich bei der Bewertung auswirkten, komme daher nicht in Betracht.

 

Mit ihrer am 5. Februar 2021 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Neuberechnung der ihr zuerkannten EM-Rente und auf rentenerhöhende Berücksichtigung ihrer Fachschulausbildung weiter. Als Fachschulabsolventin sei sie schutzbedürftig. Während Absolventen von Hochschulen im späteren Erwerbsleben durch ihre höhere berufliche Qualifikation im Regelfall bessere Verdienstmöglichkeiten hätten und deswegen höhere Rentenanwartschaften und Renten aufbauten, könnten Fachschulabsolventen in der Regel nicht Rentenanwartschaften in demselben Umfang aufbauen. Ihre Fachschulzeit sei daher rentensteigernd zu berücksichtigen.

 

 

 

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 3. Februar 2020 in der Fassung des Bescheides vom 12. März 2020 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 zu ändern und ihr unter rentensteigernder Berücksichtigung ihrer Fachschulzeit vom 1. Oktober 1987 bis zum 18. September 1990 höhere Erwerbsminderungsrente zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

 

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Die Gerichtsakte und die Rentenakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Klägerin, mit der diese ihr Begehren auf Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Absatz 1 und 4 SGG i. V. m. § 56 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 13 R 23/14 R – juris, Rn. 12 m.w.N.) weiterverfolgt, ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

 

Der Rentenbescheid vom 3. Februar 2020 in der Fassung des Bescheides vom 12. März 2020 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer EM-Rente unter Bewertung ihrer Fachschulzeiten vom 1. Oktober 1987 bis zum 18. September 1990. Für ihr Begehren, die in Rede stehenden Fachschulzeiten vorrangig vor den Hochschulausbildungszeiten zu berücksichtigen und damit – anders als die Zeiten der Hochschulausbildung – gemäß § 74 SGB VI mit EP zu bewerten (vgl. die Neufassung des § 74 SGB VI durch das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 <BGBl I 1791>, die seit 1. Januar 2005 regelt, dass Zeiten einer Hochschulausbildung nicht mehr bewertet werden), besteht keine Rechtsgrundlage.

 

Der Monatsbetrag der Rente errechnet sich nach § 64 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) durch die Multiplikation der unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte (EP), des Rentenartfaktors und des aktuellen Rentenwerts, wobei der Wert dieser Faktoren bei Beginn der Rente zugrunde zu legen ist. Hinsichtlich des Rentenartfaktors der Rente wegen voller EM von 1,0 und des bei Rentenbeginn aktuellen Rentenwerts von 32,03 Euro wird auf den angefochtenen Bescheid vom 3. Februar 2020 Bezug genommen (§ 136 Absatz 3 SGG). Die von der Beklagten ermittelten 29,1137 EP (§ 66 SGB VI) sind auch im Hinblick auf die von der Klägerin ausschließlich beanstandete (vgl. dazu BSG, Urteil vom 2. März 2010 – B 5 KN 1/07 R –, juris) Ermittlung der EP für beitragsfreie Zeiten zutreffend bemessen. § 72 und § 73 SGB VI regeln deren Grund- bzw. Vergleichsbewertung, die sich im hier wesentlichen Punkt nicht unterscheiden; § 72 Absatz 1 SGB VI legt die Berechnungsformel (Summe der EP für Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten dividiert durch die Anzahl der belegungsfähigen Monate) fest, Absatz 2 bestimmt den belegungsfähigen Gesamtzeitraum, der um die in Absatz 3 genannten Zeiten zu kürzen ist, § 73 enthält die Modifikationen für die Vergleichsbewertung. Durch diese Rechenoperationen wird ermittelt, in welcher Gesamtzeit der Versicherte seine auf Beschäftigung und gleichgestellten Zeiten beruhenden EP erwirtschaftet hat; der sich daraus ergebende (höhere) Durchschnittswert (EP pro Monat) ist nach § 71 Absatz 1 Satz 2 SGB VI vorbehaltlich der Einschränkung des § 74 SGB VI als Mindestwert für die beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten einzusetzen. Die in Rede stehenden Fachschulzeiten sind wegen Überschreitens der Höchstdauer nicht als Ausbildungs-Anrechnungszeiten zu berücksichtigen und daher nicht nach Maßgabe von § 74 SGB VI mit EP zu bewerten. Die Berechnungsweise der Beklagten entspricht dem Gesetz.

 

Nach § 72 Absatz 3 Nr. 1 SGB VI ist der belegungsfähige Gesamtzeitraum zugunsten des Versicherten unter anderem um beitragsfreie Zeiten zu kürzen, die nicht auch Berücksichtigungszeiten sind. Ob die Fachschulzeit der Klägerin vom 1. Oktober 1987 bis zum 18. September 1990, wie von ihr gefordert, eine beitragsfreie Zeit im Sinne der genannten Vorschrift und deshalb vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen ist, ergibt sich aus § 72 SGB VI nicht direkt, da dieser keine Definition der beitragsfreien Zeiten enthält. Beitragsfreie Zeiten sind jedoch in § 54 Absatz 4 SGB VI definiert als Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt wurden. Vorliegend kommen nur Anrechnungszeiten in Betracht. Diese sind in § 58 SGB VI definiert. Bedenken, den Begriff der beitragsfreien Zeit i.S. von § 72 Absatz 3 Nr. 1 SGB VI unter Heranziehung des § 54 Absatz 4 i.V.m. § 58 SGB VI auszulegen, bestehen nicht (vgl. BSG im o.a. Urteil vom 2. März 2010, a.a.O. Rn. 17). Nach § 58 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. Die über die Höchstgrenze hinausgehenden Zeiten der schulischen Ausbildung sind keine Anrechnungszeit, denn sie erfüllen nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 58 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI und sind daher nicht gemäß § 72 Absatz 3 Nr. 1 SGB VI vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen (vgl. BSG im o.a. Urteil vom 2. März 2010, a.a.O. Rn. 19 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben konnten im Fall der Klägerin die Zeiten ihrer schulischen Ausbildung nur – wie erfolgt – bis zu einer Höchstdauer von 96 Kalendermonaten als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden (41 Monate Schulausbildung, drei Monate Übergangszeit, 51 Monate Hochschulausbildung, ein Monat Fachschulausbildungszeit). Gegen die Auslegung, dass schulische Ausbildungszeiten nur bis zur Höchstdauer des § 58 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI als beitragsfreie Zeiten i. S. des § 72 Absatz 3 Nr. 1 SGB VI anzusehen und vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum abzuziehen sind, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG SozR 4-2600 § 72 Nr. 3); die Klägerin wendet sich hiergegen auch nicht. Bei der Ausgestaltung und rentenrechtlichen Bewertung von Ausbildungszeiten hat der Gesetzgeber unabhängig von der Frage, ab welchem Zeitpunkt eine rentenversicherungsrechtliche Rechtsposition so verfestigt ist, dass sie durch Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz (GG) geschützt ist, eine größere Gestaltungsfreiheit als bei auf Beiträgen beruhenden Berechnungsgrößen, weil diese Zeiten auf einem allgemeinen fürsorgerischen Gedanken beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 – 1 BvR 874/77– BVerfGE 58, 81 = SozR 2200 § 1255a Nr. 7, S. 12; vgl. auch Fichte in: Hauck/Noftz SGB VI, § 58 Anrechnungszeiten, Werkstand: 1. EL 2022, Rn. 92).

 

Welche der anerkannten Zeiten der schulischen Ausbildung als Anrechnungszeit von der Beklagten zu berücksichtigen sind, ergibt sich aus § 122 Absatz 3 SGB VI (vgl. Flecks in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 58 SGB VI <Stand: 1. April 2021>, Rn. 83). Diese Regelung bestimmt die zeitliche Zuordnung von Zeiten, die bis zu einer Höchstdauer zu berücksichtigen sind. Sie lautet: „Sind Zeiten bis zu einer Höchstdauer zu berücksichtigen, werden die am weitesten zurückliegenden Kalendermonate zunächst berücksichtigt“. Dementsprechend hat die Beklagte bei der Klägerin zunächst die am weitesten zurückliegenden Zeiten der Schulausbildung, nach einer Überbrückungszeit die sich daran anschließenden Monate der Hochschulausbildung und zuletzt die Fachschulausbildungszeit berücksichtigt, die aber – als ganz überwiegend über die Höchstdauer hinausgehende Zeit – nur mit einem Monat und nicht darüber hinausgehend berücksichtigt werden durfte (vgl. BSG im o.a. Urteil vom 2. März 2010, a.a.O. Rn. 26; Dankelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 122 SGB VI <Stand: 3. Dezember 2021>, Rn. 47) . Für das Begehren der Klägerin, ihre gesamte dreijährige Fachschulausbildung vor der Hochschulausbildung berücksichtigt zu sehen, findet sich im Gesetz keine Stütze. Eine Verdrängung "schwächerer" durch "stärkere" Zeiten findet abgesehen von den ausdrücklich geregelten Fällen (§ 58 Absatz 1 Satz 3, Absatz 4a SGB VI) nicht statt. Diese Regelungen sind zwingend und stehen im Zusammenhang mit anderen Regelungen wie § 74 Absatz 1 SGB VI, bei denen es ebenfalls auf die zeitliche Lage der jeweiligen Ausbildungszeit ankommt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. März 2021 – L 13 R 224/20 –, juris Rn. 33 m.w.N.). Den Gesetzesmaterialien zu § 122 Absatz 3 SGB VI lässt sich eine Ausnahme für bestimmte Anrechnungszeiten ebenfalls nicht entnehmen. Dort heißt es vielmehr, es werde „eindeutig bestimmt, dass bei einer zeitlich begrenzten Berücksichtigung von Zeiten die Kalendermonate in der Anfangszeit von Bedeutung sind“ (vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung <Rentenreformgesetz 1992 — RRG 1992>, BT-Drs. 11/4124, S. 180). Eine entsprechende Höchstgrenze der Anrechnungszeit bei schulischer Ausbildung sah § 58 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI bei Inkrafttreten des § 122 Absatz 3 SGB VI am 1. Januar 1992 seinerzeit bereits vor, ohne dass der Gesetzgeber dies zum Anlass genommen hätte, eine entsprechende Ausnahme zu formulieren. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 122 Absatz 3 SGB VI planwidrig zu weit gefasst hätte, wie es für eine teleologische Reduktion des nach dem klaren Wortlaut eröffneten Anwendungsbereichs einer Norm unter Beachtung der Bindung von Verwaltung und Gerichten an Recht und Gesetz (Artikel 20 Absatz 3 GG) erforderlich ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. April 2012 – B 13 R 347/10 B –, juris Rn. 11, unter Bezugnahme auf BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06 –), ergeben sich nicht (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Februar 2014 – L 2 R 400/13 –, juris Rn. 45). Auch wenn das Begehren der Klägerin, der qualitativen Ungleichheit ihres Hochschul- und Fachhochschulstudiums durch vorrangige Berücksichtigung der bewertungsfähigen Anrechnungszeiten Rechnung zu tragen, nachvollziehbar erscheint, kann ihm nach geltender Rechtslage, die keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Zweifeln begegnet, nicht entsprochen werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Höhe der Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen richtet (§ 63 Absatz 1 SGB VI). Insofern ist es durchaus konsequent, die Ausbildung vorwiegend dem Bereich der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzuordnen, deren besondere Honorierung dem System der Rentenversicherung jedenfalls nicht immanent ist, weil es grundsätzlich an den Eintritt in das Arbeitsleben anknüpft (vgl. BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 27/10 R –, juris Rn. 38 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat bei der Bewertung von beitragsfreien Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Mai 2016 – 1 BvR 2217/11 –, juris Rn. 26). Zudem ist seine Typisierungsbefugnis zu beachten. Insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit – wie hier – verbundenen unvermeidlichen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG im o.a. Nichtannahmebeschluss vom 18. Mai 2016 , a.a.O., Rn. 27). Der vorliegende Fall gibt auch keinen Anlass zu Bedenken, ob die Auswirkungen des Zusammenspiels der Regelungen des § 58 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI und § 122 Absatz 3 SGB VI gegen das Sozialstaatsprinzip verstoßen (Artikel 20 Absatz 1 i.V.m. Artikel 28 Absatz 1 GG). Selbst wenn durch eine Regelung im Einzelfall Unbilligkeiten auftreten, ist das Sozialstaatsgebot nicht verletzt; denn es dient nicht der Korrektur jeglicher (aus Sicht des Normadressaten) hart oder unbillig erscheinender Einzelregelungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 27/10 R –, juris Rn. 66 unter Bezugnahme auf BVerfGE 66, 234, 247 f = SozR 2200 § 1255a Nr. 11 S 36; BVerfGE 69, 272, 314 f = SozR 2200 § 165 Nr. 81 S. 135 f).

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Absatz 2 Nr. 1 SGG), da das Verhältnis der Vorschriften des § 58 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI und § 122 Absatz 3 SGB VI höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt ist (vgl. BSG im o.a. Urteil vom 2. März 2010, a.a.O. Rn. 26: „Aus der Sicht des erkennenden Senats spricht nichts dagegen, diese Vorschrift <§ 122 Absatz 3 SGB VI> auch auf die in der Höchstdauer begrenzten Anrechnungszeiten grundsätzlich zumindest entsprechend anzuwenden, ohne dass es hierzu einer abschließenden Entscheidung bedarf“; vgl. zuletzt auch BSG, Beschluss vom 21. Dezember 2020 – B 13 R 255/19 B –, juris Rn. 8).

 

 

 

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