L 18 AS 225/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 99 AS 12266/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 225/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

              Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom                                     4. November 2019 geändert.

Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 12. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. März 2018 verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen zur Deckung der Bedarfe für seine Unterkunft für August bis Dezember 2017 in Höhe von monatlich 83,21 Euro und für Januar bis Juli 2018 in Höhe von monatlich 73,40 Euro zu gewähren.

 

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Umstritten ist die Höhe des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft für die Monate August 2017 bis Juli 2018.

 

Der 1980 im Irak geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 60 anerkannt ist, steht seit Februar 2009 im Leistungsbezug des Beklagten. Ausweislich der Bestätigung seines Vermieters (S/ GbR) musste der Kläger aus der von ihm bewohnten Wohnung Sstraße  ausziehen, da das Haus umfangreich modernisiert wurde. Aufgrund Mietvertrages vom 23. Juli 2014 zog der Kläger zum 1. August 2014 in eine im Erdgeschoss gelegene, mit Erdgas beheizte 2-Zimmer-Wohnung desselben Vermieters in der Sstraße  mit einer monatlichen Miete von insgesamt 535,87 Euro im Streitzeitraum ein (Wohnfläche 51,88 qm, Fläche für Heizkostenabrechnung 42,34 qm; ab Juni 2017 Nettokaltmiete 422,80 Euro, Betriebskostenvorauszahlung 62,26 Euro, Heizkostenvorauszahlung 50,81 Euro). Die Warmwasseraufbereitung erfolgt über Erdgas. Eine Zusicherung des Beklagten hatte der Kläger vor dem Umzug nicht eingeholt. Nachdem der Beklagte zunächst nur die niedrigeren Kosten der alten Wohnung weiterzahlte, erkannte er im Juni 2016 nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme des Sozialpsychiatrischen Dienstes des zuständigen Bezirksamtes Reinickendorf von Berlin an, dass der Umzug erforderlich gewesen sei; da die Mietkosten der neuen Wohnung jedoch nicht den Angemessenheitskriterien entsprächen, könnten die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) lediglich bis zum individuell angemessenen Richtwert gewährt werden (Bescheid vom 14. Juni 2016).

 

Auf seinen Fortzahlungsantrag vom 27. Juni 2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2018 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Alg II) und erkannte als Bedarf für die Wohnung monatlich (mtl.) eine Bruttokaltmiete in Höhe von 394,19 Euro und Heizkosten von 50,81 Euro (insgesamt 445,- Euro) an (Bescheid vom 12. Juli 2017, Widerspruchsbescheid vom 23. August 2017). Zur Begründung führte er an: Der Kläger sei zum 1. August 2014 ohne vorherige Zusicherung in eine unangemessen teure Wohnung umgezogen. Nach der Ausführungsvorschrift zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in der Fassung vom 6. Dezember 2016 betrage der angemessene Richtwert für einen 1-Personen-Haushalt bei einer Gebäudefläche von 492,02 qm mit zentraler Gasheizung bruttokalt 364,50 Euro; Heizkosten seien in Höhe von 76,- Euro berücksichtigungsfähig. Es ergäben sich damit übernahmefähige Unterkunftskosten in Höhe von bruttokalt 364,50 Euro zzgl. der beim Kläger tatsächlich anfallenden Heizkosten von 50,81 Euro, mithin insgesamt 415,31 Euro. Dem Kläger seien begünstigend bereits 445,- Euro zuerkannt worden; eine darüber hinaus gehende Leistungsgewährung komme nicht in Betracht. Mit Änderungsbescheid vom 6. März 2018 berücksichtigte der Beklagte nach Maßgabe der inzwischen geänderten Verwaltungsvorschriften für die Zeit von Januar bis Juli 2018 KdUH in Höhe von insgesamt 454,81 Euro (404,- Euro Bruttokaltmiete zuzüglich 50,81 Euro Heizkosten)

 

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen. Bei den Aufwendungen für Unterkunft gälten von ihm selbst - anhand eines im SG Berlin entwickelten Modells - festgelegte Angemessenheitswerte auf der Grundlage des Berliner Mietspiegels 2017. Bei einer abstrakt angemessenen Wohnfläche von 50 qm ermittle sich der Wert von 399,- Euro (6,36 Euro/qm Nettokaltmiete und 1,62 Euro/qm Betriebskosten). Dieser Betrag sei nicht weiter anzuheben. Er gewährleiste Aktualität wegen seiner Anbindung an den Mietspiegel und der Auswertung alle zwei Jahre. Der Mietspiegel sei qualifiziert. Damit sei grundsätzlich davon auszugehen, dass Wohnungen zum angemessenen Quadratmeterpreis verfügbar seien. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes gehindert gewesen sei, eine günstigere Wohnung zu finden oder in seinem Suchradius eingeschränkt gewesen sei. Insofern habe das im Rentenverfahren S 20 R 1002/17 eingeholte Sachverständigengutachten vom 8. Oktober 2019 ergeben, dass der Kläger befähigt gewesen sei, die volle übliche Arbeitszeit von acht Stunden täglich zu leisten. Gegen das Urteil vom 4. November 2019 hat der Kläger – der Rechtsmittelbelehrung des SG entsprechend – zunächst Nichtzulassungsbeschwerde und anschließend – nach gerichtlichem Hinweis – Berufung eingelegt. Mit ihr rügt der Kläger in dem zwischenzeitlich mit Blick auf das damals anhängige Revisionsverfahren B 14 AS 37/19 R zum Ruhen gebrachten Verfahren die fehlerhafte Bemessung der KdUH. Der herangezogene Mietspiegel lasse aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes keine zuverlässige Aussage über die Referenzmiete zu.

 

Der Kläger beantragt zuletzt nach gerichtlichem Hinweis,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2019 zu ändern und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 12. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2017 und in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. März 2018 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2018 Leistungen für die Kosten der Unterkunft unter Anerkennung von Bedarfen nach Maßgabe der Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz zzgl. eines Zuschlages von 10 % zu zahlen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und sieht sich an die für ihn geltenden Verwaltungsvorschriften gebunden. Er sehe auch in Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; vgl. insbesondere die Urteile vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 24/18 R – sowie vom 3. und 17. September 2020 – B 14 AS 40/19 R – <Berlin>, - B 14 AS 37/19 R - <Berlin>, - B 14 AS 34/19 R - <Hof>, - B 4 AS 11/20 R - <Duisburg> und – B 4 AS 22/20 R - <Gelsenkirchen>) derzeit keine Möglichkeit, Nachermittlungen hinsichtlich des Angemessenheitswertes vorzunehmen bzw. das Konzept der für ihn einschlägigen Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II eigenständig nachzubessern. Ein Kostensenkungsverfahren sei nicht erforderlich gewesen, da dem Kläger, der seit 2009 im Leistungsbezug stehe, bereits vor seinem Umzug in seine jetzige Wohnung die angemessenen Kosten der Unterkunft für einen Alg II-Empfänger bekannt gewesen seien.

 

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakte sowie die Leistungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung des Klägers ist im noch anhängigen Umfang begründet. Der Kläger hat Anspruch auf weitere Leistungen für seine Unterkunft unter Anerkennung von Aufwendungen für die Bruttokaltmiete in Höhe von insgesamt mtl. 477,40 Euro.

 

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind neben der vorinstanzlichen Entscheidung der Bescheid vom 12. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. März 2018 (§ 96 SGG) sowie die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1 SGB II für August 2017 bis Juli 2018 (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R –, juris Rn. 10), wobei der Kläger in zulässiger Weise nur höhere Kosten der Unterkunft geltend macht, da die anfallenden Heizkosten vom Beklagten übernommen worden sind. Da die Angemessenheit der beiden Kostenarten unabhängig voneinander zu beurteilen ist (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 50/09 R –, juris Rn. 28; vgl. auch BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R -, juris Rn. 18, wonach „die Prüfung der Unterkunftskosten getrennt von den Kosten der Heizung durchzuführen“ ist), spricht nichts dagegen, den Streitgegenstand auf die Bruttokaltmiete zu beschränken.

 

Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere ist die Berufung zulässig, obwohl sie vom SG nicht zugelassen worden ist. Entgegen der Rechtsauffassung des SG ist das Rechtsmittel der Berufung (§ 143 SGG) gegeben. Der mit der Berufung weiterverfolgte Wert des Streitgegenstandes übersteigt den Betrag von 750,- Euro (vgl. § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Kläger begehrt Leistungen für die Unterkunft unter Anerkennung von Bedarfen für die Unterkunft von 485,06 Euro mtl. (Bruttokaltmiete) anstelle der gewährten 394,19 Euro (August bis Dezember 2017) bzw. 404,- Euro (Januar bis Juli 2018), mithin insgesamt einen Betrag von 1.021,77 Euro (7 x 81,06 Euro + 5 x 90,87 Euro). Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Absatz. 1 Satz 1, Absatz 4 SGG).

 

Rechtsgrundlage des Anspruchs des Klägers auf höhere Leistungen für die Unterkunft für August 2017 bis Juli 2018 gegen das beklagte Jobcenter sind §§ 19, 22 SGB II in der ab 25. Juli 2017 geltenden Fassung vom 17. Juli 2017. Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das damals geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R –, juris Rn. 14 f).

 

Der Kläger hatte im genannten Zeitraum von August 2017 bis Juli 2018 die Altersgrenze aus § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 7a SGB II nicht erreicht und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 SGB II). Er war nicht von Leistungen nach § 7 Absatz 1 Satz 2, Absatz 4 oder 5 SGB II ausgeschlossen.

 

Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden im Rahmen der Bewilligung von Alg II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II). Die Prüfung der Angemessenheit des Bedarfs für die Unterkunft und der des Bedarfs für die Heizung haben grundsätzlich getrennt voneinander zu erfolgen (vgl. nur BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R –, juris Rn. 18 m.w.N.), unbeschadet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (§ 22 Absatz 1 Satz 4 SGB II) und der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Absatz 10 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl I 1824). Im vorliegenden Fall ist nur die Angemessenheit des Bedarfs für die Unterkunft streitig.

 

Zur Bestimmung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft ist von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen (BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 8/09 R –, BSGE 104, 179-185, SozR 4-4200 § 22 Nr. 24). Will das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen hoch hält, muss es grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (§ 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II; so schon BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R –, BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, Rn. 29; BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 36/15 R –, juris Rn. 15). Sind dem Leistungsempfänger die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, bedarf es keiner Aufklärung mehr, sondern es genügt die Angabe des aus Sicht der Verwaltung angemessenen Betrages für die KdU-Aufwendungen (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R –, juris Rn. 39). So liegt es hier: Dem Kläger war der von dem Beklagten zugrunde gelegte angemessene Mietpreis noch aus der Zeit der Anmietung der Wohnung Sstraße  bekannt, so dass der Beklagte von einer Kostensenkungsaufforderung absehen konnte. Im Übrigen hatte der Beklagte im Bescheid vom 14. Juni 2016 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Mietkosten der neuen Wohnung nicht den Angemessenheitskriterien entsprächen, weshalb die KdUH lediglich bis zum individuell angemessenen Richtwert gewährt würden.

 

Die Bruttokaltmiete des Klägers war im Streitzeitraum unangemessen. Bei dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der „Angemessenheit“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (st. Rspr., vgl. bereits BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R – München I, juris Rn. 12), gegen dessen Verwendung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, zumal zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit des § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II auch die Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II zu berücksichtigen sind (BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2017 – 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15 -, juris Rn. 17).

 

Bei der Ermittlung der Angemessenheit ist zunächst in einem ersten von zwei größeren Schritten die abstrakte Angemessenheit und dann in einem zweiten Schritt die konkrete Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen (st. Rspr. seit BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R –, juris Rn. 24f; zusammenfassend BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, juris Rn. 19). Erst soweit die Aufwendungen konkret unangemessen sind, ergeben sich aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II weitere Voraussetzungen ihrer nur teilweisen Berücksichtigung als Bedarfe.

 

Wie das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, hat die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen unter Anwendung der Produkttheorie ("Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis") in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, das das BSG ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung unter Einbeziehung der Rechtsentwicklung wie folgt zusammenfasst und konkretisiert hat: (1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte Person, (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, (4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten. Zudem ist nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zu prüfen, ob angemessener Wohnraum tatsächlich zur Verfügung steht und in hinreichender Zahl auf dem Markt allgemein zugänglich angeboten wird (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 37/19 R – juris Rn. 27). Lässt sich in rechtlich zulässiger Weise kein abstrakter Angemessenheitswert bestimmen (vgl. zu Unterschieden zwischen behördlicher und gerichtlicher Bestimmung der Angemessenheitswerte BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 37/19 R = SozR 4‑4200 § 22 Nr. 112), können angemessene Aufwendungen für Unterkunft durch einen Rückgriff auf die Werte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) plus Zuschlag von 10 % bestimmt werden (BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 65/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 26 Rn. 20 f; BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 34/19 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 110 Rn. 38 f). Dadurch soll den Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts zumindest ansatzweise gemäß gesetzgeberischer Entscheidungen durch eine "Angemessenheitsobergrenze" Rechnung getragen werden, die die Finan­zierung extrem hoher und per se unangemessener Mieten verhindert (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 ‑ B 4 AS 50/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 29 Rn. 27; BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 - B 14 AS 24/18 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 101 Rn. 30).

 

Der Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept ist ausgehend von der zuvor angeführten Rechtsprechung zugrunde zu legen: Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R -, juris Rn. 22), innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Absatz 1 Satz 2 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt (vgl. in Abgrenzung hierzu: Umzug in anderen Vergleichsraum BSG, Urteil vom 1. Juni 2010 - B 4 AS 60/09 R -, juris Rn. 18ff). Der Vergleichsraum ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, juris Rn. 22 m.w.N.).

Insoweit ist auf das gesamte Stadtgebiet von Berlin abzustellen. Denn bei der Stadt Berlin handelt es sich um einen solchen homogenen Lebens- und Wohnbereich. Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R –, juris <Berlin> Rn. 24 m.w.N. und BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R -, juris <Berlin> Rn. 18). Das schlüssige Konzept soll die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, juris Rn. 24). Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Es muss gewährleisten, dass danach angemessene Wohnungen tatsächlich verfügbar, also anmietbar sind (BSG, Urteil vom 3. September  2020 – B 14 AS 37/19 R –, juris <Berlin> Rn. 24).

 

Zur Umsetzung der gerichtlichen Kontrolle ist es auf eine entsprechende Klage hin zunächst Aufgabe des Gerichts, die Rechtmäßigkeit des vom beklagten Jobcenter ermittelten abstrakten Angemessenheitswerts sowohl im Hinblick auf die Festlegung des Vergleichsraums als auch die Erstellung eines schlüssigen Konzepts zu überprüfen (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, juris Rn. 27). Ist die Ermittlung dieses abstrakten Angemessenheitswerts rechtlich zu beanstanden, ist dem Jobcenter Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf. nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen (BSG, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.; BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 37/19 R –, juris Rn. 22). Gelingt es dem Jobcenter nicht, die Beanstandungen des Gerichts auszuräumen, ist das Gericht zur Herstellung der Spruchreife der Sache nicht befugt, seinerseits eine eigene Vergleichsraumfestlegung vorzunehmen oder ein schlüssiges Konzept – ggf. mit Hilfe von Sachverständigen – zu erstellen (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R -, juris Rn. 29; BSG, Urteil vom 3. September 2020 –  B 14 AS 37/19 R - <Berlin>, juris Rn. 23f).

 

Bei Anwendung dieser Maßstäbe in dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgegebenen mehrstufigen Verfahren zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft unter Anwendung der Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) lassen sich zwar die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte Person und der angemessene Wohnungsstandard bestimmen. Der erkennende Senat vermag jedoch nicht, die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum auf ein schlüssiges Konzept der Sozialverwaltung des Landes Berlin zu stützen, das diesen Anforderungen genügt.

 

Mit dem SG geht der erkennende Senat dabei davon aus, dass für einen Einpersonenhaushalt eine Wohnungsgröße von 50 qm zu veranschlagen ist. Denn zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen. Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Absatz 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13. September 2001 (BGBl I 2376: „Wohnungsförderungsgesetz" im Folgenden: WoFG) wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die „Bestimmungen" des jeweiligen Landes. Das Land Berlin hat zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 27 WoFG liegen nur unveröffentlichte Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen. Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20. Oktober 1995 (ABl. für Berlin, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm überlassen werden. An diese Regelungen ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II anzuknüpfen (vgl. BSG, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 85/09 R - <Berlin>, juris Rn. 18). Die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl sind für die Auslegung des § 22 Absatz 1 SGB II unbeachtlich (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R – Rn 22; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R – Rn. 18). In Berlin – als dem für die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten maßgeblichen Vergleichsraum (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 65/09 R – juris Rn. 24) – ist für den Einpersonenhaushalt des Klägers somit noch eine Wohnfläche bis 50 qm als abstrakt angemessen zu erachten.

 

Zur Bestimmung einer Referenzmiete als Angemessenheitsmaßstab ist zwecks Gewährleistung des Existenzminimums eine zeit- und realitätsgerechte Ermittlung des Bedarfs in einem transparenten und sachgerechten Verfahren notwendig (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 –, juris Rn. 138f). Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage auf einem schlüssigen Konzept beruht, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R –, juris Rn. 16).

Ein schlüssiges Konzept für derart charakterisierte Wohnungen ist für Berlin in dem hier streitigen Zeitraum von August 2017 bis Juli 2018 nicht vorhanden.

 

Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft ist nicht am Maßstab der WAV zu messen. Deren Unwirksamkeitserklärung erstreckte sich zwar nur auf den Geltungszeitraum von Mai 2012 bis Juli 2013 (BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 53/13 R -, juris Rn. 15f). Jedoch ist die WAV auch für die Folgezeiträume aufgehoben worden (WAV-Aufhebungsverordnung vom 16. Juni 2015, GVBl Berlin S. 275).

 

Ein schlüssiges Konzept i.S.d. Rechtsprechung des BSG ergibt sich auch nicht aus den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) in der ab dem 19. Mai 2015 geltenden Fassung (AV-Wohnen 2015) bzw. – für den Streitzeitraum ab Januar 2018 – in der Fassung vom 27. Dezember 2017 (AV-Wohnen 2018). Danach wäre für einen 1-Personen-Haushalt für den hier streitigen Zeitraum von August 2017 bis Juli 2018 eine abstrakt angemessene Bruttokaltmiete von 364,50 Euro (bis Dezember 2017) bzw. 404,- Euro (Januar bis Juli 2018) zugrunde zu legen. Eine schlüssige Berechnung dieses Wertes ist ebenso wenig erkennbar wie der von der Beklagten tatsächlich berücksichtigte Gesamtangemessenheitswert von 394,19 Euro (August bis Dezember 2017) bzw. 404,- Euro (Januar bis Juli 2018). Dass die AV-Wohnen 2015 und 2018 kein schlüssiges Konzept i.S. der BSG-Rechtsprechung darstellen, folgt schon daraus, dass das Land Berlin zur Festlegung der Angemessenheitswerte weder das Wohnungsangebot noch die Nachfrage bestimmt hat. Der Umfang der nicht im Sozialleistungsbezug stehenden Geringverdiener-Haushalte wurde weder ermittelt noch geschätzt. Bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnfläche verstoßen zum einen sowohl die Sonderregelung für Alleinerziehende in 2-Personen-Haushalten als auch die Flächenwerte für Haushaltsgrößen ab 5 Personen gegen die gesetzlichen Vorgaben nach Auslegung des BSG. Zum anderen bezieht die AV-Wohnen die Mittelwerte für Wohnungen in mittlerer Lage ein, ohne anhand tragfähiger statistischer Erhebungen zu begründen, warum die Berücksichtigung eines über das einfache Wohnsegment hinausgehenden Wohnstandards notwendig ist. Die Einbeziehung der mittleren Lage wirkt sich auf die Referenzmieten für alle Haushaltsgrößen aus (im Einzelnen: Schifferdecker/Silbermann/Langbein/Marx, Angemessene Bedarfe für die Unterkunft in Berlin 2018, NZS 2018, 593). Vor diesem Hintergrund ist daher auch nicht allein entscheidungserheblich, ob zu dem vom Beklagten bezeichneten Gesamtangemessenheitswert von 394,19 Euro bzw. 404,- Euro anmietbarer Wohnraum in den Jahren 2017 bzw. 2018 tatsächlich zur Verfügung stand und damals in hinreichender Zahl auf dem Markt allgemein zugänglich angeboten wurde. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, besagte dies nichts über die zunächst zu klärende Frage, ob die vom Beklagten berücksichtigen Angemessenheitswerte im Übrigen auf einem schlüssigen Konzept beruhen.

 

Aus den Verwaltungsvorgängen und dem Vorbringen der Beteiligten ergeben sich gerade hierzu keine hinreichenden Erkenntnisse, obgleich der Beklagte bzw. die Verwaltung das Gericht hierbei zu unterstützen haben (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 65/08 R –, juris Rn. 21) und der Beklagte auch ent-sprechend vom Gericht aufgefordert wurde. Die vom Beklagten hierauf vorgelegte, vom Land Berlin erstellte „Ermittlung der im Rahmen der Angemessenheitswerte der AV Wohnen 2018 anmietbaren Wohnungen“ ist – abgesehen davon, dass sich hieraus für den Streitzeitraum von August bis Dezember 2017 von vornherein keine Erkenntnisse ergeben – nicht geeignet, die AV-Wohnen entsprechend „nachzubessern“. Der Beklagte selbst sieht sich zu einer Nachbesserung nicht in der Lage.

 

Das nachgereichte Zahlenwerk, mit dem der Beklagte nachweisen möchte, dass im Streitzeitraum „ausreichend Wohnraum für eine alleinstehende Person verfügbar war“, ist – unabhängig von der Schwierigkeit der Beantwortung der Vorfrage, welches Maß der Verfügbarkeit an Wohnraum zu verlangen ist (vgl. hierzu 179. Kammer des SG Berlin im Urteil vom 6. Juli 2021 – S 179 AS 1083/19 –, juris einerseits <Anteil von 20 % als Maß der Verfügbarkeit> und 55. Kammer des SG Berlin, Urteil vom 19. Juli 2021 – S 155 AS 14941/16 –, juris andererseits <Anteil von 33% als Maß der Verfügbarkeit>) – ungeeignet, um die Verfügbarkeit von Wohnraum zu belegen. Der Beklagte stützt seine Berechnung auf die im sog. „Marktmonitor“ des Verbandes der Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen e.V. (im Folgenden BBU) angegebene Leerstandsquote von 1,7 % (vgl. BBU-Marktmonitor 2019, abrufbar im Internet). Dabei lässt der Beklagte jedoch unberücksichtigt, dass von diesem Wert bereits nach den Angaben des BBU nicht auf eine Verfügbarkeit von Wohnraum geschlossen werden kann. Denn der BBU führt im Marktmonitor 2018 (S. 60) selbst aus, dass das Gros der Wohnungen nur kurzfristig leer steht. Der Anteil der Wohnungen, die wegen laufender Modernisierungsmaßnahmen, Mieterwechsel oder sonstiger Gründe leer stehen, macht fast 80 % der leer stehenden Wohnungen aus. 40 % der leer stehenden Wohnungen war aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen nicht bewohnt. Lediglich 0,1 % der leerstehenden Wohnungen stand Ende 2017 aufgrund von Vermietungsschwierigkeiten längerfristig leer. Wohnungen, in denen Modernisierungsmaßnahmen ausgeführt werden, stehen dem Wohnungsmarkt ebenso nicht zur Verfügung wie Wohnungen, die bereits an einen Mieter für Folgemonate vergeben wurden, die unbewohnbar sind bzw. verkauft werden sollen. Darüber hinaus lässt die Betrachtung des Beklagten außer Betracht, dass auch andere Personen als die im Vergleichsjahr zur Kostensenkung aufgeforderten SGB II-Empfänger nach Wohnungen suchten. Denn die aus der Leerstandsquote hochgerechnet als verfügbar angesehenen Wohnungen werden vom Beklagten allein mit dem Bedarf derjenigen Leistungsberechtigten vergleichen, die im gleichen Zeitraum zur Kostensenkung neu aufgefordert wurden. Dies lässt zum einen die Nachfrage der Leistungsberechtigten außer Betracht, die in Vorzeiträumen zur Kostensenkung aufgefordert wurden und nun eine neue Wohnung suchen. Unberücksichtigt bleibt darüber hinaus die Nachfrage anderer Bezieher von Sozialleistungen, wie Sozialhilfe, BAföG, Wohngeld, und die Nachfrage von Haushalten mit einem geringen Einkommen ohne Bezug von Fürsorgeleistungen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist jedoch zu prüfen, ob Wohnungen zum als angemessen ermittelten Betrag auch – insbesondere im Vergleich zur Wohnungsnachfrage im Vergleichsraum – in ausreichender Zahl tatsächlich angeboten werden (BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R –, juris Rn. 38).Von daher ist es zum Nachweis der Verfügbarkeit von Wohnraum nicht ausreichend, dass der Beklagte von 1.395.000 Wohnungen für einen Einpersonenhaushalt in Berlin eine Quote von 1,7 Prozent als verfügbar ansieht, was 5.693 Wohnungen entspricht, und diese mit der Anzahl an „1-Personen-Bedarfsgemeinschaften“ (2.100) vergleicht, bei denen „die im Rahmen des Leistungsbezugs übernommenen Kosten der Unterkunft auf den angemessenen Wert festgesetzt“ wurden (vgl. zu alledem SG Berlin, Urteil vom 6. Juli 2021 – S 179 AS 1083/19 –, juris Rn. 45 f.).

 

Sieht sich nach alledem der Senat mangels tatsächlicher Anknüpfungspunkte nicht in der Lage, eine eigene Angemessenheitsgrenze zu bestimmen, ist daher bezogen auf die Bruttokaltmiete auf die Tabellenwerte nach § 12 Absatz 1 WoGG (vgl. die vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2019 geltende Fassung des Gesetzes vom 2. Oktober 2015 <BGBl I 1610>) plus Zuschlag von 10% nach der für Berlin geltenden Mietenstufe IV für einen Einpersonenhaushalt (434,- Euro zzgl. 43,40,- Euro = 477,40 Euro) abzustellen. Der Sicherheitszuschlag von 10% ist auch bei den ab 1. Januar 2011 gültigen Werten des § 12 WoGG vorzunehmen, obwohl die Werte zu § 12 WoGG im Vergleich zu jenen der davor geltenden Tabelle zu § 8 WoGG angehoben worden sind; denn weder die Tabellenwerte nach alter noch nach neuer Fassung des WoGG erheben den Anspruch, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R –, juris Rn. 28). Der Zuschlag soll weiterhin sicherstellen, dass die Leistungsempfänger mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Betrag eine angemessene Unterkunft anmieten können. Die Bruttokaltmiete des Klägers in Höhe von mtl. 485,06 Euro war nach diesen Maßstäben nicht angemessen; als angemessen anzusehen war vielmehr eine Bruttokaltmiete i.H.v. mtl. 477,40 Euro. Höhere Bedarfe für die Bruttokaltmiete – die Heizkosten i.H.v. mtl. 50,81 Euro waren angemessen und standen als solche zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit – hat der Kläger zuletzt nach entsprechendem Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht mehr geltend gemacht. Es kann daher auch dahinstehen, ob es dem Kläger aufgrund seiner Erkrankung im Streitzeitraum subjektiv unmöglich war, in eine kostengünstigere Wohnung umzuziehen oder sonstige Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen.

 

Da der Kläger im Streitzeitraum tatsächliche Aufwendungen für seine Unterkunft in Höhe von monatlich 485,06 Euro hatte, sein abstrakt angemessener Bedarf für Unterkunft (§ 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II) für diesen Zeitraum insgesamt monatlich 477,40 Euro betrug und der Beklagte für diesen Zeitraum lediglich einen Bedarf für die Unterkunft in Höhe von monatlich 394,19 Euro (August – Dezember 2017) bzw. 404,- Euro (Januar – Juli 2018) zugrunde gelegt hat, kann der Kläger vom Beklagten noch jeweils weitere Leistungen zur Deckung seines Bedarfs für die Unterkunft in Höhe von monatlich 83,21 Euro (August – Dezember 2017) bzw. 73,40 Euro (Januar – Juli 2018) beanspruchen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Auch wenn der Kläger – bezogen auf den ursprünglich anhängig gemachten Anspruch auf „Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung“ – nicht vollständig obsiegt hat, hielt es der erkennende Senat aus Veranlassungsgründen für angemessen, dem Beklagten die gesamten notwendigen außergerichtlichen Kosten des Kläger aufzuerlegen.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Absatz 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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