L 16 BA 121/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
16.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 1817/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 BA 121/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2018 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

 

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit als Steuerberater im Steuerberatungsbüro der Klägerin in der Zeit vom 21. Juli 2015 bis zum 31. Juli 2016 als Beschäftigter versicherungspflichtig nach dem Recht der Rentenversicherung und der Arbeitsförderung war.

 

Die klagende Steuerberaterin betrieb in dem vorgenannten Zeitraum eine Steuerberatungskanzlei in der B Straße  in B. Der Beigeladene zu 1. ist Steuerberater, der nach entsprechender Zulassung von zuhause aus eine selbständige Steuerberatertätigkeit ausübte. Über eine von ihm geschaltete Anzeige auf dem Online-Portal des Steuerberaterverbandes wurde die Klägerin auf ihn aufmerksam. Aufgrund mündlicher Abrede wurde der beigeladene Steuerberater ab dem 21. Juli 2015 für die Klägerin tätig. Vereinbarungsgemäß nutzte er ein Büro und bei Bedarf den Besprechungsraum in der Steuerberatungskanzlei der Klägerin. Er erhielt für jeden erledigten Auftrag ein umsatzabhängiges Honorar i.H.v. 35 Prozent zzgl. der jeweiligen gesetzlichen Umsatzsteuer des von ihm laut Rechnung getätigten und von den Mandanten tatsächlich gezahlten Nettoumsatzes. Die Rechnungsvorlage erstellte der Beigeladene zu 1. dabei unter Nutzung des Rechnungsprogramms der Klägerin.

 

Am 16. Juni 2016 stellte der beigeladene Steuerberater bei der Beklagten den Antrag festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Er gab im Rahmen des Verwaltungsverfahrens an, als Steuerberater für rund 100 eigene Mandanten tätig zu sein. Die jeweilige Beauftragung durch die Klägerin erfolge durch mündliche Einzelaufträge. Inhalt seiner Tätigkeit für die Klägerin sei die Erstellung von Einkommenssteuererklärungen, Gewinnermittlungen, Jahresabschlüssen und der Schriftverkehr zu den von ihm zu bearbeitenden Sachverhalten. Ein eigener Kapitaleinsatz erfolge nicht. Die Software werde von der Klägerin gestellt, während er über die Hardware selbst verfüge. Er empfange keine fachlichen Weisungen, aber die Klägerin habe das fachliche Letztentscheidungsrecht und kontrolliere seine Arbeiten. Sie leiste auch die Unterschrift gegenüber dem Finanzamt. Die Übergabe, Kontrolle und Abnahme der von ihm gefertigten Arbeiten erfolge im Rahmen von Besprechungen zwischen ihm und der Klägerin. Eine Kostenbeteiligung an den von ihm genutzten Räumlichkeiten in der Kanzlei der Klägerin finde indirekt über die (insofern niedriger als üblich ausfallende) Umsatzbeteiligung statt. Im Falle seiner Abwesenheit benachrichtige er die Arbeitgeberin. Sie übernehme dann entweder selbst seine Arbeit oder einer ihrer Mitarbeiter erledige dies. Er arbeite im Rahmen des in einem Steuerbüro Üblichen mit den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen. Er habe freie Arbeitszeiten und sei im Umfang von etwa 20 Wochenstunden für die Klägerin tätig. Er stelle Rechnungen an die Klägerin und rechne direkt mit ihr ab.

 

Nach Anhörung stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem beigeladenen Steuerberater fest, dass dieser im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig sei. Es bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung. In der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit und damit auch keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (Bescheide vom 27. Oktober 2016).

 

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wiesen die Klägerin und der Beigeladene zu 1. darauf hin, dass der Beigeladene zu 1. aufgrund Mietvertrages vom 23. März 2016 seit dem 1. April 2016 über eigene Büroräume im Objekt B Straße  verfüge. Zudem habe er seit dem 1. August 2016 eine eigene Angestellte (Frau S K mit derselben Wohnadresse wie Beigeladener zu 1.), die ihn u.a. bei der Erledigung der Aufträge für die Klägerin unterstütze und die Zulassungsvoraussetzung für die Steuerberaterprüfung erfülle. Mit Bescheiden vom 15. Mai 2017 nahm die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem beigeladenen Steuerberater die Bescheide vom 27. Oktober 2016 für die Zeit ab 1. August 2016 zurück und stellte nunmehr fest, dass der Beigeladene zu 1. die Tätigkeit für die Klägerin seit dem 1. August 2016 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Die Beschäftigung einer sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiterin seit diesem Zeitpunkt stelle ein maßgebliches Merkmal für das Vorliegen eines für die selbständige Tätigkeit typischen unternehmerischen Risikos dar. Dies gelte auch für die Anmietung eigener Büroräume durch den Beigeladenen zu 1. Den Widerspruch im Übrigen wies die Beklagte zurück

(Widerspruchsbescheide vom 10. August 2017).

 

Ihre am 5. September 2017 beim Sozialgericht (SG) Berlin erhobene Klage hat die Klägerin unter Berufung auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 13. Dezember 2016 – L 11 R 391/15 –, juris) zur Versicherungsfreiheit einer Steuerberaterin bei einer Steuerberatungsgesellschaft begründet. Wie im dort entschiedenen Fall habe sich auch hier der Beigeladene zu 1. nach Zulassung als Steuerberater entschieden, durch eine freie Mitarbeit in einer Steuerberatungskanzlei zum Aufbau eines eigenen Steuerberatungsbüros beizutragen. Er habe eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung auf eigene Rechnung unterhalten, keinerlei Vergütung für Urlaubs- oder Krankheitszeiten von der Klägerin und keine feste Zusage hinsichtlich der Menge der übertragenen Mandate erhalten. Das SG hat die Klägerin und den Beigeladenen zu 1. in der mündlichen Verhandlung am 16. November 2018 zu den Umständen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin befragt. Der Beigeladene zu 1. hat angegeben, zu Beginn seiner Tätigkeit im April 2015 zunächst von zuhause aus seine selbständige Steuerberatertätigkeit aufgenommen zu haben. Um Erfahrungen zu sammeln und das Risiko der Selbständigkeit möglichst gering zu halten, habe er die Tätigkeit bei der Klägerin aufgenommen. Wesentliche Motivation sei dabei gewesen, in deren Kanzlei einen Büroraum und den repräsentativen Besprechungsraum nutzen zu können. Im Hinblick auf diese Raumnutzung hätten sie anstelle der sonst üblichen 40 bis 50 Prozent Umsatzbeteiligung nur eine Umsatzbeteiligung von 35 Prozent an den Mandaten vereinbart. Er sei Ansprechpartner für die Mandanten neben der Klägerin gewesen. Seine Tätigkeit sei im Hintergrund verlaufen. Aus den zur Bearbeitung anstehenden, im Büro der Klägerin hinterlegten Vorgängen habe er diejenigen herausgesucht, die er nach seiner zeitlichen Verfügbarkeit habe erledigen können und wollen. Er habe die Klägerin zur Bearbeitung zu einzelnen Arbeitsschritten informiert. Er habe den Auftrag jeweils, soweit er gekonnt habe, bearbeitet und dann mit der Klägerin besprochen. Teilweise habe ihn die Klägerin mit Informationen zur Bearbeitung von Mandaten zu Vorjahren versorgt. Die Klägerin habe die Rechnungen gegenüber den Mandanten gestellt und ggf. auch Mahnungen veranlasst. Er habe seine Vergütung erst nach tatsächlicher Zahlung durch die Mandanten erhalten. Gegenüber dem Finanzamt habe die Klägerin die Unterschriften für die Mandanten geleistet.

 

Die Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die von ihr beschäftigten Steuerfachangestellten keine Tätigkeiten für den Beigeladenen zu 1. erledigt und auch den Telefonverkehr für ihn nicht übernommen hätten; er habe in seinem Büro über einen eigenen Telefonanschluss verfügt. Der Beigeladene zu 1. habe ihren DATEV-Zugang genutzt und für die Erstellung der Rechnungen für die Mandanten, die sie in der Regel übernommen habe, Zugang zum Dokumentenmanagement erhalten. In Fällen der Verhinderung des Beigeladenen zu 1. sei der Fortgang der von ihm übernommenen Mandate unter Zweckmäßigkeitsaspekten geprüft worden. Unter Umständen habe sie dann die Mandate weiter bearbeitet.

 

Das SG hat die Klage abgewiesen. Der Beigeladene zu 1. sei abhängig beschäftigt gewesen und unterliege im Streitzeitraum der Versicherungspflicht (Urteil vom 16. November 2018). Im Rahmen der Abwägung zum Gesamtbild der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin überwögen die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen, namentlich die Einbindung des Beigeladenen zu 1. in den Betriebsablauf des Steuerbüros der Klägerin sowie das fachliche Entscheidungsrecht der Klägerin. Der Beigeladene zu 1. habe mitnichten vollständig und unter eigenem Namen und in eigener Verantwortung die Bearbeitung der Mandate übernommen, sondern in der Gesamtschau Zuarbeit im Rahmen einer übergeordneten, von der Klägerin organisierten Bearbeitung der jeweiligen Mandate geleistet. Es seien Absprachen nach Arbeitsschritten erfolgt. Auch sei der Beigeladene zu 1. über Besonderheiten der Mandate von der Klägerin informiert worden. Zudem habe er technische Mittel der Klägerin genutzt (DATEV-Software). Nach außen hin sei die Klägerin weiterhin als verantwortliche Steuerberaterin aufgetreten (Unterschriftsleistung gegenüber dem Finanzamt, Rechnungslegung gegenüber Mandanten). Der Beigeladene zu 1. sei demgegenüber im Hintergrund geblieben.

 

Mit ihrer Berufung vom 11. Dezember 2018 hat die Klägerin vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG sei der Beigeladene zu 1. lediglich im Rahmen einer freien Mitarbeit für sie tätig geworden. Er habe seine Arbeitszeit frei bestimmen können und ein erhebliches wirtschaftliches Risiko auf sich genommen, da er sein Honorar erst nach Zahlung durch die Mandanten erhalten habe. Er sei als eine Art „Subunternehmer“ für die Klägerin tätig geworden, habe seine Arbeitszeit und den Umfang seiner Tätigkeit selbständig bestimmt und über eine eigene Berufshaftpflichtversicherung verfügt. Zeitliche Vorgaben zum Umfang der Tätigkeit habe es nicht gegeben. Er habe von der Klägerin einen Auftrag ggf. mit zeitlichen Vorgaben durch den Mandanten oder etwa durch das Finanzamt des Mandanten erhalten und mitgeteilt, ob er diesen Auftrag ausführen könne. Er habe nicht an internen Besprechungen teilgenommen, sondern lediglich an strategischen Abstimmungen. Im Übrigen sei er am Markt als selbständiger Steuerberater aufgetreten. Das LSG hat durch den vormals zuständigen Berichterstatter einen Erörterungstermin am 11. September 2020 durchgeführt, in dessen Rahmen die Klägerin ausgeführt hat: Sie habe Mandate zur Bearbeitung durch den Beigeladenen zu 1. herausgesucht, die ihr – insbesondere aufgrund mangelnder eigener zeitlicher Kapazitäten – geeignet erschienen seien. Innerhalb der laufenden Mandate habe sie ihm bestimmte Aufgaben übertragen wie z.B. die Fertigung von Jahresabschlüssen, Bilanzen oder auch einer Steuerklärung. In geeigneten Fällen habe sie den Beigeladenen zu 1. – meist im Vorhinein – auf bestimmte Umstände hingewiesen, die bei der Bearbeitung zu berücksichtigen seien. Die Arbeitsergebnisse des Beigeladenen zu 1. habe sie nicht kontrolliert. Bei Fragen von Mandanten hinsichtlich vom Beigeladenen zu 1. bearbeiteter Mandate habe sie an diesen verwiesen. Der Beigeladene zu 1. hat erläutert, dass er einzelne, ihm von der Klägerin angetragene Mandate z.B. mangels Fachwissen im Internationalen Steuerrecht ggf. abgelehnt habe.

 

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2016 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2016 in der Fassung des Bescheides vom 15. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2017 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 21. Juli 2015 bis zum 31. Juli 2016 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

 

 

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.

 

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

 

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

 

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, auf die wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten, des Inhalts der eingeholten Befundberichte und der vorliegenden Gutachten Bezug genommen wird, sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Absatz 1, 55 Absatz 1 Nr. 1, 56 SGG) weiter verfolgt, ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 in der Fassung des Bescheides vom 15. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2017 von der Beklagten im Anfrageverfahren nach § 7a Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) getroffene Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in seiner Tätigkeit bei der Klägerin als Steuerberater im streitbefangenen Zeitraum ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten. Nach den für die Statusbeurteilung geltenden Maßstäben unterlag der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 21. Juli 2015 bis zum 31. Juli 2016 als Beschäftigter der Versicherungspflicht in den genannten Zweigen der Sozialversicherung. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beigeladene zu 1. in erster Linie als Steuerberater und damit als Angehöriger eines freien Berufs für sie tätig war.

 

Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl. § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB III). Beschäftigung ist gemäß § 7 Absatz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 16. August 2017 – B 12 KR 14/16 R – juris Rn. 17 <Kreishandwerksmeister> und BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R juris Rn. 21 <Erziehungsbeistand>; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R , juris Rn. 13 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 20 Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 23. Mai 2017 – B 12 KR 9/16 R –, juris Rn. 24 <Taxifahrer>).

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R -, juris Rn. 17 m.w.N.).

 

Das SG hat ausgehend von den Maßstäben zur Beurteilung des Vorliegens von Beschäftigung eine zutreffende Gesamtwürdigung vorgenommen.

 

Bei Vertragsgestaltungen, in denen – wie hier – mündlich die Übernahme einzelner Aufträge zur Übernahme von Aufgaben wie z.B. der Fertigung von Jahresabschlüssen, Bilanzen oder auch von Steuerklärungen individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen. Außerhalb der Einzelaufträge lag schon deshalb keine die Versicherungspflicht begründende "entgeltliche" Beschäftigung i.S. des § 7 Absatz 1 SGB IV vor, weil keine latente Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. bestand, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben, und diese umgekehrt auch kein Entgelt zu leisten hatte (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R –, juris Rn. 23 m.w.N.). Nach den Angaben der Beteiligten wurden die einzelnen Aufträge individuell vereinbart, indem die Klägerin Mandate heraussuchte, die ihr – insbesondere aufgrund mangelnder eigener zeitlicher Kapazitäten – zur Bearbeitung durch den Beigeladenen zu 1. geeignet erschienen. Erst durch die Zusage des Beigeladenen zu 1. entstand eine rechtliche Verpflichtung, den übernommenen Auftrag auch tatsächlich auszuführen. Bei Vertragsgestaltungen dieser Art ist für die Frage der Versicherungspflicht grundsätzlich jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen (BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 29 Rn. 17 <Physiotherapeutin>; BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, Rn. 19 <Rackjobbing II>; BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R -, juris Rn. 26 <Verkehrspilot>).

 

Zur tatsächlichen Durchführung der Vertragsbeziehung hatte nach den Angaben der Beteiligten der Beigeladene zu 1. die Möglichkeit, einzelne, ihm von der Klägerin angetragene Mandate (z.B. mangels Fachwissen im Internationalen Steuerrecht) abzulehnen. Übernahm er die Mandate, bearbeitete er sie zwar eigenständig, jedoch nicht ohne Rückkoppelung zur Klägerin. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG informierte er die Klägerin „zur Bearbeitung (…) zu einzelnen Arbeitsschritten“. Er bearbeitete den Auftrag jeweils, soweit er dies konnte, und besprach ihn dann mit der Klägerin. Teilweise wurde er auch von der Klägerin mit Informationen zur Bearbeitung von Mandaten zu Vorjahren versorgt. Die Bearbeitung erfolgte (jedenfalls auch) in dem ihm von der Klägerin bereitgestellten Büro unter Nutzung der von ihr bereitgestellten Software; Besprechungen mit Mandanten fanden in dem repräsentativen Besprechungsraum der Steuerkanzlei der Klägerin statt. Nach außen war der beigeladene Steuerberater nicht als externer Mitarbeiter erkennbar, da die Klägerin die Rechnungen gegenüber den Mandanten stellte und die Steuererklärungen u.ä. gegenüber dem Finanzamt zeichnete. Dementsprechend gab der Beigeladene zu 1. selbst an, „im Hintergrund“ tätig gewesen zu sein. In seiner Tätigkeit für die Klägerin bearbeitete der Beigeladene zu 1. ausschließlich Mandate der Klägerin in Absprache mit ihr, auch wenn er in fachlicher Hinsicht nach dem Gesamtbild grundsätzlich eigenverantwortlich und überwiegend weisungsfrei tätig war.

 

Ausgehend von diesen Feststellungen ist das SG zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Indizien für eine abhängige Beschäftigung des beigeladenen Steuerberaters überwiegen.

 

Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien. Durch mündliche Abrede haben die Klägerin und der beigeladene Steuerberater eine freie Mitarbeit vereinbart. Wenn aber wie vorliegend Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung bestehen, geht die gelebte Praxis der formellen Vereinbarung grundsätzlich vor (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R - juris Rn. 28 <telefonische Gesprächspartnerin>).

 

Der beigeladene Steuerberater unterlag nach Überzeugung des Senats einem – wenn auch eingeschränkten – Weisungsrecht der Klägerin und war darüber hinaus in einer seine Tätigkeit prägenden Weise in den Betriebsablauf der Steuerberatungskanzlei eingegliedert.

 

Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander, noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Die in § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien (vgl. auch BT-Drucks 14/1855 S. 6). So hat das BSG bereits 1962 im Anschluss an die Rechtsprechung des BAG zu Chefärzten (BAGE 11, 225) ausgeführt, dass das Weisungsrecht insbesondere bei sog. Diensten höherer Art - heute würde man von Hochqualifizierten oder Spezialisten sprechen - aufs Stärkste eingeschränkt sein kann. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich – wie schon das SG zutreffend ausgeführt hat – in solchen Fällen "zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" (BSG, Urteil vom 29. März 1962 - 3 RK 74/57 - BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr. 30 zu § 165 RVO <Prediger>). Der Gesetzgeber hat das vom BSG entwickelte Kriterium der Weisungsgebundenheit wie das der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers in § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB IV ausdrücklich aufgegriffen.

 

Auch wenn die Weisungsgebundenheit des beigeladenen Steuerberaters bei der Bearbeitung der jeweiligen Aufträge (wie z.B. der Fertigung von Jahresabschlüssen, Bilanzen oder auch einer Steuerklärung) eingeschränkt war, ist sie vorliegend nicht völlig entfallen. Er unterlag in seiner Tätigkeit zumindest einem Weisungsrecht der Klägerin im Hinblick auf die konkrete Ausführung ihrer Tätigkeiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die von ihm übernommenen Tätigkeiten in der Regel fristgebunden waren, d.h. z.B. die Steuererklärungen jeweils fristgerecht beim Finanzamt einzureichen waren (vgl. hierzu die Ausführungen der Klägerin auf Seite 7 ihres Schriftsatzes vom 30. Januar 2019). Ergibt sich etwa die Arbeitszeit bereits aus mit einer Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten, kommt es darauf an, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt (BSG Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, Rn. 30 <Rackjobbing II>). Der konkrete Inhalt, die Durchführung und die Dauer der von dem beigeladenen Steuerberater geschuldeten Bearbeitung von z.B. Jahresabschlüssen, Bilanzen oder Steuerklärungen bedurften der näheren Konkretisierung. So hat die Klägerin ihn z.B. mit Informationen zur Bearbeitung von Mandaten zu Vorjahren versorgt. Auch hat sie ihn – meist im Vorhinein – auf bestimmte Umstände hingewiesen, die bei der Bearbeitung zu berücksichtigen waren. Nach eigenen Angaben hat der Beigeladen zu 1. den Auftrag jeweils, soweit er konnte, bearbeitet und dann mit der Klägerin besprochen. Es kommt nicht darauf an, ob die Klägerin das ihr zustehende Weisungsrecht faktisch nicht ausgeübt hat. Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist nicht maßgeblich. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 19. September 2019 - B 12 R 25/18 R -, juris Rn. 15 m.w.N.). Lediglich klarstellend weist der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG darauf hin, dass berufsrechtliche - hier steuerberatungsrechtliche - Weisungsrechte nicht vom Begriff der "Weisungen" i.S. von § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB IV ausgenommen sind (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, juris Rn. 15; zu den Auswirkungen des Berufsrechts auf die Maßstäbe zur Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit vgl. im Übrigen BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 R 17/18 R - <Steuerberater>, juris).

 

Auch die Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in die Arbeitsabläufe der Steuerberatungskanzlei hat das SG fehlerfrei festgestellt. Der beigeladene Steuerberater hat Mandate und ihm übertragene Teilaufgaben innerhalb laufender Mandate bearbeitet, wobei der gesamte organisatorische Rahmen im Verhältnis zum Mandanten vom Erstkontakt über die arbeitsteilige Behandlung bis zur Abrechnung der erbrachten Leistungen in der Hand der Klägerin lag und von dieser vorgegeben wurde. Denn es handelte sich um von ihr angebahnte Mandate, für die sie gegenüber dem Finanzamt verantwortlich zeichnete und die Rechnungen schrieb. Der Beigeladene zu 1. hat – insofern nicht anders als die bei der Klägerin angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – seine Arbeitskraft eingesetzt. Dabei hatte er innerhalb der betrieblich vorgegebenen Ordnung - verglichen mit den angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klägerin - keine ins Gewicht fallenden Freiheiten hinsichtlich Gestaltung und Umfang seiner Arbeitsleistung innerhalb des einzelnen Auftrages, auch wenn er, wie er betont hat, hinsichtlich der Wahl seines Arbeitsortes und seiner Arbeitszeiten grundsätzlich frei war. Indes spricht die Freiheit bei Ort und Zeit der Tätigkeit in der modernen Arbeitswelt nicht zwingend für Selbstständigkeit (vgl. Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 7 Abs. 1 SGB IV <Stand: 6. September 2021>, Rn. 86 mit Hinweis darauf, dass die Informationstechnologie und die Digitalisierung in vielen Fällen eine zeitliche und örtliche Unabhängigkeit des Arbeitsleistenden von einem Betrieb im Sinne einer räumlich festgelegten Organisationseinheit erlaubt). Zudem war der Beigeladene zu 1. von den organisatorischen Vorgaben der Klägerin sowohl im Hinblick auf fristgebundene Aufträge als auch in Bezug auf die erforderlichen Besprechungen abhängig. Auch nutzte er die Software der Klägerin und war auf diese Weise in das Datennetz seiner Auftraggeberin eingebunden. Zudem nutzte er einen Büro- als auch bei Bedarf einen Besprechungsraum innerhalb ihrer Steuerberatungskanzlei. Indem er prozentual am Umsatz der Klägerin partizipierte (Auszahlung nach Rechnungslegung der Klägerin gegenüber den Mandanten und Eingang des Honorars), war er außerdem in deren Abrechnungsstruktur eingebunden. Der Beigeladene zu 1. konnte nicht konkret aufwandsbezogen gegenüber der Klägerin, z.B. nach Stunden, abrechnen (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, juris Rn. 15).

 

Es lassen sich auch keine für eine Selbstständigkeit sprechenden Anhaltspunkte feststellen, die ein derartiges Gewicht hätten, dass sie die Weisungsgebundenheit und Eingliederung des beigeladenen Steuerberaters auf- oder überwiegen könnten. Insbesondere war der Kläger nicht einem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt. Er erhielt eine feste Umsatzbeteiligung. Dass es je zu einem Verdienstausfall gekommen wäre, haben weder er noch die Klägerin vorgetragen, auch wenn nach deren Angaben eine Bezahlung erst nach Überweisung des Geldes durch die Mandanten erfolgte. Ein etwaiger Verlust von Mandaten berührte die Vergütung der zuvor vom Beigeladenen zu 1. erbrachten Tätigkeiten nicht. Da es lediglich auf eine Betrachtung der konkreten Tätigkeit ankommt, war das in Betracht kommende Risiko des beigeladenen Steuerberaters, von der Klägerin keine weiteren Folgeaufträge zu erhalten, für die Frage seines Status in seiner konkreten Tätigkeit irrelevant.

 

Für die Abgrenzung ist es im Übrigen nicht von Bedeutung, ob der Beigeladene zu 1. seine Tätigkeit in der Kanzlei der Klägerin als Haupterwerbsquelle oder – neben der Tätigkeit in seinem eigenen Steuerberatungsbüro – im Nebenerwerb ausübte und ob es sich um kurzfristige und seltene Arbeitseinsätze oder um eine verstetigte Geschäftsbeziehung handelte (insoweit schwanken die Angaben des Beigeladenen zu 1. zur Anzahl der von ihm für die Klägerin geleisteten Wochenstunden zwischen anfangs 20 <Schreiben vom 25. Juli 2016> und „etwa vier bis acht Stunden“ <Erörterungstermin vom 11. September 2020>). Eine versicherungspflichtige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dazu gehört nicht eine wirtschaftliche Abhängigkeit (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1978 – 12 RK 58/76 -, juris Rn. 11 <Propagandistin>; BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 2 U 3/08 R -, juris Rn. 19 <Profirennreiter>). Das Sozialversicherungsrecht ordnet Versicherungspflicht nicht nur für unbefristete Dauerbeschäftigungen an. Vielmehr sind - sofern die Geringfügigkeitsgrenzen überschritten sind - auch zeitlich befristete Arbeitseinsätze der Sozialversicherungs- und Beitragspflicht unterworfen. Eine zusätzlich hauptberuflich ausgeübte selbstständige Tätigkeit, wie sie beim Beigeladenen zu 1. vorliegen dürfte, hat lediglich für die – hier nicht im Streit stehende – Kranken- und Pflegeversicherung Bedeutung (§ 5 Absatz 5 SGB V, § 20 Absatz 1 Satz 1 SGB XI).

 

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beigeladene zu 1. in erster Linie als Steuerberater und damit als Angehöriger eines freien Berufs für sie tätig war. Es gibt kein Gebot, Angehörige freier Berufe stets als selbstständig anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 R 17/18 R –, juris Rn. 34). Das Berufsrecht der Steuerberater geht zwar grundsätzlich von einer selbstständigen Tätigkeit aus, lässt aber auch den Status als Arbeitnehmer zu. Denn mit dem Beruf des Steuerberaters ist ausdrücklich nicht nur eine freiberufliche Tätigkeit (§ 57 Absatz 3 Nr. 2 Steuerberatungsgesetz <StBerG> in der Fassung vom 7. Juli 2021) vereinbar, sondern auch eine Tätigkeit als Angestellter (§ 58 Satz 1 StBerG), insbesondere als Angestellter eines Steuerberaters (§ 3 Nr. 1 StBerG) oder einer Steuerberatungsgesellschaft (§ 3 Nr. 3 StBerG). Zudem hat der Gesetzgeber auf Änderungen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt reagiert und zusätzlich die Zulassung eines Syndikus-Steuerberaters, dessen Tätigkeiten auf Hilfeleistungen in Steuersachen (vgl. § 33 StBerG) beschränkt ist, mit bestimmten Beschränkungen ermöglicht (§ 58 Satz 2 Nr. 5a StBerG).

 

Wie das BSG in seinem o.a. Urteil vom 7. Juli 2020 ausgeführt hat, verfolgen das Steuerberatungsgesetz und das Sozialversicherungsrecht darüber hinaus unterschiedliche Zwecke (vgl. BSG im o.a. Urteil vom 7. Juli 2020, juris Rn. 35; vgl. auch BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R -, juris Rn. 15). Die Berufspflichten und die Gewährleistung der Unabhängigkeit dienen insbesondere dem Gemeinwohl in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Die Sozialversicherung dient hingegen der sozialen Absicherung des Einzelnen und dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind. Dabei betrifft der in § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB IV geregelte Typusbegriff der Beschäftigung den Kernbereich der schutzbedürftigen Personen. Mit dieser unterschiedlichen Zielsetzung ist eine am Berufsrecht orientierte Auslegung des sozialversicherungsrechtlichen Begriffs der Beschäftigung nicht zu vereinbaren. Denn mit der Statusfeststellung werden die Berufspflichten der Steuerberater weder gesichert noch beeinträchtigt. Ob den berufsrechtlichen Anforderungen im Einzelfall Genüge getan wird, ist für die wertende Einordnung einer Tätigkeit als Beschäftigung unerheblich. Die im Berufsrecht verankerte Unabhängigkeit eines Steuerberaters in fachlichen Fragen (vgl. § 32 Absatz 2, § 57 Absatz 1, § 72 StBerG) ist als solche kein Merkmal, dem ausschlaggebende Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung zukommt.

 

Soweit sich die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung u.a. auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2016 (– L 11 R 391/15 –, juris) zur Versicherungsfreiheit einer Steuerberaterin bei einer Steuerberatungsgesellschaft berufen hat, führt dies nicht zum Erfolg. Ausgehend von den Maßstäben zur Beurteilung des Vorliegens von Beschäftigung, deren Vorliegen in jedem Einzelfall neu zu beurteilen ist, und unter Berücksichtigung der neueren, im vorliegenden Urteil zitierten Rechtsprechung des BSG ergibt die vom Senat vorzunehmende Gesamtwürdigung im vorliegenden Fall, dass – wie dargelegt – die Indizien für eine abhängige Beschäftigung des beigeladenen Steuerberaters überwiegen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 Teil 3 SGG i.V.m. § 154 Absatz 2, § 162 Absatz 3 VwGO. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie keine Anträge gestellt und damit auch kein Prozesskostenrisiko auf sich genommen haben.

 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 Teil 1 SGG i.V.m. § 63 Absatz 2, § 52 Absatz 2, § 47 Absatz 1 GKG; sie ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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