L 18 AL 127/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AL 210/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 127/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. August 2019 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Streitig ist die Gewährung eines Gründungszuschusses (GZ) für eine selbständige Tätigkeit als Tanztherapeutin.

 

Der 1984 geborene Klägerin verfügt seit Februar 2009 über eine abgeschlossene Ausbildung als Diplom-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (FH). Sie ist nach einer berufsbegleitenden Ausbildung zudem seit Januar 2015 berechtigt, den Titel Tanztherapeutin BTD (Berufsverband der Tanztherapeutinnen Deutschlands eV) zu führen. Die Klägerin war bis 31. Oktober 2015 versicherungspflichtig in der Kinder- und Jugendpsychiatrie beschäftigt, meldete sich zum 1. November 2015 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg), das ihr die Beklagte für 360 Tage bewilligte. Sie hatte sich bereits am 2. April 2015 bzw 10. Juli 2015 an die Beklagte gewandt und darauf verwiesen, dass sie sich als Tanztherapeutin selbständig machen wolle und sich für einen GZ interessiere.

 

Im Erstgespräch nach erfolgter Arbeitslosmeldung am 16. November 2015 wies die Klägerin auf die erstrebte Selbständigkeit hin, erkundigte sich erneut nach einem GZ und erläuterte, sie wolle keine Tätigkeit als Sozialpädagogin mit Kindern ausüben (was für die Vermittlerin „nachvollziehbar“ war; die Klägerin hatte nach ihrem Vorbringen den Aufhebungsvertrag geschlossen, weil sie in der 11. Woche ihr ungeborenes Kind verloren hatte und die Zustände in der Kinderpsychiatrie für sie nicht mehr psychisch verkraftbar gewesen seien, Bl 3 VA). In dem Gesprächsvermerk der Vermittlerin L (L) vom 16. November 2015 heißt es weiter, die Klägerin könne ihren Beruf dennoch ausüben und es seien genügend Stellenangebote vorhanden. Eine Unterstützung durch einen GZ sei daher nicht erforderlich; die Klägerin könne zeitnah integriert werden. Seitens der Arbeitsvermittlung sei Ziel die Arbeitsaufnahme als Sozialpädagogin, was in einer Eingliederungsvereinbarung (EV) vom selben Tag festgehalten wurde. Die Klägerin bewarb sich in der Folge auf die von der Beklagten übersandten Vermittlungsvorschläge. Mit E-Mail vom 11. April 2016 teilte die Klägerin mit, ihre Selbständigkeit werde am 1. Juni 2016 beginnen; die Beklagte meldete die Klägerin daraufhin zum 1. Juni 2016 aus der Arbeitsvermittlung und dem Alg-Bezug ab.

 

Am 26. April 2016 stellte die Klägerin telefonisch einen Antrag auf GZ. Der Formantrag ging bei der Beklagten am 31. Mai 2016 ein („Tanzträume & Tanztherapie“). Die Klägerin legte Businessplan, Kapitalbedarfsplan, Rentabilitätsvorschau, Liquiditätsplan, Finanzierungsplan und Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vor. Die Beklagte lehnte den GZ-Antrag mit Bescheid vom 14. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2016 ab mit der Begründung, die Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis, für das hier ausreichend zu besetzende Stellen (20) gemeldet seien, habe Vorrang. Bei der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens sei maßgebend gewesen, dass die Arbeitslosigkeit auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Klägerin nicht in jedem Bereich der Sozialpädagogik tätig sein könne bzw wolle, ohne die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit hätte beendet werden können und die Klägerin dem Vermittlungsvorrang schon frühzeitig keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt habe, sondern sich habe selbständig machen wollen.

 

Die Klägerin meldete sich bereits am 26. Juli 2016 arbeitslos und beantragte Alg; dabei gab sie ua an, keiner Nebentätigkeit als Selbständige nachzugehen und aus gesundheitlichen Gründen keinen Einschränkungen für bestimmte Beschäftigungen zu unterliegen. In der EV vom 26. August 2016 vereinbarten die Beteiligten wiederum als Integrationsziel eine Aufnahme der Beschäftigung als Sozialpädagogin. In der Folgezeit meldete sich die Klägerin bis zur Alg-Anspruchserschöpfung am 26. Februar 2017 tageweise aus dem Alg-Bezug ab.

 

Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat die Beklagte im anschließenden Klageverfahren nach Vernehmung der L als Zeugin verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab 1. Juni 2016 einen GZ für sechs Monate zu gewähren (Urteil vom 27. August 2019). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Die Beklagte sei im Wege der Ermessensreduzierung auf „Null“ verpflichtet, den GZ, dessen tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt seien, für die Zeit ab 1. Juni 2016 zu leisten. Dies folge schon aus dem Ermessensfehlgebrauch der Beklagten, die nicht geprüft habe, ob die vorgeschlagenen Stellen für die Klägerin mit ihren psychischen Einschränkungen geeignet gewesen seien. Es handele sich bei der aufgenommenen selbständigen Tätigkeit als Tanztherapeutin um die einzige Maßnahme, mit der eine dauerhafte berufliche Eingliederung der Klägerin möglich sei. Der Beruf der Sozialpädagogin vermittele der Klägerin „keine berufliche Perspektive“. Die Beklagte habe die Klägerin auch nicht erfolgreich vermitteln können. Ausweislich des internen Vermerks auf Bl 66 der Verwaltungsakten sei der Sachbearbeiter auch zunächst zu dem Ergebnis gekommen, dass der GZ zu bewilligen sei.

 

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor, zu Recht von einem Vorrang der Vermittlung der Klägerin in eine Beschäftigung als Sozialpädagogin ausgegangen zu sein. Eine Ermessensreduzierung auf „Null“ oder ein Ermessensfehlgebrauch lägen nicht vor. Der Klägerin seien mehrfach Stellenangebote übermittelt worden. Ausreichend offene Stellen seien auch vorhanden gewesen, ohne dass diese im Rahmen der zu treffenden Vermittlungsprognose bereits individuell passgenau seien müssten. Der Klägerin sei auch von Beginn an vermittelt worden, dass vorrangig die Vermittlung auf dem lokalen Arbeitsmarkt beabsichtigt gewesen sei. Eine erneute Förderung durch GZ sei nach der Arbeitslosmeldung vom 26. Juli 2016 im Übrigen nach § 93 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) ausgeschlossen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. August 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

 

Die statthafte Berufung der Beklagten ist begründet.

 

Die als kombinierte Anfechtungs- und Bescheidungs- bzw Leistungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Neubescheidung ihres im April 2016 gestellten GZ-Antrags noch einen Anspruch auf einen GZ für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis 30. November 2016 (sechs Monate).

 

Nach § 93 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen GZ erhalten. Ein GZ kann nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer erstens bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Alg hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht, zweitens der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und drittens ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt. Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 SGB III ist zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Gemäß § 93 Abs. 3 SGB III wird der GZ nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III vorliegen oder vorgelegen hätten. Nach § 93 Abs. 4 SGB III ist die Förderung ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

 

Die Klägerin hatte für die Zeit vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit als Tanztherapeutin einen durch bestandskräftigen Bescheid begründeten Anspruch auf Alg iS eines Zahlungsanspruchs (vgl Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R – juris Rn 17) und verfügte damit auch auf der Grundlage dieses – die Beteiligten und das Gericht bindenden (vgl § 77 SGG) – Bewilligungsbescheides am 1. Juni 2016 noch über einen Restanspruch auf Alg von mehr als 150 Tagen. Der Anspruch ruhte auch nicht allein im Hinblick auf § 147 Abs. 3 SGB III. Die Klägerin hatte – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – auch die Tragfähigkeit der Existenzgründung durch die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle nachgewiesen und ihre Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt. Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III oder ein Ausschlusstatbestand liegen nicht vor.

 

Es kann vorliegend offen bleiben, ob die Klägerin ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme der selbständigen Tätigkeit iSd § 93 Abs. 1 SGB III beendet hat. Der Begriff der Arbeitslosigkeit in § 93 Abs. 1 SGB III entspricht dem des § 138 SGB III. Er setzt mithin Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit voraus (vgl Landessozialgericht <LSG> Hamburg, Urteil vom 7. Dezember 2016 - L 2 AL 7/16 - bei juris Rn. 24; Urteil des erkennenden Senates vom 28. Mai 2014 - L 18 AL 236/13 - juris). Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Begrenzung ist es grundsätzlich zwar ausreichend, wenn die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit (nur) an einem Tag gegeben sind. Problematisch ist das Vorliegen der Verfügbarkeit der Klägerin (vgl § 138 Abs. 5 SGB III) vorliegend jedoch deshalb, weil sie bereits bei ihrer Arbeitslosmeldung die selbständige Tätigkeit geplant und dies auch der Beklagten so mitgeteilt und nach einem GZ gefragt hatte (vgl Vermerk über das Erstgespräch nach Arbeitslosmeldung am 16. November 2015). Es bestehen deshalb schon Zweifel daran, dass die Klägerin wenigstens an einem Tag in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum (1. November 2015 bis zur Abmeldung aus dem Leistungsbezug zum 1. Juni 2016) überhaupt bereit war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen; so ist sie auch der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch beim Stadtsportbund Potsdam am 17. März 2016 nicht nachgekommen. Denn die Klägerin war trotz der anderslautenden EV schon bei ihrer Arbeitslosmeldung entschlossen, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Sie hatte sich durchweg intensiv bemüht, was aus ihren E-Mails vom 21. Dezember 2015, 17. Februar 2016, 23. März 2016 und 11. April 2016 und ihrer Vorsprache vom 12. Januar 2016 erhellt, ihre selbständige Tätigkeit zielgerichtet vorzubereiten; dies hat auch die als Zeugin gehörte Vermittlerin L bestätigt, wonach die Klägerin bereits im April 2015 mitgeteilt habe, selbständig werden zu wollen und das Thema GZ „vordergründig“ war. Der Verneinung subjektiver Verfügbarkeit und damit des nach § 93 Abs. 1 SGB III anspruchsbegründenden Merkmals der Beendigung von Arbeitslosigkeit stünde nicht entgegen, dass der Klägerin ab 1. November 2015 für 360 Leistungstage Alg bewilligt wurde. Denn dieser Bescheid entfaltet für die Gewährung eines GZ im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Beendigung von Arbeitslosigkeit keine Tatbestandswirkung (vgl Senatsurteil vom 28. Mai 2014 - L 18 AL 236/13 – juris - Rn 18).

 

Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass das Vorliegen von Beschäftigungslosigkeit für die Annahme der Beendigung der Arbeitslosigkeit ausreicht, ohne dass Verfügbarkeit gegeben sein muss (vgl. die diesbezüglichen Literaturnachweise im oa Urteil des LSG Hamburg vom 7. Dezember 2016 aaO Rn 25; zum Meinungsstand Kuhnke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 93 SGB III <Stand: 15. Januar 2019>, dort Rn 36) und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine von der Beklagten zu treffende Ermessensentscheidung über die Gewährung des GZ allesamt vorlagen, hat die Klägerin jedenfalls keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres GZ-Antrags, weil die Beklagte das ihr nach § 93 Abs. 1 SGB III zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat. Ein Anspruch auf GZ scheidet schon deshalb aus, weil eine Ermessensreduzierung auf „Null“ nicht ersichtlich ist. Für die Zeit ab 26. Juli 2016 (Zeitpunkt der erneuten Arbeitslosmeldung) kommt die Gewährung eines GZ bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt nach ihren insoweit eindeutigen Angaben im Alg-Antrag ihre Tätigkeit als Selbständige nicht mehr ausgeübt und damit eine Beendigung der Arbeitslosigkeit iSv § 93 Abs. 1 SGB III nicht mehr vorgelegen hatte. Eine erneute Förderung kam daher frühestens nach 24 Monaten in Betracht (vgl § 93 Abs. 4 Halbs 1 SGB III). Besondere, in der Person der Klägerin liegende Gründe, wegen derer von dieser Frist abgesehen werden könnte, sind nicht ersichtlich.

 

Im Übrigen gilt Folgendes: Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – und § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen zT nicht einheitlich sind (vgl insoweit BSG, Urteil vom 18. März 2008 - B 2 U 1/07 R – juris – Rn 16). Keiner dieser Ermessensfehler liegt hier indes vor. Von einem Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall kann keine Rede sein. Die Beklagte hat ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt. Ebenso wenig liegt eine Ermessensunter- oder -überschreitung vor. Die Beklagte hat keine Rechtsfolge gesetzt, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Sie war sich auch dessen bewusst, dass die Bewilligung des GZ in ihrem Ermessen stand und hat ihr Ermessen folglich auch nicht zu eng ausgelegt. Der Beklagten kann schließlich auch kein Ermessensfehlgebrauch vorgeworfen werden (siehe zum Ermessensfehlgebrauch zusammenfassend BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 2 U 10/10 R – juris  - Rn 15). Indem die Beklagte darauf abgestellt hat, ob die Klägerin voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbständigen Tätigkeit in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert worden wäre, hat sie einen legitimen, der Teleologie des § 93 SGB III entsprechenden Zweck verfolgt und damit ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt. Der GZ dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Insoweit ist aber der allgemeine Vorrang der Vermittlung zu beachten, so dass der GZ als Ermessensleistung nur dann gewährt werden kann, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist (§ 4 Abs. 2 SGB III), dh wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13 – juris - Rn 42 mwN; Urteil des erkennenden Senats vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13 – Rn 22). Diesen normativen Vorgaben entspricht es, wenn die Beklagte, wie im Falle der Klägerin geschehen, im Rahmen ihres Ermessens entscheidend darauf abstellt, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Alg-Bezugszeitraums realistisch ist, ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden können oder ob Hemmnisse bestehen, die den Integrationserfolg behindern können.

 

Die Beklagte ist auch nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Vielmehr ist ihre – als Teil einer Ermessensentscheidung nur eingeschränkt überprüfbare – Prognose, dass die Klägerin bei Inanspruchnahme der Vermittlungsbemühungen der Beklagten in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert worden wäre, ohne dass hierfür die Förderung der Selbständigkeit notwendig gewesen wäre, angesichts der von der Beklagten dargestellten Lage auf dem für die Klägerin in Betracht kommenden Stellenmarkt nicht zu beanstanden. Danach durfte und musste die Beklagte davon ausgehen, dass für die Klägerin wie – was im Übrigen aufgrund des entsprechenden Mangels an Fachkräften allgemein bekannt ist – allgemein für Sozialpädagoginnen hinreichende Vermittlungschancen bestanden und bestehen. Die Beklagte hat insoweit ermessensfehlerfrei berücksichtigt, dass der GZ keine allgemeine Subvention selbständiger Tätigkeiten darstellt, sondern die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit fördern soll, die ansonsten durch Vermittlung in eine Beschäftigung nicht erfolgen kann. Es entspricht dabei ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen ihrer Ermessensausübung auch berücksichtigen darf, ob der betroffene Versicherte in absehbarer Zeit ohne die Förderung einer selbständigen Tätigkeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann (vgl hierzu zB auch Senatsurteil vom 10. April 2017 – L 18 AL 154/16 – juris Rn 18; Senatsurteil vom 20. Januar 2021 – L 18 AL 48/20 – juris – Rn 23).

 

Schließlich liegt auch ansonsten kein Abwägungsfehler vor. Soweit die Klägerin geltend macht (und das SG dem gefolgt ist), dass die Beklagte die in ihrer Person liegenden gesundheitlichen und dabei insbesondere psychischen Umstände, die gegen einen Integrationserfolg als Sozialpädagogin sprächen, nicht ausreichend beachtet hätten, ist dem entgegenzuhalten, dass die Beklagte zum Einen berücksichtigt hat, dass einer Vermittlung als Sozialpädagogin für Kinder bzw Jugendliche Hinderungsgründe hätten entgegen stehen können. Zum Anderen hat die Klägerin in ihren Anträgen auf Alg, auch vom 26. Juli 2016, gesundheitliche Einschränkungen für bestimmte Beschäftigungen ausdrücklich verneint. Derartige Einschränkungen sind auch im Übrigen nicht durch aussagekräftige Unterlagen belegt. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass bei der Klägerin eine gravierende psychische Erkrankung vorgelegen hätte, die die Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses als Sozialpädagogin von vornherein ausgeschlossen hätte. Schließlich haben sich die Klägerin und die Beklagte in den EV vom 16. November 2015 und 26. August 2016 auch auf dieses Eingliederungsziel verständigt, nachdem L bereits anlässlich des Erstgesprächs – wie sie dem SG gegenüber bestätigt hat – die Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass es höchstwahrscheinlich zu einer Ablehnung des GZ aufgrund des Vermittlungsvorrangs kommen werde. Ein für die Bewilligung des GZ sprechender Gesichtspunkt, der mindestens ebenso gewichtig wäre wie der für die Ablehnung maßgebliche Gesichtspunkt der ausreichenden Vermittlungschancen der Klägerin, ist nicht erkennbar. Die Beklagte hat auch einen GZ weder mündlich zugesagt noch sich im Wege einer EV auf eine selbständige Tätigkeit der Klägerin als Eingliederungsziel festgelegt (vgl hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Februar 2014 – L 8 AL 1515/13 – juris – Rn 33); der zunächst die Gewährung eines Zuschusses bejahende interne – und dann sofort berichtigte – Aktenvermerk eines Sachbearbeiters der Beklagten ist insoweit ohne Relevanz.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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