L 5 KA 107/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KA 3545/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 107/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 24/22 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

§ 291a Abs. 7 SGB V in der Fassung vom 21.12.2015 (Vorgängerregelung zu § 378 SGB V) i.V.m. der TI-Finanzierungsvereinbarung regelt über Pauschalen abschließend die Erstattung der Kosten, die der Vertragspraxis durch die Einführung und den Wirkbetrieb der TI entstehen. Revision anhängig B 6 KA 24/22 R

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.10.2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 569,66 € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand


Zwischen den Beteiligten steht der Umfang der Kostenerstattung im Zusammenhang mit dem Anschluss der vertragsärztlichen Praxis des Klägers an die Telematikinfrastruktur (TI) im Rahmen des Honorarbescheides für das Quartal 3/2018 in Streit.

Der Kläger war im streitgegenständlichen Quartal als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Sitz in S zugelassen.

Mit Honorarbescheid vom 15.01.2019 für das Quartal 3/2018 berechnete und setzte die Beklagte das Honorar des Klägers fest. Bestandteil der Gesamtsumme i.H.v. 101.063,16 € war für die Betriebskosten der TI ein Betrag i.H.v. 294,51 €. Diesen Betrag errechnete die Beklagte laut Anlage 22 des Bescheides aus dem Ansatz einer Pauschale für die Betriebskosten (248,00 €) und für den Praxisausweis (SMC-B Smartcard) á 23,25 € sowie Pauschalen für den Heilberufsausweis (HBA) i.H.v. zweimal 11,63 € für den Kläger selbst und G (insgesamt 23,26 €).

Mit seinem Widerspruch vom 18.02.2019 machte der Kläger geltend, die Kosten der Erstausstattung der TI sowie die Betriebskosten der TI seien neu und höher festzusetzen. Die Kostenerstattung i.H.v. 294,51 € sei nicht ausreichend und nicht kostendeckend. Er habe Anspruch auf Zahlung weiterer 569,66 €. Der Honorarbescheid sei nicht nachvollziehbar begründet, intransparent und allein aus diesem Grunde aufzuheben. Die wesentliche Berechnungsgrundlage, auf die sich die Beklagte stütze, sei aus dem Honorarverteilungsmaßstab nicht zu entnehmen. Der Honorarbescheid enthalte keine sachlich nachvollziehbaren Ausführungen zu der vorgenommenen Berechnung der Betriebskosten Telematik Infrastruktur. Der Honorarbescheid sei auch in materieller Hinsicht rechtswidrig. Ihm stehe ein Anspruch auf Erstattung sämtlicher Betriebskosten der TI zu. Der Gesetzgeber habe in § 291a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestimmt, dass die Krankenkassen die Ausstattung und Betriebskosten für die TI finanzieren. Die Details seien in der „Vereinbarung zur Finanzierung und Erstattung der bei den Vertragsärzten entstehenden Kosten im Rahmen der Einführung des Betriebs der TI gemäß § 291a Abs. 7 S. 5 SGB V sowie zur Abbildung nutzungsbedingter Zuschläge gemäß § 291a Abs. 7 b S. 3 SGB V (TI-Finanzierungsvereinbarung)“ geregelt. Nach den gesetzlichen Vorgaben des § 291a Abs. 7 S. 5 Nr. 2 SGB V seien die Kosten der Anbindung an die TI in Höhe der entstandenen Kosten zu übernehmen. Die Kosten für den Betrieb der TI und weitere Aufwände, die in untrennbarem Zusammenhang mit dem Betrieb und der Aufrechterhaltung der TI in seiner Praxis stünden, würden sich im Quartal 3/2018 auf 864,17 € belaufen. Dieser Betrag setze sich zusammen aus den Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Bereitstellung der SMC-B Smartcard (Praxisausweise) angefallen seien. Ausweislich der Rechnung der Bundesdruckerei vom 03.04.2018 würden diese Kosten 571,20 € betragen. Bei einer Laufzeit des Praxisausweises von 60 Monaten ergebe sich eine monatliche Kostenbelastung i.H.v. 9,52 €. Auf das Quartal entfielen mithin 28,56 €. Weiter seien Kosten für ein „Servicepaket Betrieb Arzt S“ in Höhe von monatlich 82,67 € zu berücksichtigen. Dieses Servicepaket werde von der C AG angeboten und umfasse die Servicegebühr „KoCoBox Med + Konnector", die Gebühr für die Bereitstellung des VPN-Zugangsdienstes sowie die Gebühr, die im Zusammenhang mit der „Wartung CGM AIS TI Integrationsmodul" entstehe. Dieses Service Paket der C AG verursache Kosten i.H.v. 248,01 € für das Quartal 3/2018. Außerdem stehe ihm ein Erstattungsanspruch hinsichtlich jener Lohnkosten zu, die er im Quartal 3/2018 für die Zeit aufbringen müsse, die nicht-ärztliche Mitarbeiter der Praxis darauf verwenden müssten, um Probleme im Betrieb zu bearbeiten. Zeitlich seien die Mitarbeiter pro Arbeitstag zwischen 0,5 und 1,5 Arbeitsstunden mit solchen Problemen befasst. Pro Woche würden so bis zu 5 Wochenstunden anfallen. Er gehe für das Quartal 3/2018 von einer Ausfallzeit von 4 Wochenarbeitsstunden aus. Auf der Grundlage des Gehaltstarifvertrages für medizinische Fachangestellte/Arzthelferinnen in der maßgeblichen Fassung ergebe sich ein Bruttostundenlohnanspruch i.H.v. 11,30 €. Hieraus folge ein Kostenerstattungsanspruch pro Kalenderwoche i.H.v. 45,20 €. Bei 13 Kalenderwochen im Quartal 3/2018 ergebe sich ein Erstattungsanspruch i.H.v. 587,60 €.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zwar sei ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, es sei aber nicht erforderlich, dass in jedem Bescheid das vollständige Regelwerk genannt werde. Ausreichend sei, dass sich die rechtlichen Grundlagen und Rechenvorgänge aus dem zu Grunde liegenden Vertragswerk ergäben. Die Begründung müsse nicht explizit auf alle in Betracht kommende nähere Umstände eingehen. Es reiche aus, wenn dem Betroffenen die Gründe der Entscheidung in solcher Weise und in solchem Umfang bekannt gegeben würden, dass er seine Rechte sachgemäß wahrnehmen könne. Die Anforderungen an die Darlegungen und Berechnungen bei Honorarbescheiden dürften nicht überspannt werden. Diese richteten sich an einen sachkundigen Personenkreis, der mit den Abrechnungsvoraussetzungen vertraut sei. Es sei davon auszugehen, dass den ärztlichen Mitgliedern regelmäßig Informationen durch Rundschreiben und anderweitige Veröffentlichungen bekannt gegeben würden. Die Informationen zur TI seien auch bezüglich der Pauschalen und deren Erstattung bereits im Vorfeld durch Rundschreiben und Rundbriefe, so z.B. im Juli 2017, Februar 2018, Praxisinfo vom Dezember 2018, Hinweisen und Merkblättern auf den Homepages der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Beklagten weitergeleitet worden. Darüber hinaus seien die Grundlagen noch in der Anlage 22 zum Honorarbescheid dargestellt worden. Es liege deshalb eine ausreichende und für den Kläger nachvollziehbare Begründung vor. Den Regelungen in den §§ 291, 291a SGB V sei nicht zu entnehmen, dass die Pauschalen kostendeckend im Sinne einer Vollkostenerstattung sein müssten. Es handele sich vielmehr lediglich um eine Anschubfinanzierung in Form von Pauschalen, was nicht zuletzt aus Gründen der Verwaltungsvereinbarung zweckdienlich erscheine. Die Pauschale könne damit eine Leistung, die sich aus verschiedenen Positionen zusammensetze, abgelten. Darüber hinaus müssten die Krankenkassen in diesem Zusammenhang Investitionen ca. in der Höhe von 1 Milliarde € aus Versichertenbeträgen aufbringen. Vor diesem Hintergrund erscheine bei Abwägung der widerstreitenden Interessen auch eine etwaige finanzielle Belastung der Ärzte im Interesse des Gemeinwohls, insbesondere zur Steigerung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung der Versicherten, zumutbar. Hinsichtlich des Praxisausweises (SMC-B Smartcard) sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei den laufenden Kosten insoweit um Betriebskosten handle. Diese würden i.H.v. 23,25 € quartalsweise vergütet. Es seien drei Anbieter für Praxisausweise am Markt zugelassen. Sämtliche Anbieter würden den Praxisausweis für 23,25 € im Quartal und damit in der Höhe der Pauschale anbieten. Das Servicepaket der C AG sei ebenfalls als Teil der laufenden Betriebskosten zu bewerten. Diese würden durch eine Pauschale i.H.v. 248,00 € pro Quartal je SMC-B-Smartcard abgegolten. Ein Anspruch auf Erstattung von Lohnkosten bestehe nicht.

Hiergegen hat der Kläger am 12.08.2019 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend hat er ausgeführt, dass die Auffassung der Beklagten, die Startpauschale kompensiere die Kosten für den Mehraufwand in Zusammenhang mit der Neuinstallation und dem Start der neuen Software, nicht überzeuge. Die von ihm geltend gemachten Kosten würden gerade nicht Probleme im Bereich mit der Erstinstallation und dem Start betreffen. Darüber hinaus seien die 900,00 € der Startpauschale bei weitem aufgezehrt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, der Honorarbescheid sei ausreichend begründet. Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 35 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei nicht ersichtlich. Im Honorarbescheid sei aufgeführt, in welcher Höhe der Kläger für die Betriebskosten TI Erstattungspauschalen erhalten habe. In Anlage 22 fände sich eine Einzelaufschlüsselung, die darlege, wie die Betriebskostenpauschale berechnet werde, sowie weitere Erläuterungen. Zwar ließen sich die wesentlichen Berechnungsgrundlagen nicht aus dem Honorarverteilungsmaßstab und dem Honorarbescheid entnehmen, jedoch würden sich diese aus der TI-Finanzierungsvereinbarung ergeben (Anlage 32 des Bundesmantelvertrags-Ärzte <BMV-Ä>). Für einen sachkundigen Kläger, der sich nicht nur mit den Abrechnungsvorschriften auseinandersetze, sondern auch mit den anderen vertragsärztlichen Vorschriften vertraut sei, lasse sich hieraus entnehmen, wie die Beklagte die zu erstattende Summe berechne. Es sei davon auszugehen, dass jeder Vertragsarzt, seine wesentlichen Pflichten und die einschlägigen Vorschriften kenne. Darüber hinaus könne der Kläger, selbst wenn man einen Begründungsmangel annehme, allein wegen eines solchen Fehlers die Aufhebung des Honorarbescheides nicht verlangen. Gemäß § 42 Abs. 1 SGB X rechtfertigten bloße Begründungsmängel bei rechtsgebundenen Verwaltungsakten grundsätzlich nicht deren Aufhebung. Da es sich bei der Festsetzung der Kosten für die Betriebskosten TI um eine gebundene Entscheidung handele und die Beklagte insoweit kein Ermessen habe, könnten etwaige Begründungsmängel die Sachentscheidung nicht beeinflussen. Unabhängig davon könne gemäß § 41 Absatz 1 Nr. 2 und Abs. 2 SGB X eine erforderliche Begründung nachträglich, also bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens, nachgeholt werden. Auch materiell sei die Abrechnung nicht zu beanstanden. Dem Kläger seien die ihm nach der TI-Finanzierungsvereinbarung zustehenden Pauschalen erstattet worden. Selbst wenn der Kläger geltend mache, die tatsächlich entstehenden Kosten würden die tatsächlich erstatteten Kosten übersteigen, sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich, nach der die Beklagte verpflichtet sei, weitere Kosten zu erstatten. Die Regelungen in der TI-Finanzierungsvereinbarung über die Gewährung bestimmter Pauschalen seien verbindlich.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30.10.2020 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der angefochtene Honorarbescheid sei formell rechtmäßig. Seine Begründung genüge den Anforderungen des § 35 Abs. 1 SGB X. Die Beklagte habe die Begründung ihres Bescheides daran ausrichten dürfen, dass er an eine Person gerichtet gewesen sei, die mit den Grundlagen der Honorarberechnung vertraut oder jedenfalls in der Lage gewesen sei, sich mit ihnen vertraut zu machen. Die Beklagte habe ihre Mitglieder regelmäßig über die Zahl der Erstattungen im Rahmen der TI informiert. Im Zusammenhang mit den Informationsschreiben der Beklagten und dem Inhalt der Anlage 22 zum Honorarbescheid sei der angefochtene Bescheid ausreichend nachvollziehbar begründet. Selbst wenn die Begründung des angefochtenen Honorarbescheides den Anforderungen des § 35 Abs. 1 S. 2 SGB X nicht entsprechen würde, könnte der Kläger nicht allein deswegen seine Aufhebung beanspruchen. Dass ein etwaiger Begründungsmangel die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte, sei offensichtlich. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers sei § 5 Abs. 2 S. 1 der TI-Finanzierungsvereinbarung. Danach habe Anspruch auf Erstattung der Kosten für die erforderliche Ausstattung gemäß § 2 und für die Nutzung der telematikinfrastrukturrelevanten Betriebskosten gemäß § 3 jede Vertragsarztpraxis, solange sie an der TI angeschlossen sei und die gesetzlich vorgeschriebene Anwendung gemäß § 291 Abs. 2b S. 1 SGB V i.V.m. der Anlage 4a zum BMV-Ä nutze. Satz 3 dieser Bestimmung regle, dass die Vertragsarztpraxis entsprechend dem geltend gemachten Ausstattungsanspruch Pauschalen gemäß der Anlage 2 gegebenenfalls zuzüglich der Anlagen 5 und 6 dieser Vereinbarung durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) gemäß § 295 Abs. 4 SGB V erhalte. Der Anspruch auf Zahlung der Pauschalen könne ausschließlich über die jeweils zuständige KV geltend gemacht werden. Bezüglich der Abrechnung verweise § 5 Abs. 2 S. 5 TI-Finanzierungsvereinbarung auf die in §§ 6, 6a und 7 TI-Finanzierungsvereinbarung getroffenen Regelungen. Für die in § 3 Abs. 1 a bis e TI-Finanzierungsvereinbarung aufgeführten Betriebskostenarten sehe § 7 Abs. 1 die Zahlung einer Betriebskostenpauschale gemäß der Anlage 2 vor. Absatz 3 der Anlage 2 sehe ab dem 3. Quartal 2018 für die genannten Betriebskosten quartalsweise einen Betrag i.H.v. 248,00 € vor. Die durch den Einsatz einer SMC-B-Smartcard entstehenden Betriebskosten seien in § 3 Abs. 1 f der TI-Finanzierungsvereinbarung aufgeführt. Insoweit verweise § 7 Abs. 2 TI-Finanzierungsvereinbarung ebenfalls auf die Zahlung einer Betriebskostenpauschale gemäß der Anlage 2. Absatz 3 der Anlage 2 sehe insoweit eine Pauschale in Höhe von 23,25 € vor. Daneben sehe Abs. 3 der Anlage 2 TI-Finanzierungsvereinbarung die Pauschale für den Betrieb einer HBA-Smartcard gemäß § 3 Abs. 1 g i.V.m. § 7 Abs. 3 der TI-Finanzierungsvereinbarung i.H.v. 11,63 € pro Quartal vor. Die Beklagte habe im angefochtenen Bescheid die genannten drei Pauschalen zutreffend und der Höhe nach korrekt berechnet und dem Kläger gutgeschrieben. Der Kläger könne die Erstattung höherer Kosten nicht verlangen. Diesem Begehren stehe die ausdrückliche Regelung in der TI-Finanzierungsvereinbarung entgegen. Insoweit fehle es an einer Anspruchsgrundlage, auf die der Kläger sein Begehren stützen könnte. Die TI-Finanzierungsvereinbarung beruhe auf § 291a Abs. 7 S. 5 SGB V. Danach hätten die Bundesmantelvertragsparteien eine Vereinbarung zur Finanzierung der erforderlichen erstmaligen Ausstattungskosten sowie der Kosten, die den Leistungserbringern im laufenden Betrieb der TI entstehen, zu treffen. Das Nähere zu diesen Regelungen vereinbarten der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die KBV in den Bundesmanteltarifverträgen. Der Gesetzgeber habe damit die Ausgestaltung der Finanzierung der TI den Bundesmantelvertragsparteien überlassen. Bereits durch die Entscheidung des Gesetzgebers, die nähere Ausgestaltung der Erstattungsregelungen den Bundesmantelvertragsparteien zu überlassen und diese zu verpflichten, die Einzelheiten im Rahmen einer Vereinbarung zu regeln, zeige, dass der Gesetzgeber nicht von einer zwingend kostendeckenden Regelung im Sinne einer Vollkostenerstattung ausgehe. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass eine vollständige Kostenerstattung in jedem Fall zu erfolgen habe, wäre der Auftrag an die Bundesmantelvertragsparteien, das Einzelne in einer Vereinbarung zu regeln, überflüssig. In diesem Fall hätte es nämlich gereicht, die grundsätzliche Verpflichtung der Kostenerstattung festzustellen und festzulegen. Alles andere wäre dann lediglich eine Frage des Nachweises der Höhe der entstandenen Kosten durch den jeweiligen Arzt gewesen. Dementsprechend ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4924, S. 10) nichts, das für eine vollständige Kostenerstattung sprechen würde. Dort sei festgehalten, dass ein Anreiz geboten werden solle, telematische Anwendungen zu nutzen. Die Bundesmantelvertragspartner würden verpflichtet, das Nähere zur Refinanzierung, insbesondere hinsichtlich der Zuschlagshöhe, der zeitlichen Dauer des Verfahrens mit bindender Wirkung für die jeweiligen Mitgliedsorganisationen zu regeln. Insoweit werde auch in der Gesetzesbegründung von einer Anschubfinanzierung in Form von Pauschalen ausgegangen, die schon aus Gründen der Verwaltungsvereinbarung zweckdienlich erschienen. Diesen Auftrag hätten die Bundesmantelvertragsparteien in ausreichendem und angemessenem Umfang entsprochen. Wie die Beklagte zu Recht darauf hinweise, seien die festgesetzten Pauschalen der Höhe nach geeignet, einen angemessenen Kostenausgleich herzustellen und zu gewährleisten. Soweit der Kläger geltend mache, er müsse Arbeitszeit seiner Angestellten, und damit auch Lohn, in erheblicher Höhe aufbringen, um Betriebsschwierigkeiten und Ähnliches zu beheben und auszugleichen, fehle es insoweit an einer Rechtsgrundlage, die die Beklagte zur Erstattung verpflichten würde. Die vom Kläger geschilderten Schwierigkeiten, die das SG durchaus nachvollziehen könne, würden nicht das Verhältnis des Klägers zu der Beklagten bzw. zu den Krankenkassen, die für die Finanzierung letztlich zuständig seien, sondern das Verhältnis des Klägers zu demjenigen Vertragspartner, von dem der Kläger die einzelnen Komponenten der TI beziehe und mit denen er vertraglich verbunden sei, betreffen. Sei die Leistung der jeweiligen Vertragspartner mangelhaft, so habe sich der Kläger nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen an diese zu richten und entweder Mängel geltend zu machen, Mängelbeseitigung zu begehren oder Schadensersatzansprüche zu erheben. Die Regelungen der TI-Finanzierungsvereinbarung würden weder gegen die Vorgaben des § 291a Abs. 7 S. 5 SGB V noch gegen höherrangiges Recht verstoßen. Soweit damit überhaupt eine Einschränkung der Berufsfreiheit nach Artikel 12 Grundgesetz (GG) verbunden wäre, wäre diese Einschränkung verfassungsgemäß. Unabhängig davon treffe die Bundesmantelvertragsparteien die Verpflichtung, die Höhe der Pauschalen, wie sie in der Anlage 2 festgelegt seien, im Auge zu behalten und die Preisentwicklungen zu berücksichtigen. Gegebenenfalls wäre insoweit eine Anpassung und Korrektur möglich. § 10 Abs. 1 S. 1 der TI-Finanzierungsvereinbarung sehe insoweit vor, dass spätestens im April 2021 erneute Verhandlungen aufgenommen würden, um die Betriebsbereitschaft der technischen Komponenten zum Anschluss der Vertragsarztpraxen an die TI sicherzustellen. § 10 Abs. 2 der TI-Finanzierungsvereinbarung lege fest, dass die Vertragspartner umgehend Verhandlungen zur Anpassung an diese Vereinbarung aufnehmen würden, wenn sich neue Erkenntnisse über die Entwicklung der Marktpreise oder andere signifikante Veränderungen ergeben sollten. Auch Absatz 3 der genannten Vorschrift sehe die umgehende Aufnahme von Verhandlungen der Vertragspartner in weiteren Fällen vor. Damit sei nach Auffassung der Kammer gewährleistet, dass dauerhaft Regelungen existierten, die jedenfalls einen annähernden kostendeckenden Betrieb der TI ermöglichten.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 08.12.2020 zugestellte Urteil hat dieser am 08.01.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Der Kläger vertieft sein Vorbringen aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren, zuletzt mit Schreiben vom 20.10.2022. Zudem führt er aus, er habe einen Anspruch auf Zuerkennung der in dem Quartal 3/2018 tatsächlich angefallen Kosten im Zusammenhang mit dem Anschluss seiner Praxis an die TI. Das SG habe die aus § 10 der TI-Finanzierungsvereinbarung ergebenden Konsequenzen verkannt. Gemäß § 10 Abs. 2 TI-Finanzierungsvereinbarung würden die Vertragspartner umgehend Verhandlungen zur Anpassung der Vereinbarung aufnehmen, wenn sich neue Erkenntnisse über die Entwicklung der Marktpreise oder andere signifikante Veränderungen ergeben sollten. Hierbei handle es sich um eine gebundene vertragliche Regelung. Dieser seien die Vertragsparteien offenkundig nicht nachgekommen. Im streitbefangenen Zeitraum sei offensichtlich gewesen, dass die der TI-Finanzierungsvereinbarung zugrunde gelegten Marktpreise nicht der tatsächlichen Marktpreisentwicklung und dem Marktgeschehen entsprochen hätten. Selbst die Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, dass man einer gerichtlichen Überprüfung der Regelungen der TI-Finanzierungsvereinbarung offen gegenüberstehe und im Sinne der Vertragsärzte für angezeigt halte. Die Vertreterversammlung der Beklagten fordere in Übereinstimmung mit der KBV und den anderen KVen, dass den ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen die Aufwände für die Digitalisierung erstattet würden. Der Betrieb der gesamten TI als Daseinsinfrastruktur sei analog zum Bundesautobahnennetz Aufgabe des Staates und nicht mehr dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.10.2020 aufzuheben, den Honorarbescheid vom 15.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über das Honorar des Klägers für das Quartal III/2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf die Entscheidungsgründe. Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen und die Rechtsprechung würden kein Abweichen der Beklagten von den vorgegebenen Finanzierungsvorschriften dulden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

I. Der Senat entscheidet über die Berufung in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

II. Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, ist aufgrund der Zulassung durch das SG statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Streitgegenstand ist der Honorarbescheid der Beklagten vom 15.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019.

Das SG hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen. Die als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form einer Neubescheidungsklage (§ 54 Abs. 1, § 131 Abs. 3 SGG) statthafte Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Honorarbescheid der Beklagten vom 15.01.2019 für das Quartal 3/2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere als bereits im Bescheid enthaltene Erstattung von Betriebskosten für die TI und damit keinen Anspruch auf Neubescheidung seiner Honoraransprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Nur Ergänzend wird im Hinblick auf die Berufungsbegründung auf Folgendes hingewiesen:

Der Kostenerstattungsanspruch ergibt sich für das allein streitgegenständliche Quartal 3/2018 aus § 291a Abs. 7 SGB V in der Fassung vom 21.12.2015 (Vorgängerregelung zu § 378 SGB V) i.V.m. der Vereinbarung zur Finanzierung und Erstattung der bei den Vertragsärzten entstehenden Kosten im Rahmen der Einführung und des Betriebes der TI gemäß § 291a Absatz 7 S. 5 SGB V sowie zur Abbildung nutzungsbezogener Zuschläge gemäß § 291a Absatz 7b S. 3 SGB V vom 14.12.2017 in der Fassung vom 13.06.2018 (im Folgenden „TI-Finanzierungsvereinbarung“).

Nach § 291a Abs. 7 SGB V a.F. treffen die Spitzenorganisationen eine Vereinbarung zur Finanzierung (1.) der erforderlichen erstmaligen Ausstattungskosten, die den Leistungserbringern in der Festlegungs-, Erprobungs- und Einführungsphase der TI sowie (2.) der Kosten, die den Leistungserbringern im laufenden Betrieb der TI, einschließlich der Aufteilung dieser Kosten auf die in den Absätzen 7a und 7b genannten Leistungssektoren, entstehen.

Dabei regelt die TI-Finanzierungsvereinbarung abschließend die Erstattung der Kosten, die der Vertragsarztpraxis durch die Einführung und den Wirkbetrieb der TI entstehen (§ 1 TI-Finanzierungsvereinbarung). Die Erstattung umfasst auch die Anschaffung der in § 2 genannten, durch die Gematik zugelassenen Komponenten sowie die in § 3 aufgeführten Finanzierungstatbestände.

Die Kosten der Ausstattung und des Betriebs werden ausschließlich über Pauschalen erstattet (vgl. § 6 bis 8 TI-Finanzierungsvereinbarung i.V. mit Anlage 2 der TI-Finanzierungsvereinbarung). Dies ist auch unbedenklich und ergibt sich schon aus der Gesetzessystematik, wonach eben die Art und Weise sowie die Höhe der Erstattung der Kosten zwischen den Vertragspartnern vereinbart werden soll. Diesem Auftrag sind die Vertragspartner vollständig nachgekommen. Die in Anlage 2 der TI-Finanzierungsvereinbarung festgelegten Pauschalen hat die Beklagte dem Kläger – auch unbestritten – in zutreffender Höhe gutgeschrieben.

Eine Erstattung von Lohnkosten für Praxismitarbeiter, welche auf die Behebung und den Umgang mit technischen Problemen der Praxisverwaltungssoftware (hier „M“ der C AG) als Folge der Inbetriebnahme des TI-Konnektors und Anbindung an die TI und damit zweifelsfrei – und vom Kläger auch nicht behauptet – nicht für in der TI-Finanzierungsvereinbarung geregelte Aufwände entstanden sind, sieht weder § 291a Abs. 7 SGB V a.F. noch die TI-Finanzierungsvereinbarung vor. Es handelt sich weder um erstmalige Ausstattungskosten noch um Kosten, die dem Kläger im laufenden Betrieb der TI entstanden sind. Das wird vom Kläger zuletzt auch nicht mehr behauptet. Die Kosten sind im Betrieb der Praxissoftware entstanden. Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass insoweit bei Programmfehlern oder Anpassungsbedarf der Praxisverwaltungssoftware nicht die Beklagte, sondern der Softwarehersteller zuständig ist.

Soweit der Kläger nun im Berufungsverfahren vorträgt, dass in dem streitbefangenen Zeitraum offensichtlich gewesen sei, dass die der TI-Finanzierungsvereinbarung zugrunde gelegten Marktpreise nicht der tatsächlichen Marktpreisentwicklung und dem Marktgeschehen entsprochen hätten, kann der Senat dem ungeachtet der fehlenden Entscheidungserheblichkeit nicht folgen. Nach eigenen Angaben des Klägers im Widerspruchs- und Klageverfahren sind ihm (ohne Berücksichtigung oben erwähnter Lohnkosten) im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Aufrechterhaltung der TI für die Praxis im Quartal 3/2018 Kosten von insgesamt 276,57 € entstanden. Im Honorarbescheid wurden ihm „Betriebskosten KI“ i.H.v. 294,51 € und damit sogar mehr gutgeschrieben. Aber selbst wenn – wie der Kläger meint – schon kurz nach Abschluss der Vereinbarung (hier weniger als ein Jahr) neue Erkenntnisse über die Entwicklung der Marktpreise oder andere signifikante Veränderungen vorgelegen hätten, lässt sich aus der vereinbarten Pflicht zur umgehenden Aufnahme von Verhandlungen zur Anpassung der Vereinbarung, kein konkreter Erstattungsanspruch des Klägers kreieren. Die vereinbarten Pauschalen gelten bis zur Änderung fort. Nur informatorisch weist der Senat darauf hin, dass eine Anpassung der Pauschalen trotz mehrfacher Änderung der Vereinbarung bis heute nicht erfolgt ist (vgl. z.B. Vereinbarung zur Finanzierung und Erstattung der bei den Vertragsärzten entstehenden Kosten im Rahmen der Einführung und des Betriebes der TI gemäß § 378 Absätze 1 und 2 SGB V vom 14.12.2017 in der Fassung vom 26.08.2022).

Soweit der Kläger darauf verweist, dass selbst die Beklagte zum Ausdruck gebracht habe, dass man einer gerichtlichen Überprüfung der Regelungen der TI-Finanzierungsvereinbarung offen gegenüberstehe und diese im Sinne der Vertragsärzte – mithin auch des Klägers – für angezeigt halte, ist dies für die rechtliche Beurteilung durch den Senat irrelevant. Die Beklagte hat auch zutreffend ausgeführt, dass die derzeitigen gesetzlichen Regelungen kein Abweichen von den vorgegebenen Finanzierungsvorschriften erlaubt. Soweit der Kläger dabei auf die Pressemitteilung der Beklagten zum Beschluss ihrer Vertreterversammlung im Hinblick auf deren Forderung, den ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen die Aufwände für die Digitalisierung zu erstatten und den Betrieb der gesamten TI als Daseinsinfrastruktur analog zum Bundesautobahnennetz als Aufgabe des Staates nicht mehr dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen, verweist, ist diese rechtlich unerheblich. Insoweit liegt eine politische Forderung der Vertreterversammlung vor, die bislang jedenfalls keinen Eingang in die Rechtslage gefunden hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 VwGO.

IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).

V. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG).



 

Rechtskraft
Aus
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