Für Geschäftsführer einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) gelten die Maßstäbe für die Statusbeurteilung, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für Geschäftsführer einer GmbH anzuwenden sind.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.09.2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 16 % der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 50.646,08 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 2) bei der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.04.2016.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 04.12.2008 gegründete haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (UG), die am 08.01.2009 in das Handelsregister beim Amtsgericht Mannheim eingetragen wurde. Gegenstand des Unternehmens ist der Vertrieb von Fliesen, deren Verlegung, Restaurierung und Veredelung, sowie der An- und Verkauf von Immobilien. An ihr sind als Gesellschafter die Beigeladene zu 2) in Höhe von 49,8 v.H. (Einlage von 249 €) und ihr Ehemann F in Höhe von 50,2 v.H. (Einlage von 251 €) beteiligt. Zur Geschäftsführerin wurde die Beigeladene zu 2) bestellt. Sie war von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. Sie erhielt während des streitgegenständlichen Zeitraums gleichbleibende monatliche Bezüge in Höhe von 2.743,54 € (brutto); von dieser Vergütung entrichtete die Klägerin Lohnsteuer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht.
Für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis zum 31.12.2012 führte die Beklagte im Jahr 2013 eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Klägerin durch. Mit Schreiben an die Klägerin vom 17.09.2013 stellte die Beklagte fest, dass "die von uns in Stichproben durchgeführte Prüfung ... im gesamten Prüfzeitraum zu keinen Feststellungen hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (führte)".
Vom 24.07.2017 bis zum 07.03.2018 führte die Beklagte eine weitere Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV durch und leitete ein Statusfeststellungsverfahren zur Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 2) bei der Klägerin als Geschäftsführerin ein. Im Feststellungsbogen gab die Beigeladene zu 2) u.a. an, sie könne ihre Arbeitszeit frei wählen und unterliege keinen Weisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit. Sie müsse ihren Urlaub nicht genehmigen lassen und erhalte keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Bei Beschlüssen sei eine qualifizierte Mehrheit von 75 % vereinbart. Mit Schreiben vom 22.01.2018 hörte die Beklagte die Klägerin zur Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen an. Die Klägerin gab daraufhin mit Schreiben vom 26.02.2018, vertreten durch die Beigeladene zu 2), an, es sei ursprünglich beabsichtigt gewesen eine GmbH zu gründen. Zu diesem Zweck sei unter Mitwirkung der Beigeladenen zu 3), einer Steuerberatungsgesellschaft, ein Gesellschaftsvertrag erarbeitet worden. In diesem habe man zugunsten der Beigeladenen zu 2), die weisungsfrei als Geschäftsführerin tätig sein sollte, eine Sperrminorität vereinbart, weil nach diesem Gesellschaftsvertrag 75 % der abgegebenen Stimmen erforderlich gewesen seien, um Gesellschafterbeschlüsse zu verabschieden. Aufgrund von Liquiditätsverknappungen habe man aber anstelle der GmbH eine UG gegründet. Mündlich sei daraufhin zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 2) vereinbart worden, dass der für die Gründung einer GmbH gestaltete Gesellschaftsvertrag auch für die Errichtung der UG Anwendung finden solle. Daher sei bei der notariellen Beurkundung der Errichtung der UG am 04.12.2008 lediglich die knappe Mustersatzung gewählt worden. Das Geschäftsführergehalt habe je nach Ertragslage ausgezahlt werden sollen. Ab dem 01.05.2016 habe die Beigeladene zu 2) aufgrund der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter sowie einer eigenen Erkrankung ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin nicht mehr im selben Ausmaß und in derselben Verantwortung wie zuvor wahrnehmen können. Daher sei ab dem 01.05.2016 von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Mit Bescheid vom 16.03.2018 forderte die Beklagte die Klägerin zur Zahlung in Höhe von 50.646,08 € auf. Dieser Betrag setzte sich aus Sozialversicherungsbeiträgen und Insolvenzgeldumlage für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.04.2016 in Höhe von 42.206,08 € und Säumniszuschlägen für den Zeitraum 01.05.2016 bis 31.12.2017 in Höhe von 8.440,00 € zusammen. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-/Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung. Zur Begründung führte sie an, dass die Geschäftsführerin der Klägerin, die Beigeladene zu 2), seit dem 08.01.2009 bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt sei. Als Minderheitsgesellschafterin sei die Beigeladene zu 2) nicht in der Lage, Beschlüsse gegen sich zu blockieren, da der Gesellschaftsvertrag zu ihren Gunsten keine Sperrminorität enthalte. Das Erfordernis einer Stimmenmehrheit von 75 % sei nicht notariell beurkundet bzw. auch nicht im Handelsregister eingetragen. In den Entscheidungsgründen heißt es weiter: „Unter Berücksichtigung der vorliegenden regelmäßigen Vergütung ist festzustellen, dass Sie der Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliegen“.
Am 23.03.2018 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 16.03.2018 Widerspruch ein und beantragte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Mit Bescheid vom 24.04.2018 lehnte die Beklagte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Daraufhin stellte die Klägerin am 03.05.2018 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16.03.2018 (Aktenzeichen S 6 BA 1486/18 ER). Am 21.08.2018 kam es im Beschwerdeverfahren durch eine vergleichsweise Einigung zu einer Beendigung dieses Verfahrens (L 7 BA 2203/18 ER-B). Gegenstand der Einigung war unter anderem, dass bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens bzw. bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens die Vollziehung des Bescheides vom 16.03.2018 ausgesetzt wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie stellte klar, dass die Beigeladene zu 2) auch der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliege.
Am 10.12.2018 hat die Klägerin hiergegen Klage beim SG erhoben. Zur Begründung hat sie angegeben, die Beigeladene zu 2) sei in ihrer Tätigkeit nicht weisungsgebunden gewesen. Ihr habe aufgrund der Gesellschaftersatzung eine Sperrminorität zugestanden. Des Weiteren habe sie die alleinige Personalverantwortung in ihrem Geschäftsbereich gehabt und eine erfolgsabhängige Vergütung erhalten. Der Status der Beigeladenen zu 2) sei zudem bereits im Rahmen der Betriebsprüfung im Jahr 2013 beurteilt worden. Hierbei sei festgestellt worden, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, sondern eine selbstständige Tätigkeit vorliege. Aus diesem Grund sei die Beigeladene zu 2) seit 2010 privat krankenversichert gewesen. Die private Krankenversicherung werde auch bei einer Statusbeurteilung als abhängig Beschäftigte die Beiträge nicht erstatten. Die T Krankenkasse habe der Beigeladenen zu 2) außerdem mit Bescheid vom 21.12.2009 bestätigt, dass sie als Selbstständige krankenversichert sei. Eine erneute Bestätigung sei mit Bescheinigung vom 01.02.2019 erfolgt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. In Bezug auf die Betriebsprüfung im Jahr 2013 für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis zum 31.12.2012 hat sie ergänzend ausgeführt, dass diese nur stichprobenartig erfolgt sei und keine Feststellungen hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrages erfolgt seien. Ausführungen über eine versicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 2) seien in der Prüfmitteilung vom 17.09.2013 nicht enthalten.
Das SG hat mit Beschluss vom 16.10.2020 die Geschäftsführerin der Klägerin und die Bundesagentur für Arbeit beigeladen. Die T Krankenkasse hat auf das Schreiben des SG vom 27.08.2020, mit dem es auf § 75 Abs. 2b Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen hat, keine Beiladung beantragt.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.09.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sei die Beigeladene zu 2) vom 01.01.2013 bis zum 30.04.2016 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin tätig gewesen. Entscheidend gegen eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 2) spreche, dass sie eine Tätigkeit nach Weisungen ausgeübt habe. Sie verfüge nicht über die Rechtsmacht, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Es mangele ihr an den durchsetzbaren Einflussmöglichkeiten, um ihr unangenehme Weisungen zu verhindern. Vorliegend habe sie weder die Mehrheit der Geschäftsanteile an der Klägerin gehalten, noch sei im Gesellschaftsvertrag zu ihren Gunsten eine qualifizierte Sperrminorität vereinbart gewesen. Der Umstand, dass ursprünglich die Gründung einer GmbH beabsichtigt gewesen sei und in dem nicht durchgeführten sowie notariellen nicht beurkundeten Gesellschaftsvertrag, betreffend die Errichtung einer GmbH eine Sperrminorität vereinbart gewesen sei, führe zu keiner abweichenden Beurteilung. Vorliegend entfalte allein der notariell beurkundete Vertrag zur Errichtung einer UG Rechtswirkungen in Bezug auf die Gesellschafterbeschlüsse der Klägerin. Bei der klägerischen UG handele es sich gemäß § 5a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) um eine Sonderform der GmbH, so dass das GmbHG zur Anwendung komme. In Ermangelung einer notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags betreffend die Errichtung einer GmbH gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 GmbHG sowie einer fehlenden Eintragung in das Handelsregister nach § 7 Abs. 1 GmbHG, entfalte dieser Vertrag in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht keine Wirkung, weshalb das in § 8 Abs. 2 des Vertrags geregelte Minderheitsrecht für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Gesamtbildes der Tätigkeit nicht von Belang sei. Soweit die Beigeladene zu 2) teilweise sinngemäß darauf abstelle, aufgrund einer mündlichen Vereinbarung den Inhalt des Gesellschaftsvertrags betreffend die Errichtung der GmbH zum Gegenstand ihrer Tätigkeit bei der in der Rechtsform einer UG betriebenen Klägerin gemacht und tatsächlich gelebt zu haben, sei dies nicht von Relevanz. Nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) komme den tatsächlichen Verhältnissen nur solange ein Vorrang zu, wie diese nicht wirksam abbedungen worden seien. Eine „Schönwetter-Selbstständigkeit“, die lediglich in harmonischen Zeiten bestehe, da dem Betroffenen freie Hand gelassen werde, während im Fall des Zerwürfnisses die Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, sei nicht anzuerkennen. Es sei daher unbeachtlich, ob ein Mehrheitsgesellschafter seine bestehenden Weisungsbefugnisse gegenüber einem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer tatsächlich ausübe, entscheidend sei nur, ob er hierzu rechtlich in der Lage wäre. Dazu wäre vorliegend der Ehemann der Klägerin (gemeint: Beigeladene zu 2) allerdings in der Lage. Die Klägerin könne sich zudem nicht aufgrund der im Jahr 2013 beanstandungsfrei erfolgten Betriebsprüfung auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Dieser komme keine Entlastungswirkung bezüglich nicht in dem Bescheid aufgeführter Ergebnisse zu, da Betriebsprüfungen gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 Beitragsverfahrensverordnung (BVV) nicht umfassend oder erschöpfend durchgeführt werden müssten. Die Beklagte sei allerdings nicht berechtigt gewesen, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 2) bei der Betriebsprüfung im Jahr 2013 ungeprüft zu lassen. Das BSG habe hierzu entschieden, dass die Rentenversicherungsträger bei der Betriebsprüfung gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 BVV zwar grundsätzlich frei seien, die Prüfung auf Stichproben zu beschränken, jedenfalls aber zwingend eine sozialversicherungsrechtliche Bewertung der im Betrieb tätigen Ehegatten und geschäftsführenden GmbH-Gesellschafter vorzunehmen hätten. Im Bescheid erfolge allerdings keine solche sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 2) bei der Klägerin. Aus § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV in Verbindung mit § 7 Abs. 4 S. 2 BVV ergebe sich aber lediglich ein formaler Anspruch auf Vornahme einer solchen Bewertung. Aus dem Fehlen dieser Bewertung erwachse kein Vertrauensschutz. Auch aus den Bescheiden der T Krankenkasse, in denen die Beigeladene zu 2) als selbststständig bezeichnet werde, ergebe sich kein schutzwürdiges Vertrauen. Entgegen der Ausführungen der Klägerin erwachse aus § 7a Abs. 2 SGB IV keine Pflicht der Krankenkasse das Statusverfahren bei der Clearingstelle der deutschen Rentenversicherung einzuleiten. § 7a Abs. 2 SGB IV begründe lediglich die alleinige Kompetenz der Rentenversicherung für das sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungsverfahren. Eine Meldepflicht treffe gemäß § 28a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB IV den Arbeitgeber, nicht die Krankenkasse. Es habe der Klägerin im Übrigen freigestanden gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV selbst ein Statusfeststellungsverfahren einzuleiten. Die Klägerin gehe auch nicht davon aus, dass die Krankenkasse ein Statusfeststellungsverfahren eingeleitet habe. Dies habe sie gegenüber der Beklagten in einem im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens eingereichten Fragebogen vom 05.12.2017 angegeben. Überdies seien bezüglich der Berechnung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge Fehler weder vorgetragen noch ersichtlich. Zudem habe die Klägerin keine unverschuldete Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt, weshalb die Beklagte zu Recht Säumniszuschläge erhoben habe.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigen am 13.09.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12.10.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie nimmt auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren und in erster Instanz Bezug und macht ergänzend geltend, die Beigeladene zu 2) habe das Unternehmen als Firmeninhaberin in jeglicher Hinsicht nach außen und innen geleitet. Die Eheleute hätten mit der UG nicht eine „GmbH light" gegründet, auf die die Rechtsprechung des BSG übertragbar sei. Es handele sich um einen kleinen Betrieb, der von der unmittelbaren Mitarbeit der Eheleute lebe. Es gehe nicht darum, eine „Rechtsmacht" zu verteilen, sondern am Markt mit einer Firma aufzutreten, die für die Kunden und Geschäftspartner nicht nur geschäftliches Knowhow repräsentiere, sondern auch eine gewisse Stabilität. Es gehe um Umsicht und geschäftliches Knowhow, um die äußerst fragilen Aufträge so zu erledigen und zu gestalten, dass Insolvenz verhindert und den Lebensunterhalt sichernde Erlöse erzielt werden könnten. Die UG habe nur deshalb so lange bestehen können, weil Umsätze und Kapital extrem niedrig gewesen seien, so dass die nach dem GmbH-Gesetz vorgesehene automatische Umwandlung in eine GmbH nicht eingetreten sei. In keiner der vom SG zitierten Entscheidungen habe sich das BSG mit einer UG und deren Besonderheiten auseinandergesetzt. Anders als im Falle einer GmbH dominierten die Unternehmer - hier Beigeladene zu 2) und ihr Ehemann - die Gesellschaft eben unternehmerisch. Die Dominanz der Beigeladenen zu 2) ergebe sich aus ihrer Position als Geschäftsführerin. Eine Rechtsmacht der Gesellschafter-Versammlung habe es in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht gegeben. Die UG werde gegründet mit einem Stammkapital von 1 € pro Gesellschafter. Ein solcher Kapitalanteil könne keine Rechtsmacht verleihen, wie dies seit einigen Jahren seitens des BSG für die GmbH judiziert werde. Aus der Rechtsprechung u.a. des erkennenden LSG ergebe sich, dass Gesellschafter-Geschäftsführer einer UG, soweit sie diese als Unternehmer führten, selbstständig seien. Die davon abweichende Würdigung in dem Gerichtsbescheid, die Beigeladene zu 2) habe eine „Tätigkeit nach Weisungen ausgeübt", entbehre jeder Grundlage. Die Beigeladene zu 2) habe nicht eine Tätigkeit nach Weisungen ausgeübt, sondern die UG wie eine Einzelunternehmerin geführt, und zwar umfassend. Die Unternehmerleitung habe in der Hand der Beigeladenen zu 2) gelegen, sowohl tatsächlich als auch rechtlich. Im Jahr 2008 habe es eine Rechtsprechung des BSG oder anderer Gerichte, die die Mitunternehmer einer UG verpflichteten, im Gesellschaftsvertrag Regelungen über eine Sperrminorität aufzunehmen, um die gewollte Unternehmerschaft auch im Lichte des § 7 SGB IV zu dokumentieren, nicht gegeben. Die Beklagte habe außerdem mit ihrem Schreiben vom 17.09.2013 die von der Beigeladenen zu 2) gelebte und praktizierte Selbstständigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin als rechtmäßig akzeptiert. Außerdem habe die für die Beigeladene zu 2) als Einzugsstelle zuständige T Krankenkasse mit Bescheid vom 21.12.2009 bestätigt, dass die Beigeladene zu 2) als Selbstständige bei der T Krankenkasse krankenversichert sei. Wenn die Kasse es zu Unrecht versäumt habe, das Statusfeststellungsverfahren einzuleiten und wenn die Betriebsprüfung im Jahr 2013 die Selbstständigkeit ebenfalls bestätigt habe, ohne eine Statusfeststellung einzuleiten, könne es nicht zu Lasten der Klägerin gehen, dass sie im Zeitraum 2013 bis 2016 Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht entrichtet habe. Die Klägerin könne sich insoweit auf Vertrauensschutz berufen. Hinzu komme, dass die Beigeladene zu 2) das Versicherungsverhältnis mit der privaten Krankenversicherung nachträglich nicht mehr korrigieren könne. Zu berücksichtigen sei überdies, dass die Beklagte in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Bescheids die Versicherungsfreiheit der Beigeladenen zu 2) in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung festgestellt habe. Auch das SG gehe von Versicherungsfreiheit in diesen Sozialversicherungszweigen aus. Die Beklage möge den Tenor ihres Bescheids abändern und bestätigen, dass Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht zu entrichten seien. Jedenfalls dürfe die Beklagte keine Säumniszuschläge erheben.
Hinsichtlich der im Bescheid vom 16.03.2018 festgesetzten Säumniszuschläge hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.06.2022 ein Teilanerkenntnis erklärt, das die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.07.2022 angenommen hat. Im Übrigen hat sie ihre Berufung aufrechterhalten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.09.2021 und den Bescheid der Beklagten vom 16.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2018 vollumfänglich aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung – soweit sie sich durch ihr Teilanerkenntnis nicht erledigt hat – zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend, soweit Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 2) bei der Klägerin erhoben werden. Bei der Formulierung „Versicherungsfreiheit“ im Bescheid vom 16.03.2018 handele es sich ausweislich des Tenors und der nachgeforderten Beiträge um einen Schreibfehler. Ein solcher offensichtlicher Fehler könne nach § 38 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) jederzeit berichtigt werden. Nach Abschluss des Verfahrens werde die Beklagte die Korrektur durchführen.
Die Beigeladenen haben sich nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 2 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einem streitigen Forderungsbetrag von 42.206,08 € den erforderlichen Betrag von 750,00 € übersteigt.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wegen der Beschäftigung der Beigeladenen zu 2) herangezogen.
1. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig. Die Beklagte hat als zuständige Behörde gehandelt. Rechtsgrundlage des Bescheids ist § 28p Abs. 1 SGB IV. Hiernach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die in Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insb. die Richtigkeit der Beitragszahlung und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Im Rahmen der Prüfung erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV; vgl. zur Zuständigkeit für den Erlass von Nachforderungsbescheiden auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.07.2010 - L 11 R 2595/10 ER-B -, in juris). Der Bescheid der Beklagten ist auch im Übrigen formell rechtmäßig. Insbesondere hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass des belastenden Bescheids ordnungsgemäß angehört (§ 24 Abs. 1 SGB X).
2. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beigeladene zu 2) war in der streitgegenständlichen Zeit vom 01.01.2013 bis zum 30.04.2016 bei der Klägerin abhängig beschäftigt. Damit unterlag sie der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
a) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gemäß § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>) und der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB XI>). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist dabei jeweils § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur „dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein (dazu BSG, Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R -, in juris). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urteil vom 19.06.2001 - B 12 KR 44/00 R -, in juris). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl. BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R -, in juris). Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren oder nicht ausreichend nutzen zu können; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.
Das für eine selbstständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung nicht wesentlich bestimmen (BSG, Beschluss vom 16.08.2010 - B 12 KR 100/09 B -, in juris). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R -, in juris).
Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung; vergleiche zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 16.08.2017 - B 12 KR 14/16 R - und Urteil vom 31.03.2017 - B 12 R 7/15 R - ; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht (BVerfG) [Kammer], Beschluss vom 20.05.1996 - 1 BvR 21/96 -, alle in juris). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalles als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 23.05.2017 - B 12 KR 9/16 R -, in juris).
Ausgangspunkt der Prüfung der Statusbeurteilung sind die (der jeweiligen Tätigkeit zugrundeliegenden) Vereinbarungen, die die Beteiligten – schriftlich oder ggf. auch nur mündlich – getroffen haben. Behörden und Gerichte müssen den Inhalt dieser Vereinbarungen feststellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel“ handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann ggf. den Inhalt des durch das Scheingeschäft verdeckten Rechtsgeschäftes festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der (der jeweiligen Tätigkeit zugrunde liegenden) Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder zum Typus der selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 14.03.2018 a.a.O., Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R -, in juris).
b) Diese Maßstäbe gelten nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch für Geschäftsführer einer GmbH (vgl. BSG, Urteil vom 23.02.2021 - B 12 R 18/18 R -, in juris, Rn. 14 f. m.w.N., Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R -, in juris), und zwar ungeachtet der konkreten Bezeichnung des der Geschäftsführertätigkeit zugrundeliegenden Vertrages. Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet eine selbstständige Tätigkeit grundsätzlich aus (BSG, Urteil vom 23.02.2021 - B 12 R 18/18 R -, in juris, Rn. 15, Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R -, in juris). Die frühere sog. „Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach ein Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch ein Angestellter unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, ausnahmsweise als selbstständig angesehen worden ist, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn die Gesellschafter daran hinderten, hat das BSG ausdrücklich aufgegeben (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R -, in juris). Die Maßgeblichkeit des rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhaltens der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG, Urteil vom 29.07.2015 - B 12 KR 23/13 R -, im juris). Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende („echte" oder „qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist, bzw. er kraft seiner Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft in der Lage ist, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine „unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 01.02.2022 - B 12 R 20/19 R -; BSG, Urteil vom 08.07.2020 - B 12 R 26/18 R -, BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R -; BSG, Urteil vom 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R -; BSG, Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R -; BSG Urteil vom 29.06.2016 - B 12 R 5/14 R -; BSG, Urteil vom 24.09.1992 - 7 RAr 12/92 -, alle in juris). Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein; sie muss im Gesellschaftsrecht wurzeln (BSG, Urteil vom 08.07.2020 - B 12 R 18/18 R -, in juris). Außerhalb von Gesellschaftsverträgen (Satzungen) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29.07.2015 - B 12 KR 23/13 R -, in juris), Stimmbindungsabreden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R -, in juris) oder Veto-Rechte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R -, in juris) zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH sind nicht zu berücksichtigen. Sie vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Unabhängig von ihrer Kündbarkeit genügen die das Stimmverhalten regelnden Vereinbarungen nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände. Im Interesse sowohl der Versicherten als auch der Versicherungsträger ist die Frage der (fehlenden) Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit oder abhängiger Beschäftigung schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil es darauf nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des Betroffenen ankommt (BSG, Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R -, in juris).
c) Nichts anderes gilt für Geschäftsführer einer UG. Die Unternehmergesellschaft ist eine Gesellschaft mit Haftungsbeschränkung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie bereits mit einer Mindesteinlage von 1 € gegründet werden kann und sich bei Erreichen einer Stammeinlage von 25.000 € automatisch in eine Voll-GmbH umwandelt (s. § 5a GmbHG). Sie kann in einem vereinfachten Verfahren nach Musterprotokoll gegründet werden, wenn sie höchstens drei Gesellschafter und (nur) einen Geschäftsführer hat (s. § 2 Abs. 1a GmbHG). Damit stellt die UG lediglich eine Rechtsformvariante der GmbH dar; alle Vorschriften des GmbHG und des gesamten deutschen Rechts, die die GmbH betreffen, gelten ohne Weiteres auch für diese Gesellschaft mit Ausnahme der ausdrücklichen Sonderregelungen des § 5a GmbHG (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen <MoMiG> vom 23.10.2008, BT-Drucks 16/6140, S. 31; H. Bartl in: Bartl/Bartl/Beine/Koch/Schlarb/Schmitt, GmbH-Recht, 8. Aufl. 2019, § 5a Unternehmergesellschaft, Rn. 20 f.).
d) Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die Beigeladene zu 2) bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum abhängig beschäftigt.
Ein schriftlicher Geschäftsführervertrag existierte nach dem Vortrag der Klägerin und der Beigeladenen zu 2) nicht. Nach den übereinstimmenden Angaben war die Beigeladene zu 2) an keine Weisungen gebunden und führte das Unternehmen wie eine Firmeninhaberin. Sie war vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit. Eine monatlich gleichbleibende Vergütung war nicht vereinbart; die Vergütung sollte sich nach der Liquidität der Klägerin richten.
Für sich betrachtet sprechen diese (mündlichen) Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 2) nicht für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Sie stehen aber auch der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen. Die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB spricht – wie das BSG wiederholt entschieden hat – nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit (BSG, Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R -, in juris, Rn. 18 m.w.N.). Zudem erhielt die Beigeladene zu 2) im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich durchgehend einen festen Monatsbetrag als Vergütung, die zudem der Lohnsteuer unterworfen wurde. Darüber hinaus hätte die Beigeladene zu 2) ihr nicht genehme Weisungen nicht verhindern können. Sie war nur als Minderheitsgesellschafterin mit einer Beteiligung von 49,8 % am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Nach § 47 GmbHG erfolgen die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen; jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. Zudem war ihre Abberufung als Geschäftsführerin jederzeit nach § 38 Abs. 1 GmbHG möglich. Die Beigeladene zu 2) konnte damit weder alleine eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung herbeiführen noch wesentliche Entscheidungen verhindern. Da auch die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern mit einfacher Mehrheit in der Gesellschafterversammlung vorgenommen werden konnte, hätte die Beigeladene zu 2) auch ihre eigene Absetzung als Geschäftsführerin nicht verhindern können. Die Vereinbarung, dass der für die Gründung einer GmbH gestaltete Gesellschaftsvertrag, der für Abstimmungen eine Mehrheit von 75 % der Stimmen vorsah, auch für die UG Anwendung finden sollte, war lediglich mündlich getroffen und nicht im Gesellschaftsvertrag verankert, sodass damit eine die abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht nicht wirksam begründet werden konnte (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R -, in juris).
Im Blick auf das Gesamtbild des Einzelfalls gelangt der Senat daher, trotz der – nach dem Vortrag der Klägerin und Beigeladenen zu 2) – nicht ausgeübten Weisungsbefugnis gegenüber der Beigeladenen zu 2), in Ansehung dessen, dass sie nicht über die Rechtsmacht verfügte, auf die Geschicke der Klägerin maßgeblich Einfluss zu nehmen, zu der Überzeugung, dass die Beigeladene zu 2) ihre Tätigkeit für die Klägerin als deren Geschäftsführerin in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt hat und daher im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.04.2016 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
e) Aus der Versicherungspflicht folgt die Beitragspflicht für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 2) bei der Klägerin. Fehler hinsichtlich der Berechnung der Beiträge sind nicht ersichtlich und wurden nicht geltend gemacht.
Soweit in der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 16.03.2018 fälschlicherweise die „Versicherungsfreiheit“ anstatt „Versicherungspflicht“ in der gesetzlichen Krankenversicherung festgestellt wird, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, der im Widerspruchsbescheid vom 08.11.2018 berichtigt wurde.
f) Die Klägerin kann sich nicht auf Bestands- oder Vertrauensschutz aufgrund vorangegangener Betriebsprüfungen berufen. Das BSG hat wiederholt ausgeführt, dass sich eine materielle Bindungswirkung lediglich insoweit ergeben könnte, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden. Dies war hier nicht der Fall. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 17.09.2013 ergeben sich keine personenbezogenen Feststellungen von Selbstständigkeit. Eine „beanstandungsfrei" verlaufene Betriebsprüfung vermittelt keinen Bestandsschutz gegenüber einer späteren Beitragsforderung, selbst wenn sie auf Stichproben beschränkt war (BSG, Urteil vom 04.09.2018 - B 12 R 4/17 R -, in juris; vgl. auch BSG, Urteile vom 18.11.2015 - B 12 R 7/14 R -, in juris und 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R -, in juris). Soweit derart unkonkrete Prüfmitteilungen nach der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.09.2019 - B 12 R 25/18 R -, in juris) hinter den Anforderungen des § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV in Verbindung mit dem mit Wirkung zum 01.01.2017 durch das Sechste Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 11.11.2016 (BGBl. I 2500) eingefügten § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 BVV zurückbleiben und sich Betriebsprüfungen zwingend auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende GmbH-Gesellschafter, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt ist, erstrecken müssen, kann daraus zwar möglicherweise noch ein (formaler) Anspruch des Arbeitgebers auf Bescheidung in Frage kommen. Hieraus kann aber kein Bestands- und Vertrauensschutz für die Vergangenheit begründet werden, weil es an einem die Beanstandungsfreiheit regelnden Verwaltungsakt gerade fehlt. Eine materielle Bindungswirkung kann sich auch weiterhin nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch Verwaltungsakt festgestellt worden sind (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 19.09.2019 - B 12 R 25/18 R -, in juris).
g) Auch aus den im Verfahren beim SG von der Klägerin vorgelegten Schreiben der T Krankenkasse folgt kein Vertrauens- oder Bestandsschutz. Zum einen betreffen diese nicht den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.04.2016, sondern lediglich die Beitragsfestsetzung für die Zeit bis 31.03.2010 und die Zeit ab 01.05.2016. Zum anderen kann nicht allein aus der Tatsache, dass die Beigeladene zu 2) bei der T Krankenkasse ab 01.01.2009 als Selbstständige behandelt und freiwillig versichert wurde, darauf geschlossen werden, dass die Krankenkasse eine förmliche Entscheidung über das Nichtvorliegen einer abhängigen Beschäftigung bzw. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung getroffen hat. Ein entsprechender Bescheid wurde nicht vorgelegt. Die Beigeladene zu 2) bestätigt zudem selbst im Feststellungsbogen gegenüber der Beklagten, dass eine Statusentscheidung durch die Krankenkasse nicht erfolgt ist. Ohne eine solche förmliche Entscheidung, kann aber ein Vertrauensschutz nicht begründet werden, selbst wenn die Krankenkasse verpflichtet gewesen wäre, den sozialversicherungsrechtlichen Status durch Verwaltungsakt festzustellen. Ein obligatorisches Statusfeststellungsverfahren hätte die Krankenkasse überdies nur dann nach § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV einleiten müssen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a SGB IV ergeben hätte, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Eine solche Meldung hat die Klägerin indes nicht abgegeben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt das teilweise Obsiegen der Klägerin infolge des Teilanerkenntnisses der Beklagten. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese keine Sachanträge gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben.
IV. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
V. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.