Zu dem für den Streitgegenstand maßgeblichen Klagegrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Beteiligten ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat. Eine Mehrheit von Streitgegenständen liegt auch bei gleichem Antrag dann vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche erkennbar unterschiedlich ausgestaltet, weil die Tatbestandsvoraussetzungen an unterschiedlichen Lebenssachverhalten anknüpfen (hier bejaht für die Tatbestandsvoraussetzungen von § 19 Abs. 6 SGB XII einerseits und § 25 SGB XII andererseits).
Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. November 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beider Instanzen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattungspflicht für die Krankenhausbehandlung des Herrn A. A., geboren 1946, verstorben 2013, im Zeitraum vom 31. Juli 2013 bis 4. September 2013.
A. A. (im Weiteren auch: der Betroffene) war deutscher Staatsangehöriger und wohnte mit seiner Ehefrau C. C. zuletzt in Kairo/Ägypten. Nach 1983 war er überwiegend im nicht europäischen Ausland berufstätig. Im Jahr 2006 hielt er sich für wenige Monate in Deutschland auf, bezog Arbeitslosengeld II und war bei der Beigeladenen versichert. In den Jahren 2006 und 2007 unterhielt er eine Wohnung in Alexandria/Ägypten. Aus Verträgen aus dieser Zeit geht auch eine Wohnung in D-Stadt hervor. Seine Meldung in der Bundesrepublik Deutschland erhielt er aufrecht. Beruflich war er zuletzt ausweislich der Angaben gegenüber der Beigeladenen und seiner Schwägerin, Frau M., gegenüber dem Beklagten als selbständiger Berater bzw. im Bereich Marketing in den Vereinigten Arabischen Emiraten (Dubai) und Saudi-Arabien tätig. Ab 1983 bis mindestens 2010 war er bei Lloyd in Dubai privat krankenversichert; die Versicherung umfasste nach den Angaben des Betroffenen gegenüber der Beigeladenen keinen Auslandskrankenversicherungsschutz. Im Jahr 2010 bemühte er sich wegen des bevorstehenden Altersrentenbezuges um eine Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner. Gegenüber der Beigeladenen teilte die Schwägerin des Betroffenen mit, er habe im April 2011 einen Schlaganfall in Ägypten erlitten und sei dort auch stationär behandelt worden. Er bezog eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Bund, ab 1. Juli 2013 mit einem Zahlbetrag von 635,32 €. Die Korrespondenz mit der Deutschen Rentenversicherung Bund wurde über die Adresse C-Straße in C-Stadt, der Anschrift seines Bruders und der Schwägerin, geführt. Nach Angaben der Beigeladenen war Herr A. noch bis zum September 2013 im Besitz einer Versicherungskarte der Beigeladenen, es seien aber ab 2011 keine Leistungen mehr abgerechnet worden. Den Krankenhausaufenthalt 2011 in Ägypten hat nach den Angaben der Schwägerin des Betroffenen der Vater der Ehefrau bezahlt.
Am 15. Juli 2013 meldete sich die Schwägerin des Herrn A. bei dem Gesundheitsamt des Beklagten und teilte mit, der Hausarzt ihres Schwagers habe bei diesem eine Tuberkulose festgestellt. Ihr Schwager sei jedoch nicht krankenversichert. Er lebe viele Monate des Jahres bei seiner Frau in Ägypten und sei immer nur für wenige Monate in Deutschland. Er beziehe seit 2010 eine Rente. Vor 2006 sei er einmal freiwillig bei der AOK versichert gewesen.
Daraufhin wurde der Betroffene am 15. Juli 2013 in das St. Katharinen-Krankenhaus Frankfurt am Main stationär aufgenommen und erteilte der Beklagte dem genannten Krankenhaus unter dem 22. Juli 2013 Kostenzusage zur Abklärung des Tuberkuloseverdachtes für die Dauer von 14 Tagen. Im Kostenübernahmevordruck findet sich folgender Eintrag: „Patient bezieht eine Rente und lebt mietfrei i. Haus seines Bruders; ein Krankenversicherungsverhältnis besteht nicht; seine Ehefrau verfügt über kein Einkommen oder Vermögen.“
Nach einem Aktenvermerk des Gesundheitsamtes des Beklagten habe die Schwägerin (Frau M.) am 29. Juli 2013 einen Termin beim Sozialamt gehabt. Ausweislich eines weiteren Aktenvermerks des Gesundheitsamtes habe die Schwägerin (Frau M.) des Betroffenen dort am 30. Juli 2013 vorgesprochen. Nach deren Angaben beziehe er eine Rente seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von ca. 650 € und wohne bei Frau M. mietfrei. Da er keine Leistungen vom Sozialamt erhalte, könne ihn dieses nicht krankenversichern. Seinen Krankenversicherungsbeitrag könne er von seiner Rente bezahlen. Es sei daher eine Bescheinigung ausgestellt worden, wonach der Betroffene nicht im Sozialhilfebezug stehe, die der Beigeladenen vorzulegen sei. Am 30. Juli 2013 ist nach dem Aktenvermerk des Dr. H. (Bl. 34 der Verwaltungsakte) durch Frau D. im Kreissozialamt auch ein Sozialhilfeantrag mangels Bedürftigkeit abgelehnt worden.
Mit Schreiben vom 30. Juli 2013 (Bl. 24 d.A.) bat das St. Katharinen-Krankenhaus die Klinik der Klägerin um Verlegung zu ihr wegen des „dringenden Verdachts“ auf ein Bronchialkarzinom. Im Schreiben wird weiter ausgeführt: „Leider besteht bei dem Patient[en], der lange im Ausland lebte, aber Deutscher ist, derzeit keine Krankenversicherung. (…) Aufgrund des dringlichen Behandlungsbedarfes bitte ich sie trotzdem um Übernahme“. Aus dem Entlassungsbericht des St. Katharinen-Krankenhauses vom 31. Juli 2013 geht hervor, dass sich bei Herrn A. der Tuberkuloseverdacht nicht bestätigt habe, sondern bei diesem ein hochgradiger Verdacht auf ein peripheres Bronchialkarzinom mit ossärer Metastasierung diagnostiziert worden sei. Am Mittwoch, den 31. Juli 2013 um 13:05 Uhr wurde der Betroffene in der Pneumonologie der Klinik der Klägerin aufgenommen.
Unter dem 1. August 2013 übersandte die Klägerin dem Beklagten die Mitteilung über die Aufnahme zur vollstationären Krankenbehandlung am 31. Juli 2013 mit der Aufnahmeart „Normalfall“. Dessen Anschrift ist in der Mitteilung mit C-Straße, C-Stadt angegeben. Diese Anschrift ergibt sich auch aus einem Aufnahmeformular des St. Katharinen-Krankenhauses vom 22. Juli 2013. Zugleich bat die Klägerin den Beklagten mit dem vorgenannten Schreiben um Mitteilung, ob er die Kosten der Krankenhausbehandlung übernehme.
Durch Bescheid vom 7. August 2013 lehnte der Beklagte die Kostenübernahme ab und führte in der Begründung aus, zum Zeitpunkt der Leistungserbringung durch die Klägerin habe der Betroffene weder im Bezug von Sozialleistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB II) gestanden noch nach denen des 3., 4., 6. oder 7. Kapitels des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII). Der Genannte gehöre somit zum Personenkreis, für den ein vorrangiger Anspruch auf Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Krankenkasse im Sinne des § 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) bestehe. Aufgrund dieser Regelung seien die stationären Kosten über die Krankenversicherung zu tragen.
Am 22. August 2013 legte die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 7. August 2013 Widerspruch ein und trug vor, derzeit bemühten sich die Angehörigen des Betroffenen um eine Pflichtversicherung. Mittlerweile liege aber auch eine Kopie der Kostenzusage des Gesundheitsamtes des Beklagten an das St. Katharinen-Krankenhaus vor, so dass wohl grundsätzlich von der Hilfebedürftigkeit des Betroffenen ausgegangen werden könne. Sofern eine Pflichtversicherung zustande kommen werde, so werde der Widerspruch zurückgezogen. Allerdings habe die Beigeladene eine Kostenübernahme bislang abgelehnt.
Mit Entlassungsanzeige vom 4. September 2013 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, der Betroffene sei am 4. September 2013 verstorben.
Mit Schreiben vom 6. November 2014 führte die Klägerin aus, es frage sich, warum dem St. Katharinen-Krankenhaus eine Kostenübernahme ausgestellt worden sei, ihr gegenüber indes die Übernahme der Kosten abgelehnt werde. Zugleich legte die Klägerin ein Schreiben der Beigeladenen vom 30. Oktober 2014 vor, in welchem es heißt, nach den Angaben der Schwägerin des Betroffenen müsse davon ausgegangen werden, dass dieser zuletzt Mitglied bei einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewesen sei. Außerdem sei die Regelung des § 52a SGB V zu beachten. Diese Vorschrift besage, dass ein Leistungsausschluss bestehe, sofern sich Personen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begäben, um in einer Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (missbräuchlich) Leistungen in Anspruch zu nehmen.
Mit Schreiben vom 12. November 2014 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Kostenzusage gegenüber dem St. Katharinen-Krankenhaus seinerzeit im Hinblick auf den Tuberkuloseverdacht erteilt und die dortige stationäre Behandlung nach dem Infektionsschutzgesetz angeordnet worden sei.
Durch Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte in der Begründung aus, ein Erstattungsanspruch nach § 25 SGB XII bestehe nur dann, wenn die Sozialhilfe die Leistung zu erbringen gehabt hätte, sofern der Sozialhilfeträger rechtzeitig damit befasst worden wäre und ein Eilfall vorliege. Zum Zeitpunkt der Aufnahme des Betroffenen in die Krankenhausbehandlung bei der Klägerin sei offenbar noch nicht geklärt gewesen, ob dieser krankenversichert sei. Abgesehen davon scheitere die Leistungspflicht nach § 25 SGB XII bereits daran, dass der Betroffene als „Normalfall“ und nicht als „Eilfall“ aufgenommen worden sei, was die Klägerin in dem Antrag auf Kostenübernahme selbst angegeben habe. Des Weiteren sei ermittelt worden, dass der Betroffene ein zur Deckung des Krankenversicherungsschutzes ausreichendes Einkommen zur Verfügung gehabt habe. Hierauf komme es jedoch im Ergebnis nicht an, weil noch gar nicht abschließend festgestellt worden sei, ob der Betroffene zum Kreis der Versicherungspflichtigen in der gesetzlichen Krankenversicherung gehört habe. Die Versicherungspflicht scheitere jedenfalls nicht an § 5 Abs. 8a SGB V, da er keine der dort aufgezählten Leistungen bezogen habe. Demgegenüber seien die Angaben zu einer eventuell einmal vorhanden gewesenen privaten Krankenversicherung widersprüchlich. Eine private Krankenversicherung würde eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach der Auffangvorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V allerdings nur dann ausschließen, wenn zwischenzeitlich kein anderer Versicherungsschutz bestanden haben würde. Jedoch bestünde dann nach § 193 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) die Verpflichtung, sich bei einer privaten Krankenkasse zu sichern. Gleichwohl würde es in beiden Fallvarianten nicht zum Einsetzen der Sozialhilfe gekommen sein.
Hiergegen hat die Klägerin am 18. Juni 2015 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.
Sie hat vorgetragen, die stationäre Behandlung des Betroffenen sei sehr wohl eilbedürftig gewesen. So habe der behandelnde Arzt seinerseits darauf hingewiesen, dass wegen der „oberen Einflussstauung“ Eile geboten gewesen sei. Es gebe daher keinen Zweifel daran, dass die Klägerin ähnlich wie das St. Katharinen-Krankenhaus als Nothelfer eingesprungen sei. Zwar sei nicht gleich eine vom St. Katharinen-Krankenhaus angedachte Strahlentherapie eingeleitet worden, aber es sei unter den erschwerten Bedingungen die Diagnostik erfolgreich mit einer Diagnosesicherung durchgeführt und abgeschlossen worden. Andererseits komme die Beigeladene als leistungspflichtig in Betracht. Zwar habe die dortige Mitgliedschaft des Betroffenen zum 30. September 2006 geendet, gleichwohl habe dieser zum leistungsberechtigten Personenkreis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gehört. Auch sei eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen nach § 52a SGB V im Falle des Betroffenen wohl nicht gegeben. Dieser sei deutscher Staatsangehöriger gewesen und habe in Deutschland über intakte familiäre Beziehungen verfügt. Eine Missbrauchsabsicht sei nicht zu erkennen. Sofern aber der Betroffene nach den Angaben der Beigeladenen noch bis September 2013 eine gültige Versicherungskarte in Besitz gehabt habe, sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beigeladene für die streitgegenständliche Krankenhausvergütung nicht aufkommen wolle. Dies stehe zudem im Widerspruch zur Angabe der Beigeladenen, der Betroffene sei lediglich bis 30. September 2006 bei ihr krankenversichert gewesen.
Die Klägerin hat zuletzt erstinstanzlich beantragt, die Beigeladene zu verurteilen, an die Klägerin 12.204,17 € für die stationäre Krankenbehandlung des Herrn A. in der Zeit vom 31. Juli 2013 bis 4. September 2013 zu zahlen, hilfsweise, den Bescheid vom 7. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin als Nothelferin im Sinne des § 25 SGB XII die Kosten für die Krankenbehandlung des Herrn A. für den vorgenannten Zeitraum i.H.v. 12.204,17 € zu zahlen.
Der Beklagte hat vorgetragen, ein Anspruch aus § 25 SGB XII gegen ihn scheitere schon daran, dass der Leistungsfall bei Antragstellung der Klägerin bereits bekannt gewesen sei. Mit dieser Kenntnis ende jedoch der Nothelferanspruch und es könne ab diesem Zeitpunkt nur noch ein Anspruch des Hilfebedürftigen selbst in Betracht kommen. Insoweit sei die Klägerin gerade nicht wie das St. Katharinen-Krankenhaus als Nothelfer eingesprungen, da diesem die Kostenzusage im Hinblick auf den Tuberkuloseverdacht erteilt worden sei. Aber auch die weiteren Voraussetzungen des § 25 SGB XII seien nicht gegeben. So seien in den ersten Tagen der Aufnahme des Betroffenen keine eilbedürftigen Maßnahmen getroffen worden. Sei eine medizinische Behandlung nicht sofort erforderlich, so sei das Vorliegen eines Eilfalles zu verneinen. Auch sei das sozialhilferechtliche Moment nicht gegeben gewesen, da der Genannte zum Zeitpunkt der behaupteten Nothilfe keinen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt habe. Vorrangig seien daher die Leistungen der Krankenversicherung. Aber abgesehen davon habe der Betroffene auch keinen Anspruch auf Krankenhilfe nach dem SGB XII gehabt, sondern sei im Hinblick auf sein Renteneinkommen und sein mietfreies Wohnen in der Wohnung seines Bruders in der Lage gewesen, sich etwa durch Abschluss einer freiwilligen Krankenversicherung im Hinblick auf den Krankenversicherungsschutz selbst zu helfen. Ein sozialhilferechtlicher Bedarf habe daher nicht bestanden. Schließlich sei sehr zweifelhaft, im Falle des Betroffenen Missbräuchlichkeit i.S.d. § 52a SGB V anzunehmen, weil er schon allein wegen seiner deutschen Staatsangehörigkeit ein Recht zur Rückkehr in sein Heimatland gehabt, hier über intakte Familienbeziehungen verfügt habe und nicht ausgeschlossen werden könne, dass er auch aufgrund dieses verwandtschaftlichen Rückhalts seinerzeit seinen Aufenthalt hier gewählt habe. Insoweit sei auf das Urteil des Sächsischen LSG vom 17. Mai 2016 hinzuweisen (L 8 SO 139/13).
Die Beigeladene hat unter Stellung eines Klageabweisungsantrages vorgetragen, sie habe recherchiert, dass der Betroffene mit vielen und zum Teil langjährigen Unterbrechungen zuletzt bis 30. September 2006 bei ihr krankenversichert gewesen sei. Er habe sich seit 1983 im nichteuropäischen Ausland aufgehalten und sei nach Angaben seiner Schwägerin zumindest in Dubai privat krankenversichert gewesen. Aus den bekannten Umständen könne zwar der Schluss gezogen werden, dass der Betroffene nach dem 30. September 2006 keiner anderen gesetzlichen Krankenkasse in Deutschland angehört habe. Sie - die Beigeladene - gehe aber gleichwohl davon aus, dass ein Vergütungsanspruch gegen sie nicht bestehe. Dies ergebe sich daraus, dass nach ihren weiteren Recherchen der Betroffene noch bis September 2013 im Besitz einer gültigen Versicherungskarte gewesen sei, die er nicht zurückgegeben habe. Allerdings seien ab 2011 keinerlei Leistungen aufgrund der Nutzung der Versicherungskarte abgerechnet worden. Daraus sei zu schließen, dass der Betroffene sich erst kurz vor dem Aufenthalt im St. Katharinen-Krankenhaus nach Deutschland begeben habe. Aus einem Versicherungsverhältnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V habe ihm daher kein Leistungsanspruch zugestanden, weil diese Umstände dafürsprächen, dass er gerade zum Zwecke der Krankenbehandlung eingereist sei. Damit entfalle nach § 52a SGB V sein Leistungsanspruch und somit auch der Vergütungsanspruch der Klägerin.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29. November 2019 die Beigeladene verurteilt, an die Klägerin 12.204,17 € für die Kosten der in der Zeit vom 31. Juli 2013 bis 4. September 2013 durchgeführten Behandlung des Herrn A. zu zahlen. Die zulässige Klage sei insoweit begründet, als die Beigeladene auf der Grundlage des § 75 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Zahlung der Kosten zu verurteilen gewesen sei, die durch die Behandlung des Herrn A. in der Klinik der Klägerin in der Zeit vom 31. Juli 2013 bis 4. September 2013 in Höhe von 12.204,17 € entstanden seien. Denn die Beigeladene sei aufgrund der Auffang-Versicherungspflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V leistungspflichtig. Hinsichtlich einer ab 1. Februar 2011 im Ausland und im Rahmen einer dortigen Beschäftigung offenbar bei einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung bestehenden Versicherung sei nicht ersichtlich, dass aufgrund dessen ein vollwertiger Versicherungsschutz nach den in Deutschland geltenden Vorschriften hätte herbeigeführt werden können. Auch gäbe es keine Anhaltspunkte dafür, dass Herr A. zeitlich kurz vor seinen stationären Behandlungen im Katharinen-Krankenhaus bzw. in der Klinik der Klägerin nach Deutschland eingereist gewesen sei, um i.S.d. § 52a SGB V missbräuchlich in den Krankenversicherungsschutz der Beigeladenen zu gelangen. Eine Verurteilung der Beigeladenen sei schließlich auch nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Zur Überzeugung der Kammer sei der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2016 – L 7 SO 2156/13 – nicht zu folgen. Insbesondere halte sich die Kammer für nicht grundsätzlich daran gehindert, in Fällen wie dem vorliegenden eine beigeladene Krankenkasse in der Sache zu verurteilen. Denn auch im vorliegenden Fall sei die Beiladung erfolgt, weil die Beigeladene als leistungsverpflichteter Versicherungsträger gemäß § 75 Abs. 2 SGG in Betracht gekommen sei und demzufolge auf der Grundlage des § 75 Abs. 5 SGG folgerichtig auch verurteilt werden könne. Ausreichend für eine solche Verurteilung sei es, wenn zwischen zwei Leistungen eine Wechselwirkung in dem Sinne bestehe, dass sie etwa auf ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet seien, jedoch die eine gegenüber der anderen vorrangig sei, sie sich also gegenseitig ausschlössen. Ein solches Ausschließlichkeitsverhältnis sei hier hinsichtlich des Streitgegenstandes zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen gegeben. Die im Streit stehenden Ansprüche – sozialhilferechtlicher Kostenübernahmeanspruch nach § 25 SGB XII einerseits und krankenversicherungsrechtlicher Vergütungsanspruch andererseits – seien zwar nicht identisch, jedoch auf das gleiche Ziel gerichtet, nämlich den „Ersatz der Aufwendungen“ desjenigen, der die Behandlungs- bzw. Nothilfeleistung erbracht habe. Hinzu komme, dass der Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gegenüber dem Nothelferanspruch vorrangig sei. Denn § 25 SGB XII greife nur ein, wenn keine vorrangige Leistungspflicht Dritter bestünde. Unbeachtlich sei dabei auch, dass richtige Klageart für den sozialhilferechtlichen Nothelferanspruch eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sei, wohingegen für den krankenversicherungsrechtlichen Vergütungsanspruch des Krankenhauses die echte Leistungsklage die richtige Klageart darstelle. Die demgegenüber vom LSG Baden-Württemberg in der vorgenannten Entscheidung geforderten Einschränkungen führten hingegen in ihrer Konsequenz zum grundsätzlichen Ausschluss der Verurteilung einer Krankenkasse in Verfahren eines Krankenhausträgers gegen den Sozialhilfeträger, so dass der wesentliche Zweck des § 75 Abs. 5 SGG, nämlich die Möglichkeit der Verurteilung des Beigeladenen aus Gründen der Prozessökonomie, in derartigen Fällen der Anspruchskonkurrenz stets entfiele.
Demgegenüber habe die Klägerin allerdings keinen Anspruch gegen den Beklagten aus § 25 SGB XII. Denn hinsichtlich der stationären Behandlung des Herrn A. in der Zeit vom 31. Juli 2013 bis 4. September 2013 lägen die Voraussetzungen für eine Erstattung jener Aufwendungen als Nothelferin zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Zwar könne auch die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechts und Betreiberin der Universitätskliniken aus der Vorschrift anspruchsberechtigt sein. Zur Überzeugung der Kammer sei im vorliegenden Fall aber weder ein Eilfall im Sinne des § 25 S. 1 SGB XII gegeben noch habe eine Leistungspflicht des Beklagten als Sozialhilfeträger bestanden. Zudem habe der Beklagte bereits Kenntnis von dem bei Herrn A. bestandenen medizinischen Notfall gehabt. Ein Eilfall im Sinne des § 25 SGB XII sei gegeben, wenn in einer plötzlich auftretenden Notlage sofort gehandelt werden müsse und nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen sei (Hinweis auf Bieback in Grube/Wahrendorf SGB XII Sozialhilfekommentar 5. Auflage 2014 § 25 Rn. 9). Ein solcher Eilfall sei insbesondere anzunehmen bei medizinischen Notfällen, wie z.B. akuten Erkrankungen, die ein sofortiges ärztliches Eingreifen und die Aufnahme in ein Krankenhaus dringend erforderten. Demgegenüber ist kein Eilfall gegeben in Bezug auf Operationen oder andere ärztliche Behandlungen, deren sofortige Durchführung aus medizinischer Sicht nicht indiziert sei. Aber auch die Notwendigkeit sofortiger Hilfeleistung allein genüge noch nicht zur Annahme eines Eilfalles. Denn trotz Vorliegens einer medizinischen Notlage sei ein solcher Eilfall ausgeschlossen, wenn es dem Nothelfer möglich sei, den Sozialhilfeträger von der Notlage zu unterrichten, so dass dieser selbst rechtzeitig helfen oder jedenfalls eine Hilfemöglichkeit prüfen könne. Ein Eilfall sei nicht zu erkennen. Abgesehen davon, dass die Klägerin die Aufnahmeart in ihrem Kostenübernahmeantrag vom 1. August 2013 selbst als „Normalfall“ bezeichnet habe, habe es zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme keinerlei unaufschiebbarer Maßnahmen bedurft, die die Klägerin hätten davon abhalten können, den Beklagten als Sozialhilfeträger vorab zu informieren. Denn Herr A. sei aus einer bereits zuvor durchgeführten 14-tägigen stationären Versorgung im St. Katharinen-Krankenhaus im Wege des Krankentransportes in die Klinik der Klägerin verlegt worden, so dass jedenfalls anzunehmen sei, dass er sich in einem stabilen und transportfähigen Zustand befunden habe. Auch ergebe sich aus den von der Klägerin vorgelegten und an diese gerichteten Arztbriefe des St. Katharinen-Krankenhauses vom 30. und 31. Juli 2013, dass die dort behandelnden Ärzte ihre bei der Klägerin weiterbehandelnden Kollegen vorab über die betreffend Herrn A. gestellten Diagnosen und Behandlungserfordernisse i.S. entsprechender Vorschläge/ Empfehlungen informiert hätten. Darüber hinaus heiße es in dem Arztbrief vom 31. Juli 2013 unter dem schreibtechnisch herausgehobenen Begriff „Sozialanamnese“ ausdrücklich: „Der Patient lebt seit mehreren Jahren in Ägypten, ist verheiratet. Bei Auslandsaufenthalt besteht derzeit keine gesetzliche oder freiwillige Krankenversicherung. Der Antrag bei der AOK läuft“. Damit sei gerade nicht anzunehmen gewesen, dass der Krankenversicherungsschutz des Herrn A. gesichert gewesen sei. Somit stehe fest, dass weder eine medizinisch unaufschiebbare Situation gegeben gewesen sei noch, dass Herr A. einen Versicherungsschutz gehabt habe. Des Weiteren ergebe sich aus der Verwaltungsakte des Beklagten, dass er freilich bereits aufgrund der Vorbehandlung des Herrn A. im St. Katharinen-Krankenhaus vom 15. Juli bis 31. Juli 2013 davon Kenntnis gehabt habe, dass bei dem Genannten das Bestehen einer Krankenversicherung fraglich gewesen sei. Schließlich sei für die Kammer auch nicht ersichtlich, dass überhaupt eine Leistungspflicht des Beklagten als Sozialhilfeträger gegenüber Herrn A. bestanden habe. Bei seiner stationären Aufnahme am 31. Juli 2013 habe bereits festgestanden, dass ihm ein Renteneinkommen in Höhe von 635,32 € zur Verfügung gestanden habe und er mietfrei bei seinem Bruder/Schwägerin wohnhaft gewesen sei. Das Bestehen sonstigen Einkommens bzw. Vermögens habe die Schwägerin mehrfach verneint, gleichwohl überstiegen dessen bereite Mittel den seinerzeit (2013) zu gewährenden Regelbedarf von 382 € zumindest dergestalt, dass er in der Lage gewesen sei, selbst einen Krankenversicherungsschutz herbeizuführen.
Die Klägerin habe jedoch einen Anspruch gegen die Beigeladene auf Zahlung der bei ihr durch die Behandlung des Herrn A. angefallenen Kosten aus der Auffang-Versicherungspflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V. Nach dieser Vorschrift seien versicherungspflichtig u.a. Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren.
Dies sei für den Versicherungsschutz in einer privaten Krankenversicherung auszuschließen. Denn unter einem „anderweitigen Versicherungsschutz“ im Sinne der vorgenannten Vorschrift sei nach dem Sinn und Zweck der Auffang-Versicherungspflicht nur ein voller Versicherungsschutz zu verstehen, so dass ein Teilschutz oder unzureichender Schutz in einer privaten Krankenversicherung gerade nicht ausreiche. Zwar habe Herr A. im Rahmen der Beantragung von Altersrente gegenüber einem Versichertenberater im November 2010 angegeben, er habe eine private Versicherung bei der Lloyds London/Dubai gehabt, jedoch sei weder anzunehmen noch angesichts der vollkommen fehlenden Informationen gar zu unterstellen, dass ihm jene Versicherung eine Vollversicherung im Basistarif für das Inland geschuldet haben könnte. Nach Auffassung der Kammer sei vielmehr davon auszugehen, dass die einmal wegen der Ausübung einer Beschäftigung im Ausland dort vorhandene private Krankenversicherung keinerlei (gleichwertige) Ansprüche für Herrn A. im Inland vermittelt habe. Hierzu habe die Beigeladene mit Schriftsatz vom 5. April 2017 selbst vorgetragen, jene private Krankenversicherung habe nach den Angaben der Schwägerin des Herrn A. Leistungen in Deutschland nicht abgedeckt. Außerdem könne nach den bekannten Umständen der Schluss gezogen werden, dass der Genannte nach dem 30. September 2006 – dem letzten Tag der bei der Beigeladenen bestandenen Krankenversicherung – keiner anderen gesetzlichen Krankenkasse in Deutschland angehört habe. Damit sei davon auszugehen, dass Herr A. im Sinne des Buchst. a des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in Deutschland zuletzt bis 30. September 2006 bei der Beigeladenen krankenversichert gewesen sei. Dies stehe im Einklang mit dem von der Beigeladenen beigezogen Versicherungsverlauf. Von diesem Auffang-Versicherungsschutz sei Herr A. auch nicht auf der Grundlage des § 52a SGB V ausgeschlossen gewesen. Die mit dieser Vorschrift sanktionierte Absicht missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen setze voraus, dass der Versicherte sich in das Inland begebe, um etwa in der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 missbräuchlich Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dieser missbräuchliche Erhalt von Leistungen müsse also das Hauptziel des Migranten sein. Eine solche Haltung dürfe Herrn A. nach den hier gegebenen sonstigen Umständen keinesfalls unterstellt werden. Bei diesem handele es sich zum einen vordergründig schon gar nicht um einen Migranten mit keinem Bezug zum Inland. Vielmehr sei er deutscher Staatsangehöriger gewesen, der sich nach den aktenkundigen und glaubhaften Angaben seiner Schwägerin in den letzten Jahren zwar überwiegend im Ausland/Ägypten aufgehalten hatte, gleichwohl aber stets einige Monate in Deutschland verbracht habe und in dieser Zeit bei seinem Bruder/Schwägerin in C-Stadt wohnhaft gewesen sei. Insoweit liege sogar nahe, dass Herr A. wegen seines gesundheitlichen Zustandes bewusst den verwandtschaftlichen Rückhalt im Inland bei seinen Verwandten gesucht hatte und deshalb kurzfristig eingereist sei. Im Hinblick auf das erst Ende Juli 2013 im St. Katharinen-Krankenhaus bei Herrn A. festgestellte erheblich fortgeschrittene Krebsleiden sei zudem davon auszugehen, dass ihm wohl nicht bewusst gewesen sei, bereits bei seiner Einreise „todkrank“ gewesen zu sein.
Die gegen das der Beigeladenen am 24. Februar 2020 zugestellte Urteil gerichtete Berufung der Beigeladenen ist am 3. März 2020 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Sie trägt vor, die Verurteilung der Beigeladenen sei bereits nach § 75 Abs. 5 SGG unzulässig, da eine Verurteilung nur in Betracht gekommen wäre, wenn die in Frage kommenden Ansprüche in Konkurrenz bzw. Wechselwirkung stünden. Dies sei hier nicht der Fall. Ein nicht entstandener oder weggefallener Nothelferanspruch führten nicht zwangsläufig zu einem Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2016 – L 7 SO 2156/13 –, juris Rn. 29). Der Betroffene sei im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht bei der Beigeladenen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versichert gewesen. Das Sozialgericht sei ohne weitere Prüfung davon ausgegangen, dass ein möglicher privater Krankenversicherungsschutz keine Auswirkung auf die Auffangversicherung haben könne. Dies sei jedoch eine bloße Vermutung. Weder Klägerin noch Beklagter gingen davon aus, dass der Betroffene im streitgegenständlichen Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB V gehabt habe. Zudem habe sich Herr A. in den Jahren 2008 und 2009 nachweislich in Ägypten aufgehalten. Im April 2011 habe er in Ägypten einen Schlaganfall erlitten. Er sei erst kurz vor dem Aufenthalt im St. Katharinen-Krankenhaus nach Deutschland eingereist. Damit sei der Leistungsanspruch nach § 52a SGB V entfallen.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. November 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Beigeladene richtet.
Die übrigen Beteiligten stellen diesbezüglich keine Anträge.
Der Beklagte trägt vor, im Urteil sei zutreffend festgestellt worden, dass kein Anspruch gegen den Beklagten bestehe. Es habe weder ein Eilfall vorgelegen noch habe eine Leistungspflicht des Beklagten als Sozialhilfeträger bestanden.
Die Klägerin hat am 15. März 2021 Anschlussberufung erhoben.
Sie trägt vor, die Anschlussberufung sei nach § 202 SGG i.V.m. § 524 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässig, da das Sozialgericht ausweislich des Tenors nicht endgültig über den Hilfsantrag gegen den Beklagten entschieden habe. Vielmehr habe das Sozialgericht lediglich in einem obiter dictum ausgeführt, dass ein Nothelferanspruch nicht bestehe. Eine Entscheidung über Ansprüche gegen den Beklagten sei nicht in Rechtskraft erwachsen.
Ein Anspruch bestehe auch nach § 19 Abs. 6 SGB XII. Bereits aus der Kostenzusage vom 22. Juli 2013 ergebe sich, dass der Betroffene krankenhilfeberechtigt gewesen sei. Von der Rente verbleibe nach Abzug des Regelbedarfs lediglich noch ein Betrag von 253,32 €. Hiervon könnten die Behandlungskosten i.H.v. 12.204,17 € nicht bezahlt werden. Mit § 19 Abs. 6 SGB XII werde lediglich eine andere Anspruchsgrundlage für den Anspruch auf Erstattung der streitgegenständlichen Krankenhausvergütung geltend gemacht. Da ein Anspruch lediglich durch den Lebenssachverhalt bestimmt werde, handele sich bei der Bezugnahme auf eine andere Anspruchsgrundlage nicht um eine Klageänderung oder Klageerweiterung. Zudem hätte dies das erstinstanzliche Gericht prüfen müssen.
Sie beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. November 2019 den Bescheid vom 7. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin die Kosten für die Krankenbehandlung des Patienten A. für den Zeitraum vom 31. Juli 2013 bis 4. September 2013 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Anschlussberufung sei bereits unzulässig. Eine Anschlussberufung könne sich nur gegen den Berufungskläger richten und müsse den gleichen prozessualen Anspruch wie die Hauptberufung betreffen. Der auf § 19 Abs. 6 SGB XII bezogene Vortrag stelle eine Klageerweiterung dar, die unzulässig sei und zu der auch keine Einwilligung erteilt werde. Zudem setze eine Klageänderung eine zulässige Berufung voraus, an der es hier fehle.
Die Kostenzusage vom 22. Juli 2013 sei zur Abklärung eines Tuberkuloseverdachts erfolgt. Mit einem Anspruch auf Krankenhilfe habe dies nichts zu tun. Der Patient habe keinen Leistungsantrag gestellt, so dass auch kein Anspruch nach § 19 Abs. 6 SGB XII bestehe. Die Feststellung der Bedürftigkeit, ebenso wie die Feststellung, dass es keinen anderen vorrangigen Kostenträger gäbe, seien durch die Klägerin nachzuweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen verwiesen. Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 23. November 2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beigeladenen ist begründet.
Dabei kann der Senat die zwischen den Obergerichten streitige Frage offen lassen, ob der Vergütungsanspruch des Krankenhauses nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 39 SGB V, § 7 Krankenhausentgeltgesetz und § 17b Krankenhausgesetz wiederum i.V.m. den das Fallpauschalensystem ausfüllenden Normverträgen einerseits und der Nothelferanspruch nach § 25 SGB XII andererseits in einem hinreichenden Wechselseitigkeits- und Ausschließlichkeitsverhältnis stehen, um den Weg einer Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG zu eröffnen (bejahend: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. April 2011 – L 20 SO 78/10 – juris, Rn. 57 ff.; mit ausführlicher Begründung verneinend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2016 – L 7 SO 2156/13 –, juris Rn. 27 ff.; offenlassend BSG, Beschluss vom 6. Juni 2017 – B 8 SO 85/16 B –, juris).
Ein Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beigeladene auf der oben genannten Rechtsgrundlage besteht nicht, da es am Versicherungsverhältnis zwischen dem Betroffenen und der Beigeladenen fehlt.
Die Tatbestände über die Versicherungspflicht nach §§ 5 ff. SGB V finden nach § 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) keine Anwendung. Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten hiernach, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben.
Die Begriffe Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt stehen in einem Stufenverhältnis zueinander (BSG, Urteil vom 12. April 2017 - B 13 R 25/14 R - juris Rn. 15). Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) – Allgemeiner Teil – hat einen Wohnsitz jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Auch hier kann der Senat offenlassen, ob das Wohnen des Betroffenen bei seiner Schwägerin und seinem Bruder die Qualität eines Wohnens mit der Möglichkeit zur selbständigen Haushaltsführung geboten hat, denn der Senat ist im Hinblick auf das Stufenverhältnis bereits nicht davon überzeugt, dass er die Wohnung im Sinne eines gewöhnlichen Aufenthalts zukunftsoffen beibehalten und benutzen wollte.
Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat eine Person den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (vgl. zum Folgenden auch Senatsurteil vom 28. September 2022 – L 4 SO 96/20). Abzustellen ist auf den Willen, den Lebensmittelpunkt an diesem Ort bis auf weiteres – also nicht nur vorübergehend oder besuchsweise – zu begründen und zu behalten (subjektives Element) und als objektives Element auf einen Aufenthalt von einer gewissen Dauer. Für die Feststellung des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts sind die mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände des Einzelfalls festzustellen; im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung (Prognoseentscheidung) unter Berücksichtigung aller für die Beurteilung der künftigen Entwicklung im Zeitpunkt des Eintreffens am maßgeblichen Ort erkennbaren Umstände zu würdigen und als hypothetische Tatsache festzustellen (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 1/12 R –, BSGE 112, 116 Rn. 25; BSG, Urteil vom 17. Mai 1989 – 10 RKg 19/88 –, BSGE 65, 84 Rn. 15; BSG, Urteil vom 23. Februar 1988 – 10 RKg 17/87 –, BSGE 63, 47, Rn. 16).
Bei einem noch nicht lange andauernden Aufenthalt hat die Prognose der Dauerhaftigkeit ein erhebliches Gewicht. Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll – auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr – ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R –, BSGE 113, 60, zitiert nach juris Rn. 18).
Weder aus dem erstinstanzlichen Sachstand noch aus dem Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten ergeben sich Anhaltspunkte für einen gewöhnlichen Aufenthalt des Herrn A. in der Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt des Beginns der streitgegenständlichen Behandlung.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass der Betroffene erst kurz vor seinem ersten Klinikaufenthalt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Auch zuvor deutete bis auf die Aufrechterhaltung einer Meldeadresse nichts auf einen zukunftsoffenen Aufenthalt in Deutschland hin. Ein längerer hiesiger Aufenthalt ist zuletzt im Jahr 2006 dokumentiert. Er wohnte nach einem mehrjährigen vorherigen Aufenthalt in Ägypten zuletzt mit seiner Ehefrau in Kairo. Ein Schlaganfall im April 2011 wurde ebenfalls in Ägypten stationär behandelt. Die Ehefrau des Betroffenen ist bei seiner letzten Reise in die Bundesrepublik Deutschland in Ägypten geblieben. Auch dies spricht gegen eine Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Deutschland. Hinweise für eine Trennung des Betroffenen von seiner Ehefrau gibt es nicht. Als sich die Schwägerin des Betroffenen zur Beschaffung von Dokumenten an seine Ehefrau wandte, teilte sie nach Angaben der Schwägerin mit, sie könne wegen der politischen Unruhen in Ägypten nicht mit den Dokumenten nach Deutschland reisen. Der Mitarbeiter des Beklagten G. vermerkte noch am 3. September 2013 nach einem Telefonat (Bl. 68 der Verwaltungsakten): „Wie aus dem Schreiben des Sozialdienstes ersichtlich ist, ist Herr A. aufgrund seiner Erkrankung nach E-Stadt geflogen, und von dort aus mit der Deutschen Bahn nach A-Stadt gereist, um in der Uniklinik behandelt zu werden. Das Ehepaar A. hat seinen Lebensmittelpunkt in Ägypten!" Diese Einschätzung deckt sich – ungeachtet der Behauptung einer zielgerichteten Einreise – mit den Angaben der Schwägerin gegenüber dem Gesundheitsamt der Beklagten, wonach der Betroffene viele Monate des Jahres bei seiner Frau in Ägypten lebe und immer nur für wenige Monate in Deutschland sei. Auch die Erwägungen des Sozialgerichts zur Verneinung der Voraussetzungen des § 52a SGB V vermögen einen gewöhnlichen Aufenthalt nicht zu begründen. Allein die Motivation, in schwerer Krankheit Beistand von Bruder und Schwägerin in C-Stadt zu haben, zeigt noch nicht die Verwirklichung eines Willens zum zukunftsoffenen Umzug in die Bundesrepublik Deutschland.
Die Klage ist auch unbegründet, soweit sie sich mit dem Hilfsantrag gegen den Beklagten richtet.
Zum Prüfungsumfang zählt bereits aufgrund der Berufung der Beigeladen der gegen den Beklagten gerichtete Hilfsantrag; es bedarf insoweit keiner Anschlussberufung, die zwar zulässig, für die hiesige Entscheidung über den ursprünglichen Hilfsantrag aber bedeutungslos ist. Nach allgemeinen Regeln fällt bei einer gegen die Stattgabe bezüglich des Hauptantrages gerichteten Berufung der Hilfsantrag in der Berufungsinstanz an (Arndt in: Fichte/Jüttner, 3. Aufl. 2020, § 157 Rn. 10), mit der Folge, dass das Landessozialgericht bereits auf die Berufung des beschwerten Beteiligten hin über den Hilfsantrag entscheiden muss. Allein der Umstand, dass sich der Hilfsantrag gegen einen anderen Beteiligten richtet, kann hieran nichts ändern. Auf das Rechtsmittel des nach § 75 Abs. 5 SGG Verurteilten ist also ebenfalls über den gegen den Beklagten geltend gemachten Anspruch zu entscheiden, auch wenn nur der Verurteilte ein Rechtsmittel eingelegt hat (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2011 – B 12 KR 21/10 R –, juris Rn. 15; Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 75 Rn. 18c m.w.N.). Für einen Prüfungsumfang unter Einschluss des Hilfsantrages sprechen auch die nachfolgenden, vom Bundessozialgericht angestellten Erwägungen (Urteil vom 3. April 1986 – 4a RJ 1/85 –, Rn. 17, juris): „Das LSG hatte (…) auf das Rechtsmittel der vom SG ua nach § 75 Abs 2 SGG Beigeladenen und nach Abs 5 aaO verurteilten Beigeladenen zu 1) auch über den gegen die Beklagte gerichteten Anspruch zu entscheiden (…). § 75 Abs 5 SGG eröffnet den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Möglichkeit, in allen Fällen, in denen gegen einen in Wahrheit nicht passiv legitimierten Versicherungsträger Klage erhoben worden ist, den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Versicherungsträger nach Beiladung zu verurteilen, ohne daß dadurch eine Klageänderung vorgenommen oder bewirkt würde (…). Um dem in § 75 Abs 5 SGG zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken voll gerecht werden zu können, muß selbst noch das Revisionsgericht über alle in Frage kommenden Ansprüche entscheiden können, auch dann, wenn nur der verurteilte Versicherungsträger ein Rechtsmittel eingelegt hat; sonst könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, daß der Kläger zB mit seinem Begehren in erster Instanz nicht gegen den einen, in der weiteren Instanz auch nicht gegen den anderen Träger durchdringt, obschon feststeht, daß jedenfalls gegen einen von ihnen ein Anspruch besteht (…). Entsprechend enthält der vom Kläger im Rechtsmittelverfahren gestellte Antrag, hilfsweise anstelle des in der Vorinstanz verurteilten beigeladenen Trägers den Beklagten zu verurteilen, keine der Verwerfung zugängliche Anschlussberufung (§ 202 iVm §§ 521, 522 ZPO). Die Zulässigkeit eines solchen Hilfsantrags entspricht voll der dem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit durch § 75 Abs 5 SGG eingeräumten Befugnis, im gegliederten System der Sozialversicherung jeden am Rechtsstreit beteiligten Versicherungsträger zur Leistung zu verurteilen.“
Nach alledem macht es hinsichtlich des Prüfungsumfanges auch keinen Unterschied, dass die Klägerin auf Anraten des Sozialgerichts auch ausdrücklich die Verurteilung der Beigeladenen beantragt hat und ihren ursprünglichen Klageantrag nur als Hilfsantrag weiterverfolgt hat. Auch der abstrakt zutreffende Einwand des Beklagten, dass sich die Anschlussberufung innerhalb des Streitgegenstandes der Hauptberufung bewegen muss, führt nach den vorgenannten Ausführungen nicht dazu, dass über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden wäre.
Ein Anspruch der Klägerin folgt nicht aus einer Kostenzusage, denn gegenüber der Klägerin ist eine Kostenzusage nicht erteilt worden. Allein gegenüber dem St. Katharinen-Krankenhaus ist eine Zusage auf infektionsschutzrechtlicher Grundlage erteilt worden.
Ein Anspruch nach § 25 SGB XII besteht nicht, da die streitgegenständliche Krankenhausbehandlung nicht als Eilfall erfolgte. Hat jemand in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, sind ihm nach § 25 Satz 1 SGB XII die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat.
Der Senat nimmt mit den nachfolgenden Ergänzungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen zu § 25 SGB XII in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils und macht sie sich zu Eigen.
Es bestehen bereits Zweifel am bedarfsbezogenen Moment des Eilfalls; jedenfalls fehlt es am sozialhilferechtlichen Moment.
Ein Eilfall setzt zunächst voraus, dass ein beim Nothilfeempfänger bestehender Bedarf nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII unabwendbar ist und unmittelbar, d.h. sofort durch den Nothelfer gedeckt werden muss (zum Folgenden: BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 8 SO 13/12 R –, juris Rn. 16 m.w.N.). Dies beschreibt zunächst als bedarfsbezogenes Moment die Eilbedürftigkeit des Eingreifens selbst. Es fehlt regelmäßig bei geplanten, nicht sofort notwendigen Operationen, auch dann, wenn eine Operation innerhalb weniger Tage unabwendbar ist (vgl. Bieback in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, Sozialhilfe, 7. Aufl. 2020, § 25 Rn. 13).
Die Verlegung des Betroffenen aus dem St. Katharinen-Krankenhaus in die Klinik der Klägerin erfolgte geplant, die Aufnahme wurde im Formular als „Normalfall“ vermerkt. Der von der Klägerin zitierte Verlegungsbrief zeigt eine gewisse Dringlichkeit, er schlägt aber keine Akut- oder Sofortmaßnahmen vor, sondern bittet, „falls möglich, um zügige Übernahme“. Das Wort „dringlich“ fällt allein in Bezug auf die Begründung, warum der Patient ohne Krankenversicherungsschutz aufgenommen werden soll. Aus dem in der Entlassungsanzeige vermerkten Behandlungsverlauf lassen sich in den ersten Tagen des Aufenthalts keine eil- oder notfallmäßigen Behandlungen erkennen, wobei die dortigen Schilderungen wegen des Fallpauschalensystems nicht den Konkretisierungsgrad einer Patientenakte aufweisen. Indes hat die Klägerin selbst mit der Klagebegründung vorgetragen, es sei „nicht gleich“ eine vom St. Katharinen-Krankenhaus angedachte Strahlentherapie eingeleitet worden, aber es sei unter den erschwerten Bedingungen die Diagnostik erfolgreich mit einer Diagnosesicherung durchgeführt und abgeschlossen worden. Eine Dokumentation des weiteren Behandlungsverlaufs wird nicht vorgelegt. Von einer weiteren Amtsermittlung- oder Beweisaufnahme hat der Senat absehen können, da auch die übrigen Voraussetzungen für einen Eilfall nicht vorgelegen haben.
Das sozialhilferechtliche Moment ist nicht gegeben; dies erfordert grundsätzlich, dass eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen war, der Sozialhilfeträger also nicht eingeschaltet werden konnte (zum Folgenden BSG a.a.O. Rn. 17). Der Anspruch des Nothelfers besteht in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur dann, wenn der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht entsteht. Der Mangel der Kenntnis des Trägers der Sozialhilfe wird tatbestandlich von § 25 Satz 1 SGB XII vorausgesetzt („... bei rechtzeitigem Einsetzen der Sozialhilfe ...“), weil mit der Kenntnis nach § 18 SGB XII bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch nach dem SGB XII die Sozialhilfe „einsetzt“. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers bildet damit die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen. Ein Eilfall liegt deshalb nur dann vor, wenn keine Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleibt, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe abzuwarten bzw. um die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe zu schaffen. Danach fehlt es in der Regel am sozialhilferechtlichen Moment des Eilfalls, wenn der Patient während der Dienstzeiten des Sozialhilfeträgers ins Krankenhaus eingeliefert wird und sein Zustand es zulässt, zunächst den Sozialhilfeträger zu informieren (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 8 SO 13/12 R – Rn. 17 am Ende; vgl. Bieback in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, Sozialhilfe, 7. Aufl. 2020, § 25 Rn. 25). Maßgeblich ist insoweit grundsätzlich die Dienstbereitschaft der Behörde im Zeitpunkt der Aufnahme (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. April 2022 – L 9 SO 295/20 –, juris Rn. 30).
Gegen einen Eilfall in diesem Sinne spricht bereits die Aufnahme an einem Mittwoch um 13:05 Uhr als „Normalfall“. Nach den Akten des Gesundheitsamts des Beklagten, die in der Akte des Sozialamts in Kopie vorliegen, war das Gesundheitsamt des Beklagten über die beabsichtigte Verlegung telefonisch am 29. Juli 2013 informiert worden. Es besteht auch kein Ausnahmefall von der o.g. Regel, etwa aufgrund einer Fehlinformation über den Krankenversicherungs-schutz, der es den Betroffenen oder den Krankenhausträger versäumen lässt, den Sozialhilfeträger zu informieren (hierzu BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 8 SO 13/12 R – Rn. 18). Denn im spätestens am 31. Juli 2013 um 11:19 Uhr zugegangenen Fax an das Klinikum der Klägerin wurde auf den fehlenden Krankenversicherungsschutz hingewiesen (Anlage K3 zur Klageschrift Bl. 24 d.A.).
Der Senat entscheidet nicht in der Sache über einen Anspruch nach § 19 Abs. 6 SGB XII, da die Voraussetzungen des § 99 SGG nicht erfüllt sind.
Die Klägerin hat sich erstmals im Berufungsvortrag auf einen Anspruch nach § 19 Abs. 6 SGB XII berufen. Nach der genannten Vorschrift steht der Anspruch der Berechtigten u.a. auf Leistungen für Einrichtungen, soweit diese Leistungen dem Berechtigten erbracht worden wären, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht hat.
Es handelt sich um eine Klageerweiterung i.S.d. § 99 Abs. 1 SGG. Eine Klageänderung ist eine Änderung des Streitgegenstands. Es gilt der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff, der sich aus Klageantrag (prozessualer Anspruch) und Klagegrund (Lebenssachverhalt) zusammensetzt.
Zwar mag die Rechtsfolge aus § 25 SGB XII und § 19 Abs. 6 SGB XII weitgehend identisch sein; der Klagegrund – der zur Entscheidung gestellte Lebenssachverhalt – unterscheidet sich aufgrund der unterschiedlichen Konstruktion der Anspruchsgrundlagen. Dabei hat der Senat zu berücksichtigen, dass es im sozialgerichtlichen Verfahren zur Eingrenzung des maßgeblichen Lebenssachverhalts nicht allein auf den Tatsachenvortrag des Klägers ankommen kann. Der zur Entscheidung gestellte Tatsachenkomplex wird durch den Amtsermittlungsgrundsatz mittelbar beeinflusst; deshalb kann bei Abgrenzung des Lebenssachverhalts der von den Tatbestandsvoraussetzungen des materiell-rechtlichen Anspruchs vorausgesetzte Lebenssachverhalt nicht außer Betracht bleiben (allgemein zur Problematik: Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 76 ff., der allerdings im Ergebnis den Amtsermittlungsgrundsatz durch den Streitgegenstand begrenzt sieht; zu den Unschärfen im sozialgerichtlichen Verfahren: Haupt in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, Der Streitgegenstand im SGG <vor § 94>, Rn. 4). Dies steht in einem Spannungsverhältnis mit den Grundsätzen, wonach es allein auf den prozessualen und nicht den materiell-rechtlichen Anspruch ankommt, das Gericht den Lebenssachverhalt unter allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen zu prüfen hat und eine Identität der zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen gerade nicht Voraussetzung für die Annahme eines einheitlichen Streitgegenstandes ist (vgl. Haupt in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, Der Streitgegenstand im SGG <vor § 94>, Rn. 3). Der Senat folgt bei der Auflösung dieses Spannungsverhältnisses dem nachfolgenden Rechtssatz aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: Zum Klagegrund „sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Beteiligten ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (…). Eine Mehrheit von Streitgegenständen liegt auch bei gleichem Antrag dann vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche erkennbar unterschiedlich ausgestaltet, weil die Tatbestandsvoraussetzungen an unterschiedlichen Lebenssachverhalten anknüpfen“ (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 70/12 R – Rn. 32; Hervorhebungen durch den erkennenden Senat).
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt hilfsweise beantragt, den Bescheid vom 7. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin als Nothelferin im Sinne des § 25 SGB XII die Kosten für die Krankenbehandlung des Herrn A. für den vorgenannten Zeitraum i.H.v. 12.204,17 € zu zahlen. § 25 SGB XII und § 19 Abs. 6 SGB XII knüpfen mit ihren unterschiedlich ausgestalteten Tatbestandsvoraussetzungen an hinreichend zu unterscheidende Lebenssachverhalte an. Insoweit handelt es sich unabhängig von der o.g. Problematik um einen abtrennbaren Streitgegenstand, wenn die Klägerin den zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt auf die eigene Nothelfereigenschaft beschränkt. Auch ungeachtet dieser Beschränkung läge mit der Einbeziehung des Anspruches nach § 19 Abs. 6 SGB XII eine Mehrheit von Streitgegenständen vor. § 25 SGB XII begründet einen originären Anspruch des Krankenhauses, wenn mangels Kenntnis vom Anspruch des eigentlich Berechtigten die Sozialhilfe nicht rechtzeitig erbracht werden kann. § 19 Abs. 6 SGB XII setzt hingegen das Bestehen eines solchen, bereits entstandenen Anspruchs des Hilfebedürftigen voraus, der im Todesfall auf die Einrichtung übergeht. Die Vorschrift regelt einen besonderen Fall der Sonderrechtsnachfolge im Sinne einer cessio legis (vgl. zum Verhältnis der beiden Anspruchsgrundlagen BSG, Urteil vom 20. September 2012 – B 8 SO 20/11 R –, juris Rn. 12). Die beiden Ansprüche schließen einander aus, denn sobald ein Anspruch des Leistungsberechtigten besteht, kann kein Nothelferanspruch bestehen. Dieser wechselseitige Ausschluss spiegelt sich auf der Ebene des Lebenssachverhalts mit dem Bestehen eines Eilfalles seitens des Nothelfers einerseits und der Kenntnis vom Leistungsfall des Hilfebedürftigen andererseits wider, aber auch hinsichtlich der Voraussetzung des Todes für den Anspruchsübergang.
Wegen des damit verbundenen Wechsels des entscheidungserheblichen Lebenssachverhaltes handelt es sich auch nicht um einen Fall des § 99 Abs. 3 Nr. 1 SGG.
Diese Klageänderung ist nicht sachdienlich. Der Beklagte hat der Klageänderung widersprochen. Voraussetzung für eine Sachentscheidung ist daher, dass die Klageänderung sachdienlich ist (§ 99 Abs. 1 SGG). Eine Klageänderung ist grundsätzlich sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann (zusf. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 99 Rn. 10 m.w.N.). Dabei sind nicht nur die Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen, sondern auch Belange der Prozesswirtschaftlichkeit aus der Perspektive des Gerichts (vgl. Guttenberger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. <Stand: 15.06.2022>, § 99 Rn. 28; beckOGK Sozialrecht/Bieresborn, § 99 SGG Rn. 39; Haupt/Wehrhahn in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 99 Rn. 14). Dem Senat steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu.
Die Klageänderung dient nicht der Prozessökonomie. Hier ist bei einer Klageänderung zumindest zu berücksichtigen, ob eine weitere Amtsermittlung oder Beweisaufnahme den eigentlich entscheidungsreifen Rechtsstreit verzögert, auch wenn dies nicht allein maßgeblich sein kann (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig u.a., Rn. 10 einerseits, Rn. 11 andererseits m.w.N.). Insoweit wäre im Falle der Zulässigkeit zu ermitteln, ob in der in den Beklagtenakten erwähnten Leistungsablehnung gegenüber der Schwägerin am 30. Juli 2013 auch eine bestandskräftige Leistungsablehnung von Leistungen zur stationären Krankenhausbehandlung nach dem Fünften Kapitel zu erblicken ist. Gegebenenfalls wäre die Leistungsberechtigung am Maßstab des § 19 Abs. 3 SGB XII zu ermitteln. Ein Anspruch ist hier nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil der Betroffene für seinen Lebensunterhalt nicht hilfebedürftig ist; allein der durch die Behandlungskosten geprägte Bedarf kann einen Leistungsanspruch begründen.
Unabhängig davon steht der Sachdienlichkeit die Unzulässigkeit der geänderten Klage entgegen. Zwar ist die Zulässigkeit der Klageänderung von der Zulässigkeit der geänderten Klage zu unterscheiden (Schmidt in: Meyer-Ladewig u.a., a.a.O. Rn. 13a; vgl. auch BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 5 RE 23/14 R –, BSGE 118, 294, zit. nach juris Rn. 12), weshalb die Erfolgsaussichten der geänderten Klage grundsätzlich nicht die Sachdienlichkeit präjudizieren. Dies gilt indes nicht bei Zulässigkeitsmängeln, die zugleich die Prozessökonomie berühren, z.B. wenn ein Vorverfahren noch nicht durchgeführt wurde (Guttenberger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. <Stand: 15.06.2022>, § 99 Rn. 28 m.w.N.). Das Vorverfahren ist nur dann hinreichend durchgeführt, wenn der mit der Klage verfolgte Anspruch tatsächlich Gegenstand des Vorverfahrens gewesen ist. Da der insoweit maßgebliche Begriff des Klagegegenstandes i.S.d. § 95 SGG weiter ist als der des Streitgegenstandes, setzt dies voraus, dass mindestens der Streitgegenstand Gegenstand des Vorverfahrens gewesen sein muss, wobei an die Annahme einer vollumfänglichen Entscheidung über die Streitgegenstände im Widerspruchsbescheid im Interesse des Rechtsschutzsuchenden keine hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. im Einzelnen Giesbert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. <Stand: 15.06.2022>, § 78 SGG Rn. 23 f.).
Hier fehlt es an einer Verwaltungsentscheidung über den Anspruch nach § 19 Abs. 6 SGB XII. Der Anspruch konnte von vornherein nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens sein, das zum klagegegenständlichen Ausgangsbescheid geführt hat, da zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 7. August 2013 der Betroffene noch lebte. Weder mit dem Widerspruch noch im Widerspruchsbescheid wurde ein übergegangener Anspruch des Betroffenen bzw. der zu Grunde liegende Lebenssachverhalt thematisiert; daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass mit dem Widerspruchsbescheid über einen Anspruch nach § 19 Abs. 6 SGB XII entschieden worden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Auf die Rechtsgrundlage der Kostenentscheidung bleibt die unzulässige Klageerweiterung ohne Einfluss. Der gesetzliche Forderungsübergang bewirkt, dass der Anspruch durch den Übergang eine kostenrechtliche Privilegierung nicht verliert. Macht also die Einrichtung den Anspruch gerichtlich geltend, besteht die Kostenfreiheit nach § 183 SGG auch zugunsten der Einrichtung (BSG, Urteil vom 13. Juli 2010 – B 8 SO 13/09 R –, juris Rn. 18). Wegen der fehlenden Nennung des Beigeladenen in § 184 SGG schließt § 193 Abs. 4 SGG i.V.m. § 184 SGG nicht die Kostenerstattung zu Gunsten von Beigeladenen aus, auch wenn es sich um juristische Personen handelt (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. <Stand: 15.06.2022>, § 193 SGG Rn. 65).
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Abgrenzungskriterien bei der Konkretisierung des Streitgegenstands zur Anwendung von § 99 Abs. 1 SGG erscheinen noch nicht hinreichend geklärt. Dabei ist der Senat in Übereinstimmung mit dem o.g. Rechtssatz aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 70/12 R – Rn. 32 der Auffassung, dass der Streitgegenstandsbegriff in den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten wie dort geschehen zu modifizieren ist. Dies kann aber im Vergleich zum zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff sowohl zu erweiternden als auch – wie hier – zu verengenden Ergebnissen führen, insbesondere bei der Zulässigkeit der Klageänderung. Insoweit erscheinen Wertungswidersprüche zu einer verbreitet weiten Auslegung des § 75 Abs. 5 SGG nicht ausgeschlossen.