L 11 KR 547/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 48 KR 6271/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 547/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 1/23 R
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Streitig ist die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 5. Juni 2018 bis 8. Juni 2020.

 

Die am 00.00.1979 geborene Klägerin ist seit dem 1. Januar 2011 bei der Beklagten freiwillig versichert. Sie ist seit dem 10. Februar 2018 verheiratet und lebt mit ihrem Ehemann zusammen, der privat versichert ist. Am 00.04.2018 wurde die gemeinsame Tochter geboren. In der Zeit vom 5. Juni 2018 bis zum 8. Juni 2020 befand sich die Klägerin in Elternzeit und bezog kein Arbeitsentgelt. In der Zeit vom 9. April 2018 bis 4. Juni 2018 erhielt die Klägerin Mutterschaftsgeld sowie einen Arbeitgeberzuschuss.

 

Mit Bescheid vom 5. Juli 2018 wurde der Klägerin antragsgemäß Elterngeld ab dem 9. April 2018 bis zum 8. Mai 2019 bewilligt. Infolge der Anrechnung von Mutterschaftsgeld und des Arbeitgeberzuschusses ergab sich für den ersten Lebensmonat kein Auszahlungsbetrag, für den zweiten Lebensmonat ein Betrag von 232,26 Euro. Für den dritten bis neunten Lebensmonat belief sich der Auszahlungsbetrag auf 1.800 Euro, für den 10. bis 13. Lebensmonat auf 900 Euro.

 

Mit Schreiben vom 6. Mai 2019 gratulierte die Beklagte der Klägerin zur Geburt ihrer Tochter. Die Klägerin genieße weiterhin den Versicherungsschutz als freiwillig Versicherte. Ob sie beitragsfrei versichert werden könne, hänge von einer Prüfung ab. Beigefügt war ein Fragebogen.

 

Die Klägerin reichte den ausgefüllten Fragebogen sowie verschiedene Unterlagen unter dem 29. Juni 2019 zurück (beigefügt waren u.a. die Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2017, die für die Klägerin Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 79.156 Euro und für ihren Ehemann Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i.H.v. 164.186 Euro auswiesen).

 

Mit dem streitbefangenen Bescheid vom 15. Juli 2019 setzte die Beklagte Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 5. Juni 2018 bis zum 31. Dezember 2018 in Höhe von 390,51 Euro fest (309,75 Euro Krankenversicherungsbeitrag, 24,34 Euro Zusatzbeitrag, 56,42 Euro Pflegeversicherungsbeitrag). Ab dem 1. Januar 2019 wurde der monatliche Beitrag auf 409,09 Euro festgesetzt (317,63 Euro Krankenversicherungsbeitrag, 22,23 Euro Zusatzbeitrag, 69,20 Euro Pflegeversicherungsbeitrag). Aufgrund der rückwirkenden Beitragsfestsetzung ergab sich ein Rückstand in Höhe von 5.135,86 Euro.

 

Bei der Berechnung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nahm die Beklagte aufgrund der mitgeteilten Einnahmen des Ehegatten ein Familieneinkommen in Höhe von monatlich 13.682,17 Euro an. Von diesem zog sie einen Kinderfreibetrag in Höhe von 1.038,33 Euro ab, sodass sich ein bereinigtes monatliches Familieneinkommen i.H.v. 12.643,84 Euro ergab. Die Hälfte dieses Betrages (6.321,92 Euro) verglich die Beklagte mit der Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze gemäß § 6 Abs. 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), die sich 2018 auf 2.212,50 Euro und 2019 auf 2.268,75 Euro belief. Da das halbe Familieneinkommen höher war als die halbe Beitragsbemessungsgrenze, wurde als Ausgangswert zur Beitragsfestsetzung ab dem 5. Juni 2018 die halbe Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt.

 

Gegen den Bescheid vom 15. Juli 2019 erhob die Klägerin am 9. August 2019 Widerspruch und machte geltend, dass eine Beitragsfestsetzung über den monatlichen Mindestbeitrag hinaus rechtswidrig sei. Gem. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) stünden Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Eine Schlechterstellung von Ehe und Familie gegenüber nicht verheirateten Personen sei verfassungswidrig. Eine solche Schlechterstellung liege hier vor. Durch § 240 SGB V und § 2 Satz 4 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler – BeitrVerfGrsSz) der Beitragsbemessungsgrundsätze zur gesetzlichen Krankenversicherung werde eine verheiratete Versicherte schlechter gestellt als eine unverheiratete. Bei Nichtverheirateten werde lediglich das eigene Einkommen berücksichtigt, auch wenn sie mit dem Vater zusammenlebten. Durch die Heirat würden das Einkommen des Ehegatten berücksichtigt und damit erhebliche Beiträge erhoben, die die wirtschaftliche Situation der ganzen Familie beeinträchtigten. Diese aktive Schlechterstellung von Ehe und Familie verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass sich bei Mitgliedern, deren Ehegatte oder Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz nicht einer gesetzlichen Krankenkasse angehöre, die beitragspflichtigen Einnahmen aus den eigenen Einnahmen und den Einnahmen des Ehegatten zusammensetzten. § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz durchbreche den Grundsatz, dass nur die eigenen Einnahmen des Mitgliedes beitragspflichtig seien. Mit der anteiligen Zurechnung von Einnahmen des nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Ehegatten oder Lebenspartners werde berücksichtigt, dass das Einkommen des den Lebensunterhalt überwiegend bestreitenden bzw. des höherverdienenden Ehegatten oder Lebenspartners den entscheidenden Faktor für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitgliedes darstelle und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit maßgeblich bestimme. Die Zulässigkeit einer solchen Zurechnung sei in ständiger Rechtsprechung vom Bundessozialgericht (BSG) bestätigt worden. Ferner führte die Beklagte aus, der Bescheid gelte auch für die beigeladene Pflegekasse.

 

Die Klägerin hat am 11. November 2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass der Verweis der Beklagten auf die ständige Rechtsprechung des BSG nicht überzeuge. Das BSG habe nicht darüber entschieden, ob in der Einbeziehung des Ehegatteneinkommens eine Verletzung von Art. 6 GG liege. Sie, die Klägerin, werde in ihrer freien Entscheidung, sich zur Kindererziehung in Elternzeit zu begeben, beeinflusst. Das beeinträchtige den Schutzbereich der Kindererziehung. Der Mutter, die frühzeitig nach dem Mutterschutz wieder in eine Teilzeittätigkeit einsteige, werde der Versicherungsbeitrag nach dieser Teilzeittätigkeit berechnet, während die Mutter, die ihr Kind zuhause für einen Zeitraum von wenigstens zwei Jahren selbst betreue, sich erheblichen Beitragspflichten gegenübersehe. Der Staat fördere damit ein bestimmtes Verdienstmodell (mindestens die Zuverdienerehe), während er das Modell Alleinverdienerehe wirtschaftlich erschwere. Das verstoße gegen die Grundgedanken des Art. 6 GG. Zugleich bezifferte die Klägerin ihren Erstattungsanspruch auf 5.300,42 Euro. Dieser ergebe sich daraus, dass sie nur zur Zahlung des Mindestbeitrags von 196,18 Euro verpflichtet gewesen sei.

 

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

 

den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Oktober 2019 insoweit aufzuheben, als dass ein Beitrag von der Klägerin erhoben wird, der den monatlichen Mindestbeitrag eines selbstständig tätigen, freiwillig gesetzlich versicherten Versicherungsnehmers übersteigt.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat die angefochtene Entscheidung verteidigt.

 

Mit Bescheid vom 13. Januar 2020 hat die Beklagte die Beitragshöhe ab dem 1. Januar 2020 auf 422,58 Euro festgesetzt (328,13 Euro Krankenversicherungsbeitrag, 22,97 Euro Zusatzbeitrag, 71,48 Euro Pflegeversicherungsbeitrag).

 

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 8. März 2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt. Diesen Schriftsatz hat das SG an die Bevollmächtigten der Klägerin zur Kenntnis übersandt und mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Eine Einverständniserklärung der Klägerin ist nicht zur Akte gelangt.

 

Sodann hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2021). Zur Begründung hat es auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens bei der Beitragsbemessung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei (Verweis auf BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 - B 12 KR 15/13 R -, Rn. 31). Der Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG begründe keine konkrete Verpflichtung des Normgebers, das Einkommen des privat krankenversicherten Ehegatten eines freiwillig versicherten Mitgliedes der gesetzlichen Krankenversicherung außer Acht zu lassen. Eine verfassungswidrige Benachteiligung von Ehegatten gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften liege nicht vor. Anders als bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bestehe im Rahmen der Ehe gemäß § 1360 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Unterhaltspflicht zwischen den Ehegatten. Eheleute hätten wegen der Gleichwertigkeit der Leistungen, die sie im gemeinsamen Unterhaltsverband erbrächten, grundsätzlich auch Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten, das ihnen zu gleichen Teilen zuzurechnen sei. Die Verbeitragung unter Einschluss des Ehegatteneinkommens berücksichtige dies und bilde die nach § 240 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V maßgebliche gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds ab. Die gesetzliche Unterhaltspflicht habe auch in der hier betroffenen Elternzeit fortbestanden. Ein unzulässiger Eingriff in die freie Entscheidung zur Kindererziehung liege nicht vor.

 

Während die Urteilsformel vom Kammervorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richtern unterschrieben ist, trägt die mit Gründen versehene Urteilsfassung keine Unterschrift.

 

Das Urteil ist den Beteiligten am 7. Juni 2021 zugestellt worden.

 

Die Klägerin hat am 29. Juni 2021 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend führt sie aus, dass der staatliche Gesetzgeber keine Gestaltungsfreiheit dahingehend habe, eine (wirtschaftliche) Schlechterstellung der Ehe zuzulassen. Auf das Vorhandensein bzw. das Fehlen einer Unterhaltspflicht nach § 1360 BGB könne es entgegen der Auffassung des SG nicht ankommen, um eine Schlechterstellung der Ehe im Rahmen der Beitragsbemessung zu rechtfertigen. Hinzuweisen sei darauf, dass im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft das Partnereinkommen berücksichtigt werde, obwohl Unterhaltspflichten nicht bestünden. Das SG habe zutreffend festgestellt, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften vergleichbar mit ehelichen Lebensgemeinschaften wirtschaften. Es habe jedoch unterlassen, daraus den Schluss der Verfassungswidrigkeit der hier betroffenen Regelung zu ziehen. Das SG verkenne auch den gesellschaftlichen Wandel, wonach nichteheliche Lebensgemeinschaften regelmäßig nicht nur vorübergehender Natur seien. Würden eheliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften jedoch grundsätzlich gleich gelebt, müssten sie rechtlich gleichgestellt werden; jedenfalls dürfe die Ehe nicht schlechter gestellt werden. Das SG nehme zu Recht die Ungleichheit von Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft an, ziehe daraus aber zum Nachteil verheirateter Personen nicht die rechtliche Konsequenz.

 

Zudem berücksichtige das SG nicht, dass die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens zu einer Schlechterstellung der verheirateten Mutter führe. Der Rückgang ihres Einkommens beruhe allein auf dem Umstand der Geburt des Kindes und der angeschlossenen Erziehungszeiten. Aus wirtschaftlichen Gründen müsste davon abgeraten werden, die Eheschließung vor Ablauf der Elternzeit vorzunehmen. Das liege nicht im staatlichen Interesse und spiegele nicht den Rang der Ehe wider. Die verheiratete Mutter, die sich für Elternzeit entscheide, tue dies infolge der Regelung des § 240 SGB V faktisch zulasten des Familieneinkommens, anders als die nichtverheiratete Mutter. Dadurch werde im Ergebnis ein familienfeindlicher Druck dahingehend aufgebaut, möglichst zügig wieder zum Familieneinkommen beizutragen. Damit würden die Freiheit der Gestaltung von Erziehungszeiten beeinträchtigt und Eheleute schlechter gestellt. Das SG übersehe zudem die unabhängig von einer Ehe bestehende Unterhaltspflicht des Vaters bzw. der Mutter des Kindes nach § 1615 BGB. Entgegen der Auffassung der Beklagten gleiche keinerlei ehefördernde Maßnahme die Benachteiligung im hier vorliegenden Fall aus. Der Familienlastenausgleich fördere die nichteheliche Lebensgemeinschaft genauso wie die eheliche.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12. Mai 2021 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Oktober 2019 sowie in der Fassung des Bescheides vom 13. Januar 2020 insoweit aufzuheben, als ein monatlicher Beitrag von der Klägerin erhoben wird, der den monatlichen Mindestbeitrag eines selbstständig tätigen, freiwillig gesetzlich versicherten Versicherungsnehmers übersteigt.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für zutreffend. Aus Art. 6. Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip folge zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich. Dem sei der Gesetzgeber im Bereich der GKV jedoch durch zahlreiche familienfördernde Maßnahmen nachgekommen (Verweis auf BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 12 KR 15/12 R). Dem Gebot des Familienlastenausgleichs trage auch § 240 SGB V Rechnung, indem bei gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kindern auch im Fall der Familienversicherung Freibeträge abzusetzen seien. Der Gesetzgeber sei durch Art. 6 GG nicht zu einer bestimmten Art des sozialen Familienlastenausgleichs verpflichtet. Er sei nicht verpflichtet, das Einkommen des privat krankenversicherten Ehegatten eines freiwillig versicherten Mitgliedes außer Acht zu lassen (Verweis auf Hessisches Landessozialgericht <LSG>, Urteil vom 10. August 2017 – L 8 KR 406/16). Auch sei ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht erkennbar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum besitze. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers seien anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des GG unvereinbar seien. Ein derartiger verfassungswidriger Zustand sei hinsichtlich der Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gegeben.

 

Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.

 

Auf Veranlassung des Senats hat der Kammervorsitzende des SG eine mit Gründen versehene Urteilsfassung unterschrieben und an die Beteiligten zustellen lassen (Zustellung an beide Beteiligte am 9. August 2021).

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Berufung hat keinen Erfolg.

 

A. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Klägerin auf teilweise Aufhebung der von der Beklagten für die Zeit vom 5. Juni 2019 bis 8. Juni 2020 festgesetzten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, soweit diese den monatlichen Mindestbeitrag übersteigen.

 

Davon ausgehend ist Gegenstand des Verfahrens zunächst der Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2019, der für den o.g. Zeitraum Beiträge unter Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens festsetzte. Weiter ist Gegenstand zunächst des Klage- und nachfolgend des Berufungsverfahrens der Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2020, mit dem für die Zeit ab dem 1. Januar 2020 höhere Beiträge festgesetzt worden sind. Die Einbeziehung dieses Bescheides in das Klageverfahren folgt aus § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach wird ein nach Klageerhebung ergangener Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert oder ersetzt wird ein Bescheid, wenn in seine Regelung, den Verfügungssatz, eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (BSG, Urteil vom 14. Juli 2021 - B 6 KA 1/20 R - SozR 4-1500 § 141 Nr. 4 (vorgesehen), juris-Rn. 20). Das ist für den Bescheid vom 13. Januar 2020 der Fall, der nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2019 ergangen ist und für die Zeit ab dem 1. Januar 2020 höhere Beiträge festsetzt hat. Infolgedessen ist der Bescheid mit seinem Erlass im Wege gesetzlicher Klageänderung Gegenstand des Klageverfahrens geworden, ohne dass es auf den Willen der Beteiligten ankäme. Die Einbeziehung erfolgt auch dann, wenn – wie vorliegend – das SG § 96 SGG übersehen bzw. von der Existenz der Folgebescheide nichts erfahren hat (vgl. zu Vorstehendem: BSG, Urteil vom 17. November 2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr. 4, juris-Rn. 21). Der Senat entscheidet den Rechtsstreit unter Einbeziehung des vom SG übersehenen bzw. diesem nicht bekanntgewordenen Bescheides; auf ein Einverständnis der Beteiligten kommt es nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 17. November 2005 - B 11a/11 AL 57/04 R – a.a.O.).

 

Nicht zu entscheiden hat der Senat über das von der Klägerin im Klageverfahren geltend gemachte Begehren auf Rückzahlung von ihrer Auffassung nach überzahlten Beiträgen (vgl. dazu den klägerischen Schriftsatz vom 18. Dezember 2020). Denn die Klägerin hat mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag nur noch die teilweise Aufhebung der Beitragsfestsetzung verfolgt, nachdem die Beklagte erklärt hatte, aus einer Aufhebung resultierende Überzahlungen zu erstatten.

 

B. Infolge der vom Kammervorsitzenden nachgeholten Unterschrift kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob lediglich ein sogenanntes Scheinurteil vorliegt, wobei sich die Berufung darauf beschränken müsste, dessen Rechtsschein zu beseitigen (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 150/15 B - juris-Rn. 12).

 

Die Nachholung der fehlenden Unterschrift ist innerhalb von fünf Monaten seit Erlass des Urteils möglich (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 150/15 B - juris-Rn. 11 zum Fall einer lediglich paraphierten Urteilsfassung). So liegt es hier. Die Ausfertigung der unterschriebenen Urteilsfassung ist der Geschäftsstelle am 4. August übergeben und den Beteiligten jeweils am 9. August 2021 zugestellt worden. Ausgehend von dem Erlass des Urteils am 12. Mai 2021 ist damit eine Nachholung vor Ablauf von 5 Monaten erfolgt (Fristende mit Ablauf des 12. Oktober 2021, vgl. zur Fristberechnung § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG).

 

C. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 105 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1, 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1, Abs. 2, 63 SGG).

 

D. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen (dazu unter <I.> und <II.>). Eine Aufhebung und Zurückverweisung kommt nicht in Betracht (dazu unter <III.>).

 

I. Die Klage ist zulässig. Für das Begehren der Klägerin ist die (reine) Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) statthaft, die sich darauf richtet, die verfahrensgegenständlichen Bescheide teilweise aufzuheben. Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; 90 SGG).

 

II. Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet. Die Bescheide, mit denen die Beklagte die Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung im Zeitraum vom 5. Juni 2018 bis zum 8. Juni 2020 festgesetzt hat, beschweren die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn sie sind formell und materiell rechtmäßig.

 

1. Die Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere war die Beklagte dazu befugt, in den Beitragsbescheiden auch die Pflegeversicherungsbeiträge für die Beigeladene festzusetzen und einen gemeinsamen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Gem. § 46 Abs. 2 Satz 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die – wie die Klägerin – ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. In diesem Fall kann auch ein gemeinsamer Widerspruchsbescheid erlassen werden (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). So liegt es hier.

 

2. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht in der freiwilligen Krankenversicherung <dazu unter a)> verbeitragt <dazu unter b)>. Auch die Festsetzung von Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung ist nicht zu beanstanden <dazu unter c).> Ein anderes Ergebnis folgt weder aus dem Sinn und Zweck des Elterngeldes <dazu unter d)> noch aus Verfassungsrecht <dazu unter e)>.

 

a) Die Beklagte ist bei der Beitragsfestsetzung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum freiwillig gesetzlich krankenversichert gewesen ist.

 

Insoweit gehen Klägerin und Beklagte davon aus, dass die Klägerin seit dem 1. Januar 2011 infolge Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 6 SGB V versicherungsfrei gewesen ist. Angesichts des zuletzt erzielten Verdienstes der Klägerin von 79.156 Euro brutto (Steuererklärung für das Jahr 2017), der über der für das Jahr 2017 geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze von 57.600 lag (§ 4 Abs. 1 Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2017 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2017 – SVRechGrV 2017; BGBl. I S. 2665), hat der Senat keinen Anlass daran zu zweifeln. Die zum 1. Januar 2011 begründete freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin besteht fort, bis ein Beendigungstatbestand im Sinne des § 191 SGB V eintritt (insbesondere: Beginn einer Pflichtmitgliedschaft, § 191 Nr. 2 SGB V). Dafür ist hier (in der Zeit vom 5. Juni 2018 bis 8. Juni 2020) nichts ersichtlich. Keiner der in § 5 Abs. 1 SGB V genannten Versicherungspflichttatbestände, insbesondere nicht § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, war vorliegend erfüllt, vielmehr befand sich die Klägerin ab 5. Juni 2018 in Elternzeit und bezog ab diesem Zeitpunkt kein Arbeitsentgelt mehr (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 und 3 SGB IV). Für das Vorliegen einer Kündigung der freiwilligen Versicherung im Sinne des § 191 Nr. 3 SGB V ist ebenfalls nichts ersichtlich; es wird auch von der Klägerin selbst nicht geltend gemacht.

 

Soweit die Klägerin ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2019 Einnahmen in Höhe von 4.600 Euro erzielt hat, rührten diese aus der vor Beginn des Elterngeldzeitraums ausgeübten Beschäftigung.

 

b) Die Beklagte ist berechtigt, von der Klägerin Krankenversicherungsbeiträge zu erheben. Denn ausgehend von dem wirksamen, form- und fristgerechten Beitritt der Klägerin zur Krankenkasse wird die freiwillige Versicherung nach § 9 SGB V mit allen Leistungsansprüchen und Beitragspflichten begründet. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

 

Die Beklagte hat die Krankenversicherungsbeiträge auch in zutreffender Höhe festgesetzt.

 

aa) Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V werden die Mittel der Krankenversicherung durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht. Nach § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Für freiwillige Mitglieder richten sich die beitragspflichtigen Einnahmen nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Nach dieser Bestimmung wird die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Auf Grundlage dieser gesetzlichen Ermächtigung sind die BeitrVerfGrsSz vom 27. Oktober 2008 (eBAnz VB 4. November 2008; hier i.d.F. vom 28. November 2018) erlassen worden (zur Wirksamkeit der BeitrVerfGrsSz als untergesetzliche Normen und ihrer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht: BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 - B 12 KR 20/11 R - SozR 4-2500 § 240 Nr. 17; BSG, Urteile vom 18. Dezember 2013 - B 12 KR 24/12 R - SozR 4-2500 § 240 Nr. 20 u.a.; BSG, Urteil vom 15. Oktober 2014 - B 12 KR 10/12 R - SozR 4-2500 § 240 Nr. 24; BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 - B 12 KR 15/13 R - BSGE 119, 107; BSG Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 21/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr. 30).

 

Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist bei der Beitragsbemessung sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind.

 

Diesen gesetzlichen Regelungen folgend sind der Beitragsbemessung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (zur Vereinbarkeit des § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz mit § 240 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 SGB V: BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 12 KR 11/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr. 29).

 

Von dem Grundsatz, dass die Einnahmen des Mitglieds entscheidend sind, macht § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz eine Ausnahme; danach sind in bestimmten Fällen auch die Einnahmen des Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners zu berücksichtigen. Auch insoweit stehen die BeitrVerfGrsSz in Übereinstimmung mit den in § 240 SGB V enthaltenen Maßgaben. Denn die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens wird in § 240 Abs. 5 Satz 1 SGB V, der die Anwendung von Kinderfreibeträgen regelt, vorausgesetzt (vgl. auch die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, BT-Drs. 16/13428, S. 94).

 

bb) Davon ausgehend ergibt sich hier Folgendes:

 

(1) Auf Seiten der Klägerin sind keine Einnahmen zu berücksichtigen.

 

Für das während der Elternzeit bezogene Elterngeld besteht Beitragsfreiheit gem. § 224 Abs. 1 SGB V. Die Regelung erfasst auch freiwillig Versicherte (Hesral in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 224 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 11).

 

Die Klägerin hat über das Elterngeld hinaus in der Elternzeit kein weiteres Einkommen bezogen. Das an sie gezahlte Kindergeld ist keine beitragspflichtige Einnahme. Denn maßgebender Gesichtspunkt für die Kindergeldregelung ist nicht die Entlastung des Unterhaltspflichtigen, sondern die Begünstigung der Familie, in der das Kind dauernd lebt (so bereits BSG, Urteil vom 25. November 1981 - 5a/5 RKn 18/79 - SozR 2200 § 180 Nr. 7, juris-Rn. 19).

 

(2) Allerdings sind die Einnahmen des Ehemannes der Klägerin zu berücksichtigen.

 

Maßgeblich dafür ist § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz. Nach Satz 1 der Vorschrift setzen sich bei Mitgliedern, deren Ehegatte oder Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz nicht einer Krankenkasse (§ 4 Abs. 2 SGB V) angehört, die beitragspflichtigen Einnahmen aus den eigenen Einnahmen und den Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners zusammen. Gem. Satz 2 finden dabei die Grundsätze zur Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder, zur zeitlichen Zuordnung und Nachweisführung sinngemäß Anwendung.

 

(a) Davon ausgehend sind die Einnahmen des Ehegatten zu berücksichtigen, der – unstreitig – keiner Krankenkasse im Sinne des § 4 Abs. 2 SGB V angehört. Gem. der entsprechend anzuwendenden Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 BeitrVerfGrsSz ist das Arbeitseinkommen zugrunde zu legen, das über die Vorlage des nach § 6a Abs. 2 BeitrVerfGrsSz maßgeblichen Einkommensteuerbescheides nachgewiesen ist, sofern eine Veranlagung zur Einkommensteuer bereits erfolgt ist. Nach § 6b Abs. 2 BeitrVerfGrsSz bleibt das über den zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides maßgebend. Insofern kommt es auf den am 25. Januar 2019 erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 an, der 164.186 Euro Einkünfte aus selbstständiger Arbeit ausweist (zur Maßgeblichkeit des Betrages „vor Steuern“: BSG, Urteil vom 15. August 2018 - B 12 KR 8/17 R - BSGE 126, 189 ff., juris-Rn. 15 m.w.N.). Die im Verhandlungstermin vorgelegten Einkommensteuerbescheide für die nachfolgenden Jahre 2018 bis 2020 sind erst am 2. Juli 2020 und später ergangen.  Ausgehend von den daraus ersichtlichen Einnahmen des Ehemanns der Klägerin von 156.520 Euro (2018), 163.925 Euro (2019) und 274.879 Euro (2020) ergäbe sich jedoch auch kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis.

 

(b) Von diesen Einnahmen sind gem. § 2 Abs. 4 Satz 3 BeitrVerfGrsSz für Kinder die darin definierten Beträge abzusetzen.

 

Gem. § 2 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BeitrVerfGrsSz ist bei Anwendung des Absatzes 4 von den Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz für jedes gemeinsame unterhaltsberechtigte Kind des Mitglieds und seines Ehegatten beziehungsweise Lebenspartners, für das – wie vorliegend wegen § 10 Abs. 3 SGB V – keine Familienversicherung besteht, monatlich ein Betrag in Höhe von einem Drittel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV abzusetzen.

 

Davon ausgehend errechnet sich für das Jahr 2018 ein Abzug von 1.015 Euro (ausgehend von einer monatlichen Bezugsgröße von 3.045 Euro, § 2 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung <SVRechGrV> 2018, BGBl. I S. 3778) und für 2019 ein Abzug von 1.038,33 Euro (ausgehend von einer monatlichen Bezugsgröße von 3.115 Euro, § 2 Abs. 1 SVRechGrV 2019, BGBl. I S. 2024). Für das Jahr 2020 – von der Beklagten im Widerspruchsbescheid nicht erörtert – ergibt sich ein Abzugsbetrag von 1.061,67 Euro (ausgehend von einer monatlichen Bezugsgröße von 3.185 Euro, § 2 Abs. 1 SVRechGrV 2020, BGBl. I S. 2848).

 

Es ergeben sich bereinigte monatliche Einnahmen des Ehegatten in Höhe von 12.667,17 Euro (2018), 12.643,84 Euro (2019) und 12.620,50 Euro (2020).

 

(c) Davon ausgehend werden gem. § 2 Abs. 4 Satz 4 BeitrVerfGrsSz die für die Beitragsbemessung maßgebenden Einnahmen ermittelt, indem nacheinander die eigenen Einnahmen des Mitglieds und die Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners bis zur Hälfte der sich aus der nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Summe der Einnahmen, höchstens bis zu einem Betrag in Höhe der halben Beitragsbemessungsgrenze, berücksichtigt werden.

 

Die für die Beitragsbemessung zu berücksichtigenden Einnahmen werden in jedem Monat durch die Höhe der halben monatlichen Beitragsbemessungsgrenze begrenzt (halbe monatliche Beitragsbemessungsgrenze für 2018: 2.212,50 Euro [ausgehend von einer Jahresentgeltgrenze von 53.100 Euro, § 4 Abs. 2 SVRechGrV 2018], für 2019: 2.268,75 Euro [ausgehend von einer Jahresentgeltgrenze von 54.450 Euro, § 4 Abs. 2 SVRechGrV 2019], für 2020: 2.343,75 Euro [ausgehend von einer Jahresentgeltgrenze von 56.250 Euro, § 4 Abs. 2 SVRechGrV 2020]).

 

(d) Für eine Ausnahme im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 5 BeitrVerfGrsSz ist nichts ersichtlich.

 

cc) Ausgehend von den wie vorstehend ausgeführt zu berücksichtigenden Einnahmen hat die Beklagte die Beiträge in zutreffender Höhe festgesetzt. Fehler der Beklagten bei der Beitragsberechnung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

 

c) Aus der Mitgliedschaft der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt ihr Einbezug in die soziale Pflegeversicherung (§ 1 Abs. 2 Satz 1 SGB XI). Hinsichtlich der Festsetzung von Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI ist bei freiwilligen Mitgliedern der GKV für die Beitragsbemessung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden, was auch dessen Konkretisierung durch die BeitrVerfGrsSz umfasst (BSG, Urteil vom 15. August 2018 - B 12 KR 8/17 R – a.a.O., juris-Rn. 27).

 

d) Dass die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens dem Zweck des Elterngeldes zuwiderliefe (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2022 - L 11 KR 1922/21 - juris-Rn. 39), kann der Senat nicht erkennen. Offen bleiben kann deshalb, ob und welche Auswirkungen sich daraus für die Beitragsbemessung ergäben.

 

Nach den Gesetzesmaterialien soll das Elterngeld Eltern, die sich nach der Geburt des Kindes vorrangig dessen Betreuung widmen, bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage helfen und dazu beitragen, dass sich die gegenwärtige individuelle wirtschaftliche Situation und die späteren Möglichkeiten der Daseinsvorsorge für die betroffenen Mütter und Väter nicht dadurch verschlechtern, dass sie ihr Kind in seinen ersten Lebensmonaten vorrangig selbst betreuen. Der Bezug von Elterngeld soll deshalb einen Schonraum eröffnen, damit Familien ohne größere finanzielle Nöte in das Familienleben hineinfinden können (vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drs. 16/1889, S. 15). Insoweit ist mit dem Elterngeld nicht vorrangig ein Ausgleich für das entgangene Arbeitsentgelt verbunden (in diese Richtung LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2022 - L 11 KR 1922/21 - juris-Rn. 39), sondern eine Existenzsicherung. Dass diese unterlaufen würde, indem das Ehegatteneinkommen bei der Beitragsbemessung berücksichtigt wird, ist schon deshalb nicht zu erkennen, weil diese Berücksichtigung nur bei einem höheren Einkommen des Ehegatten stattfindet (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 BeitrVerfGrsSz) und in einem solchen Fall aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtung der Ehepartner und der Unterhaltspflichten keine Gefährdung der Existenzsicherung zu befürchten ist. Zudem dient auch die Krankenversicherung bzw. dienen die dafür aufgewandten Beiträge der existenziellen Absicherung, nämlich gegen die Lebensrisiken Krankheit und Pflegebedürftigkeit.

 

Es ist auch nicht zu erkennen, dass durch die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens die gesetzlich angeordnete Beitragsfreiheit des Elterngeldes unterlaufen würde (so aber LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2022 - L 11 KR 1922/21 - juris-Rn. 40). Das Elterngeld wird auch im Fall des § 4 Abs. 2 BeitrVerfGrsSz nicht bei den beitragspflichtigen Einnahmen des Versicherten berücksichtigt.

 

e) Eine Nichtanwendung des § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz wegen Verstoßes gegen Verfassungsrecht kommt nicht in Betracht (so jedoch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2022 - L 11 KR 1922/21 - juris-Rn. 42, die zugelassene Revision ist anhängig unter B 12 KR 2/22 R).

 

aa) Es kann offen bleiben, ob dem Gericht eine Kontroll- und Verwerfungskompetenz hinsichtlich der in § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz geregelten Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens zusteht, weil es sich bei den BeitrVerfGrsSz um untergesetzliche Normen handelt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 3. April 2014 - B 5 R 5/13 R - SozR 4-2600 § 137b Nr. 1, juris-Rn. 11) oder ob dem hier entgegensteht, dass die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens formell-gesetzlich vorgegeben wird, wofür § 240 Abs. 5 Satz 1 SGB V spricht, der die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens bei freiwillig Versicherten voraussetzt.

 

bb) Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht durch die in § 240 Abs. 1 Satz 1 2 HS 1 SGB V und § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz geregelte Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens bei einem Elterngeld beziehenden Versicherten ist jedenfalls nicht ersichtlich.

 

(1) Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 SGG liegt nicht vor.

 

(a) Als verbindliche Wertentscheidung gewährleistet Art. 6 Abs. 1 GG für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung (vgl. BSG, Urteil vom 15. August 2018 - B 12 KR 8/17 R – a.a.O., juris-Rn. 19 m.w.N.; BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 - B 12 KR 15/13 R - BSGE 119, 107 ff., SozR 4-2500 § 240 Nr. 25, juris-Rn. 31).

 

In Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgt aus Art. 6 Abs. 1 GG die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich. Dem Gesetzgeber steht aber Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz verwirklichen will. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen können aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG deshalb nicht hergeleitet werden. Dies gilt auch für die Ausgestaltung des Beitragsrechts in der freiwilligen Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 - B 12 KR 15/13 R – a.a.O., juris-Rn. 31). Diesem Gestaltungsauftrag ist der Gesetzgeber in der gesetzlichen Krankenversicherung durch zahlreiche familienfördernde Maßnahmen nachgekommen (u.a. beitragsfreie Familienversicherung, Krankengeld bei Erkrankung des Kindes, Anspruch auf Haushaltshilfe, keine Zuzahlungspflicht für Kinder, Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen, Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft und Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld oder Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld, Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft; BSG, Urteil vom 15. August 2018 - B 12 KR 8/17 R – a.a.O., juris-Rn. 20).

 

Zugleich enthält Art. 6 Abs. 1 GG einen besonderen Gleichheitssatz, der jeder belastenden Differenzierung entgegensteht, die an die Existenz einer Ehe anknüpft. Für einen Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG verbleibt daneben kein Raum mehr, wenn nicht eine stärkere sachliche Beziehung zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG besteht (vgl. Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Nichtannahmebeschluss vom 26. November 2018 - 1 BvR 1511/14 - juris-Rn. 5, m.w.N.).

 

(b) Wie die Klägerin im Ansatz zutreffend geltend macht, ist der Schutzbereich dieser Grundrechtsgarantien eröffnet. Denn Eheleute und Lebenspartner werden bereits dadurch gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften benachteiligt, dass dem verheirateten freiwilligen Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung Einkünfte des Ehegatten oder Lebenspartners zugerechnet werden und damit eine höhere Beitragslast entsteht (BSG, Urteil vom 15. August 2018 - B 12 KR 8/17 R – a.a.O., juris-Rn. 19).

 

(c) Nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat sich anschließt, ist es gleichwohl verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Ehegatten-Einkommen bei der Bemessung der Beiträge für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen wird.

 

Das hat das BSG bereits zu den bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Satzungsregelungen der Krankenkassen entschieden (BSG, Urteil vom 24. April 2002 - B 7/1 A 1/00 R – BSGE 89, 213 ff.) und daran auch festgehalten, nachdem die BeitrVerfGrsSz zum 1. Januar 2009 eingeführt wurden (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 - B 12 KR 15/13 R – a.a.O., juris-Rn. 29 ff.); BSG, Urteil vom 15. August 2018 - B 12 KR 8/17 R – a.a.O., juris-Rn. 19; vgl. außerdem BSG, Beschluss vom 3. Februar 2020 - B 12 KR 76/19 B - juris-Rn. 8 ff. und BSG, Beschluss vom 20. April 2021 - B 12 KR 79/20 B - juris-Rn. 8). Maßgeblich dafür ist, dass die Ehegatten, die im gemeinsamen Unterhaltsverband gleichwertige Leistungen erbringen, grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten haben, das ihnen zu gleichen Teilen zuzurechnen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2002 - B 7/1 A 1/00 R – a.a.O., juris-Rn. 35 mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 1 BvR 105/95, 559/95 und 457/96, FamRZ 2002, 527). Insofern prägen die höheren Einnahmen des Ehegatten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds im Sinne von § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V mit (BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 KR 9/10 R - juris-Rn. 18).

 

(d) Dies steht mit der Rechtsprechung des BVerfG in Einklang.

 

Danach kann die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zum Anknüpfungspunkt wirtschaftlicher Rechtsfolgen genommen werden, wenn sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben und die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten die Ehe nicht diskriminiert (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. November 2018 - 1 BvR 1511/14 - juris-Rn. 6 m.w.N.). Dabei darf insbesondere die wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten und die aus der Ehe resultierenden gegenseitigen Ansprüche zur Grundlage der Ungleichbehandlung von Ehegatten gegenüber einer anderen Gruppe gemacht werden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. November 2018 - 1 BvR 1511/14 - juris-Rn. 8 zur Differenzierung zwischen Dritt- und Ehegattenschenkungen im Rahmen des § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB).

 

Die im Ergebnis höhere Beitragslast von verheirateten freiwillig Versicherten ist vor diesem Hintergrund durch die aus der Ehe resultierenden gegenseitigen Ansprüche gerechtfertigt, die bei der Vergleichsgruppe der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in dieser Ausprägung nicht vorliegen. Denn zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gibt es keine mit der Ehe vergleichbare wirtschaftliche Verflechtung. Diese zeigt sich bei Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand leben, insbesondere durch den Zugewinnausgleich nach §§ 1372 ff. BGB (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. November 2018 - 1 BvR 1511/14 - juris-Rn. 11). Auch die die Ehe prägenden Unterhaltsansprüche sind ein Merkmal, das die Ehe von der nichtehelichen Lebensgemeinschaft abhebt. Zwar kommen zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Unterhaltsansprüche in Betracht, sofern ein gemeinsames Kind existiert, worauf die Klägerin zu Recht hinweist. Die Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern (§ 1615l BGB) enthalten jedoch keine den Unterhaltsansprüchen zwischen Ehegatten vergleichbare Verpflichtung und knüpfen insbesondere nicht an gemeinsame Lebensverhältnisse an (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. November 2018 - 1 BvR 1511/14 - juris-Rn. 10).

 

Davon unabhängig gilt, dass eine punktuelle gesetzliche Benachteiligung der Ehe hinzunehmen ist, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Ausgleich familiärer Belastungen abzielt, dabei Eheleute teilweise begünstigt und teilweise benachteiligt, die gesetzliche Regelung im Ganzen betrachtet aber keine Schlechterstellung von Eheleuten bewirkt (BVerfG, Urteil vom 12. Februar 2003 – 1 BvR 624/01 - BVerfGE 107, 205 ff., juris-Rn. 32). Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ist zu berücksichtigen, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung auf weitreichende Maßnahmen des Familienlastenausgleichs ausgelegt ist (vgl. dazu im Einzelnen BVerfG, Beschluss vom 7. April 2022 – 1 BvL 3/18 u.a. - juris-Rn. 360 ff.). Davon ausgehend greift die Schlechterstellung der Ehe im Rahmen der Beitragsbemessung nur punktuell ein. Sie ist dabei zum einen gerechtfertigt durch den o.g. Unterhaltsverband der Ehe, zum anderen aber auch durch Praktikabilitätserwägungen. Insoweit gilt, dass die Ehe ein rechtlich klar definierter und leicht nachweisbarer Tatbestand ist, das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft jedoch nicht. Es stellte eine Überforderung der Krankenkassen dar, diese mit Ermittlungen zum Verfestigungsgrad tatsächlich bestehender, wie auch immer rechtlich zu fassender eheähnlicher Lebensgemeinschaften zu belasten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2011 - 1 BvR 429/11 - NJW 2011, 2867 ff., juris-Rn. 21).

 

(e) Ohne Erfolg verweist die Klägerin demgegenüber auf einen von ihr wahrgenommenen „gesellschaftlichen Wandel“ dahingehend, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft „regelmäßig nicht nur vorübergehender Natur“ sei, sondern ein „üblicher dauerhafter Lebensentwurf“, bei dem der „Ehebund abgelehnt“, aber die „üblichen Grundsätze einer Ehe“ gelebt und angestrebt würden. Denn diese Argumentation lässt außer Acht, dass der Anknüpfungspunkt für eine Ungleichbehandlung die rechtlich fundierte wirtschaftliche Verflechtung sowie das Bestehen gegenseitiger rechtlicher Verpflichtungen ist, die weiterhin bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht vorliegen.

 

Auch der Verweis der Klägerin auf die Regelungen im SGB II, wonach das Einkommen von nicht unterhaltspflichtigen Partnern der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt wird, führt zu keiner anderen Beurteilung. Daraus folgt nicht, dass die Nichtberücksichtigung des Einkommens nichtehelicher Partner im Rahmen der Beitragsbemessung eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Ehegatten darstellte. Die Regelungen des SGB II zur Einkommensanrechnung sind auf die Beitragsbemessung zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht übertragbar. Die bereichsspezifischen Regelungen des SGB II sollen den Einsatz steuerfinanzierter staatlicher Mittel zur Existenzsicherung auf das Notwendige beschränken. Denn der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt. Deshalb kann bei der Ermittlung der Bedürftigkeit grundsätzlich auch das Einkommen und Vermögen von Personen einbezogen werden, von denen in einer Gemeinschaft ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Maßgebend sind nicht möglicherweise bestehende Rechtsansprüche, sondern die faktischen wirtschaftlichen Verhältnisse der Hilfebedürftigen, also das tatsächliche Wirtschaften „aus einem Topf“ (BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353 ff., juris-Rn. 39, m.w.N.). Davon unterscheidet sich die Beitragsbemessung zur Kranken- und Pflegeversicherung, die als Konsequenz des versicherungsrechtlichen Solidaritätsprinzips (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 2008 - B 12 KR 10/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr. 6, juris-Rn. 39, zur Verbeitragung von Einkünften der versicherungspflichtigen Rentner) die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitgliedes abbilden soll.

 

(f) Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG ist auch nicht vor dem Hintergrund zu erkennen, dass in der Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens bei der Beitragsbemessung ein Eingriff in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe läge, wie die Klägerin geltend macht.

 

Art. 6 Abs. 1 GG garantiert den Eheleuten eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist. Der Gesetzgeber muss daher Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen. Wie das BVerfG schon früh hervorgehoben hat, fällt in diesen Bereich auch die Entscheidung darüber, ob ein Ehepartner sich ausschließlich dem Haushalt und der Erziehung der Kinder widmen oder beruflich tätig sein und eigenes Einkommen erwerben will. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie erstreckt sich auf die „Alleinverdienerehe“ daher ebenso wie auf die „Doppelverdienerehe“ und schließt es aus, dass Ehegatten zu einer bestimmten Gestaltung ihrer Ehe gedrängt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 - BVerfGE 133, 377 ff., juris-Rn. 82).

 

Für einen Verstoß gegen diese Grundsätze ist nichts ersichtlich. Für die Entscheidung, sich für eine gewisse Zeit ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt unter Inanspruchnahme des – ggfls. deutlich niedrigeren Elterngeldes – vorrangig der Kinderbetreuung zu widmen, werden durch die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens bei der Beitragshöhe keine über die damit ohnehin verbundenen Einschränkungen hinausgehenden objektiven Erschwernisse geschaffen.

 

(2) Ein Verstoß von § 240 Abs. 5 SGB V und § 2 Abs. 4 Satz 2 BeitrVerfGrsSz gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt aus den oben genannten Erwägungen nicht vor.

 

III. Von einer Aufhebung und Zurückverweisung aufgrund von Verfahrensmängeln (§ 159 Abs. 1 SGG) sieht der Senat im Rahmen seines Ermessens ab.

 

Zwar hat das SG verfahrensfehlerhaft gehandelt, indem es ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), obwohl es zum Zeitpunkt des Urteilserlasses an einem wirksamen Einverständnis aller Verfahrensbeteiligter fehlte. Denn die Klägerin hatte keine Zustimmung erteilt.

 

Der Senat berücksichtigt jedoch, dass bei der Ausübung des gerichtlichen Ermessens prozessökonomischen Gesichtspunkten eine erhebliche Bedeutung zukommt, weshalb im Zweifel eine Entscheidung des Berufungsgerichts, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung vorzugswürdig ist (vgl. BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - B 13 RJ 194/03 B - juris, m.w.N.; Beschluss vom 14. Februar 2006 - B 9a SB 22/05 B - juris, m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. August 2017 - L 8 R 1021/16). Es ist nicht zu erkennen, dass prozessökonomische Interessen im vorliegenden Fall hinter anderen Interessen zurückzutreten hätten. Dagegen spricht bereits, dass die Klägerin den Mangel ihres fehlenden Einverständnisses nicht gerügt hat.

 

D. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

 

E. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Vereinbarkeit der Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V und dem folgend § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz mit höherrangigem Recht ist in der Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl. zur Vereinbarkeit mit Art. 6 GG zuletzt BSG, Beschlüsse vom 3. Februar 2020 - B 12 KR 76/19 B - juris-Rn. 8 ff. und vom 20. April 2021 - B 12 KR 79/20 B - juris-Rn. 8).

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved