1. Stellt ein Versicherter auf dem Arbeitsweg sein Kraftfahrzeug ab, um den Weg zu Fuß fortzusetzen, ist die zwischenzeitliche Anbringung einer Frostschutzmatte auf der Frontscheibe ene privatnützige Unterbrechung des Arbeitsweges.
2. Der Arbeitsweg ist noch nicht wieder angetreten, wenn der Versicherte nach dem Anbringen der Frostschutzmatte vom Kraftfahrzeug zurücktritt.
3. Die an die Aufgabe zur Post anknüpfende Vermutung der Bekanntgabe des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X greift nicht ein, wenn die Behörde die Aufgabe zur Post nur als grundsätzlich zu einem Zeitpunkt erfolgend belegen kann.
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 6. Juli 2020
wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfall der Klägerin ein als Arbeitsunfall versicherter Wegeunfall war.
Die Klägerin knickte am 6. Januar 2017 mit dem rechten Fuß um, nachdem sie auf dem Weg zur Arbeit ihr Kraftfahrzeug verlassen hatte, um letztlich den weiteren Weg zu Fuß fortzusetzen. Dabei zog sie sich einen Sprunggelenksbruch (Weber B-Fraktur) zu.
Im Durchgangsarztbericht des Arztes der BG-Ambulanz des Krankenhauses D. über die Erstbehandlung am 7. Januar 2017 wird – ebenso in dem Bericht vom gleichen Tag an die weiter behandelnden Ärzte des BG-Klinikums H – die Angabe der Klägerin wiedergegeben, sie habe nach der Ankunft zur Nachtschicht das Auto abgeschlossen und sei auf einen Stein getreten, als sie das Auto habe abdecken wollen.
Im Bericht am 8. Januar 2017 teilten die weiter behandelnden Ärzte mit, die Klägerin habe sich den Fuß vertreten, als sie ihr Auto mit einer Plane habe abdecken wollen.
In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 9. Januar 2017 ist als Mitteilung der Klägerin wiedergegeben, sie sei beim Abdecken der Autoscheiben rückwärts und auf einen Stein getreten und mit dem Fuß umgeknickt. Augenzeugen des Unfalls gibt es danach nicht.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für dessen Folgen ab. Bei dem Abdecken des Kraftfahrzeugs handele es sich um eine vorbereitende Tätigkeit, die der Erhaltung von dessen allgemeiner Fahrbereitschaft diene. Vorbereitungshandlungen seien allgemein dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Auch bestehe kein ausreichender innerer Zusammenhang mit dem Arbeitsrückweg.
Die Klägerin legte noch im selben Monat Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2017 zurückwies. Sie legte dar, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII lägen nicht vor, wonach auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit geschützt sei. Allgemeine Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit eines PKW seien als Vorbereitungshandlungen unversichert, wie Tanken, Inspektionen, Reparaturen etc. (Hinweis auf BSG, Urt. v. 4.9.07 – B 2 U 24/06 R). Vorbereitungshandlungen seien nur in einem besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu der versicherten Tätigkeit unter Versicherungsschutz gestellt (Hinweis auf BSG, Urt. v. 28.4.04 – B 2 U 26/03 R). Eben wegen des allgemein fehlenden Schutzes für Vorbereitungshandlungen habe der Gesetzgeber bestimmte schutzbedürftige Vorbereitungshandlungen durch § 8 Abs. 2 SGB VII gesondert als versichert bestimmt. Im Übrigen gehe es bei Ausnahmen nur um die unmittelbare Sicherstellung der Fortsetzung und Beendigung eines begonnenen Weges. An einer solchen unmittelbaren Beziehung fehle es hier im Hinblick auf den Rückweg, der offensichtlich durch Schutz vor Vereisung habe abgesichert werden sollen. Der Bescheid ist nach einem Vermerk in der Akte der Beklagten am 28. April 2017 abgesandt worden. Dazu führt sie aus, dieses Datum entspreche „grundsätzlich“ dem Tag der Übergabe eines Schreibens an die Post. Darüber hinaus lägen ihr aber keine schriftlichen Angaben über das Absendungsdatum des Widerspruchsbescheides vor. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben eine „Zustellung“ am 3. Mai 2017 mitgeteilt.
Mit der am 2. Juni 2017 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen, zu dem Stellwerk als Ziel ihres Arbeitswegs bestehe keine Zufahrtsmöglichkeit mit einem PKW, sodass sie ihn auf dem fraglichen Gelände habe abstellen und – wie alle anderen Mitarbeiter auch – eine abschließende Strecke von ca. 200 m zu Fuß habe zurücklegen müssen. Dazu habe der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern sogar eine Taschenlampe ausgehändigt. Zur Zeit des Abstellens des Fahrzeugs hätten deutliche Frosttemperaturen geherrscht. Zusammen mit Nieseln am Tag habe dies teilweise zu Bodenfrost geführt.
Die Darstellung im Durchgangsarztbericht zum Unfallzeitpunkt sei jedoch insofern unrichtig, als sie ihren Rucksack mit den Sachen für die Nachtschicht vom Beifahrersitz nehmen und dann die Beifahrertür habe schließen wollen. Dort habe vorher auf dem Boden die Plane gelegen. Dieser Sachvortrag ist auch Gegenstand einer Widerspruchsbegründung an die Beklagte mit Datum vom 24. April 2017, die die Beklagte aber erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides erreicht hat. Als die Klägerin – so trägt sie weiter vor – rückwärts nach hinten getreten sei, sei sie offenbar auf einen Stein getreten, mit dem sie nicht gerechnet habe. Die Angaben zum Durchgangsarztbericht habe nicht sie gemacht, sondern der Bezirksleiter Betrieb der D AG, der selbst auch nur mittelbar informiert gewesen sei. Die Ärzte des weiter behandelnden BG-Klinikums H. wiederum hätten offenbar den Unfallhergang nur von ihren Vorgängern abgeschrieben. Zur Entnahme des Rucksacks hätte sie auch dann vom Auto zurücktreten müssen, wenn sie nicht zuvor die Frontscheibe abgedeckt hätte. Dies sei noch dem Arbeitsweg im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zuzurechnen.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Personalmanagements bei der D. AG in H. vom 21. Februar 2020 eingeholt, wegen deren Inhalt auf Bl. 60 d. A. verwiesen wird. Wegen eines Telefonvermerks über ein Gespräch mit dem diensthabenden Notfallmanager R. vom 4. Mai 2020 wird auf Bl. 67 Rs., 68 d. A., verwiesen. Das Gericht hat sodann eine Auskunft des Bezirksleiters Betrieb D. von der D AG, Eingang bei Gericht am 19. Mai 2020, eingeholt. Darin teilt er mit, er habe die Information zum Unfallhergang vom Notfallmanager R. erhalten. Die Angaben für die Unfallanzeige habe er am nächsten Arbeitstag durch einen Anruf der Klägerin erhalten. Aufzeichnungen zu den Gesprächen gebe es nicht.
Das Sozialgericht hat weiterhin die Unterlagen der Abteilung Unfallchirurgie des Krankenhauses D. zum Unfallablauf, Bl. 62 - 67 d. A., beigezogen.
Mit Urteil vom 6. Juli 2020 hat das Sozialgericht die Feststellung getroffen, das Ereignis sei ein Arbeitsunfall gewesen. Bei dem Unfall habe es sich um einen Wegeunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB VII gehandelt. Alle Handlungen beim Abstellen des Fahrzeugs wie Abdecken der Frontscheibe mit einer Plane, Herausnahme des Rucksacks und Abschließen des Fahrzeugs hätten mit dem Weg im Zusammenhang gestanden. Zwar fielen Tätigkeiten mit dem Ziel, das ausgewählte Verkehrsmittel nutzbar zu halten, nicht unter den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Hier ergebe sich aber aus besonderen Umständen ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Das Stellwerk habe abseits von öffentlichen Straßen gelegen. Parkplatz und Parkzeit seien durch die Arbeit vorgegeben gewesen, dadurch auch die Notwendigkeit zur Abdeckung der Frontscheibe. Dies habe der Klägerin die Möglichkeit zur Auswahl von Ort und Zeit funktionssichernder Maßnahmen wie bei Tanken oder Reparaturen genommen. Zudem hätten sich bei dem Unfall auf einem unbeleuchteten, provisorischen Parkplatz die besonderen Gefahren des konkreten Arbeitswegs realisiert. Auf den Zusammenhang der Verletzung mit einer einzelnen Verrichtung nach dem Aussteigen aus dem Auto komme es danach nicht an.
Gegen das Urteil hat die Beklagte am 5. August 2020 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, der Unfall habe sich nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Zurücklegen eines Weges im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ereignet. Das Anbringen der Plane auf der Frontscheibe des PKW sei eine unversicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeit, weil es sich um eine Vorbereitungshandlung für den Rückweg handele. Für solche zur Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit eines für den Arbeitsweg genutzten PKW durchgeführten Maßnahmen bestehe kein Versicherungsschutz. Welche Rolle dagegen die Lage und Beschaffenheit des Ortes spielen solle, sei nicht nachvollziehbar. Die Anbringung der Folie sei nicht einmal zur Aufrechterhaltung der Fahrtüchtigkeit erforderlich gewesen; sie habe lediglich ein späteres Enteisen der Scheiben verhindert. Sie falle auch nicht unter die Ausnahmen für unvorhergesehene Maßnahmen zur Erhaltung der Betriebstüchtigkeit eines Fahrzeugs. Komme es aber auf das Abdecken der Frontscheibe an, lasse sich ein anderer Zusammenhang mit dem Eintritt des Unfalls nicht feststellen. Die Klägerin habe den Zusammenhang anfänglich so dargestellt, ohne dass sich dies widerlegen ließe. Auch der Gang der Klägerin um das Auto zur Beifahrerseite sei nur durch die Anbringung der Folie zu erklären. Auf Frage des Gerichts hat sie ergänzt, sie gehe davon aus, dass der Widerspruchsbescheid entsprechend ihrem Postaufgabestempel am 28. April 2017 ihr Haus verlassen habe. Das dort vermerkte Datum entspreche grundsätzlich dem Tag der Übergabe eines Schreibens an die Post. Andere Angaben zum Absendedatum lägen ihr nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 6. Juli 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist das Urteil des Sozialgerichts nicht zu beanstanden. Sie führt ergänzend aus, der Unfall sei eingetreten, als sie den unvermeidlichen Fußweg zum Stellwerk angetreten habe. Die ggf. unversicherte Vorbereitungshandlung des Anbringens der Folie sei bereits abgeschlossen gewesen. Die Befestigung der Folie hänge nicht von einem nachfolgenden Schließen der Türen ab, da sie durch Gummischlaufen um die Sonnenblenden befestigt werde. Das Herumgehen um das Auto stehe damit in keinem Zusammenhang, weil es von jedem Fahrzeugführer im Rahmen seiner Pflichten nach § 1 der Straßenverkehrsordnung zur Kontrolle des Verschlusses der Fenster und Türen vorzunehmen sei. In der mündlichen Verhandlung hat sie ergänzt, sie habe das Auto an einer parallel zur Bahn gelegenen Strecke dorthin zugewandt abgestellt. Diese durch die Windverhältnisse bedingte Richtung erfordere ohnehin, dass sie um das Auto herumgehen müsse, um den Fußweg fortzusetzen. Ihr Rucksack sei bei dem Vertreten des Fußes zu Boden gefallen.
Das Gericht hat vom BG-Behandlungszentrum an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Krankenhauses M.-M. H.-D. Anfragen gerichtet, wegen deren Inhalt auf Bl. 121 - 123 d. A. und Bl. 135 - 138 d. A. Bezug genommen wird. Weitere Angaben zum Tätigkeitszusammenhang des Unfalls ergeben sich daraus nicht. Das BG-Klinikum B. H. hat auf Anfrage mitgeteilt, etwaige handschriftliche Aufzeichnungen dazu lägen dort nicht vor.
Neben der Gerichtsakte hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung die Akte der Beklagten – Az. 201700000965 – vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kraft Gesetzes statthafte Berufung der Beklagten ist begründet.
Allerdings ist die Klage auch insoweit zulässig, als die Klägerin die Klagefrist des § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG gewahrt hat. Der Klageeingang beim Sozialgericht mit Fax am 2. Juni 2017 wahrt die Monatsfrist. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Widerspruchsbescheid der Klägerin entgegen ihrer Behauptung vor dem 3. Mai 2017 im Sinne von § 87 Abs. 2 SGG bekanntgegeben worden ist. Denn die Aufgabe des Widerspruchsbescheides zur Post im Sinne von § 37 Abs. 2 S. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) als zeitlicher Ausgangspunkt der Bekanntgabe von Verwaltungsakten – wie dem Widerspruchsbescheid der Beklagten – lässt sich nicht zur gerichtlichen Überzeugung nachweisen. Die Beklagte hat dazu selbst Restzweifel bekundet, indem sie die Frage des Gerichts nach der Beweiskraft ihres paraphierten Absendestempels dahin beantwortet hat, das dort vermerkte Datum entspreche „grundsätzlich“ demjenigen der Übergabe an die Post. Eine verbindliche Äußerung für den Einzelfall ist dieser Formulierung nicht zu entnehmen. Diese Restzweifel an einer Aufgabe zur Post bereits am Freitag, dem 28. April 2017 verbleiben entsprechend beim Senat.
Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2017 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Denn die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung eines Arbeitsunfalls der Klägerin vom 6. Januar 2017 mit dem Erstschaden einer Weber B-Fraktur abgelehnt. Die Klägerin war nämlich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses in Form eines Umknickens nicht gesetzlich unfallversichert, weil sie ihre versicherte Tätigkeit des Zurücklegens eines Weges von und nach dem Ort der (Beschäftigungs-)Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) unterbrochen hatte. Denn ihr Motiv, nach dem Aussteigen aus dem Kraftfahrzeug nicht sofort den Weg zum Stellwerk als Beschäftigungsort anzutreten, ist ihrem unversicherten privaten Bereich und unter keinem Gesichtspunkt einer versicherten Tätigkeit zuzuordnen. Zu dem unversicherten privaten Bereich gehört es nämlich, dass die Klägerin nach oder bei Befestigung der Frostschutzmatte an der Frontscheibe ihres Kraftfahrzeugs auf der Beifahrerseite einen Schritt rückwärts unternahm, bei dem sie auf einen Stein trat und umknickte.
Das Gericht hält diesen Sachverhalt für erwiesen. Er ist Gegenstand der Unfallanzeige des Arbeitgebers, die nach dessen schriftlichem Bekunden auf den Angaben der Klägerin beruht. Weiterhin hat der Verfasser der Anzeige in seinem Schreiben vom Mai 2020 bekundet, die Angaben für die Unfallanzeige durch ein Telefonat mit der Klägerin erhoben zu haben. Dagegen spricht nicht einmal deren Vorbringen im Schreiben an die Beklagte vom 24. April 2017. Auch danach hat die Klägerin nach einer der verschiedenen dort geschilderten Vortragsvarianten die Scheibe abgedeckt und ist rückwärts nach hinten getreten, „um“ einen Rucksack vom Beifahrersitz zu nehmen.
Soweit die Klägerin diesen Vortrag fortlaufend dahin verschiebt, sie habe den Schritt rückwärts erst nach Entnahme ihres Rucksacks aus dem Auto unternommen, hält der Senat dies zunächst nicht für glaubhaft. Denn es stellt sich dann die nicht zu beantwortende Frage, weshalb dieser nach ihrer späteren Darstellung entscheidende Zusammenhang nicht Gegenstand einer zeitnahen Unfallbeschreibung ist. Sowohl im Bericht von Dr. H. über die Angaben bei der Erstbehandlung am 7. Januar 2017 als auch in der Unfallanzeige ist allein von der Absicht der Anbringung einer „Plane“ bzw. vom Vorgang des Abdeckens der Autoscheibe die Rede. Auch der Unterzeichner der Unfallanzeige bezieht sich insoweit auf Rücksprache mit der Klägerin. Weshalb die Klägerin fortlaufend die Anbringung der Frostschutzmatte, nicht aber den maßgeblichen Zusammenhang erwähnt haben sollte, bleibt unerklärlich. Augenzeugen für den geschilderten Vorgang sind nicht vorhanden.
Der Senat unterstellt als richtig, dass die Klägerin im Rahmen des Verlassens des Autos daraus den geschilderten Rucksack entnommen hat. Dies begründet hingegen nicht die Feststellung, dass diese Tätigkeit wesentlich für das unfallverursachende Zurücktreten im Bereich der Beifahrertür gewesen ist. Der Senat kann schon nicht feststellen, dass die Klägerin dazu überhaupt die Beifahrerseite geöffnet hätte, wenn sie nicht ohnedies die Abdeckmatte hätte anbringen müssen. Dafür spricht keine Vermutung eines typischen Ablaufs, weil ein Rucksack, der nach dem Aussteigen über eine Strecke von ca. 200 Metern getragen werden kann und muss, allgemein auch ohne Öffnung einer weiteren Tür schon beim Aussteigen durch Ziehen auf die Fahrerseite entnommen werden kann.
Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren vorträgt, sie habe schon nach der Abstellrichtung an dem Wagen vorbeigehen müssen und darüber hinaus die Angewohnheit, zur Kontrolle sicheren Verschlusses einmal um ihr Auto herumzugehen, folgt daraus kein Grund für ein Hineinbeugen in das Auto mit nachfolgendem Zurücktreten. Mit diesem Vorgang hatte die Klägerin noch keine Bewegung eingeleitet, die äußerlich als Fortsetzung eines Weges um das Auto herum erkennbar war. Die Behauptung der Verschlusskontrolle hat zudem ausschließlich eine hypothetische Ursache für die konkret vorgenommene Umrundung des Fahrzeugs zum Gegenstand. Wer – wie die Klägerin – die Beifahrertür jedenfalls zumindest wegen der vorherigen Anbringung der Abdeckmatte noch erst verschließen muss, begibt sich nicht schon auf einen Gang zur Kontrolle des Verschlusses.
Das vorsorgliche Abdecken einer Autoscheibe nach dem Abstellen des Autos stellt eine unversicherte Handlung dar, die allein der Vorbereitung einer (späteren) Fahrt dient (vgl. zur Aufrechterhaltung einer Fahrbereitschaft eines Kraftfahrzeuges BSG, Urt. v. 30.1.20 – B 2 U 9/18 R – Juris). Insoweit unterscheidet sich die Handlung der Klägerin in keiner Hinsicht von dem abendlichen Abdecken von Autoscheiben im Winter durch Hunderttausende von Arbeitnehmern, die am nächsten Morgen die Autofahrt zum Arbeitsplatz antreten wollen und beim Abdecken unversichert sind. Insofern stellt es auch keine Sondergefahr aus der Beschäftigung heraus dar, dass der Klägerin als nächstgelegene Parkmöglichkeit kein vor Kälte schützendes Parkhaus, sondern nur ein im Freien gelegener Parkplatz zu Verfügung stand. Denn dieser Umstand des Lebens hat nichts mit einem Risiko der ausgeübten Beschäftigung, sondern allein mit räumlichen Zufälligkeiten zu tun, denen Menschen als Teilnehmer am Kraftfahrzeugverkehr allgemein ausgesetzt sind. Auch dort steht es zudem im Ermessen des Kraftfahrers, ob er einen nahe gelegenen Parkplatz oder eine entferntere geschütztere Abstellmöglichkeit aufsucht.
Bei dem Anbringen der Abdeckmatte zwischen Ende der Autofahrt und Antritt des Fußwegs handelt es sich nicht um private Verrichtungen im Vorbeigehen, die den Versicherungsschutz nicht unterbrechen (BSG, Urt. v. 7.9.19 – B 2 U 31/17 R – Juris, Rdnr. 20). Denn sie erfordern einen räumlichen Abweg zum Öffnen der Tür und eine ganz vom Weg unabhängige Verrichtung – Anbringung der Abdeckmatte – als deutliche Unterbrechung des Weges.
Die jedenfalls eingetretene Unterbrechung des Weges aus außerbetrieblichen Gründen war noch nicht beendet. Selbst dann, wenn die Klägerin erst nach der Entnahme des Rucksacks den Schritt rückwärts gemacht hat, ist damit die Unterbrechung noch nicht beendet. Denn erst durch die Zuwendung zur weiteren Wegstrecke ist wieder äußerlich der Wille zur unmittelbaren Fortsetzung des Arbeitswegs erkennbar (vgl. BSG, Urt. v. 7.9.19 – B 2 U 31/17 R – Juris, Rdnr. 26 f.).
Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG folgt hier aus dem Unterliegen der Klägerin.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor, weil die Abgrenzung zwischen versichertem und unversichertem Bereich im Zusammenhang mit Arbeitswegen hinreichend geklärt erscheint und der Senat der Rechtsprechung dazu gefolgt ist.