Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 22. Februar 2021 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren in vollem Umfang zu erstatten. Im Übrigen bleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit der Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Aufhebung eines Rückforderungs- und Erstattungsbescheides durch das Sozialgericht.
Mit Bescheid vom 20. Januar 2015, bzw. Änderungsbescheid vom 2. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2016 hatte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum von Februar bis einschließlich Juli 2015 bewilligt. Im Oktober 2015 erfuhr der Beklagte, dass der Kläger Eigentümer des bebauten Grundstückes W in K ist. Dieses Grundstück war ihm mit Schenkungsvertrag vom 3. März 2015 unter Bestimmung eines sofortigen Besitzüberganges von seiner Mutter übereignet worden. Das Grundstück befindet sich in einem Sanierungsgebiet nach § 143 BauGB. Der Beklagte ging aufgrund ihm verfügbarer Angaben des Gutachterausschusses und der Lage des Grundstückes in der Sanierungszone 4 von K von einem Bodenwert von 36,20 Euro/m² aus. Hieraus errechnete er einen Grundstückswert von 9.412,00 Euro und setzte den Wert des baufälligen Gebäudes mit Null an. Den Grundstückswert teilte er durch sechs und stellte den so ermittelten Betrag der von ihm angenommenen monatlichen Einnahmen dem zuvor der Leistungsgewährung zugrunde gelegten monatlichen Bedarf für die Monate April bis einschließlich September 2015 gegenüber. So gelangte er zu der Einschätzung, dass der Bedarf des Klägers für die Monate April bis einschließlich Juli 2015 aus eigenen Mitteln gedeckt war und ein Leistungsanspruch entfiel. Mit Bescheid vom 17. August 2016 hob der Beklagte daraufhin die vorangegangene Leistungsbewilligung für den Zeitraum April bis einschließlich Juli 2015 auf und forderte den Kläger zur Rückzahlung von insgesamt 2.591,52 Euro auf. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch ließ der Kläger unbegründet. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Hierbei ging er in Bezug auf den Bewilligungszeitraum Juli 2015 von einer Unzulässigkeit des Widerspruches aus, weil der Monat bereits Gegenstand eines beim Sozialgericht Neuruppin anhängigen Klageverfahrens war. Hinsichtlich der Monate April bis einschließlich Juni 2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Mit der am 11. Januar 2017 erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 17. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2016 begehrt. Mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2021 hat das Sozialgericht wie folgt entschieden „Die mit dem Änderungs-, Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 17. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2016 verlautbarten Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen werden, soweit diese den Zeitraum vom 1. April 2015 bis zum 30. Juni 2015 betreffen, aufgehoben. Der Beklagte hat dem Kläger ¾ der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.“ Hierzu hat das Sozialgericht ausgeführt, es habe die Klage dahingehend ausgelegt, dass sie sich nur gegen die Aufhebung der Leistungsbewilligung und die entsprechende Rückforderung in Bezug auf die Monate April bis einschließlich Juni 2015 beziehe, da der Monat Juli 2015 bereits Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens S 26 AS 1477/16 gewesen sei. Die so verstandene Klage sei auch begründet. Der streitgegenständliche Bescheid könne sich nicht auf § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 48 SGB X stützen. Danach sei ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene eine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebene Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht vorgenommen habe oder aber nach Erlass des Bescheides Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde. Zwar seien diese Voraussetzungen hier grundsätzlich erfüllt, denn es handele sich bei dem Erhalt des Grundstückes um Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II, welches ab dem Folgemonat des Zuwachses (hier also ab April 2015) zu berücksichtigen und wertmäßig auf sechs Monate zu verteilen sei, jedoch habe der Beklagte keine konkret tragfähige Wertermittlung angestellt, sondern sich bei der Bezugnahme auf die Mitteilung des Gutachterausschusses letztlich auf eine reine Vermutung gestützt. Eine solche könne jedoch eine Aufhebungsverfügung nicht tragen.
Mit der Berufung hat der Beklagte vorgebracht, das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, er habe bei der Wertermittlung lediglich eine Schätzung vorgenommen und „über den Daumen gepeilt“. Als Grundlage des Wertansatzes seien vielmehr Grundstückswerte im Landkreis O ermittelt und für das hier maßgebliche Grundstück zutreffende Bodenrichtwerte herangezogen worden. Diese Werte würden auch als Grundlage von Verkehrswertgutachten privater Sachverständiger genutzt. Vor diesem Hintergrund hätte das Gericht der Klage nicht stattgeben dürfen, sondern ggf. eigenständig Beweis erheben müssen über den Wert des Grundstückes. Im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens habe der Beklagte nunmehr seinerseits bei der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses eine überschlägige Wertangabe in Auftrag gegeben. Danach betrage der Grundstückswert 11.000,00 Euro. Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 22. Februar 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 22. Februar 2021 zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen. Er hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts erweist sich jedenfalls im Ergebnis als richtig, denn der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung einer Leistungsbewilligung nach dem SGB II in der hier vorliegenden Konstellation ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nummer 3. SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde. Daran fehlt es hier indes. Einkommen ist alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält. Hingegen ist Vermögen das, was jemand vor der Antragstellung bereits hatte (BSG, Urteil vom 24. Juni 2020, B 4 AS 7/20 R, Rdnr. 28, juris). Maßgeblich sind insofern die im betreffenden Bewilligungszeitraum, hier also von Februar bis Juni 2015 geltenden Vorschriften. Gem. § 11 Abs. 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung waren als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Zutreffend sind daher der Beklagte und das Sozialgericht davon ausgegangen, dass der Kläger durch die Übertragung des Grundstückes im Bewilligungszeitraum Einnahmen erzielt hat.
Ob diese Einnahmen die vom Beklagten angenommene Höhe hatten, der Beklagte also zu Recht von einem Grundstückswert von 9.412,00 € ausgegangen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, denn unabhängig von ihrer tatsächlich anzusetzenden Höhe konnten diese Einnahmen im Bewilligungszeitraum nicht bedarfsmindernd wirken. Der wertmäßige Zuwachs mindert erst dann den Bedarf, wenn die Einnahme dem Hilfebedürftigen tatsächlich zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung steht, es sich also um sog. bereite Mittel handelt. Ein Hilfesuchender darf wegen seines gegenwärtigen Bedarfes nicht auf Mittel verwiesen werden, die ihm erst in der Zukunft tatsächlich zur Verfügung stehen (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R, Rdnr. 22, juris). Auch wenn man mit dem Beklagten davon ausginge, dass das vom Kläger erlangte Grundstück ungeachtet des maroden Zustandes der auf ihm befindlichen Gebäude einen Verkehrswert in Höhe des reinen Bodenwertes hätte, so hätte der Kläger das im März 2015 erlangte Grundstück nach Überzeugung des Senates keinesfalls bereits im hier relevanten Bewilligungszeitraum in einer Weise verwerten können, dass ihm der Erlös unmittelbar zur Bedarfsdeckung zur Verfügung gestanden hätte. Dafür, dass sich das Grundstück kurzfristig hätte verpachten lassen, bieten sich keinerlei Anhaltspunkte. Einer dahingehenden Annahme steht vielmehr der schlechte Gebäudezustand entgegen. Eine Veräußerung oder Beleihung des Grundstückes ließe den Kläger nach allgemeiner Lebenserfahrung erst nach einer im Grundbuch einzutragenden Sicherung des Erwerbers bzw. des Kreditgebers in eine Position der Verfügungsgewalt über den Erlös kommen. Darüber hinaus unterliegen sämtliche der vorgenannten Verwertungsformen eines in einem Sanierungsgebiet nach § 143 BauGB befindlichen Grundstückes den in § 144 Abs. 1 und 2 BauGB genannten Beschränkungen, bedürfen also der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde. Bei einer solchen Sach- und Rechtslage handelt es sich hier offenkundig bei dem Anfang März 2015 an den Kläger verschenkten Grundstück nicht um bereite Mittel zur Deckung des von April 2015 bis Juni 2015 bestehenden Bedarfes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.