L 2 AS 594/22 B

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 31 AS 814/21
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 594/22 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze


1. Eine die Verwaltungsvollstreckung vorbereitende Handlung des Grundsicherungsträgers steht im rechtlichen Zusammenhang mit dessen Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II, wodurch der Sozialrechtsweg nach § 51 Abs 1 Nr 4a SGG eröffnet ist.
2. An der Zulässigkeit des Sozialrechtswegs ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger als Erbe eines Leistungsempfängers in Anspruch genommen wird; ein Anspruchsübergang auf den Erben verändert die Rechtsnatur des öffentlich-rechtlichen Anspruchs nicht.
3. Lehnt der Grundsicherungsträger die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses iSv § 1990 BGB durch Verwaltungsakt vor Aufnahme eines Vollstreckungsverfahrens ab, ist der Sozialrechtsweg eröffnet.

Auf die Beschwerde des Klägers sowie des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 24. Oktober 2022 aufgehoben. Das Verfahren ist weiterhin beim Sozialgericht Halle anhängig.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

 

I.

Sowohl der Kläger als auch der Beklagte wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Halle, mit dem dieses den Rechtsweg für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Merseburg verwiesen hat. In der Sache ist die durch Bescheid des Beklagten erfolgte Ablehnung der Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses im Zusammenhang mit einer Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) streitig.

 

Der Beklagte ist ein zugelassener kommunaler Träger im Sinne von § 6a SGB II. Der am ... 2011 geborene Kläger ist Erbe des im Oktober 2019 verstorbenen S. Dieser hatte vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II bezogen. Mit Bescheiden vom 27. Oktober 2008 sowie 17. September 2014 forderte der Beklagte von Herrn S. die Erstattung von Leistungen. Daraus war zuletzt ein Betrag i.H.v. 589,69 € offen.

 

Nach Eintritt des Erbfalls forderte der Beklagte den Kläger als Erben zur Zahlung des Betrages i.H.v. 589,69 € bis zum 16. April 2021 auf (Schreiben vom 26. März 2021). Daraufhin erhob der Kläger mit Schreiben vom 12. April 2021 die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses i.S.v. § 1990 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Vermögenswerte seien nicht zugeflossen. Auch er selbst sei vermögenslos. Der Beklagte forderte den Kläger zum Zwecke der Prüfung der Voraussetzungen für die Dürftigkeitseinrede zur Vorlage eines Nachlassverzeichnisses bis zum 31. Mai 2021 auf. Nach Fristablauf würde der Betrag sofort wieder fällig; dann würden „auch wieder die Vollstreckungsmaßnahmen aufgenommen“ (Schreiben vom 26. April 2021). Der Kläger führte in einem Schreiben vom 14. Juni 2021 aus, dass durch eine andere Person, welche auch Erbschaftsbesitzerin sei und die Nachlassgegenstände bereits veräußert habe, der Anspruch auf das Erbe erhoben worden sei. Etwaige Vollstreckungsmaßnahmen gegen diese Person würden aufgrund von Mittellosigkeit erfolglos sein.

 

Mit Bescheid vom 18. Juni 2021 lehnte der Beklagte die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses ab. Die Dürftigkeit des Nachlasses sei durch den Erben darzulegen; dies sei nicht erfolgt. Zur Zahlung der Forderung werde daher bis zum 2. Juli 2021 aufgefordert. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung.

 

Den dagegen am 28. Juni 2021 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2021 als unbegründet zurück. Die angefochtene Entscheidung beruhe auf §§ 1990, 1967 BGB und § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Zwar könne der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreiche. Der Erbe sei in diesem Falle verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben, § 1990 BGB. Bei dem angefochtenen Bescheid handele es sich um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X im Rahmen des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens, in welchem die Dürftigkeit zu berücksichtigen sei. Vorliegend greife die Dürftigkeitseinrede des § 1990 BGB nicht. Der Kläger sei zur Vorlage des Nachlassverzeichnisses oder sonstiger Nachweise zur Ablehnung einer Nachlassinsolvenz bzw. Nachlassverwaltung mangels Masse aufgefordert worden. Hierauf sei lediglich erklärt worden, der unbekannte Nachlass sei durch eine Miterbin veräußert worden und diese sei mittellos. Nachweise seien nicht eingereicht worden. Somit müsse von einem vorhandenen Nachlass, welcher die Rückforderung von 589,69 € übersteige, ausgegangen werden.

 

Hiergegen hat der Kläger am 19. Juli 2021 Klage vor dem SG Halle erhoben und zur Begründung ausgeführt, dem Beklagten fehle die erforderliche gesetzliche Grundlage, um im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens etwaige Leistungen ihm gegenüber durch Verwaltungsakt festzusetzen. Die Parteien seien ausschließlich zivilrechtlich durch den Nachlass verbunden. Für solche Streitigkeiten sei der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet. Der angefochtene Bescheid sei bereits aus diesem Grund rechtswidrig. Da der Beklagte durch Verwaltungsakt gehandelt habe, welcher mit der Klage angefochten werde, handele es sich aber um eine sozialrechtliche Angelegenheit und nicht um einen Zivilprozess. In einem Vollstreckungsverfahren würden sich die Beteiligten noch nicht befinden.

 

Der Beklagte hat vorgetragen, der bloße Vortrag von Aktiva und Passiva genüge nicht zum Nachweis dafür, dass der Nachlass unzulänglich sei. Das vorliegende Rechtsverhältnis sei öffentlich-rechtlicher Natur, daran ändere der Eintritt des Erbfalls nichts. Die Dürftigkeitseinrede sei zur Prüfung der Durchsetzbarkeit der übergegangenen Forderung – wie auch die Einrede der Minderjährigenhaftungsbeschränkung – im Verwaltungsverfahren zu klären. Diese Prüfung sei vor der Abgabe an die für die Vollstreckung zuständige Behörde erfolgt und stelle eine die Vollstreckung erst ermöglichende Maßnahme dar. Sie stehe als Annex im rechtlichen Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II. Es sei keine Vollstreckungsmaßnahme i.S.v. § 66 Abs. 3 SGB X i.V.m. § 18 Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (VwVG LSA), sondern eine Vollstreckungsvoraussetzung. Es handele sich um eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz (SGG).

 

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 24. Oktober 2022 an das Amtsgericht Merseburg verwiesen: Abzustellen sei auf die Regelung des § 66 Abs. 3 SGB X i.V.m. § 18 Abs. 2 VwVG LSA. Einwendungen des Erben seien danach als Vollstreckungsabwehrklage vor dem ordentlichen Gericht geltend zu machen. Der Kläger habe nach Erhalt der Zahlungsaufforderung i.S.v. § 4 VwVG LSA und somit mit Beginn der Herbeiführung der Vollstreckungsvoraussetzungen die Dürftigkeitseinrede erhoben. Der Anwendungsbereich des VwVG LSA sei nicht nur für die konkreten Vollstreckungsmaßnahmen eröffnet, sondern gerade auch für die Herbeiführung der weiteren Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung. Die Zahlungsaufforderung sei unter § 4 VwVG LSA und nicht im SGB X geregelt. § 18 VwVG LSA setze keine Vollstreckungsmaßnahme voraus. Eine unterschiedliche Behandlung des Zeitpunktes der Einwendung, also vor Beginn der Vollstreckungsmaßnahme und nach Beginn der Vollstreckungsmaßnahme, stelle eine nicht nachvollziehbare unterschiedliche Zuordnung derselben Einwendung zu den unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten dar. Der Beschluss ist dem Beklagten am 27. Oktober 2022 und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 4. November 2022 zugestellt worden.

 

Am 3. November 2022 hat der Beklagte gegen den Verweisungsbeschluss beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt Beschwerde eingelegt: Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei eröffnet. Die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses führe nicht zur Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit. Der Beklagte werde vor der Weiterleitung offener Erstattungsforderungen an die zuständige Vollstreckungsbehörde als Vollstreckungsanordnungsbehörde zuständig. Er habe hierbei vor der Abgabe Einreden zur prüfen, sodass es sich um eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende handele. Es liege keine Zahlungsaufforderung nach §§ 3 und 4 VwVG LSA vor. Die Vollstreckung dürfe u.a. erst beginnen, wenn sie durch Mahnung angedroht worden sei. Wenn bereits eine Mahnung und die Erhebung einer Mahngebühr kein Teil der Verwaltungsvollstreckung sei, könne die Entscheidung über Einreden im Verwaltungsverfahren zur Klärung, ob überhaupt eine Abgabe an die Vollstreckungsbehörde erfolgt, nicht den Zivilrechtsweg eröffnen. Soweit man davon ausginge, diese sei bereits Teil des Vollstreckungsverfahrens, läge die Verweisung auf den Verwaltungsrechtsweg näher.

 

Am 23. November 2022 hat auch der Kläger gegen den Beschluss vom 24. Oktober 2022 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, es handele sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit auf dem Gebiet des Sozialrechts. Der Beklagte habe lediglich eine Zahlungsaufforderung verschickt und keinen gegenüber dem Kläger vollstreckbaren Leistungsbescheid. Es gebe keinerlei Vollstreckungshandlungen.

 

Der Senat hat die Prozessakte des SG beigezogen.

 

II.

1. Die Beschwerden haben Erfolg.

 

a) Die Beschwerden des Klägers sowie des Beklagten sind zulässig. Nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) spricht das Gericht, wenn der beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Gegen den Beschluss ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben (vgl. § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG). Da das SGG keine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung eines Sozialgerichts vorsieht, ist vorliegend die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 1 SGG das statthafte Rechtsmittel (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 12. Mai 1998 – B 11 SF 1/97 R – juris Rn. 10). Diese ist sowohl vom Kläger als auch vom Beklagten form- und fristgerecht gemäß § 173 SGG eingelegt worden.

 

b) Die Beschwerden sind auch begründet. Das SG hat den Rechtsstreit zu Unrecht an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit verwiesen, da er in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit – hier des SG Halle – fällt.

 

aa) Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche und nicht um eine zivilrechtliche Streitigkeit, da der Rechtsstreit auf die Aufhebung eines Verwaltungsaktes einer Behörde gerichtet ist. Der Kläger wendet sich gerade mit der Begründung gegen den erlassenen Verwaltungsakt, dass die Behörde zum Handeln durch Verwaltungsakt nicht befugt sei.

 

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Nach der sondergesetzlichen Regelung des § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zu den Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende gehören nicht nur die Angelegenheiten, in denen die vom Beklagten getroffene Entscheidung ihre rechtliche Grundlage in den Vorschriften des SGB II findet, sondern auch solche Angelegenheiten, die in einem rechtlichen Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II stehen (vgl. BSG, Beschluss vom 25. September 2013 – B 8 SF 1/13 R – juris Rn. 9; BSG, Beschluss vom 1. April 2009 – B 14 SF 1/08 R – juris Rn. 15 [Hausverbot]).

 

Gegenstand des Klageverfahrens ist ein Bescheid des Beklagten, mit dem dieser die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses gegen eine Erstattungsforderung, welche Leistungen nach dem SGB II umfasst und gegenüber dem Kläger geltend gemacht wird, „ablehnt“. Dies steht in einem rechtlichen Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit des Beklagten nach dem SGB II.

 

Entgegen der Auffassung des SG handelt es sich nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme, für welche abweichende Rechtswegzuweisungen in Betracht kommen.

 

Zwar ist das SG zu Recht davon ausgegangen, dass für die Vollstreckung von Ansprüchen des Beklagten als zugelassenem kommunalen Träger im Sinne von § 6a SGB II nach § 40 Abs. 8 Halbsatz 2 SGB II die Vorschrift des § 66 SGB X gilt. Nach § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X gelten für die Vollstreckung zugunsten des Beklagten die landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren, hier also die Regelungen im VwVG LSA. Voraussetzung für den Vollstreckungsbeginn ist gemäß § 3 VwVG LSA u.a. die Androhung der Vollstreckung durch eine Mahnung, es sei denn, dass diese nach § 4 nicht erforderlich ist. Selbst eine Mahnung, welche eine unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung darstellt (BSG, Beschluss vom 7. Juni 1999 – B 7 AL 264/98 B – juris Rn. 7; siehe auch: BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 54/10 R – juris Rn. 17; BSG, Urteil vom 14. Februar 2018 – B 14 AS 12/17 R – juris Rn. 18), wäre noch nicht Teil des Vollstreckungsverfahrens (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. September 2021 – L 4 AS 381/21 B – juris Rn. 19; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. Oktober 2021 – L 4 AS 341/21 B – juris Rn. 20; Sächsisches LSG, Beschluss vom 3. Juni 2019 – L 3 AS 1219/15 B – juris Rn. 30; Roos/Blüggel in Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 66 Rn. 15). Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von eine Vollstreckung vorbereitenden Handlungen des Grundsicherungsträgers stehen im rechtlichen Zusammenhang mit dessen Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II.

 

Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses i.S.v. § 1990 BGB wurde außerhalb eines Vollstreckungsverfahrens erhoben und beschieden. Der Kläger ist zuvor (erstmals) mit Schreiben vom 26. März 2021 auf eine offene Forderung hingewiesen und zur Zahlung des Betrages unter Fristsetzung aufgefordert worden. Der Beklagte hat mit der Vollstreckung noch nicht begonnen, auch wenn im Schreiben vom 26. April 2021 angekündigt worden war, dass im Falle der nicht fristgerechten Zahlung „auch wieder die Vollstreckungsmaßnahmen aufgenommen“ würden. Ob im Ergebnis der weiteren Prüfung Vollstreckungsmaßnahmen tatsächlich eingeleitet werden, ist hier offen.

 

An der Zulässigkeit des Sozialrechtsweges ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger nicht selbst als Leistungsempfänger, sondern als Erbe eines Leistungsempfängers über § 1967 BGB in Anspruch genommen wird (Nachlassverbindlichkeit). Ansprüche verlieren ihren öffentlich-rechtlichen Charakter nicht dadurch, dass sie sich gegen den Erben als Rechtsnachfolger richten (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 51 Rn. 39 [Erben]). Ein Anspruchsübergang verändert die Rechtsnatur des Anspruchs in Bezug auf die Rechtswegzuständigkeit nicht. Der vom Leistungsträger beim Leistungsempfänger geltend gemachte Rückforderungsanspruch bleibt öffentlich-rechtlich, auch wenn er im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (zivilrechtlich) auf einen Erben übergeht (Wolff-Dellen in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Auflage 2020, § 51 Rn. 33).

 

Ob eine Dürftigkeitseinrede die Rechtmäßigkeit eines Erstattungsbescheides unberührt lässt und erst im Verwaltungsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (so Hessisches LSG, Urteil vom 13. Oktober 2017 – L 5 R 272/14 – juris Rn. 36 ff.) oder – wie bei der Einrede der Minderjährigenhaftungsbeschränkung i.S.v. § 1629a BGB – zu einer (nachträglichen) Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes führt und bereits (auch) im Anfechtungsprozess zu prüfen ist (vgl. dazu u.a. BSG, Urteil vom 28. November 2018 – B 4 AS 43/17 R – juris Rn. 13 ff.), ist vorliegend für die Rechtswegzuständigkeit nicht entscheidungserheblich, da der angefochtene Verwaltungsakt (Ablehnung der Einrede) tatsächlich außerhalb eines Vollstreckungsverfahrens durch die Verwaltungsbehörde ergangen ist. Unerheblich ist auch, ob die Einwände des Klägers gegen den angefochtenen Ablehnungsbescheid durchgreifen, denn dies berührt allenfalls die Frage der Erfolgsaussicht der Klage.

 

bb) Das Sozialgericht Halle ist auch örtlich zuständig, da der Kläger bei Klageerhebung im Gerichtsbezirk wohnte (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG).

 

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Ausgangsgericht vorbehalten. Zwar hat nach der Rechtsprechung des BSG in Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen (vgl. BSG, Beschluss vom 1. April 2009, a.a.O., juris Rn. 19). Im Falle einer begründeten Beschwerde gegen einen Verweisungsbeschluss nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG verbleibt es aber gerade bei dem vom Kläger zutreffend eingeschlagenen Rechtsweg, auf den der Beklagte in der Rechtsmittelbelehrung seines Widerspruchsbescheides auch zutreffend hingewiesen hatte. Daher ist es jedenfalls im hier vorliegenden Fall der von beiden Beteiligten eingelegten begründeten Rechtswegebeschwerde geboten, die Entscheidung über die Kosten der Rechtswegbeschwerde der Entscheidung über die Kosten des Hauptsacheverfahrens vorzubehalten (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. September 2021, a.a.O., juris Rn. 24; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Februar 2019 – L 7 AS 2024/18 B – juris Rn. 13).

 

3. Eine Gerichtsgebühr ist nicht angefallen. Gemäß Nr. 7504 Kostenverzeichnis zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) fällt diese nur an, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird.

 

4. Gründe für eine Zulassung der weiteren Beschwerde nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG liegen nicht vor.

 

gez. Dr. Harks                        gez. Dr. Schmidt                               gez. Kirschner-Hein

Rechtskraft
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