L 5 AS 741/18

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AS 1444/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 741/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Der Grundsicherungsträger ist nach § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II nicht verpflichtet, im Wege der Ermessensausübung zu prüfen, ob wegen eines Wirtschaftlichkeitsvergleichs der gesamten Bruttowarmkosten von einer Kostensenkungsaufforderung abzusehen sein könnte. Diese Vorschrift gibt den Leistungsberechtigten nach dem SGB II keinen subjektiven Anspruch.

 

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat 16% der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Die Kläger begehren nunmehr noch höhere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) im Rahmen der Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von April bis August 2013.

 

Die 1984 geborene Klägerin zu 1. bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihrem 1986 geborenen Ehemann, dem Kläger zu 2. (im Folgenden Kläger), und der 2007 geborenen Tochter, der Klägerin zu 3., eine ca. 75 qm große 3,5 Zimmer-Wohnung in einem ca. 300 qm großen Haus in K.. Hierfür waren eine Nettokaltmiete i.H.v. 320 €/Monat sowie bis Juli 2013 kalte Betriebskosten (kB) i.H.v. 70 €/Monat zu zahlen. Ab August 2013 erhöhte sich der Abschlag für die kB auf 100 €/Monat. Es waren Gasabschläge i.H.v. 154 €/Monat zu zahlen.

 

Mit Bescheid vom 4. Mai 2010 hatte der Beklagte die Erforderlichkeit des Umzugs der Kläger in diese Wohnung zwar anerkannt, die Zusicherung jedoch abgelehnt. Die KdUH seien unangemessen hoch. Angemessen seien eine Kaltmiete i.H.v. 4 €/qm, kalte Betriebskosten (kB) i.H.v. 1,10 €/qm sowie Heizkosten (HK) i.H.v. 1,05 €/qm. Es ergebe sich eine angemessene Bruttowarmmiete i.H.v. 430,50 €/Monat zzgl. der Abfallgebühren.

 

Der Kläger ging einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach, aus der er monatlich unterschiedlich hohes Einkommen erzielte. Für die Klägerin zu 3. erhielt die Klägerin zu 1. Kindergeld i.H.v. 184 €/Monat.

 

Mit Bescheid vom 7. März 2013 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 21. und 23. März, vom 18. und 20. April, 16. und 25. Mai, 20. und 22. Juni, 18. und 27. Juli sowie 22. August 2013 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen in monatlich unterschiedlicher Höhe. Als Bedarf berücksichtigte er monatlich neben den Regelleistungen eine angemessene Nettokaltmiete i.H.v. 280 € sowie kB i.H.v. 77 €. Als HK sah er einen Betrag i.H.v. 93,33 € als angemessen an. Er berücksichtigte zudem einen Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung und Abfallgebühren in tatsächlicher Höhe. Als Einkommen rechnete er einen Betrag i.H.v 821,82 € (aus einem Bruttobetrag i.H.v. 1.485,22 €) sowie das Kindergeld an.

 

Unter dem 26. April 2013 legten die Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 23. März 2013 (vorläufige Bewilligung für die Monate April bis August 2013) Widerspruch ein. Die KdUH seien in tatsächlicher Höhe zu übernehmen.

 

Mit Wirkung zum 1. August 2013 schloss der Kläger zu 2. mit seinem Vermieter einen Hauswartvertrag ab. Als monatliche Vergütung wurden 40 € vereinbart. Dieses Einkommen berücksichtigte der Beklagte in voller Höhe. Er rechnete es dem um alle Freibeträge bereinigten Nettoeinkommen aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung hinzu.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2015 gewährte der Beklagte den Klägern weitere Leistungen für die HK i.H.v. 19,25 €/Monat. Es seien nach dem Bundesweiten Heizspiegel 2014 HK i.H.v. 112,58 €/Monat bei einer Gebäudefläche von über 300 qm angemessen. Es ergebe sich im Zeitraum 1. April bis 31. August 2013 ein maximaler Anspruch an Bedarfen für KdUH i.H.v. monatlich 469,58 €, bestehend aus Kaltmiete in Höhe von 280,00 €, kB i.H.v. 77,00 € sowie HK i.H.v. 112,58 €. Die Differenz zwischen den bewilligten KdUH (450,33 €) und den nunmehr angemessenen 469,58 €) sei nachzuzahlen.

 

Im Übrigen wies er die Widersprüche zurück. Das Einkommen des Klägers aus der Hausmeistertätigkeit sei anzurechnen.

 

Die Kläger haben am 27. Mai 2015 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben. Es seien die tatsächlichen KdUH zu übernehmen. Das der Unterkunftsrichtlinie zugrundeliegende Konzept des Beklagten sei unschlüssig. Die Hausmeistertätigkeit habe der Kläger nur aufgenommen, um die KdUH zu senken.

 

Mit Urteil vom 19. September 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt, die KdUH seien in rechtmäßiger Weise auf eine Bruttokaltmiete i.H.v. 357 €/Monat festgesetzt worden. Das Konzept sei schlüssig. Auch die HK seien zutreffend berechnet worden. Ebenfalls sei das Einkommen des Klägers aus der Hausmeistertätigkeit bedarfsmindernd anzurechnen gewesen.

 

Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.

 

Die Kläger haben am 16. Oktober 2018 gegen das Urteil Berufung eingelegt. Sie halten an ihren Rechtsauffassungen fest.

 

Die Vergütung der Hauswarttätigkeit sei nicht als Einkommen anzurechnen. Der Vermieter habe den Klägern die Miete i.H.v. 40 €/Monat erlassen.

 

Zudem betrage der Unterschied zwischen der tatsächlichen Miete und den vom Beklagten übernommenen Kosten nur 10,50 €/Monat. Prognostisch werde der Unterschied geringer werden oder ganz wegfallen. Diese Differenz stehe in keinem Verhältnis zu Umzugskosten. Es sei daher von einer Ermessenreduzierung auf Null auszugehen. Auch bei einem längeren Leistungsbezug sei eine Wirtschaftlichkeit eines Wohnungswechsels nicht zu erreichen.

 

Die Kläger beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

 

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. September 2018 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seiner Bescheide vom 23. März, vom 18. und 20. April, 16. und 25. Mai, 20. und 22. Juni, 18. und 27. Juli sowie 22. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. April 2015 zu verurteilen, weitere KdUH für die Monate April bis August 2013 zu zahlen.

 

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Das der Unterkunftsrichtlinie zugrundeliegende Konzept sei schlüssig. Der Beklagte sei nicht verpflichtet, im Wege der Ermessensausübung wegen des Wirtschaftlichkeitsvergleichs der gesamten KdUH zu prüfen, ob von einer Kostensenkungsaufforderung abzusehen sei. Sein Konzept gehe nicht von einer Gesamtangemessenheitsgrenze aus.

 

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 13. Dezember 2022 anerkannt, dass die Vergütung aus dem Hauswartvertrag nicht als Einkommen anzurechnen sei. Vielmehr mindere es die geschuldete Miete. Entsprechend des nachgebesserten Konzepts sei eine Bruttokaltmiete i.H.v. 367,50 €/Monat angemessen. Es ergebe sich für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Nachzahlung i.H.v. 10,50 €/Monat.

 

Das Teilanerkenntnis haben die Kläger unter dem 16. Dezember 2022 angenommen.

 

Die Beteiligten haben sich jeweils mit Schriftsätzen vom 6. Dezember 2022 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten dem Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidung des Senats gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

 

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist auch im Übrigen statthaft nach § 144 SGG. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Der Senat ist nach § 144 Abs. 3 SGG daran gebunden.

 

Die Entscheidung konnte nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

II.

 

Die Berufung der Kläger ist unbegründet, soweit sie höhere KdUH über das Teilanerkenntnis des Beklagten hinaus geltend machen.

 

1.

 

Streitgegenständlich sind die Bescheide des Beklagten vom 23. März, vom 18. und 20. April, 16. und 25. Mai, 20. und 22. Juni, 18. und 27. Juli sowie 22. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. April 2015.

 

Die vorläufigen Festsetzungen der SGB II-Leistungen haben sich durch Zeitablauf nach § 41a SGB II erledigt.

 

Die durch Verwaltungsakt zu treffende abschließende Bestimmung eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II richtet sich grundsätzlich nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, sofern der Zeitraum einer zunächst vorläufig vorgenommenen Bewilligung – wie hier – vor dem 1. August 2016 beendet war. Es ist eine endgültige Festsetzung nach § 328 Abs. 2 SGB III vorzunehmen. Einen entsprechenden Bescheid hat der Beklagte jedoch nicht erlassen.

 

Für diesen Sonderfall greift § 41a Abs. 5 S.1 SGB II, dessen Geltung § 80 Abs. 2 Nr.1 SGB II für Bewilligungszeiträume anordnet, die vor dem 1. August 2016 beendet waren.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II gilt für die streitgegenständlichen Monate April bis August 2013 für die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II mit der Maßgabe, dass die Jahresfrist mit dem 1. August 2016 beginnt. § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II ordnet an, dass die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt gelten, wenn innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung nach § 41a Abs. 3 SGB II ergeht. Die Vorschrift ist zur Erhaltung eines Anwendungsbereichs der Übergangsregelung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II dahingehend auszulegen, dass nicht nur fehlende abschließende Entscheidungen nach § 41a Abs. 3 SGB II erfasst werden, sondern auch – wie hier – unterbliebene endgültige Festsetzungen gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung – SGB III) (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2022, B 7/14 AS 1/21 R [14] Juris).

 

2.

 

Die Klägerin zu 2. und der Kläger waren Berechtigte i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hatten das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a SGB II noch nicht erreicht, hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, waren erwerbsfähig und hilfebedürftig. Die Kläger hatten Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 1 SGB II. Die Klägerin zu 3. hatte Anspruch auf Sozialgeld nach § 23 SGB II.

 

Die Kläger verfügten auch über kein bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen. Das Einkommen der Kläger wurde bereinigt und auf den Hilfebedarf angerechnet. Die Einkommensberechnung des Beklagten war unstreitig. Hinweise auf Berechnungsfehler zulasten der Kläger sind nicht ersichtlich.

 

3.

 

Für den streitigen Zeitraum hatten sie keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Bruttokaltmiete.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 S 1 SGB II haben die Kläger Anspruch auf Leistungen für die KdUH in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II als Bedarf der Hilfebedürftigen solange zu berücksichtigen, wie es diesen nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

 

Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ist unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie zu ermitteln. Dabei ist die Prüfung der Bedarfe für Unterkunft und der für die Heizung grundsätzlich getrennt vorzunehmen. Dies gilt ungeachtet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (§ 22 Abs. 1 S. 4 SGB II) und der nach dem streitigen Zeitraum eingeführten Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II (dazu und zum folgenden: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 11/18 R; Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 40/19 R, Juris)

 

Bei der Prüfung der Angemessenheit der KdU sind in einem ersten Schritt die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete festzulegen. Dabei muss das Produkt aus Wohnfläche und -standard eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete ("Referenzmiete") ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, juris, Rn.13). Der Quadratmeterpreis sowie die angemessene Wohnungsgröße ergeben die angemessene Miete. In einem zweiten Schritt ist die konkrete (=subjektive) Angemessenheit im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit notwendiger Einsparungen einschließlich eines Umzugs, zu prüfen. Abschließend ist zu klären, ob die Leistungsberechtigten eine abstrakt angemessene Wohnung hätten anmieten können (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R, juris, Rn. 23).

 

a.

 

Die für eine Absenkung der KdUH vorgeschriebene Kostensenkungsaufforderung war ordnungsgemäß erfolgt. Bereits mit Bescheid vom 4. Mai 2010 hatte der Beklagte die Kläger auf die seines Erachtens angemessene Miete (Bruttokaltmiete und HK) hingewiesen. Einer weiteren Kostensenkung bedurfte es nicht. Der Beklagte hatte in der Folgezeit auch nur die aus seiner Sicht angemessenen KdUH übernommen.

 

b.

 

Im Übrigen wird hinsichtlich der Schlüssigkeit des Konzepts des Beklagten für die streitgegenständliche Zeit (Bericht 2012 mit der Fortschreibung 2014 in der Fassung der Nachbesserung vom Juli 2019) vollumfänglich auf das Urteil des Senats vom 15. April 2021 (L 5 AS 526/20, Juris) verwiesen. Es sind keine weiteren substantiierten Argumente gegen das Konzept vorgetragen worden.

 

Nach dem Konzept ist für eine Wohnung für eine aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft in K. (Vergleichsraum II) eine Bruttokaltmiete i.H.v. 367,50 €/Monat angemessenen. Diesen Betrag hat der Beklagte den Klägern auch gewährt (Teilanerkenntnis vom 13. Dezember 2022).

 

c.

 

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Gewährung höherer Heizkosten für die Monate April bis August 2013, denn auch die Heizkosten unterliegen einer Begrenzung.

 

Es ist nach der Rechtsprechung des BSG regelmäßig dann von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen, wenn bestimmte Werte von kommunalen Heizspiegeln oder falls nicht vorhanden, des „Bundesweiten Heizspiegels“ überschritten werden. Die rechte Spalte des „Bundesweiten Heizspiegels“ ist aber lediglich ein Grenzwert für die konkret-individuelle Angemessenheitsprüfung. Dabei werden die angemessenen Heizkosten nach der Formel: Wert der rechten Spalte mal angemessene Wohnungsgröße ermittelt. Erst das Überschreiten kann die Vermutung unwirtschaftlichen Heizens rechtfertigen (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R, [22 f.] Juris). Das Überschreiten gilt als Anscheinsbeweis für die Unangemessenheit und führt nur zur Beweislastumkehr. Eine schlechte Gebäudedämmung ist kein Grund für eine Beurteilung der Heizkosten als angemessen (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R, [26 f.] Juris).

 

Der Beklagte verfügt über keinen regionalen Heizspiegel oder selbst ermittelter Heizwerte. Es sind mithin die Werte des Bundesweiten Heizspiegels heranzuziehen.

 

Der Beklagte hatte im Widerspruchsbescheid vom 22. April 2015 bereits monatlich weitere HK i.H.v. 19,25 €/Monat, mithin insgesamt 112,58 €/Monat bewilligt. Dies entspricht den höchst angemessenen Werten des Bundesweiten Heizspiegels 2014, der zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 22. April 2015) veröffentlicht war (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R [25], Juris). 

 

Für die darüber hinaus zu zahlenden Gasabschläge gilt die Vermutung der Unangemessenheit. Die Kläger heben auch weder vorgetragen noch ist sonst erkennbar, dass außergewöhnliche Umstände eine höhere Beheizung der Wohnung gerechtfertigt hätten.

 

4.

 

Ein Fall einer vorübergehenden oder dauerhaften subjektiven Unzumutbarkeit eines Umzugs oder einer Kostensenkung lässt sich nicht feststellen. Dies würde zwar nicht zur Angemessenheit der tatsächlichen Mietkosten führen, könnte jedoch eine Verlängerung der Frist für eine Kostensenkung erforderlich machen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, [32], Juris). Die Darlegungslast für eine fehlende Möglichkeit und/oder die Unzumutbarkeit der geforderten Kostensenkung liegt zunächst beim Leistungsberechtigten. Nur bei schlüssiger Darlegung vergeblicher Suchaktivitäten liegt die Beweislast für eine zumutbare Kostensenkung bei der Behörde. Es müssen daher stets Einwände zur Unmöglichkeit eines Wohnungswechsels vorgebracht werden (BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 43/06 R, [15], Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 32/09 R [30 f.], Juris).

 

a.

 

Gründe dafür, dass die Kläger seit April 2013 nicht hätten umziehen können, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

 

b.

 

Auch die von ihnen angestellten Wirtschaftlichkeitserwägungen führen nicht zu einer Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen bzw. zu einem Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen KdUH durch den Beklagten.

 

aa.

 

Entgegen der Auffassung der Kläger war der Beklagte im Wege der Ermessensausübung nicht verpflichtet, wegen des Wirtschaftlichkeitsvergleichs der gesamten Bruttowarmkosten zu prüfen, ob von einer Kostensenkungsaufforderung abzusehen ist (§ 22 Abs. 1 S. 4 SGB II).

 

Nach dieser Vorschrift muss eine Absenkung unangemessener Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Diese Regelung gibt den Klägern jedoch keinen subjektiven Anspruch. Sie eröffnet lediglich den kommunalen Trägern die Möglichkeit, abweichend von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (zeitweise) auch unangemessen hohe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Die Vorschrift dient ausschließlich den Interessen der kommunalen Träger und begründet keine subjektiven Rechte zugunsten der Leistungsberechtigten (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 98).

 

Unerheblich ist mithin, ob und ggf. in welcher Höhe den Klägern Umzugskosten entstanden wären und wie lange sie prognostisch im Leistungsbezug gestanden hätten.

 

bb.

 

Die Kläger können sich zur Begründung der Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitserwägungen auch nicht auf § 22 Abs. 10 SGB II stützen.

 

Zum einen ist § 22 Abs. 10 SGB II, der eine Gesamtangemessenheitsgrenze ausdrücklich regelt, erst zum 1. August 2016 in Kraft getreten. Zum anderen geht das Konzept des Beklagten ausdrücklich nicht von einer Gesamtangemessenheitsgrenze aus (zur Erforderlichkeit vgl. BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 11/20 R [27], Juris). Es kann daher offenbleiben, ob sich aus dieser Vorschrift überhaupt ein subjektives Recht der Leistungsberechtigten auf Übernahme der unangemessenen KdUH ergibt.

 

cc.

 

Offenbleiben kann, ob eine subjektive Unzumutbarkeit der Kostensenkung auch im Hinblick auf eine Gesamtangemessenheitsgrenze begründet werden könnte. Sowohl die Bruttokaltmiete als auch die HK überstiegen vorliegend die Angemessenheitsgrenzen. Ein Wohnungswechsel hätte mithin in jedem Fall zu einer Kostensenkung geführt, weil in einer alternativ zu beziehenden Wohnung in den Monaten April bis August 2013 insgesamt niedrigere Bruttowarmkosten entstanden wären.

 

Ausgehend von einer angemessenen Wohnfläche von 70 qm für Drei-Personen-Haushalte im VR II, einer Brutto-Kaltmiete von 367,50 €/Monat und der maximal möglichen Heizkosten (112,58 €/Monat) hätte die angemessene Bruttowarmmiete höchstens bei 480,08 €/Monat gelegen. Die tatsächlich von den Klägern zu zahlende Bruttowarmmiete betrug aber in den Monaten April bis Juli 2013 544 €/Monat (Bruttokaltmiete: 390 €, HK: 154 €) sowie im August 2013 534 € (Bruttokaltmiete: 420 € abzgl. 40 € [Vergütung Hauswarttätigkeit des Klägers] = 380 €, HK: 154 €).

 

c.

 

Soweit die Kläger behaupten, die Differenz zwischen der tatsächlichen und der angemessenen Miete sei nur gering und könne in der Zukunft sogar entfallen, ist dem nicht zu folgen.

 

Eine prognostische Berücksichtigung steigender Mietpreise mit der Folge, dass die Mietkosten der Kläger angemessen werden könnten, scheidet aus.

 

Es gibt bereits keinen allgemeinen Rechtssatz, dass bei steigenden Mietpreisen nicht auch die Kläger von einer Mieterhöhung betroffen sein könnten.

 

Zum anderen ist die aktuelle Wohnsituation der Kläger im streitigen Zeitraum entscheidend, nicht die prognostische Entwicklung. Denn ausgehend von der tatsächlichen Wohnsituation des Leistungsberechtigten ist regelmäßig ein Wohnungswechsel zumutbar, mit dem eine Kostensenkung erreicht werden kann (vgl. nur BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R, [30], Juris).

 

III.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kosten waren unter Zugrundelegung des teilweisen Obsiegens der Kläger zu quoteln.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Frage der Anforderungen an ein schlüssiges Konzept sind obergerichtlich geklärt. Es handelt sich um tatrichterliche Beweiswürdigungen für allgemeine Prüfungsmaßstäbe (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [20], Juris).

 

Rechtskraft
Aus
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