Zur Frage der Anwendung des § 307d SGB VI bei einer Witwe, die keine Rente aus eigener Versicherung bezieht, sondern nur die aus der Versicherung ihres Ehemannes abgeleitete Hinterbliebenenrente.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.10.2021 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.06.2019 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine höhere Witwenrente unter Berücksichtigung der sog. "Mütterrente II" ab dem 01.01.2019 hat.
Die am 04.02.1935 geborene Klägerin war die Ehefrau des am 17.02.1924 geborenen und am 21.05.2017 verstorbenen Versicherten P. Die Ehe wurde am 17.08.1958 geschlossen. Aus der Ehe gingen 4 Kinder hervor:
- S, geb. 28.08.1959
- A, geb. 31.08.1960
- E, geb. 08.06.1962
- R, geb. 22.08.1971
Seit 01.10.1972 war der Versicherte als selbständiger Landwirt tätig. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung soll nach den Unterlagen der Beklagten in der Zeit vom 01.09.1987 bis 31.12.1987 mit einem Bruttoarbeitsentgelt von 1.800,-- DM für den gesamten Zeitraum bei seinem Sohn E vorgelegen haben.
Am 08.09.1987 stellte der Versicherte bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten für seine 4 Kinder und gab zusätzlich zusammen mit seiner Ehefrau die Erklärung ab, dass er als Vater die Kinder in ihren ersten 12 Monaten erzogen habe.
Auf entsprechenden Antrag wurde dem Versicherten mit Bescheid der Beklagten vom 19.03.1989 Altersruhegeld ab dem 01.03.1989 bewilligt, wobei dem Versicherungsverlauf des Bescheids zu entnehmen ist, dass für alle 4 Kinder jeweils 12 Monate wegen Kindererziehung festgestellt wurden.
Die Klägerin wiederum hatte am 22.01.1998 einen Antrag auf Kontenklärung bei der Beklagten gestellt. Dem Feststellungsbescheid nach § 149 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - vom 12.02.1998 sind Pflichtbeitragszeiten mit Unterbrechungen in der Zeit vom 01.11.1953 bis 17.04.1957 zu entnehmen. Am 15.05.2000 beantragte sie bei der Beklagten die Erstattung ihrer Beiträge nach Vollendung des 65. Lebensjahres, weil sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt hatte. Die Beklagte erstattete mit Bescheid vom 23.05.2000 die von der Klägerin getragenen Beiträge in Höhe von 169,21 DM. In dem Bescheid war darauf hingewiesen, dass mit der Erstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst sei. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestünden nicht mehr.
Mit Bescheid der Beklagten vom 16.08.2014 wurde die Regelaltersrente des Versicherten P mit einem Zuschlag für Kindererziehung (sog. "Mütterrente") neu berechnet und ab dem 01.07.2014 eine monatlich laufende Leistung in Höhe von 625,22 € zuerkannt. Den bisherigen Entgeltpunkten in Höhe von 20,3490 wurden dabei weitere 4,0000 Entgeltpunkte, also je 1,000 Entgeltpunkt pro Kind, pauschal hinzugerechnet.
Nach dem Tod des Versicherten am 21.05.2017 beantragte die Klägerin am 31.05.2017 bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente. Vorgelegt wurde hierbei der Vordruck "V0800" - Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung, den die Klägerin unter dem Datum 22.06.2017 unterschrieben hatte. In diesem Vordruck war in den Angaben zur Person der verstorbene Versicherte P angegeben. Weiter war angegeben, dass er als Landwirt im Vollerwerb tätig gewesen sei und der Betrieb während der gesamten Dauer der angegebenen Erziehungszeiten im Unternehmerverzeichnis der Landwirtschaftlichen Alterskasse eingetragen gewesen sei. Unter Ziffer 2 des Formulars war angegeben, dass die 4 Kinder jeweils bis zum 10. Lebensjahr nach der Geburt ohne Unterbrechungen erzogen worden seien. Es sei bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (DRV Nordbayern) eine Altfallerklärung mit einer Zuordnung der Kindererziehung zum Vater abgegeben worden.
Die Beklagte bewertete dies als Antrag der Klägerin auf Feststellung von Kinderberücksichtigungszeiten vom 28.08.1959 bis 21.08.1981 für ihre 4 Kinder. Mit Bescheid vom 26.06.2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.06.2017 große Witwenrente in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 660,25 €. Dabei wurde für das Kind S eine Kindererziehungszeit vom 01.09.1959 bis 31.08.1960 sowie eine Berücksichtigungszeit vom 01.09.1959 bis 31.08.1960 anerkannt. Für das Kind A wurde die Zeit vom 01.09.1960 bis 31.08.1961 als Kindererziehungszeit sowie als Berücksichtigungszeit anerkannt. Für das Kind E wurde die Zeit vom 01.07.1962 bis 30.06.1963 als Kinderziehungszeit und als Berücksichtigungszeit anerkannt. Für das Kind R wurde die Zeit vom 01.09.1971 bis 31.08.1972 als Kinderziehungszeit und als Berücksichtigungszeit anerkannt. Weitere Berücksichtigungszeiten für die 4 Kinder könnten nicht anerkannt werden, weil eine übereinstimmende Erklärung zugunsten des Vaters nicht abgegeben worden sei. Eine überwiegende Erziehung durch den Vater habe nach den Feststellungen der Beklagten nicht vorgelegen. Beigefügt war der Versicherungsverlauf aus dem Versicherungskonto des verstorbenen Versicherten P.
Mit Bescheid vom 10.08.2017 wurde die Witwenrente für die Zeit ab 01.09.2017 nach dem Ende des Sterbevierteljahres wegen Anrechnung von Einkommen (Leistung aus der landwirtschaftlichen Alterskasse) neu berechnet und ein monatlicher Zahlbetrag von 403,70 € bewilligt.
Mit Schreiben vom 02.04.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten ("Team 3417") "den Zuschlag zur sog. "Mütterrente II" nach § 307d SGB VI für die Zeit ab 01.01.2019". Die Kindererziehungszeiten sowie der Zuschlag nach § 307d Abs 1 S 1 SGB VI seien bereits bei der Rente ihres verstorbenen Mannes berücksichtigt worden. Da die Kindererziehungszeiten ihrem Mann zugeordnet worden seien, sollten folgerichtig auch die Zuschläge zu diesen Kindererziehungszeiten ihrem Mann und diesem Versicherungskonto zugeordnet werden. Sie beziehe selbst seit dem 01.06.2017 Witwenrente aus der Versicherung ihres Mannes, habe aber selbst keinen eigenen Rentenanspruch und auch keine Kindererziehungszeiten bzw. Kinderberücksichtigungszeiten beantragt. Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nr 1 von § 307d Abs 1 SGB VI würden auch als erfüllt gelten, wenn bereits vor dem 01.01.1992 ein Anspruch auf Rente bestanden habe, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Abs 1 S 1 berücksichtigt worden sei und wenn für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet werde.
Die Beklagte wertete dieses Schreiben der Klägerin als Antrag auf Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - und lehnte diesen mit streitgegenständlichem Bescheid vom 05.04.2019 ab. Anspruch auf den Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Abs 1 S 3 Nr 1 SGB VI bestehe dann, wenn in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach der Geburt angerechnet werde. Mit Bescheid vom 26.06.2017 seien Berücksichtigungszeiten für den 24. Kalendermonat nach Geburt für die Kinder S, A, E und R abgelehnt worden. Der Antrag vom 22.06.2017 auf Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung beim Vater sei nach Ablauf der gesetzlich festgelegten Erklärungsfrist am 31.12.1996 (§ 249 Abs 7 SGB VI idF bis 31.12.1997) gestellt gewesen. Da es sich um eine Ausschlussfrist handele, sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen. Für die Zeit ab dem 13. Kalendermonat nach Geburt entfalte die gemeinsame Erklärung vom 08.09.1987 keine Wirkung.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 17.04.2019 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass vorliegend die Sonderregelung des § 307d Abs 1 S 4 SGB VI anzuwenden sei. Ihr Mann habe bereits vor dem 01.01.1992 Rente bezogen. Zu dieser Zeit habe es keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gegeben. Es hätten deshalb nur 12 Monate Kindererziehungszeiten anerkannt werden können. Einen Anlass bzw. die Notwendigkeit zur Abgabe einer weiteren gemeinsamen Erklärung für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten hätte es nicht gegeben. Wenn ihr Mann nicht im Jahr 2017 verstorben wäre, wäre nach dieser Regelung der Zuschlag in seiner Rente berücksichtigt worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2019 als unbegründet zurück. In der Versichertenrente ihres verstorbenen Mannes sowie in der von der Klägerin bezogenen Witwenrente sei aufgrund der abgegebenen gemeinsamen Erklärung das erste Jahr der Kinderziehung sowie die zeitgleiche Kinderberücksichtigungszeit angerechnet worden. Weiterhin sei zum 01.07.2014 eine Zuschlagsermittlung aufgrund der sog. Mütterrente I erfolgt, welche sich an der Zuordnung des 12. Kalendermonats der Kindererziehung orientiert habe. Die Bewilligung eines Zuschlags aufgrund der Einführung der sog. "Mütterrente II" orientiere sich hingegen daran, ob für den 24. Kalendermonat der Erziehung eine Kinderberücksichtigungszeit in der Rente enthalten sei. Dies sei bei der Witwenrente der Klägerin nicht der Fall. Grundsätzlich hätte im eigenen Versicherungskonto der Klägerin ein Anspruch darauf bestanden, dass Kinderberücksichtigungszeiten nach Ablauf von 12 Kalendermonaten nach der Geburt vorgemerkt würden. Die Klägerin hätte hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Dies gelte auch für die ab 01.01.2019 zusätzlich anrechenbaren 6 Kalendermonate Kindererziehungszeit. Dabei sei es nicht relevant, ob die Klägerin eine Anerkennung dieser Zeiten tatsächlich beantragt habe oder die Anerkennung dieser Zeiten letztendlich anspruchsbegründend wären. Sie habe sich ihre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mit Bescheid vom 23.05.2000 erstatten lassen und von der sich hieraus ergebenden Verfallswirkung wären auch die Kinderberücksichtigungszeiten betroffen. Eine Zuschlagsgewährung aufgrund der Einführung der Mütterrente II in der Witwenrente der Klägerin sei daher nicht möglich.
Hiergegen hat die Klägerin am 26.06.2019 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben, im Wesentlichen unter Wiederholung ihres Vorbringens im Widerspruchsverfahren. Sie habe keinen eigenen Anspruch auf Rente, weil sie bereits vor dem Rentenbeginn ihres Mannes im Jahr 1989 bewusst die Kindererziehungszeiten für ihre vier Kinder aufgrund einer gemeinsamen Erklärung dem Versicherungskonto ihres Mannes zugeordnet hätten. Sie habe sich mit Vollendung ihres 65. Lebensjahres ihre wenigen Beitragsmonate erstatten lassen. Auch dies sei im Hinblick darauf geschehen, dass sie keinen eigenen Rentenanspruch erwerbe. Der Zuschlag zur sog. Mütterrente I nach § 307d Abs 1 S 1 SGB VI sei zum 01.07.2014 ebenfalls ihrem Mann zugeordnet worden, da die Kindererziehungszeiten auch ihm zugeordnet gewesen seien. Zwar habe die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 03.06.2019 ausgeführt, dass sie 6 Monate Kindererziehungszeit sowie grundsätzlich die Kinderberücksichtigungszeiten nach Ablauf von 12 Monaten auch selbst hätte beantragen können. Fakt sei jedoch, dass sich hieraus kein Rentenanspruch für sie ergeben werde. Fakt sei auch, dass in ihrem Versichertenkonto keine Berücksichtigungszeiten anerkannt seien. Der Gesetzgeber hätte aber gerade für Bestandsrentner, die einen Rentenbeginn zwischen dem 01.01.1986 bis 31.12.1991 hätten (also vor Einführung der Kinderberücksichtigungszeiten), eine Sonderregelung geschaffen. Sowohl für den Zuschlag für das 2. Lebensjahr als auch für den Zuschlag für das erste Halbjahr des 3. Lebensjahres werde im Ergebnis einheitlich auf die Anerkennung einer Kindererziehungszeit im 12. Kalendermonat nach der Geburt abgestellt. Die Kindererziehungszeit sei bei ihrem Mann angerechnet worden, ebenso der Zuschlag zur Mütterrente I. Eine Nichtanerkennung des Zuschlags, weil keine gemeinsame Erklärung wegen der Zuordnung der Kinderberücksichtigungszeiten rechtzeitig abgegeben worden sei, erscheine ihr nicht folgerichtig und unlogisch, da eine derartige Erklärung zum damaligen Zeitpunkt keinen Sinn gemacht hätte. Grund für die Einführung der sog. Mütterrente sei eine Aufwertung bzw. verbesserte Anerkennung der Erziehungsleistung in der Rente gewesen. Dies gelte nicht nur für Versichertenrenten, sondern auch für Hinterbliebenenrenten. Es könne nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein, dass in ihrem Fall keine Zuschlagszahlung erfolge, weil keine Bestandsrente mehr vorliege.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.10.2021 den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.06.2019 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die der Klägerin gewährte große Witwenrente unter Berücksichtigung von 4 x 0,5 Entgeltpunkten (Mütterrente II) neu zu berechnen. Vor dem 01.01.1992 habe Anspruch auf eine Rente bestanden, wegen der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Abs 1 Satz 1 berücksichtigt worden sei (§ 307d Abs 1 S 4 Nr 1 SGB VI). Für dasselbe Kind werde eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet (§ 307d Abs 1 S 4 Nr 2 SGB VI). Es komme nicht darauf an, weshalb für diese "andere Person" (im vorliegenden Fall die Klägerin) eine Berücksichtigungszeit nicht angerechnet werde. Wie sich aus der Bundestagsdrucksache 19/4668, S 23, 1. Absatz am Ende und Seite 39 zu Nummer 20 § 307d, 4. Absatz am Ende ergebe, solle eine pauschale Abrechnungsweise in einem pauschalierten Verfahren erfolgen. Dabei solle sogar hingenommen werden, dass in einigen Fällen die Begünstigten das Kind nicht auch im zweiten und dritten Lebensjahr erzogen hätten, also der Anspruch nicht bestehe.
Hiergegen hat die Beklagte am 28.10.2021 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und mit Schriftsatz vom 17.03.2022 zur Begründung ausgeführt, dass § 307d Abs 1 SGB VI die Voraussetzungen regle, unter denen Zuschläge an persönlichen Entgeltpunkten für Renten anzurechnen seien, deren Anspruch am 30.06.2014 bestanden habe. § 307d Abs 1a SGB VI regle hingegen die Voraussetzungen für Zuschläge bei Renten, deren Ansprüche nach dem 30.06.2014 und vor dem 01.01.2019 entstanden seien. Die Versichertenrente des Herrn P habe nach dessen Tod am 21.05.2017 zum 31.05.2017 geendet. In Anwendung des § 307d Abs 1 SGB VI sei hier zuvor unter Berücksichtigung eines Zuschlags für Kindererziehung (sog. Mütterrente) mit Bescheid vom 16.08.2014 eine Neuberechnung erfolgt. Eine Neuberechnung infolge der sogenannten Mütterrente II zum 01.01.2019 könne infolge des Rentenendes im Jahr 2017 nicht mehr erfolgen.
Beginn der Witwenrente sei der 01.06.2017 gewesen, somit im Zeitraum des § 307d Abs 1a SGB VI. Ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind werde demnach berücksichtigt, wenn
1. in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet worden sei und
2. kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a SGB VI bestehe.
Bestandsrenten im Sinne des Abs 1a seien hier alle Renten mit einem Rentenbeginn nach dem 30.06.2014 und vor dem 01.01.2019, auf die am 31.12.2018 ein Anspruch bestanden habe. § 307d Abs 1a SGB VI sehe bezüglich der notwendigen Voraussetzungen keine "Auffangregelung" im Sinne der § 307d Abs 1 Satz 4 Nr 1 und Nr 2 SGB VI vor. Damit seien die Voraussetzungen nach § 307d Abs 1a SGB VI nicht erfüllt. Ebenfalls nicht einschlägig sei - ungeachtet, ob die Voraussetzungen des § 88 Abs 1 oder Abs 2 SGB VI erfüllt seien - § 307d Abs 3 SGB VI, da ein Zuschlag nach Abs 1a nicht in der Versichertenrente berücksichtigt worden sei. Ein Anspruch auf einen weiteren Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten iSd § 307d SGB VI (Mütterrente II) bestehe somit nicht.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.10.2021 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.06.2019 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.10.2021 zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Witwenrente eine Folgerente der Altersrente sei. Der Beginn der Witwenrente sei nicht der Sterbetag, sondern erst der Monatserste des darauffolgenden Monats. Aufgrund eines Besitzschutzes seien nicht die in der Neuberechnung der Witwenrente berechneten Entgeltpunkte, sondern die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt worden und die in der Altersrente berücksichtigten bisherigen Zuschläge an persönlichen Entgeltpunkten aufgrund der "Mütterrente I" würden in der Witwenrente weitergezahlt. "Wer, wenn nicht unsere unabhängigen Gerichte, könne entscheiden, ob das Recht im Sinne des Gesetzgebers von Seiten der Verwaltung gerecht und richtig ausgelegt" werde.
Die Beklagte hatte mit der Berufungsbegründung auch die Aussetzung der Vollstreckung des Gerichtsbescheids des SG nach § 199 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - beantragt gehabt. Nach richterlichem Hinweis hat die Beklagte den Antrag zurückgenommen (L 19 R 139/22 ER) und hat die Witwenrente der Klägerin mit Ausführungsbescheid vom 08.08.2022 unter Berücksichtigung des Zuschlags ab dem 01.09.2022 laufend in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 506,81 € neu berechnet sowie für die Zeit vom 01.01.2019 bis 31.08.2022 eine Nachzahlung von 1.583,22 € ausgewiesen, die vorläufig nicht ausgezahlt wurde.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten bzgl. des Versicherten und der Klägerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 15.10.2021 verurteilt, bei der Witwenrente der Klägerin einen weiteren Zuschlag nach § 307d SGB VI ab dem 01.01.2019 zu berücksichtigen und eine höhere Witwenrente zu gewähren.
Der Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 15.10.2021 ist bereits rechtswidrig, weil das SG nicht gesehen hat, dass der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung des weiteren Zuschlags ab dem 01.01.2019 von der Beklagten zutreffend als Antrag nach § 44 SGB X gewertet worden ist. Die Klägerin hat von der Beklagten mit Bescheid vom 26.06.2017, neu berechnet mit Bescheid vom 10.08.2017, Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes P bewilligt bekommen. Beide Bescheide sind bestandskräftig geworden. In diesen Bescheiden sind - entsprechend den im Versicherungsverlauf des verstorbenen Versicherten enthaltenen Feststellungen, die auch seiner eigenen Versichertenrente zugrunde lagen - jeweils 12 Kalendermonate an Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung zuerkannt sowie für diese Zeiten auch entsprechende Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung parallel zu den jeweils für 12 Monate zuerkannten Pflichtbeitragszeiten. Darüberhinausgehende Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung über den 12. Kalendermonat hinaus - wie von der Klägerin bei Antragstellung geltend gemacht - wurden von der Beklagten in diesen Bescheiden bestandskräftig abgelehnt. Rechtsbehelfe hiergegen wurden nicht ergriffen.
Für den von der Klägerin begehrten Zuschlag nach § 307d Abs 1 Satz 3 SGB VI - sog. Mütterrente II - ab dem 01.01.2019 hätte keines Antrags der Klägerin bedurft. Sofern die Voraussetzungen dafür gegeben gewesen wären, hätte die Beklagte diese von sich aus zuerkennen und insoweit einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid erlassen müssen (wegen einer rechtlichen Änderung zugunsten der Klägerin nach § 48 Abs 1 SGB X, der dann gegebenenfalls mit der Anfechtungs- und Leistungsklage hätte angefochten werden können). Ein solcher Änderungsbescheid nach § 48 SGB X ist von der Beklagten nicht erlassen worden, so dass eine Überprüfung der im Witwenrentenbescheid vom 26.06.2017 bzw. 10.08.2017 abgelehnten weiteren Berücksichtigungszeiten nur über die Umdeutung des Antrags vom 02.04.2019 in einen Antrag nach § 44 SGB X erfolgen konnte, so wie dies die Beklagte auch getan hat. Da das SG der Klage stattgegeben hatte, hätte es insoweit auch den Bescheid der Beklagten vom 26.06.2017 bzw. 10.08.2017 abändern müssen. Dies ist nicht erfolgt, so dass die Entscheidung des SG in Widerspruch zu den bestandskräftigen Bescheiden der Beklagten steht und somit rechtswidrig ist.
Die Klägerin hat aber auch materiell-rechtlich keinen Anspruch auf eine höhere Witwenrente unter Berücksichtigung eines weiteren Zuschlages nach § 307d SGB VI.
Die Klägerin bezieht keine Rente aus eigener Versicherung. Sie hatte sich im Jahr 2000 ihre eigenen Beiträge nach § 210 Abs 1 Nr 2 SGB VI erstatten lassen. Nach § 210 Abs 6 SGB VI führt die Erstattung zur Auflösung des bisherigen Versicherungsverhältnisses. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr. Darauf wurde die Klägerin auch im Bescheid vom 23.05.2000 hingewiesen. Die hier in Frage kommenden Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung wären hiervon ebenfalls umfasst gewesen.
Aufgrund der gemeinsamen Erklärung der Eheleute P vom 08.09.1987 waren für die 4 Kinder des Ehepaares jeweils 12 Kalendermonate wegen Kindererziehung im Versicherungskonto des Ehemannes gespeichert und schließlich bei seiner Altersrente, die er ab dem 01.03.1989 bezogen hatte, angerechnet worden. Mit Bescheid vom 16.08.2014 wurde dem Versicherten ab dem 01.07.2014 jeweils ein pauschaler Entgeltpunkt pro Kind zuerkannt. Die weiteren 4,0000 Entgeltpunkte führten zu einer Erhöhung seiner Altersrente wegen Berücksichtigung der "Mütterrente". Auch dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Weitere Zuschläge für die 4 Kinder nach der zum 01.01.2019 in Kraft getretenen Regelung der "Mütterrente II" nach § 307d SGB VI stehen der Klägerin nicht zu.
Infolge der im Jahr 2000 erfolgten Beitragserstattung hatte die Klägerin keine eigenen Versicherungszeiten, aus denen sie eine eigene Altersrente nach einer Wartezeit von 60 Kalendermonaten hätte beziehen können. Nachfolgende Beitragszeiten, die zu einer Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nach § 50 Abs 1 SGB VI hätten führen können, hat die Klägerin nicht zurückgelegt. Infolge der im Jahr 1987 erfolgten gemeinsamen Erklärung über die Zuordnung der Kindererziehungszeiten zum Vater ist es zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit und damit zur Zuerkennung einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung für ihren Ehemann gekommen, der aufgrund seiner Tätigkeit als selbständiger Vollerwerbslandwirt über die Landwirtschaftliche Alterskasse auch dort versichert war. Damit hatte die Klägerin - trotz ihrer vier Kinder - keine Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung in ihrem Versicherungskonto gespeichert. Aus Berücksichtigungszeiten allein könnte kein Rentenanspruch abgeleitet werden.
§ 307d SGB VI differenziert aber zwischen den Renten aus eigener Versicherung und sog. Folgerenten (§ 307d Abs 3 SGB VI). Die Regelungen des § 307d Abs 1 und Abs 1a SGB VI knüpfen an eigene Renten eines Versicherten an. § 307d Abs 1 SGB VI verlangt einen Anspruch auf eine Rente am 30.06.2014, § 307d Abs 1a SGB VI einen Rentenanspruch in der Zeit nach dem 30.06.2014 und vor dem 01.01.2019. Die Klägerin hatte aber zu keinem dieser Zeitpunkte einen Anspruch auf Rente aus eigener Versicherung.
Die Klägerin hat nur aus der Versicherung ihres Ehemannes infolge dessen Todes einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus dem Versicherungskonto des Ehemannes. Dies stellt eine sog. Folgerente im Sinne des § 307d Abs 3 iVm § 88 Abs 2 SGB VI dar. Gemäß § 88 Abs 2 SG BVI sind bei einer Hinterbliebenenrente mindestens die bisherigen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde zu legen, wenn der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bereits bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente beginnt (vgl. hierzu Gürtner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht (KassKomm), Stand September 2020, § 88 SGB VI, Rdnrn13 - 15 m.w.N.). Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach § 307d Abs 1 oder Abs 1a SGB VI eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Abs 2 SGB VI erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 und 2 SGB VI weiter zu berücksichtigen (§ 307d Abs 3 SGB VI). Die Klägerin hat deshalb nach § 88 Abs 2 SGB VI Bestandsschutz bezüglich der Versicherungszeiten, die im Versicherungskonto ihres verstorbenen Ehemannes gespeichert und Grundlage für dessen Altersrente gewesen sind. Sie hat aber über § 307d Abs 3 SGB VI auch den Bestandsschutz für die weitere Berücksichtigung des Zuschlages für Kindererziehungszeiten nach der Mütterrente I (§ 307d Abs 1 S 1 SGB VI), obwohl die Kindererziehungszeit dem Vater der Kinder zugeordnet worden war.
Aus § 307d Abs 3 SGB VI kann aber ebenfalls kein weiterer Zuschlag in Form der Mütterrente II abgeleitet werden. Insoweit ist § 249 Abs 7 Satz 1 SGB VI in der ab dem 01.01.2019 geltenden Fassung zu berücksichtigen. Gemäß § 249 Abs 7 Satz 1 SGB VI endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind bei Folgerenten, die die Voraussetzungen nach § 88 Abs 1 oder 2 SGB VI erfüllen und für die ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Abs 1 Satz 1 SGB VI zu berücksichtigen ist, zwölf Kalendermonate nach dem Monat der Geburt. Das Gesetz sieht somit keine Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten vor, sondern es verbleibt bei der Weitergewährung des Zuschlages nach § 307d Abs 1 S 1 SGB VI (Gürtner, a.a.O., § 249 SGB VI, Rdnr 17 m.w.N.).
Der Grund für die gesetzliche Differenzierung hinsichtlich der einzelnen Zeitpunkte liegt darin, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung bis zur sog. Großen Rentenreform durch das SGB VI keine rentenrechtlich anspruchsbegründenden Zeiten für Kindererziehung vorgesehen waren. Pflichtbeitragszeiten für die Erziehung von Kindern und Berücksichtigungszeiten für Kinder, die vor dem 01.01.1992 geboren wurden, wie in den Vorschriften der §§ 56 und 57 SGB VI ab dem 01.01.1992 vorgesehen, gab es bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Für Kinder von Versicherten, die vor dem 01.01.1992 geboren waren, wurde eine besondere Regelung in § 249 SGB VI geschaffen.
§ 249 Abs 1 SGB VI in der ab dem 01.01.1992 geltenden Fassung sah eine Kindererziehungszeit für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind von 12 Monaten nach Ablauf des Monats der Geburt vor. Demgegenüber sieht § 56 SGB VI für ein nach dem 01.01.1992 geborenes Kind 36 Kalendermonate vor. Der Gesetzgeber beabsichtigte durch die Regelungen der Mütterrente eine weitere Angleichung der Regelungen. In der ab dem 01.07.2014 geltenden Fassung wurden deshalb in § 249 Abs 1 SGB VI 24 Kalendermonate Kindererziehungszeit vorgesehen. In der ab dem 01.01.2019 geltenden Fassung beträgt die Kindererziehungszeit 30 Kalendermonate für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind. Welche Fassung des § 249 SGB VI anzuwenden ist, ergibt sich aus dem jeweiligen Zeitpunkt der Rentenantragstellung. Wird eine Rente (aus eigener Versicherung) nach dem 01.01.2019 beantragt, sind 30 Kalendermonate Kindererziehungszeit anzuerkennen, sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Wurde Rente (aus eigener Versicherung) jedoch bereits vor dem 01.07.2014 - wie vorliegend durch den Ehemann der Klägerin - bezogen, wurde eine Kindererziehungszeit von 12 Monaten bei der Rentenberechnung berücksichtigt.
§ 307d SGB VI regelt demgegenüber die weitere Partizipationsmöglichkeit an den gesetzlichen Verbesserungen der sog. Mütterrente für Versicherte, die bereits im Bezug einer Rente vor Inkrafttreten der Neuregelungen der Mütterrente standen. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass deshalb der verstorbene Ehemann der Klägerin im Jahr 2014 den Zuschlag von je 1,0000 Entgeltpunkten für jedes Kind im Rahmen der "Mütterrente I" nach § 307d Abs 1 S 1 SGB VI erhalten hat, mithin pauschal 4,0000 Entgeltpunkte (Bescheid vom 16.08.2014). Eine weitere Verbesserung bei seiner Altersrente (aus eigener Versicherung) nach § 307d Abs 1 S 3 SGB VI (Mütterrente II) konnte nicht erfolgen, weil er im Mai 2017 verstarb und seine Altersrente mit Ablauf des Monats Mai 2017 geendet hatte.
Da die Klägerin keine Rente aus eigener Versicherung bezieht, sondern nur die aus der Versicherung ihres Ehemannes abgeleitete Hinterbliebenenrente, können die Vorschriften des § 307d SGB VI auf sie insoweit nicht angewendet werden. Sie hatte keinen Anspruch auf (eine eigene) Rente am 30.06.2014 (§ 307d Abs 1 SGB VI) und auch nicht in der Zeit nach dem 30.06.2014 und vor dem 01.01.2019 (§ 307d Abs 1a SGB VI). In ihrem Versicherungskonto waren infolge der Erstattung keine Kindererziehungszeiten und auch keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gespeichert.
Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass zum Zeitpunkt der gemeinsamen Erklärung der Eheleute im Jahr 1987 Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nicht existiert hatten. Mit Inkrafttreten der Rentenreform im Jahr 1992 hatte aber der Gesetzgeber in § 249 Abs 7 SGB VI die Möglichkeit einer entsprechenden gemeinsamen Erklärung der Eheleute über die Zuordnung von Berücksichtigungszeiten zum Vater geschaffen gehabt. Diese Erklärung war bis zum 31.12.1996 abzugeben. Gemäß § 249 Abs 7 Satz 2 iVm Abs 6 Satz 2 bis 5 SGB VI konnte eine solche Erklärung nicht widerrufen werden, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist war gesetzlich ausgeschlossen, so dass auch eine nachträgliche "Korrektur" des Versicherungskontos des verstorbenen Ehegatten nicht mehr möglich ist.
Sofern die Klägerin mit ihrem Hinweis darauf, dass es für sie keinen erkennbaren Grund für die Abgabe einer weiteren Erklärung gegeben habe, eine Korrektur des Versicherungsverlaufs im Versicherungskonto ihres Ehemannes im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geltend machen wollte, kann dies ebenfalls nicht zum Erfolg führen. Im Rahmen des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, der u. a. eine fehlerhafte Beratung durch die Beklagte verlangen würde, die hier keinesfalls vorgetragen, geschweige denn nachgewiesen wurde, kann nur der Zustand hergestellt werden, der bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln bestehen würde. Ohne entsprechenden Antrag auf Anerkennung weiterer Berücksichtigungszeiten beim Vater bis zum 31.12.1996 hätte die Beklagte rechtmäßig auch keine weiteren Zeiten anerkennen können. Für ein diesbezügliches, bis 31.12.1996 konkretisiertes, zweiseitiges Sozialrechtsverhältnis, aus dem eine Antragstellung der Eheleute P auf Zuordnung von Berücksichtigungszeiten beim Vater fingiert werden könnte und das ein entsprechendes fehlerhaftes Verwaltungshandeln hätte auslösen können, ist nichts vorgetragen. Dies hätte ein konkretes Beratungsersuchen der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt erfordert, für das es keinerlei Anhaltspunkte gibt. Das Verfahren zur Kontenklärung im Jahr 1998 und das Verfahren zur Beitragserstattung im Jahr 2000 sind hierfür ebenfalls nicht ausreichend. Zum einen wären diese Zeitpunkte verspätet und die Beklagte musste auch nicht von sich aus auf weitere Gestaltungsmöglichkeiten wegen der Kindererziehung hinweisen, nachdem eine wirksame gemeinsame Erklärung der Eheleute vorlag und der Versicherte u. a. gerade wegen dieser Zeiten auch die Altersrente beziehen konnte.
Das SG hat in seinem Gerichtsbescheid vom 15.10.2021 zu Unrecht sein Ergebnis auf die gesetzgeberische Begründung zur Mütterrente II gestützt. Es war keineswegs die Absicht des Gesetzgebers, Zuschläge an Entgeltpunkten unabhängig von der Frage zuzuerkennen, ob und in welcher Zeit eine Kindererziehung durch einen Versicherten stattgefunden hat. Vielmehr erfolgte die Ausgestaltung der Neuregelungen zur sog. Mütterrente - also der Möglichkeit zur Partizipation der Rentenbezieher an den Verbesserungen für Versicherte mit Kindern, die vor dem 01.01.1992 geboren sind - mit der Zielsetzung einer möglichst effizienten und schnellen Umsetzung, die nur im Wege einer Verwaltungsvereinfachung denkbar war. Der Gesetzgeber hat aus diesem Grund eine Pauschalierung vorgesehen. Unabhängig von der Frage, wer von den Elternteilen konkret die Erziehungsleistung eines vor dem 01.01.1992 geborenen Kindes übernommen und insoweit gegebenenfalls auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hatte, mit der eigene Anwartschaften in der gesetzlichen Versicherung hätten begründet oder erhöht werden können, hat der Gesetzgeber für die "Mütterrente I" in § 307d Abs 1 SGB VI an die Feststellung einer Kindererziehungszeit im 12. Kalendermonat nach dem Monat der Geburt angeknüpft und einen Zuschlag von pauschal 1,0000 Entgeltpunkt pro Kind vorgesehen. Für die "Mütterrente II" wurde pauschal daran angeknüpft, ob im Versicherungsverlauf für den 24. Kalendermonat nach dem Monat der Geburt eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung gespeichert ist. Damit sollte ein weiterer Schritt in der Angleichung der rentenrechtlichen Zeiten der Kindererziehung von 3 Jahren bei Kindern erreicht werden, die nach dem 01.01.1992 geboren sind. Auch hier hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2019 eine pauschale Zuerkennung von 0,5 Entgeltpunkten in § 307d Abs 1 S 3 SGB VI vorgesehen. Der Gesetzgeber hat bei beiden Neuregelungen erkannt, dass diesen Regelungen aufgrund der Pauschalierungen gewisse "Ungerechtigkeiten" innewohnen, die teils in der juristischen Literatur auch umfassend aufgezeigt und kritisiert wurden, jedoch den dem Gesetzgeber grundsätzlich zuzuerkennenden weiten Gestaltungsspielraum bei Gewährung weiterer Sozialleistungen nicht überschritten haben. Mit seiner Äußerung in der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass die Pauschalierung der Leistungen zu Ungerechtigkeiten führen könnte, dass dies jedoch - insbesondere auch unter Berücksichtigung der denkbaren Fallgestaltungen und Häufigkeit - hinzunehmen ist, um für viele ältere Versicherte und Rentenbezieher eine möglichst zügige Umsetzung erreichen zu können, ohne - so die Gesetzesbegründung auf Seite 23 der BT-Drucks 19/4668 - Millionen von Renten neu feststellen zu müssen. Durch die Anknüpfung an eine Berücksichtigungszeit im 24. Kalendermonat nach dem Monat der Geburt hat der Gesetzgeber pauschal unterstellt, dass eine Erziehung eines vor dem 01.01.1992 geborenen Kindes durch diesen Elternteil bereits 2 Jahre angedauert hat und dass deshalb davon auszugehen sei, dass auch im 3. Lebensjahr des Kindes eine entsprechende Erziehungsleistung des Elternteils erfolgen wird (vgl. Körner, in: KassKomm, Stand Sept. 2020, § 307d SGB VI, Rdnr 4b m.w.N.).
Ein besonderer Grund, weshalb der Klägerin weitere Zuschläge an Entgeltpunkten für Kindererziehung zustehen sollten, die ihr Ehemann während der Rentenbezugsdauer bis zu seinem Tod noch nicht bekommen hatte und auch nicht mehr bekommen konnte, vermag der Senat nicht zu sehen. Der Bestandsschutz der vom verstorbenen Ehegatten erworbenen Rentenanwartschaften und der sozialpolitisch begründeten weiteren Zuschläge nach der Mütterrente I, der durch § 88 Abs 2 SGB VI der Klägerin bei ihrer Hinterbliebenenrente zugutekommt, endet vom Umfang her mit dem Tod des Versicherten im Mai 2017.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin der Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 15.10.2021 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 05.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.06.2019 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.