L 19 R 352/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 782/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 352/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Der Kläger hat eine zeitliche Minderung seines Leistungsvermögens nachzuweisen. Für diesen Nachweis bedarf es der vollen Überzeugung des Gerichts. Ausreichend ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Verbleiben begründete Zweifel, so geht dies zu Lasten des Klägers, denn der Rentenbewerber trägt die objektive Beweislast für die gesundheitlichen Einschränkungen bzw. deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit.

 

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.03.2020 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der 1980 geborene Kläger beendete im Jahr 1999 mit Erfolg die Ausbildung zum Koch. In der Zeit von 2004 bis 2006 absolvierte er eine Umschulung zum Winzer und war bis 2013 in diesem Beruf tätig. Zuletzt war er im Betrieb seiner Schwester (Landgasthof mit Weingut) beschäftigt. Seit dem 11.07.2017 bestand Arbeitsunfähigkeit. Nach Ende des Krankengeldbezuges erhielt der Kläger Arbeitslosengeld bis zum 15.07.2019.

Der Neurologe und Psychiater K erstellte am 13.10.2014 ein Gutachten für eine private Versicherung. Danach sei der Kläger aufgrund der Befundkonstellation auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht einsetzbar. Als führende Diagnose war eine bipolare affektive Störung, zuletzt schwere depressive Episode (F31.4) angegeben.

Erstmals beantragte der Kläger am 18.11.2014 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Dies lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Psychiaters M mit Bescheid vom 28.01.2015 und Widerspruchsbescheid vom 19.03.2015 ab. Im nachfolgenden Klageverfahren S 10 R 403/15 hörte das Sozialgericht Würzburg nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Neurologen und Psychiater K1 mit Gutachten vom 18.12.2015 und nach § 109 SGG den Psychiater B mit Gutachten vom 30.03.2016. Beide Sachverständigen stellten beim Kläger eine bipolare affektive Störung mit gegenwärtig leichter depressiver Episode (F31.3) und eine Leistungsfähigkeit von mehr als 6 Stunden täglich fest. K1 wies darauf hin, dass sich in der Testpsychologie eine deutliche Tendenz zur negativen Antwortverzerrung und Inkonsistenzen zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung der depressiven Symptomatik gezeigt hätten. Die Klage nahm der Kläger mit Schreiben vom 25.04.2017 zurück.

Der Kläger befand sich in der Zeit vom 06.02.2017 bis 05.04.2017 zur stationären Behandlung in der Psychosomatischen Klinik W. Entlassdiagnose war: Bipolare affektive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode. Zum Therapieverlauf und den erreichten Zielen war angegeben, dass das Therapieergebnis auf Symptomebene in Übereinstimmung mit dem Kläger als "gebessert" einzuordnen sei. Da der Kläger unter der noch bestehenden Symptomatik leide und insgesamt von einer anhaltenden Beeinträchtigung auszugehen sei, werde dringend eine langfristig ausgelegte ambulante Psychotherapie empfohlen. Des Weiteren werde die Etablierung einer gesetzlichen Betreuung für die Regelung der finanziellen Angelegenheiten empfohlen.

Mit gutachterlicher Stellungnahme vom 14.11.2017 für die Agentur für Arbeit B-Stadt stellte die Psychiaterin G nach Untersuchung fest, der Kläger könne voraussichtlich über sechs Monate, aber nicht auf Dauer, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich nur weniger als drei Stunden leistungsfähig sein. Es bestehe eine Einschränkung der psycho-physischen Leistungsfähigkeit aufgrund einer schweren seelischen Minderbelastbarkeit. Im Vordergrund stünden Störungen der Affektregulation. Stresstoleranz und psychische Belastbarkeit seien durch eine episodenhaft verlaufende psychiatrische Erkrankung eingeschränkt. Aktuell bestehe kein ausreichendes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine Intensivierung der laufenden Therapiemaßnahmen, ggf. stationär, sei vorrangig. Als Diagnosen waren genannt: Bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode (F31.4), Obstruktive Schlafapnoe (G47.3).
 
Am 11.12.2017 stellte der Kläger, vertreten durch seinen damaligen Betreuer, einen erneuten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte holte das vom Psychiater M erstellte Gutachten vom 07.02.2018 ein. Der Kläger leide im Wesentlichen unter einer bipolaren affektiven Störung, derzeit leichte depressive Episode (F31.3 G), und unter einem Schlafapnoe-Syndrom mit erhöhter Tagesmüdigkeit. Im psychischen Befund hätten sich Hinweise auf eine bewusstseinsnahe Verdeutlichungstendenz mit negativer Antwortverzerrung gezeigt. Wegen Nichterfüllung der medizinischen Voraussetzungen lehnte die Beklagte mit dem hier streitigen Bescheid vom 09.02.2018 den Antrag ab.

Im Widerspruchsverfahren bezog sich der Bevollmächtigte des Klägers auf einen Bericht des F vom 18.05.2018 (der Kläger leide unter einer andauernden depressiven Symptomatik; es imponiere eine ausgeprägte Müdigkeit und Erschöpfung, verstärkt durch die gleichzeitig bestehende Schlafapnoe; realistisch sei eine Arbeitsbelastung von 1 bis 2 Stunden täglich) und auf Berichte des behandelnden Nervenarztes E vom 26.01.2018 und 19.04.2018 (führende Diagnose: Bipolare affektive Störung, derzeit schwere depressive Episode). Nach der Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 17.08.2018 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2018 zurück. Dem Kläger seien mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.

Dagegen hat der Bevollmächtigte am 25.09.2018 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Das Sozialgericht hat die den Kläger betreffende Behindertenakte vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, Region Unterfranken, Versorgungsamt, Würzburg, beigezogen (Grad der Behinderung - GdB - von 50 ab dem 07.03.2013; seelische Erkrankung Einzel-GdB von 50, Bluthochdruck Einzel-GdB von 10) und einen Befundbericht von der Gemeinschaftspraxis Dres. S/D/P/K2 mit Fremdbefunden eingeholt.

Sodann hat das Sozialgericht den Neurologen und Psychiater K3 zum ärztlichen Sachverständigen ernannt, der mit Gutachten vom 27.02.2019 die folgenden Gesundheitsstörungen festgestellt hat:

1.  Bipolare affektive Störung, gegenwärtig remittiert (F31.7)
2.  Zustand nach schädlichem Gebrauch von Amphetaminen, gegenwärtig abstinent (F15.20)
3.  Karpaltunnel-Syndrom beidseits (G56.0)

Dem Kläger sei zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch eine mindestens sechsstündige Tätigkeit zumutbar. Es könnten leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung verrichtet werden. Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung sollten vermieden werden. Eine mittelgradige oder schwere depressive Episode bzw. eine manische Stimmungsauslenkung sei auszuschließen. Die derzeitige ambulante psychotherapeutische Behandlung sollte intensiviert und die ambulante psychiatrisch-neurologische Behandlung mit begleitender Psychopharmakotherapie sollte konsequent fortgesetzt werden. Die kognitiven Funktionen seien regelgerecht gewesen. Denkstörungen hätten sich nicht gefunden. Während der stationären psychosomatischen Behandlung 2017 mit ausreichender räumlicher und persönlicher Distanz zu den innerfamiliären Konflikten sei von den Behandlern eine regelrechte Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit bescheinigt worden. Der Kläger habe sich während dieses Zeitraumes psychisch stabiler, aktiver und leistungsfähiger erlebt. Er habe sich eine intensivere ambulante psychotherapeutische Behandlung gewünscht, um seine persönlichen Konflikte besser bewältigen zu können. Dieses sei ihm vorübergehend unter stationären Bedingungen anscheinend gut gelungen. Erst nach Rückkehr in das Umfeld seiner Primärfamilie sei er in ein "tief depressives Loch" gefallen. Hinweise für eine spezifische Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung hätten sich nicht gefunden.

Der Bevollmächtigte hat darauf hingewiesen, dass in den Befundberichten des behandelnden Nervenarztes E seit Juli 2017 dauerhaft die Diagnose einer bipolaren affektiven Störung mit einer schweren depressiven Episode bestätigt worden sei. Des Weiteren hat er eine Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten F vom 19.04.2019 vorgelegt, der eine bipolare affektive Störung mit depressiven Phasen und schnell wechselnden hypomanischen Phasen, sog. rapid cycling, beschreibe.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Sozialgericht den Psychiater R als Sachverständigen mit Gutachten vom 19.11.2019 gehört. Dieser hat festgestellt, dass der Kläger unter einer bipolaren affektiven Störung mit Residualsymptomatik (asthenisches Insuffizienzsyndrom, F31.8), und unter einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom (G47.31) leide. Aufgrund des asthenischen Insuffizienzsyndroms mit den bleibenden Symptomen Müdigkeit und Konzentrationsschwäche könne nur noch eine weniger als dreistündige Tätigkeit täglich ausgeübt werden. Die Tatsache, dass eine langjährige nervenärztliche Betreuung mit Pharmakotherapie und Psychotherapie stattgefunden habe, spreche dafür, dass der Kläger durchgehend ernsthafte Willensanstrengungen unternommen habe, um die Erkrankung zu überwinden. Hierfür würden auch die in den Befunden beschriebenen Medikamentenspiegel sprechen. Anders als der Gutachter K3 habe er keine Aggravationstendenz feststellen können, sondern vielmehr ein starkes Bemühen, keine Leistungsschwächen zu zeigen. Gegenüber der Untersuchung durch M vom 07.02.2018 sei eine Verschlechterung eingetreten, nämlich ein rasch nachlassendes Konzentrationsvermögen. Der Zustand bestehe mindestens seit dem 14.11.2017 (Begutachtung durch G) und sei von dauerhafter Natur. Die therapeutischen Möglichkeiten seien ausgeschöpft.

Die Beklagte hat hierzu durch ihren ärztlichen Dienst Stellung genommen (Psychiaterin H vom 10.12.2019). Der Beurteilung von R könne nicht gefolgt werden, da diese sich überwiegend auf die subjektive Beschwerdeschilderung des Klägers beziehe. Dagegen sei im Gutachten K3 eine umfangreichere Beschwerdevalidierung vorgenommen worden. Er habe auch ausgeführt, dass eine deutliche Diskrepanz zwischen den subjektiv beklagten Beschwerden und den objektiven Beobachtungen in der Untersuchungssituation vorgelegen habe.

Unter dem 15.01.2020 hat der Psychiater K3 ergänzend Stellungnahme genommen und an seiner Bewertung festgehalten. R habe keine testpsychologische Untersuchung der Ausdauerleistung oder der konzentrativen Funktionen des Klägers durchgeführt. Der positive Effekt der stationären psychosomatischen Behandlung 2017 spreche gegen eine Minussymptomatik, die an sich eine bleibende Leistungsminderung darstelle.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 24.03.2020 hat das Sozialgericht Würzburg die Klage abgewiesen. Es hat sich den Ausführungen des Psychiaters K3 im Gutachten vom 27.02.2019 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 15.01.2020 angeschlossen. Die diagnostische Einschätzung des den Kläger behandelnden Arztes E, der in seinen Berichten stets vom Vorliegen einer schweren depressiven Episode ausgegangen sei, sei durch den Psychiater K3 widerlegt worden, der die Remission der depressiven Störung festgestellt habe. R habe nicht überzeugen können. R habe als testpsychologische Untersuchung das Beck-Depressions-Inventar (BDI) angewandt. Hier habe der Kläger eine Gesamtpunktzahl von 39 Punkten erreicht, was einer schweren Depression in der Selbsteinschätzung des Klägers entsprochen habe. Eine testpsychologische Untersuchung der Ausdauerleistung oder der konzentrativen Funktionen sei von R allerdings nicht durchgeführt worden. Insofern könne die von R getroffenen Aussage, dass beim Kläger eindeutig bleibende Symptome (Müdigkeit, Konzentrationsschwäche) vorliegen würden, sodass hier eindeutig von einem ungünstigen Verlauf mit einem asthenischen Insuffizienzsyndrom auszugehen sei, nicht überzeugen. Ein diesbezüglicher Nachweis fehle. R habe sich überwiegend auf die subjektive Beschwerdeschilderung des Klägers bezogen.

Gegen das Urteil vom 24.03.2020 richtet sich die Berufung des Klägers vom 20.07.2020. Entgegen den Ausführungen des Gutachters K3 seien sich die bisherigen Gutachter nicht einig im Sinne der Ablehnung einer mittelschweren bis schweren Depression. G vom medizinischen Dienst der Arbeitsverwaltung, alle Behandler einschließlich des behandelnden Psychologen und auch der Sachverständige R hätten das Vorliegen einer schweren Depression bejaht.

Der Bevollmächtigte hat unter dem 12.10.2020 mitgeteilt, der Kläger hätte einen psychischen Zusammenbruch erlitten und sei in das Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie G überwiesen worden. Mit Schriftsatz vom 13.11.2020 hat er darauf hingewiesen, der Kläger hätte seinen stationären Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie G ab dem 14.10.2020 am 16.10.2020 abgebrochen. Aus dem vom Kläger angefertigten Protokoll ergebe sich, dass er sich selbst entlassen habe, weil er mit der beabsichtigten Therapie nicht einverstanden gewesen sei.
 
Der Senat hat ärztliche Befundberichte eingeholt (Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie G über Aufenthalt vom 14.04.2005 bis 03.06.2005 und vom 14.10.2020 bis 16.10.2020 mit Entlassdiagnose: bipolare affektive Störung, gegenwärtig leichte oder mittelgradige depressive Episode; Gemeinschaftspraxis Dres. D/P/K2 vom 25.11.2020 mit Fremdbefunden, Diagnosen der Gemeinschaftspraxis: Überlastungsschaden Handgelenk, Tendovaginitis, akute Belastungsreaktion; Nervenarzt E vom 27.11.2020 mit weiteren Arztschreiben, zuletzt vom 24.11.2020 mit Diagnosen: akute Belastungsreaktion, bipolare affektive Störung, derzeit schwere depressive Episode).

Der Senat hat sodann den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie H1 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. H1 hat im Gutachten vom 10.05.2021 und nach Untersuchung ebenfalls am 10.05.2021 die für die Erwerbsfähigkeit des Klägers maßgebenden Gesundheitsstörungen wie folgt beschrieben:

1.  Bipolare affektive Störung, gegenwärtig leicht bis allenfalls mittelgradig depressiv ausgelenkt (F31.3)
2.  Obstruktives Schlafapnoesyndrom (G47.31)
3.  Karpaltunnelsyndrom rechts ohne sensomotorische Defizite (G56.0).

Diese Gesundheitsstörungen hätten zwar Einschränkungen hinsichtlich der Daueranforderungen an Konzentration, Aufmerksamkeit und emotionaler Stabilität zur Folge. Es bestehe aber eine Belastbarkeit für täglich 6 Stunden und mehr für die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Zumutbar seien mittelschwere Arbeiten überwiegend im Gehen, Stehen und Sitzen. Nicht zumutbar seien Arbeiten an vibrierenden Geräten und Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die Feinmotorik der linken Hand aufgrund eines Karpaltunnelsyndroms links und des Zustandes nach Karpaltunnelsyndrom rechts. Ungeeignet seien auch Arbeiten mit Zugang zu Alkohol und Medikamenten aufgrund der Suchtanamnese. Die Umstellungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Die Erhebung des Medikamentenspiegels habe ergeben, dass die medikamentösen Therapieoptionen nicht ausgeschöpft seien. Der Kläger habe auch angegeben, dass möglicherweise eine fordernde Psychotherapie für ihn hilfreicher wäre. Auch bestünden noch die Möglichkeiten für teil- oder vollstationäre psychosomatischen Behandlungen. Eine Einschränkung der Gehzeit liege nicht vor. Öffentliche Verkehrsmittel könnten während der Hauptverkehrszeit genutzt werden. Bezüglich aller Vorgutachten im Rentenverfahren bestehe Konsens bis auf das Gutachten von R. Dieser sehe eine dominierende Negativsymptomatik, die aber nach eigener Begutachtung nicht habe bestätigt werden können. Zudem habe R keine Konsistenzprüfung vorgenommen, die im Rahmen der eigenen Untersuchung deutliche Auffälligkeiten erbracht habe.

Zu dem Gutachten hat der Bevollmächtigte ausgeführt, es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Begutachtung von H1 verfehlt sei. Diese Begutachtung sei allenfalls dadurch zu erklären, dass H1 von Anbeginn an darauf fixiert gewesen sei, die Leistungsfähigkeit des Klägers zu bejahen. H1 habe die von der Hausarztpraxis bestätigten Blutdruckkrisen nicht gesehen (Hinweis auf Atteste der Gemeinschaftspraxis Dres. D/P/K2 vom 14.04.2021 und 23.06.2021 - durch erhebliche Belastungssituationen komme es immer wieder zu einem schwer einstellbaren Blutdruckanstieg - und vom 29.06.2021 - stark erhöhte Blutdruckwerte nach 24 Stunden Blutdruckmessung). Er habe auch nicht berücksichtigt, was tatsächlich in der Akte ausgewiesen sei, nämlich die Angaben des Klägers, seit dem Jahr 1999 regelmäßig 2- bis 3-mal pro Monat manische oder hypomanische bzw. gemischte Anfälle erlitten zu haben. Die als angeblich leicht bis allenfalls mittelgradig beschriebene Depression sei von E, R, dem Hausarzt sowie vom F als schwere Depression eingeordnet worden. Hieraus ergebe sich auch, dass der Kläger seit Jahren unter einer schweren Negativsymptomatik leide und ein rapid cycling gegeben sei. Zu beanstanden sei auch der Hinweis von H1, die Medikation wäre unzureichend. Die Abnahme eines Blutspiegels gehöre nicht in eine Begutachtung. Der Kläger empfinde es als böswillig, wenn ihm unterstellt werde, dass sich insgesamt sehr starke Hinweise auf eine Verdeutlichungstendenz ergeben würden.

Auf Antrag des Bevollmächtigten hat H1 Kopien/ Zweitausdrucke der Testungen übersandt, die im Rahmen der Begutachtung durchgeführt wurden. Der Bevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 23.08.2021 die Testergebnisse angezweifelt. Es habe insbesondere keine negative Antwortverzerrung oder fehlende Anstrengungsbereitschaft vorgelegen.

Unter dem 04.11.2021 hat H1 ergänzend Stellung genommen. Der Bevollmächtigte diskutiere die Beurteilung des "Strukturierten Fragebogens simulierter Symptome" bei der in der Auswertung der Hinweis auf eine negative Antwortverzerrung gesehen worden sei. Man könne grundsätzlich immer jede Frage für sich diskutieren, in der Gesamtschau sei das Testergebnis mit einem Wert von 21 auffällig gewesen, da es über dem cut-off Wert von 17 gelegen habe. Die Wertung in dem Gutachten vom 10.05.2021 beruhe nicht allein auf diesem Test. In der Summe hätten sich bei verschiedenen Arten der Beurteilung der Anstrengungsbereitschaft und der Konsistenz sehr deutliche Hinweise gezeigt, dass diese eingeschränkt bzw. auffällig gewesen seien. Des Weiteren schreibe der Bevollmächtigte, dass im Gutachten aufgrund der Testung ein mittelschweres hirnorganisches Psychosyndrom bejaht worden sei. Diese Aussage sei falsch. Der Befund habe gelautet, dass die gebotene Leistung im Syndrom-Kurztest SKT als Hinweis auf ein mittelschweres hirnorganisches Psychosyndrom zu werten sei. Zeitnah zum Syndrom-Kurztest SKT sei die getestete Antwortbereitschaft im BSV-Kurzzeitgedächtnis Test unzureichend gewesen, was den Befund im Syndrom-Kurztest SKT relativiert habe. Zu Beginn der Begutachtung habe der Kläger eine deutliche Schwerbesinnlichkeit geboten und in der Testung "BSV-Kurzzeitgedächtnistest" eine unzureichende Anstrengungsbereitschaft gezeigt. Im Rahmen der Exploration hätten sich dann keine relevanten kognitiv mnestischen Defizite mehr gezeigt, die im Anschluss daran durchgeführte Testung der Anstrengungsbereitschaft habe hier dann auch keine Auffälligkeiten mehr ergeben. Die Ergebnisse des NeuroCog-Tests und des Syndrom-Kurztest SKT müssten hinsichtlich der angegebenen Tagesstruktur, der Exploration und der Verhaltensbeobachtung als Hinweis auf eine negative Antwortverzerrung gewertet werden.

Der Bevollmächtigte hat sich mit Schreiben vom 10.12.2021 zu der ergänzenden Stellungnahme geäußert. Die Fragen des Strukturierten Fragebogens simulierter Symptome seien missverständlich gewesen. Der Nachweis einer negativen Antwortverzerrung könne aus dem Ergebnis dieses Testes nicht geführt werden. Während der gesamten Begutachtung habe beim Kläger eine ausreichende Anstrengungsbereitschaft vorgelegen. Die behandelnden Ärzte hätten sich alle einheitlich im Sinne einer Erwerbsminderung geäußert und die Diagnose einer bipolaren affektiven Störung zu keiner Zeit infrage gestellt. Es sei nicht überzeugend, dass all dies aufgrund einer persönlichen Konfrontation des Klägers mit dem Sachverständigen, die etwa eine Stunde angedauert habe, obsolet sein solle. Die Blutdrucksituation ergebe sich zweifellos als Folge der massiven psychischen Störungen und Belastungen. Die behandelnde Allgemeinärztin habe zu keiner Zeit auch nur ansatzweise irgendetwas in Richtung einer Aggravation bemerkt. Der behandelnde Nervenarzt E könne dafür sprechen, dass er, wenn er im Rahmen der langen Behandlung mitbekommen hätte, dass der Kläger die verordneten Medikamente nicht ordnungsgemäß einnehme, den Kläger nachhaltig ermahnt und wenn dies nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt hätte, die Behandlung beendet hätte.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.03.2020 und den Bescheid der Beklagten vom 09.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.03.2020 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen - insbesondere auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der Gutachten der Sachverständigen - und auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Akte des Sozialgerichts Würzburg S 10 R 403/15 Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht mit Urteil vom 24.03.2020 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2018 abgewiesen, denn dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) oder wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI nicht zu. Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll oder teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3).

Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die jeweils notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI sind für Leistungsfälle bis August 2021 erfüllt. Nach dem Versicherungsverlauf vom 09.07.2021 liegen Beitragszeiten mit Pflichtbeiträgen bis zum Juli 2019 vor, so dass bei einem Leistungsfall letztmals im August 2021 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt wären.

Allerdings sind die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn der Kläger hat eine zeitliche Minderung seines Leistungsvermögens nicht nachgewiesen. Für diesen Nachweis bedarf es der vollen Überzeugung des Gerichts. Ausreichend ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Verbleiben begründete Zweifel, so geht dies zu Lasten des Klägers, denn der Rentenbewerber trägt die objektive Beweislast für die gesundheitlichen Einschränkungen bzw. deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit (BSG, Urteil vom 20.10.2004 - B 5 RJ 48/03 R - juris Rdnr. 30).

Der Senat hat nicht die Überzeugung vom Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Erwerbsminderungsrente gewinnen können. Der Kläger ist vielmehr noch in der Lage, wenigstens 6 Stunden täglich zumindest leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung zu verrichten. Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung sollten vermieden werden. Nicht zumutbar sind Arbeiten an vibrierenden Geräten und Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die Feinmotorik der linken Hand. Ungeeignet sind auch Arbeiten mit Zugang zu Alkohol und Medikamenten.
 
Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers stützt sich der Senat auf die überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen H1 und des vom Sozialgericht gehörten Sachverständigen K3.

Im Vordergrund der Gesundheitsstörungen, die sich auf die Leistungsfähigkeit des Klägers auswirken, steht eine bipolare affektive Störung, gegenwärtig leicht bis allenfalls mittelgradig depressiv ausgelenkt (F31.3). Weitere Gesundheitsstörungen sind: Obstruktives Schlafapnoesyndrom (G47.31), Karpaltunnelsyndrom rechts ohne sensomotorische Defizite (G56.0), Z.n. psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide: Abhängigkeitssyndrom (F12.2) und Z.n. psychische und Verhaltensstörungen durch andere Stimulanzien, einschließlich Koffein: Abhängigkeitssyndrom (F15.2).

Eingeschränkt ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Wesentlichen durch eine bipolare affektive Störung. Bei einer bipolaren Störung wechseln sich in unregelmäßigen Abständen Episoden mit depressiver Stimmung und solche mit auffälligem Stimmungshoch oder gereizter Stimmung (manische Phasen) ab. Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit bestimmen sich insbesondere nach der Ausprägung der depressiven und manischen Symptomatik sowie auch nach der Häufigkeit des Wechsels dieser Symptomatik.

H1 hat zur Ausprägung der depressiven Symptomatik überzeugend ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der Exploration des Klägers und der Befunde des behandelnden Nervenarztes beim Kläger die Kriterien einer leicht- bis allenfalls mittelgradigen depressiven Störung erfüllt sind. Eine schwere Negativsymptomatik oder einen häufigen Wechsel der Phasen bzw. der Symptomatik (rapid cycling) konnte H1 nicht feststellen. H1 verweist darauf, dass auch R mit Gutachten vom 18.11.2019 nicht die Symptome eines raschen Wechsels zwischen Manie und Depression beschrieben habe, sondern von einer Chronifizierung mit verbleibender Negativsymptomatik ausgegangen sei, wobei H1 eine solche Negativsymptomatik nicht habe feststellen können.

Der Psychiater K3 hat aufgrund Untersuchung des Klägers eine mittelgradige oder schwere depressive Episode bzw. eine manische Stimmungsauslenkung ausgeschlossen. Er hat auch darauf hingewiesen, dass sich beim Kläger seit 2015 keine tiefergehenden depressiven Episoden (mittelschwer oder schwer) oder manische Episoden aufgrund der regelmäßigen externen fachpsychiatrischen Begutachtungen und der stationären psychotherapeutischen Behandlung im Jahr 2017 nachweisen ließen. Es sei überwiegend ein leichtes depressives Syndrom beschrieben worden.

Bei der Untersuchung durch H1 hat der Kläger zu seinen Beschwerden angegeben, im Vordergrund stünden negative Gedanken, Ängste, Selbstabwertung und Schuldgefühle gegenüber der Familie, den Anforderungen nicht entsprochen zu haben. Beispielsweise bei Gartenarbeiten, bei sportlichen Aktivitäten oder beim Konsumverhalten neige er dazu, sich zu übernehmen und danach in ein Tief zu verfallen. Er würde dies als Symptome einer Manie werten. Er hätte unruhige Träume, immer wieder Kopfschmerzen und Pa-nikattacken mit Schwindel und Zittern. Er sei nicht kontinuierlich belastbar, hätte auch Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen.

Zum Tagesablauf hat der Kläger geschildert, dass er zwischen 8:00 Uhr und 10:00 Uhr aufstehe, Medikamente einnehme, die Morgentoilette verrichte und frühstücke. Er würde sich dann um seine Pflanzen kümmern. Mittags gehe er zu den Eltern, die Mutter würde kochen. Er gehe dann mit dem Hund raus, eine 1,5 bis 3 km lange Runde oder Nordic Walking. Falls er sich mal übernehmen würde, seien es 8 bis 10 km. Dann wäre der nächste Tag wieder schlecht. Danach würde er ruhen, um 18:00 Uhr zu Abend essen und Fernsehen bis 21/ 22:00 Uhr. Seine Freundin sehe er dreimal in der Woche abends. Seine Mutter unterstütze ihn im Haushalt etwa alle zwei Wochen. Einkaufen würde er selbstständig. Sein letzter Urlaub sei im September 2020 mit der Freundin gewesen.

Sichere Hinweise auf das Vorliegen einer Depression hat H1 im psychopathologischen Befund nicht feststellen können. In der körperlichen Untersuchung hätten sich keine sicheren Auffälligkeiten gezeigt, insbesondere hätten bei der Testung des Karpaltunnels keine Reizerscheinungen provoziert werden könne.

Hinsichtlich der Depression sehen H1 und Th. K3 in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Psychosomatischen Klinik W eine reaktive Komponente im Vordergrund. Es sei dem Kläger bisher nicht gelungen, hinsichtlich der familiären und der eigenen Erwartung Zwischenschritte und Kompromisse zu finden. Der Kläger habe sehr hohe Erwartungen an die eigenen Erfolge, denen er nicht gerecht werden könne. Hier seien auch die Verhaltensauffälligkeiten einzuordnen, bei denen sich der Kläger körperlich und finanziell übernehme, um danach wieder in die Depression zu verfallen. Hinsichtlich des pathologischen Kaufverhaltens wird von der Klinik Bad W auch ein eher suchtähnliches Verhalten gesehen und nicht das Symptom einer Manie. Diese Episoden werden auch von H1 nicht als manische Episoden gewertet. Dies steht in Übereinstimmung mit dem behandelnden Nervenarzt E, der mit Befundbericht vom 24.11.2020 zwar eine schwere depressive Episode bestätigt, aber weder Symptome einer Manie noch einer schweren Depression beschreibt. Aufgeführt sind dort nach H1 allenfalls leicht bis mittelgradige depressive Symptome ohne Manie. Im Befundbericht heißt es, er komme nun im Alltag sehr gut zurecht, fühle sich wohl, sei aktiv, gehe viel spazieren. Der Nachschlaf sei gut, Tagesfrische sei gegeben und Appetit sei erhalten. Hinsichtlich der manischen Symptome findet sich in dem Bericht des Psychotherapeuten F vom 19.04.2019 die letzte Einschätzung des Vorliegens von auch manischen Symptomen im Sinne eines sog. rapid cyclings. Diese seien während der psychotherapeutischen Sitzungen durch Schwankung von Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Merkfähigkeit und Konzentration zu beobachten gewesen. Demgegenüber weist H1 darauf hin, dass er im Laufe der von ihm vorgenommenen Begutachtung die genannten Symptome nicht habe beobachten können. Zwar habe der Kläger zu Beginn der Begutachtung Einschränkungen der Aufmerksamkeit, der Konzentration und des Gedächtnisses geboten. Zu diesem Zeitpunkt habe aber ausweislich der Testung keine ausreichende Anstrengungsbereitschaft vorgelegen. Während der Exploration und Untersuchung seien keine Einschränkungen der Aufmerksamkeit, der Konzentration und des Gedächtnisses mehr zu beobachten gewesen. In der darauf durchgeführten Testung habe sich auch eine ausreichende Anstrengungsbereitschaft gezeigt. Insoweit sei das vom F beschriebene Verhalten nicht mit einem rapid cycling zu beschreiben, sondern mit der Motivation und Anstrengungsbereitschaft des Klägers zu erklären.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Gutachten K vom 13.10.2014 oder G vom 14.11.2017. Zum Gutachten K führt H1 überzeugend aus, dass es sich um eine andere Fragestellung gehandelt habe (private Berufsunfähigkeits-Versicherung), eine Konsistenztestung nicht durchgeführt worden sei und im psychiatrischen Befund sich der Affekt objektiv ausgeglichen dargestellt habe. Zum Gutachten G verweist H1 darauf, dass offensichtlich die Diagnose vom behandelnden Nervenarzt übernommen worden sei. Auch erfülle der dokumentierte und erhobene psychiatrische Befund nicht die ICD-10 Kriterien einer schweren Depression.
 
Soweit R ein rasch nachlassendes Konzentrationsvermögen in den Vordergrund gestellt habe, hat bereits das Sozialgericht zutreffend darauf verwiesen, dass dem Gutachten nicht gefolgt werden könne. R hat keine testpsychologischen Untersuchungen der Ausdauerleistung oder der konzentrativen Funktionen des Klägers durchgeführt. H1 beanstandet auch das Fehlen von Tests zur Anstrengungsbereitschaft, zur Antwortvalidierung oder zur Beurteilung der inhaltlichen Antwortkonsistenz.

Auch aus den von H1 durchgeführten Testungen ergibt sich kein Nachweis zur Schwere der psychischen Störungen und ihrer Auswirkungen im Erwerbsleben. Zwar hat der MMPI-2RF Test zur Untersuchung der Persönlichkeitsstruktur, insbesondere zur Beschreibung psychischer Störungen, eine relevante Erhöhung der substantiellen Skalen für Internalisierungsstörung, Entmutigung, Körperbeschwerden, Suizidgedanken, soziales Meidungsverhalten und Neurotizismus gezeigt. Allerdings hat der MMPI-2RF hinsichtlich der Antwortvalidität den Hinweis auf eine Übertreibung körperlicher und/ oder kognitiver Symptome ergeben. Das Ergebnis des Syndrom-Kurztests SKT zur Erfassung von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen zeigte Hinweise auf ein mittelschweres hirnorganisches Psychosyndrom. Der NeuroCog FX-Test hat in den Bereichen verbales Gedächtnis, Wortflüssigkeit und der selektiven Aufmerksamkeit die schlechtesten möglichen Ergebnisse erzielt, unterdurchschnittlich war auch das figurales Gedächtnis und die Ziffernspanne. H1 verweist aber darauf, dass der im zeitlichen Zusammenhang mit dieser Testung durchgeführte BSV Kurzzeitgedächtnistest Hinweise auf eine unzureichende Anstrengungsbereitschaft ergeben habe. H1 schließt aufgrund des Verhaltens des Klägers und der gebotenen kognitiven Fähigkeiten während der Exploration die nach den genannten Tests gemessenen kognitiv-mnestische Defizite und Einschränkungen der Aufmerksamkeit sicher aus. Auch der Gutachter K3 hatte festgestellt, dass die kognitiven Funktionen als regelgerecht einzuordnen seien und Denkstörungen nicht bestanden. Der strukturierte Fragebogen simulierter Symptome ergab nach H1 Hinweise auf eine negative Antwortverzerrung, so dass insgesamt 3 von 4 spezifischen Validitätstestungen auffällig und damit sehr starke Hinweise auf eine Verdeutlichungstendenz festzustellen waren. In der ergänzenden Stellungnahme vom 04.11.2021 weist H1 zutreffend darauf hin, dass sich nicht allein aufgrund des Testergebnisse des strukturierten Fragebogens simulierter Symptome, sondern bei den verschiedenen Arten der Beurteilung der Anstrengungsbereitschaft und der Konsistenz sehr deutliche Hinweise gezeigt hätte, dass diese eingeschränkt bzw. auffällig gewesen seien.

Der Senat hat sich nicht gedrängt gesehen, Frau P1 als präsente Zeugin zu vernehmen. Es hat hier bereits an einem ordnungsgemäßen Beweisantrag gefehlt. Der Beweisantrag muss das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit zumindest hypothetisch umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll. Hinzu kommt, dass für die Beurteilung des Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung die Feststellung objektiv vorhandener Funktionseinschränkungen entscheidungserheblich ist. Hierzu bedarf es auch medizinischen Sachverstandes. Es ist aber weder ersichtlich noch vorgetragen worden, welche entscheidungserheblichen medizinischen Erkenntnisse die Vernehmung erbringen könnte und ob Frau P1 über den entsprechenden medizinischen Sachverstand verfüge.

Im Ergebnis ist daher auszugehen von einer bipolaren affektiven Störung, gegenwärtig leicht bis allenfalls mittelgradig depressiv ausgelenkt. Die Ausprägung der depressiven und manischen Symptomatik bedingt nicht ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen. Allerdings bestehen aufgrund der psychischen Beeinträchtigung qualitative Einschränkungen an die zumutbaren Arbeitstätigkeiten. Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung sollten vermieden werden. Ungünstig sind aufgrund eines Karpaltunnelsyndroms links und des Zustandes nach Karpaltunnelsyndrom rechts Arbeiten an vibrierenden Geräten und Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die Feinmotorik der linken Hand. Ungeeignet sind auch Arbeiten mit Zugang zu Alkohol und Medikamenten.

Bei Beachtung der bei dem Kläger bestehenden qualitativen Einschränkungen ist weder von einer spezifischen Leistungsbehinderung noch von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auszugehen, die eine Pflicht der Beklagten zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit zur Folge gehabt hätten. Die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind nicht geeignet, das Feld zumutbarer Tätigkeiten zusätzlich wesentlich einzuengen.

Aufgrund des Leistungsvermögens des Klägers von täglich mehr als sechs Stunden ergibt sich auch, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ebenfalls nicht beansprucht werden kann.

Nach alledem ist der Bescheid der Beklagten vom 09.02.2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27.08.2018 nicht zu beanstanden. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.03.2020 war zurückzuweisen.
 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.   

Gründe, die Revision gemäß § 160 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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