L 2 BA 28/20

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Stade (NSB)
Aktenzeichen
S 30 R 232/16
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 2 BA 28/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine nur partielle Delegation der im Homeoffice zu einem festen monatlichen Entgelt zu verrichtenden Büroarbeiten auf Familienangehörige oder Aushilfskräfte steht der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1969 geborene Klägerin wendet sich gegen einen Statusfeststellungsbescheid, mit dem ihre Tätigkeit für die vormalige Gemeinschaftspraxis der Beigeladenen zu 1. und 2. als abhängige und der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegende Beschäftigung eingestuft worden ist.

 

Die Beigeladenen zu 1. und 2. waren bis Ende September 2020 Inhaber einer allgemeinärztlichen Gemeinschaftspraxis (im Folgenden Gemeinschaftspraxis). Mit Wirkung zum 1. Juli 2019 ist Dr. L. dieser Berufsausübungsgemeinschaft beigetreten (vgl. wegen der Einzelheiten den Vertrag vom 27. Juni 2019, Bl. 680 ff. GA).

 

Ende September 2020 hat Dr. M., also der Beigeladene zu 2., diese Gemeinschaftspraxis auf der Basis einer mündlichen Kündigung verlassen; schriftliche vertragliche Regelungen wurden im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden nicht getroffen. Zu Ende Juni 2021 hat auch Dr. N. die Berufsausübungsgemeinschaft nach mündlicher Kündigung verlassen. Seit Juli 2021 wird die Praxis von Dr. O., also von dem Beigeladenen zu 1., als alleiniger Inhaber fortgeführt, wobei dieser inzwischen eine angestellte Ärztin beschäftigt.

 

Die Klägerin, welche im Juni 2019 den Beigeladenen zu 1. geheiratet hat, war zunächst im Zeitraum Dezember 2014 bis März 2015 im Rahmen einer abhängigen geringfügigen Beschäftigung im Bereich der Lohnbuchhaltung für die Gemeinschaftspraxis tätig (Bl. 378 GA).

 

Am 30. März 2015 schlossen die Beigeladenen zu 1. und 2. mit der Klägerin einen am 1. April 2015 in Kraft tretenden „Freien Mitarbeiter-Vertrag“ ab, ausweislich dessen die Klägerin mit der Ausführung der Lohnbuchhaltung, der Vorbereitung der Steuerunterlagen, der Verwaltung der Mitarbeiterakten und der allgemeinen Ablage beauftragt wurde. Nach Ziffer II.1 des Vertrages war die Klägerin „frei darin“, Aufträge der Gesellschaft anzunehmen oder abzulehnen. Ort und Zeitpunkt ihrer Tätigkeit waren ihr nach Ziffer II.4 freigestellt. Nach Ziffer I.2 sollte die Klägerin als „freier Mitarbeiter“ tätig werden und ein Arbeitsverhältnis nicht begründet werden.

 

Für die Gemeinschaftspraxis sollte der Vertrag „keine Verpflichtung, Aufträge zu erteilen“ begründen. Mit der vereinbarten Vergütung von monatlich 580 € sollten „sämtliche Aufwendungen“ der Klägerin (mit Ausnahme separat abzurechnender Reisekosten) abgegolten werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertragsinhalt (Bl. 25 ff. VV) verwiesen.

 

Entsprechend diesen Vereinbarungen stellte die Klägerin für die von ihr in ihrer Wohnung erledigten Arbeiten der Gemeinschaftspraxis ab April 2015 monatlich 585 € (entsprechend 39 Stunden zu je 15 €) in Rechnung (vgl. insbesondere Bl. 30 ff. VV).

 

Neben der Tätigkeit für die Gemeinschaftspraxis hat die Klägerin jedenfalls zeitweilig auch Arbeiten für andere Unternehmen wie etwa für die Firma P. (der Beigeladenen in dem weiteren Verfahren der Klägerin L 2 BA 27/20) verrichtet, wobei letztere Tätigkeit nach Angaben der Klägerin allerdings schon in der ersten Hälfe des Jahres 2016 aufgegeben worden ist.

 

Die Klägerin ist Eigentümerin diverser Eigentumswohnungen. Ferner ist sie nach eigenen Angaben an einer First Class IT-Service GmbH beteiligt.

 

Auf den Statusfeststellungsantrag der Klägerin vom 3. August 2015 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Januar 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2016 fest, dass die Tätigkeit der Klägerin „als Bürokraft/kaufmännische Angestellte bei der Gemeinschaftspraxis Dr. Q. und R.“, also bei der Gemeinschaftspraxis der Beigeladenen zu 1. und 2., seit dem 1. April 2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In diesem bestehe Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung.

 

Zur Begründung der am 14. Juli 2016 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie für die Gemeinschaftspraxis im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit gearbeitet habe. Im Krankheitsfall habe sie eine „evtl. Ersatzkraft“ stellen müssen. Damit bestehe auf ihrer Seite auch ein unternehmerisches Risiko. Die Arbeitsmittel in Form insbesondere eines Computers, Papier und Schreibgerät seien von ihrer Seite gestellt worden; die Gemeinschaftspraxis habe nur für die Installation einer für die Lohnbuchhaltung benötigten speziellen Software Sorge getragen.

 

In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erläutert, dass sie ihre Tätigkeit für die Gemeinschaftspraxis von zuhause aus erledigt habe. Den Arbeitsaufwand von monatlich 33 Stunden habe sie „pauschal kalkuliert“. Die von ihr wahrgenommenen Arbeiten habe sie kostengünstiger für die Praxis erledigt als wenn dafür ein Steuerberatungsbüro beauftragt worden wäre.

 

Mit Urteil vom 25. Februar 2020, der Klägerin zugestellt am 9. Mai 2020, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe für die Beigeladenen eine Beschäftigung im Sinne von § 7 SGB IV ausgeübt. Die Arbeitsleistungen habe sie im Wesentlichen in eigener Person zu erbringen gehabt. Sie sei von Vorgaben und Weisungen der Beigeladenen abhängig gewesen und habe kein erhebliches Unternehmerrisiko getragen.

 

Zur Begründung der am 8. Juni 2020 eingelegten Berufung hat die Klägerin insbesondere dargetan, dass sie auch die Stundenkonten der Arbeitnehmer der Gemeinschaftspraxis geführt habe. Sie habe Arbeitsverträge und -zeugnisse entworfen und den Schriftverkehr der Praxis abgelegt. Die Steuerunterlagen für den Steuerberater habe sie vorbereitet. Dabei habe sie das Layout der Arbeitsverträge selbst bestimmt und einen Briefkopf für die Gemeinschaftspraxis entworfen. Bei Bedarf habe sie Lohnsteuerprüfungen oder ähnliche Kontrollen vorbereitet. Die Tätigkeiten habe sie von ihrem häuslichen Büro aus erledigt.

 

Sie habe letztlich einen „Generalauftrag zur Wahrnehmung der Lohnbuchhaltung“ gehabt. Andere Arbeitsaufträge seien ihr gewissermaßen „auf Zuruf“ erteilt worden. Beispielsweise auf Hinweis der Praxis, dass die Einstellung einer neuen Mitarbeiterin vorgesehen sei, habe es ihr oblegen, einen entsprechenden Arbeitsvertrag auszuarbeiten und nach Unterzeichnung die erforderliche Anmeldung der neuen Mitarbeiterin bei der Sozialversicherung zu veranlassen. Soweit in Ziffer II.1 des Vertrages vom 30. März 2015 vorgesehen ist, dass sie Aufträge der Gesellschaft auch hätte ablehnen können, sei ihr nicht erinnerlich, dass sie jemals einen entsprechenden Auftrag abgelehnt habe.

 

Ihre berufliche Tätigkeit für die Klägerin übe sie in dem ihr gehörenden Wohnhaus aus, wobei das Wohnhaus über einen eigenen Büroraum verfüge. In diesem Büroraum verrichte sie die Arbeiten für die Beigeladenen und auch für weitere Auftraggeber. Von einem steuerlichen Ansatz entsprechender Raumkosten habe sie allerdings abgesehen.

 

Angesprochen auf den von ihr zunächst geltend gemachten Arbeitsbereich „Ablage des kompletten Schriftverkehrs in der Praxis“ hat die Klägerin im Erörterungstermin im November 2020 erläutert, dass sich ihre Ablage nur auf die Schriftstücke beziehe, die von ihr zuvor auch bearbeitet worden seien. Diesen Teil des Schriftverkehrs bewahre sie dann in ihren Räumlichkeiten im Auftrag der Praxis auf. Leistungen der Praxis stelle sie den Auftraggebern nur in begrenzten Teilbereichen namentlich im Zusammenhang mit den sog. Koronargruppen in Rechnung. Ansonsten sei sie mit dem Abrechnungswesen nicht befasst.

 

Die vertraglichen Vereinbarungen sprächen eindeutig für eine selbständige Tätigkeit. Zudem habe sie ihrerseits zeitweilig Arbeitnehmer beschäftigt.

 

Inhaltlich ist die Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und der Praxis unbeschadet der Veränderungen im ärztlichen Bereich bis zum Zeitpunkt der nunmehrigen mündlichen Verhandlung unverändert fortgeführt worden; die Klägerin erhält weiterhin die vereinbarte monatliche Vergütung von 585 € ausbezahlt.

 

Neben ihrer Tätigkeit für die Praxis hat die Klägerin sich mit zwei Fitnessstudios unter der Bezeichnung „Körperformen“ in S. und in T. selbständig gemacht. In S. hat sie diese Tätigkeit im April 2018 aufgenommen; das weitere Studio in T. hat seinen Betrieb im Mai 2019 aufgenommen.

 

Unter Berücksichtigung der Aufnahme dieser selbständigen Tätigkeit hat die Beklagte im Rahmen des Erörterungstermins von Dezember 2021 unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Bescheides anerkannt, dass unter Berücksichtigung der seitdem ausgeübten hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit in dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit der Arztpraxis seit April 2018 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung mehr bestehe.

 

Sie habe in verschiedenen Zusammenhängen Büroarbeiten zu erledigen. Zum einen sei die Führung von zwei Studios unter der Bezeichnung „Körperformen“ naturgemäß auch mit entsprechender Verwaltungsarbeit verbunden. Sie verfüge über mehrere Eigentumswohnungen. Auch dies bringe entsprechende Verwaltungsarbeiten mit sich. Darüber hinaus nehme sie im Auftrag der beigeladenen Praxis Büroarbeiten vor. Räumlich würden alle diese Arbeiten in einem Büro erledigt, wobei sie allerdings für die verschiedenen Aufgabenbereiche unterschiedliche Regale für die Ablage vorgesehen habe.

 

Von Mai 2017 bis November 2018 habe sie im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung die Zeugin U. zu einem Stundenlohn von 9 € für etwa zehn Stunden im Monat, d.h. zu einem Monatslohn von ca. 90 €, eingesetzt. Diese habe ausschließlich im Bereich der von ihr im Auftrag der Praxis wahrzunehmenden Büroarbeiten gearbeitet. Frau U. sei im Bereich der Ablage eingesetzt gewesen. Sie habe namentlich die Vorsortierung der Unterlagen für den Steuerberater vorgenommen sowie Rechnungen abgelegt. Teilweise habe sie auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Mitarbeiterinnen der Praxis abgeheftet. Es sei seinerzeit viel nachzusortieren gewesen, weil sie in den vorausgegangenen Jahren zum Teil aufgrund von Arbeitsüberlastung nicht dazu gekommen sei, die Unterlagen ordnungsgemäß abzulegen.

 

Ihre zeitweilig beschäftigte Tochter, die Zeugin V., sei insbesondere auch im Bereich des Marketings und des Internetauftritts der Studios tätig gewesen. Darüber hinaus stehe sie mitunter auch auf der Trainerfläche. Daneben habe ihre Tochter sie auch bei Büroarbeiten, etwa im Zusammenhang mit den für die Praxis wahrzunehmenden Aufgaben im Büro, und im Zusammenhang mit der Verwaltung der Eigentumswohnungen, unterstützt.

 

Soweit die Klägerin schriftsätzlich vorgetragen hat, dass sie die von ihr für die Studios eingestellte Trainerin W. „regelmäßig“ auch für die von ihr für die Praxis zu erbringenden Dienstleistungen eingesetzt hat, hat sie dies im Erörterungstermin im Dezember 2021 wie folgt relativiert: Ihre Tochter, die Zeugin X., werde von ihr mit allen insgesamt anfallenden Büroarbeiten betraut. Bei den Mitarbeitern aus dem Bereich des Studios habe sie hingegen Hemmungen, diese mit privaten Angelegenheiten im Büro zu betrauen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts vom 25. Februar 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2016 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beigeladenen schließen sich dem Antrag der Klägerin an.

 

Der Senat hat die Zeuginnen V. und Y. durch seinen Vorsitzenden vernommen.

 

Die Zeugin V. hat erläutert, dass sie sich seit August 2020 in einem Ausbildungsverhältnis befinde. In den Monaten vor Aufnahme dieser Ausbildung, d.h. etwa im Zeitraum von Mai bis Juli 2020 habe sie relativ viel für ihre Mutter gearbeitet. Seit dem Ausbildungsbeginn habe sie zunächst noch nebenbei „ein bisschen“ ihre Mutter, d.h. die Klägerin, unterstützt. Seit ihrem Umzug zum 1. April 2021 nach Bremen habe sie ihre vormalige Tätigkeit für ihre Mutter ganz eingestellt. Im Rahmen ihrer seinerzeitigen Tätigkeit für ihre Mutter habe sie sich u.a. auch mit der Ablage der Unterlagen für die Praxis befasst. So habe sie beispielsweise die Krankmeldungen auf DIN A4-Bögen geklebt, damit diese abgeheftet werden konnten. Auch habe sie beispielsweise Rechnungen und Kassenbelege sortiert.

 

Die Zeugin U. hat dargelegt, dass sie von Mai 2017 bis November 2018 für die Klägerin monatlich 10 Stunden für die Klägerin gearbeitet habe. Die Tätigkeit habe sich auf die Ablage beschränkt. Sie habe beispielsweise Krankmeldungen abgeheftet. Auch habe sie etwa Tank- und Telefonabrechnungen abgelegt. Aus welchem Anlass diese Tankabrechnungen entstanden seien, können sie nicht überblicken. Sie habe diese Rechnungen einfach nur abgeheftet. Dabei habe sie auch Altbestände aufgearbeitet, die zuvor noch nicht ordnungsgemäß in die Ablage überführt worden seien.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten der Zeuginnenbefragungen wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Auch nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens stellt sich der angefochtene Bescheid der Beklagten als rechtmäßig dar.

 

a) Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte die Feststellung getroffen, dass die Tätigkeit der Klägerin „als Bürokraft/kaufmännische Angestellte bei der Gemeinschaftspraxis Dr. Q. und R.“, seit dem 1. April 2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In diesem bestehe Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung. Letzteren Regelungsinhalt hat die Beklagte im Rahmen des Erörterungstermins von Dezember 2021 unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend eingeschränkt, dass unter Berücksichtigung der seitdem ausgeübten hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit im Rahmen der von der Klägerin neu gegründeten Fitnessstudios in ihrem Beschäftigungsverhältnis mit der Arztpraxis seit April 2018 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung mehr bestehe, so dass seitdem nach Maßgabe des angefochtenen Bescheides nur noch eine fortbestehende Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zugrundezulegen ist.

 

b) Die Feststellungen in dem angefochtenen Bescheid beziehen sich ausdrücklich auf die „Tätigkeit der Klägerin … bei der Gemeinschaftspraxis Dr. Q. und R.“. Aus der Sicht eines verständigen Empfängers hat der Bescheid damit hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass nur diese Tätigkeit für eine aus Dr. O. und Dr. M., d.h. aus den Beigeladenen zu 1. und 2., bestehende Gemeinschaft vom Regelungsgehalt des Bescheides erfasst sein sollte.

 

Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde bzw. des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG, Urteil vom 28. Juni 2018 – B 5 RE 2/17 R –, SozR 4-2600 § 6 Nr 17, Rn. 18; BSG, Urteil vom 16. Juni 2021 – B 5 RE 4/20 R –, SozR 4-2600 § 6 Nr 22, Rn. 20).

 

Mit dem Ausscheiden von Dr. M. aus der Praxis zum 30. September 2020 hat sich der angefochtene Bescheid auf andere Weise im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Hinsichtlich der Frage, wie ein beruflicher Einsatz der Klägerin außerhalb einer fortbestehenden Gemeinschaft zwischen den Beigeladenen zu 1. und 2. zu beurteilen sein könnte, konnte und sollte der Bescheid aus der Sicht einer verständigen Empfängerin noch gar nicht Stellung nehmen. Soweit die Klägerin faktisch seit Oktober 2020 für die nunmehrige Einzelpraxis der Beigeladenen zu 1., d.h. für ihren Ehemann, tätig ist, wird die sozialrechtliche Einordnung dieser Tätigkeit von dem angefochtenen Bescheid nicht erfasst; sie ist erforderlichenfalls gesondert zu beurteilen.

 

Der vorausgegangene Beitritt von Dr. N. zur Berufsausübungsgemeinschaft hat hingegen noch nicht zu einer Erledigung des angefochtenen Bescheides geführt. Es ist schon nicht ersichtlich, dass ihr Beitritt den Fortbestand der bisherigen Arbeitsverhältnisse in der zuvor aus den Beigeladenen zu 1. und 2. bestehenden Gemeinschaftspraxis überhaupt beeinflusst hat.

 

Auch in diesem Zusammenhang ist nicht allein auf den Wortlaut schriftlicher Vereinbarungen wie hier des zwischen den Beigeladenen und Dr. N. abgeschlossenen Vertrages vom 27. Juni 2019 abzustellen, vielmehr ist auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 58 (vorgesehen), Rn. 14).

 

Änderungsverträge mit den Mitarbeiterinnen sind nicht abgeschlossen worden. Es ist nicht einmal konkret geltend gemacht worden, dass diese namentlich im Rahmen einer Unterrichtung entsprechend § 613a Abs. 5 BGB darüber informiert worden sind, dass aus Sicht der Ärzte Dr. N. auf Arbeitgeberseite in die Arbeitsverträge mit eingetreten sei. Ebenso wenig vermochten die Beigeladenen auch auf wiederholte Nachfragen des Senates darzulegen und zu belegen, dass gegenüber den Einzugsstellen ein Wechsel auf Arbeitgeberseite angezeigt worden ist.

 

Bezeichnenderweise sah § 9 des mit Dr. N. abgeschlossenen Beitrittsvertrages auch ausdrücklich die Option vor, dass die „Aufgabe“ der Anstellung des Praxispersonals einem (und damit auch mehreren) Partnern „übertragen“ werden konnte. Von dieser Möglichkeit ist bei der beschriebenen Ausgangslage jedenfalls konkludent in dem Sinne Gebrauch gemacht worden, dass der Beitritt von Dr. N. die bestehenden Arbeitsverträge nicht berühren sollte.

 

Ein Übergang des Betriebsvermögens von der vormaligen aus den Beigeladenen zu 1. und 2. bestehenden Gesellschaft auf die mit dem Eintritt von Dr. N. neu gegründete BGB-Gesellschaft ist ohnehin nach den vorgelegten vertraglichen Vereinbarungen nicht erfolgt; mangels eines Betriebsüberganges ist diese neue Gesellschaft mithin auch nicht gemäß § 613a BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eingetreten. Bezeichnenderweise ist dementsprechend auch keine Rückübertragung des Betriebsvermögens im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Dr. N. erfolgt; eine solche wird auch von den Beigeladenen gar nicht geltend gemacht. Auch diese vermochten nur mitzuteilen, dass Dr. N. mündlich die Kündigung erklärt habe und aus der Praxis ausgeschieden sei, was im Ergebnis ohnehin für eine arbeitnehmerähnliche Stellung von Dr. N. in dieser Praxis spricht.

 

c) In dem danach zu beurteilenden Zeitraum von April 2015 bis September 2020 stand die Klägerin in einem abhängigen mehr als nur geringfügig ausgeübten Beschäftigungsverhältnis zu den Beigeladenen zu 1. und 2., aufgrund dessen sie der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie – unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses der Beklagten: nur bis März 2018 – in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterlag.

 

aa) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI sowie § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III). Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne der Ausschlussvorschrift (in Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung) des § 5 Abs. 5 SGB V hat die Klägerin erst zum 1. April 2018 aufgenommen.

 

Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. dazu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 58 (vorgesehen), Rn. 13 ff. mwN).

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG; aaO).

 

Die sich an diesen Maßstäben orientierende Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit ist nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder vorzunehmen. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Dem nachvollziehbaren Bedürfnis der Betroffenen nach der Verwaltungsvereinfachung und erhöhter Rechtssicherheit dienenden abstrakteren, einzelfallüberschreitenden Aussagen im Hinblick auf bestimmte Berufs- oder Tätigkeitsbilder kann die Rechtsprechung daher nicht - auch nicht im Sinne einer "Regel-Ausnahme-Aussage" – nachkommen (BSG, U. v. 27. April 2021, aaO, Rn. 15).

 

Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr anhand der angesprochenen abstrakten Merkmale und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw. Tätigkeitskatalogen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 25, Rn. 32).

 

Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts. Bei der gebotenen Gesamtabwägung sind sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentliche-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise "in der Natur der Sache" liegen. Ihnen ist nach der Rechtsprechung des BSG zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen (BSG, U. v. 27. April 2021, aaO, Rn. 15).

 

Indizwirkung gegen eine Beschäftigung und für eine selbstständige Tätigkeit besteht vielmehr dann, wenn bei Verrichtung der Tätigkeit eine Weisungsfreiheit verbleibt, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichnet. Denn ob und inwieweit einzelne Umstände einer Tätigkeit "ihrer Natur nach" immanent sind, hängt wesentlich mit der der zu beurteilenden Tätigkeit und ihrer konkreten Ausgestaltung zusammen. Je enger der übertragene Tätigkeitsbereich abgesteckt ist, weil die Auftrag- oder Arbeitgeberin nicht auf eigene Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet, desto weniger Spielraum kann der übertragenen Tätigkeit noch immanent sein. So ist in der Regel auch die strikte Weisungsunterworfenheit klassischer "Fabrikarbeiter" der Eigenart ihrer Tätigkeit geschuldet. Gerade dies begründet ihre Sozialversicherungspflicht und stellt sie nicht infrage. Aus welchen Gründen eine Tätigkeit nach Weisungen und unter Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation statt weisungsfrei ausgeübt wird, spielt insoweit keine Rolle. Unerheblich ist auch, ob die Ausübung der Tätigkeit mit einer größeren Gestaltungsfreiheit (rechtlich oder tatsächlich) überhaupt möglich wäre (BSG, aaO).

 

Anderweitige berufliche Tätigkeiten bringen als solche keine konkreten Vorgaben für das Ergebnis der maßgeblichen Statusentscheidung zum Ausdruck. Eine Vielzahl von Arbeitnehmern gehen neben einer abhängigen Beschäftigung noch weiteren beruflichen Tätigkeiten nach, mag es sich dabei um selbständige (Neben-)Tätigkeiten oder um weitere abhängige Beschäftigungsverhältnisse handeln. Insbesondere – in der Praxis jedoch nicht nur - Teilzeitbeschäftigte haben die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, BSGE 120, 99).

 

bb) Auf der Grundlage der genannten Abgrenzungsmerkmale führt die gebotene Gesamtabwägung im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Indizien für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen überwiegen.

 

Die Klägerin war in die arbeitsteilige Organisation des Betriebes der Gemeinschaftspraxis eingebunden. Sie war insbesondere mit der Lohnbuchhaltung, der Vorbereitung der Steuerunterlagen, der Verwaltung der Mitarbeiterakten und der allgemeinen Ablage beauftragt. Sie hat Entwürfe für Arbeitsverträge und –zeugnisse erstellt und im Ergebnis klassische Büroarbeiten verrichtet, wie sie üblicherweise in den Unternehmen von abhängig beschäftigten Kräften verrichtet werden.

 

Die Klägerin war weisungsgebunden, und zwar jedenfalls im Sinne einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess". Bezeichnenderweise hielt der Vertrag vom 30. März 2015 ausdrücklich fest, dass die Klägerin die fachlichen Vorgaben der Beigeladenen zu beachten hatte. Die Klägerin hat selbst darauf hingewiesen, dass ihr Arbeitsaufträge gewissermaßen „auf Zuruf“ erteilt worden seien.

 

Soweit in dem Vertrag vom 30. März 2015 zugleich festgehalten worden ist, dass die Klägerin keinem Weisungsrecht unterliege, war dies – nicht zuletzt auch angesichts der gleichzeitig vereinbarten Bindung an die fachlichen Vorgaben – nicht ernstlich gewollt. Wenn der Klägerin beispielsweise im betrieblichen Alltag von den Beigeladenen persönlich oder anderen Praxismitarbeitern ein Stapel Unterlagen zur Ablage und zur Aufbereitung für die von dem Steuerberatungsbüro wahrgenommenen Aufgaben der Buchhaltung zugeleitet wurde, dann war damit natürlich zugleich die Weisung verbunden, diese Unterlagen entsprechend fachgerecht zu bearbeiten. Entsprechendes galt etwa, wenn die Klägerin den Auftrag erhielt, ein Arbeitszeugnis für eine Mitarbeiterin zu entwerfen. Auch dann war sie natürlich verpflichtet, die Einschätzung der Beigeladenen hinsichtlich der Qualität der zu beurteilenden Arbeit und deren andere Wünsche zur inhaltlichen Ausgestaltung verlässlich in dem Entwurf umzusetzen.

 

Der schriftliche Vertrag vom 30. März 2015 ist nach dem Gesamtzusammenhang mit dem Ziel der Vorspiegelung einer größeren inhaltlichen Selbständigkeit der Klägerin und damit im Interesse der Vermeidung des Eindrucks eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses formuliert worden. Bezeichnenderweise hat die Klägerin auf Nachfrage auch bestätigt, dass sie von dem im Vertragswortlaut eingeräumten Recht zur Ablehnung von Aufträgen nie Gebrauch gemacht habe. Ein solches Recht machte angesichts der vereinbarten festen monatlichen Vergütung letztlich auch keinen Sinn. Als Beauftragte konnte die Klägerin natürlich nicht gleichzeitig eine Verrichtung der ihr übertragenen Aufgaben ablehnen und gleichwohl dafür die vereinbarte Vergütung in Anspruch nehmen.

 

Bezeichnenderweise hat sie – von ganz vereinzelten zusätzlichen Entgeltzahlungen abgesehen – ein festes monatliches Entgelt von 585 € bezogen, wobei die Beteiligten sich bei der Vereinbarung der Höhe dieser Entlohnung an einer Schätzung der Klägerin über den Umfang des erforderlichen Zeitaufwandes mit monatlich in etwa 39 Stunden orientiert haben. Schon in diesem Ausgangspunkt haben sich die Beigeladenen und die Klägerin zu einer Ausgestaltung entschlossen, die bewusst einem Arbeitsvertrag angenähert war. Bezeichnenderweise hat die Klägerin auch schon vor dem streitbetroffenen Zeitraum wesentliche Teile der von ihr zu verrichtenden Arbeiten für die Beigeladenen im Rahmen eines seinerzeit einvernehmlich begründeten (geringfügigen) abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wahrgenommen.

 

Der Umstand, dass die Klägerin zu Hause arbeitet und insoweit keinem Weisungsrecht nach dem Ort der Ausführung unterliegt, ist in Anbetracht der vielfältigen heutigen Möglichkeiten im Homeoffice zu arbeiten, kein taugliches Abgrenzungskriterium mehr (LSG Hamburg, Urteil vom 26. Januar 2021 – L 3 BA 25/19 –, Rn. 32, juris).

 

Auch bei abhängig ausgeübten Tätigkeiten bestehen gerade im Homeoffice grundsätzlich weitgehende Freiheiten im Hinblick auf die Lage der Arbeitszeiten (LSG Hamburg, aaO, Rn. 35). Die Klägerin hatte zwar große Freiheiten bei der Festlegung ihrer Arbeitszeiten; dies ist jedoch auch bei abhängig beschäftigten Mitarbeitern im Homeoffice – zumal wenn diese nur in Teilzeit tätig sind – vielfach üblich und begründet als solches kein ausschlaggebendes Indiz für eine selbständige Tätigkeit.

 

Auch eine im Wesentlichen frei gestaltete Arbeitszeit deutet nur dann auf Selbstständigkeit hin, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bezüglich der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw. Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, BSGE 120, 99, Rn. 29). Die Fremdbestimmtheit der Arbeit kann mithin – wie auch im vorliegenden Fall – auch über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt werden (BSG, aaO, Rn. 30; vgl. dort unter Rn. 36 auch den Ansatz, wonach zu prüfen sei, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft nur dann indiziell für eine Selbstständigkeit sprechen, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen).

 

Unternehmerische Freiheiten waren der Klägerin bei der Auftragserledigung nicht zugestanden. Sie trug auch keine relevanten unternehmerischen Risiken. Für die übernommenen Büroarbeiten erhielt sie monatlich die vereinbarte feste Vergütung. Diese war ihr gewiss. Ein ins Gewicht fallender Kapitaleinsatz war auf ihrer Seite nicht erforderlich. Zahlreiche Privathaushalte sind ohnehin mit einem PC ausgestattet; soweit ein solcher nicht vorhanden ist, kann er jedenfalls preiswert gebraucht erworben werden. Soweit es offenbar ein Regal mit Akten der Praxis in den privaten Räumlichkeiten der Klägerin gegeben hat, war die damit verbundenen Raumvorhaltekosten auch aus ihrer Sicht finanziell derart unbedeutend, dass sie nicht einmal Anlass zu einer Erfassung im Rahmen der Gewinnermittlung im Zuge ihrer Einkommensteuererklärungen gesehen hat.

 

Eine Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung führt als solche nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht. Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann. Soweit tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, kann eine Delegationsbefugnis allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (vgl. BSG, U.v. 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R – Rn. 17; BSG, U.v. 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 25, Rn. 34).

 

Anknüpfend an die vorstehend erläuterten Grundsätze wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung einer Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung insbesondere dann keine maßgebliche Relevanz im Sinne eines entscheidenden Merkmals für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit beigemessen, wenn der Beauftragte diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 KR 21/07 R –, Rn. 17, juris).

 

Auch im vorliegenden Fall war die persönliche Arbeitsleistung der Klägerin eindeutig die Regel, eine Heranziehung von Dritten für die Erledigung der Arbeitsaufträge der Praxis ist in der Gesamtbeurteilung der Tätigkeit im streitbetroffenen Zeitraum von April 2015 bis September 2020 nur in einem ganz untergeordneten Umfang erfolgt. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist nicht einmal davon auszugehen, dass die Klägerin auch nur 10 % des zeitlichen Umfanges der von ihr für die Praxis zu verrichtenden Arbeiten durch Dritte hat erledigen lassen.

 

Versicherungspflichtige Arbeitnehmer im Sinne der vorstehend angesprochenen Rechtsprechung sind nach dem Sachzusammenhang ohnehin nur Personen, die der Versicherungspflicht als mehr als nur geringfügig eingesetzte abhängig Beschäftigte aufgrund des Umfanges der im Rahmen der Delegation wahrzunehmenden Aufgaben unterliegen. Es reicht nicht aus, dass die Beauftragte neben der streitbetroffenen Tätigkeit in einem rechtlich und wirtschaftlich ganz anderen Zusammenhang (wie im vorliegenden Zusammenhang die Klägerin seit 2018 im Bereich der Fitnessstudios) auch als selbständige Unternehmerin tätig ist, für diese unternehmerische Tätigkeit versicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer/innen einsetzt und diese dann mitunter – in einem zeitlich und entgeltmäßig deutlich unter der Geringfügigkeitsschwelle nach § 8 SGB IV liegenden Umfang – auch im Rahmen des zu beurteilenden Auftragsverhältnisses heranzieht. In dem erläuterten Sinne hat eine Delegation der für die Praxis wahrzunehmenden Aufgaben in dem zu beurteilenden Zeitraum nicht und erst recht nicht regelmäßig zum Einsatz eines versicherungspflichtigen Dritten geführt. Dafür war ohnehin schon deshalb kein Raum, weil schon die der Klägerin gewährte Gesamtvergütung ihrerseits mit monatlich 585 € nur eher geringfügig oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV lag, wobei nur ein geringer Teil der damit vergüteten Aufgaben delegiert worden ist.

 

Im vorliegenden Fall ist nichts dafür festzustellen, wonach eine Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte als prägend für die Tätigkeit der Klägerin angesehen werden könnte. Vielmehr machen die Angaben der Klägerin und die Aussagen der Zeuginnen deutlich, dass eine Einschaltung Dritter in die Erledigung der der Klägerin von den Beigeladenen zugewiesenen Aufgaben nur in einem sehr untergeordneten Umfang erfolgt ist.

 

Mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Nachhaltigkeit ist letztlich von ihr in diesem Bereich lediglich im Zeitraum von Mai 2017 bis November 2018 im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung die Zeugin U. zu einem Stundenlohn vom 9 € bei etwa zehn Stunden im Monat, d.h. zu einem Monatslohn von ca. 90 €, eingesetzt worden. Diese ist nur für einfache Hilfstätigkeiten insbesondere im Bereich der Ablage eingesetzt worden. Die Zeugin hat glaubhaft bekundet, dass sie Rechnungen und Unterlagen „einfach nur abgeheftet“ habe; eine inhaltliche Bearbeitung habe ihr nicht oblegen.

 

Unabhängig davon, dass die Zeugin angesichts des Fehlens einer inhaltlichen Bearbeitung der abzuheftenden Unterlagen auf ihrer Seite letztlich gar näher und verlässlich überblicken konnte, inwieweit diese aus der Praxis der Beigeladenen oder anderen in denselben Räumlichkeiten von der Klägerin verwalteten Bereichen stammten, wäre auch unter der Annahme von entsprechenden Ablagearbeiten allein für die Praxis der Beigeladenen im Zeitraum Mai 2017 bis November 2018 von einer nur deutlich untergeordneten Bedeutung auszugehen. Die Klägerin und die Zeugin haben berichtet, dass es sich dabei ohnehin nicht allein um die im Zeitraum Mai 2017 bis November 2018 für den Bereich der Aktenablage angefallenen Unterlagen gehandelt habe, sondern dass darüber hinaus zu erheblichen Teilen auch zuvor nicht ordnungsgemäß abgeheftete Altbestände aufzuarbeiten gewesen waren. Mit dem ihr nach Angaben der Klägerin gewährten Monatslohn von lediglich ca. 90 € (bei zehn Arbeitsstunden im Monat) hat die Zeugin mithin nicht nur die Ablagearbeiten für den jeweiligen Monat, sondern zugleich auch zuvor liegen gebliebene Ablagearbeiten aus früheren Zeiträumen erledigt. Schon für sich genommen betrug der Monatslohn der Zeugin nicht einmal ein Sechstel (unter Einbeziehung der Arbeitgeberabgaben etwa ein Fünftel) der der Klägerin gezahlten Vergütung. Unter Einbeziehung des Umstandes, dass die Zeugin auch Altbestände hinsichtlich der Ablage aufgearbeitet hat, für deren Abheftung die Klägerin bereits in vorausgegangenen Zeiträumen vergütet worden war, ist bei wirtschaftlicher Betrachtung der an die Zeugin weitergeleitete Anteil der jeweiligen monatlichen Vergütung noch geringer gewesen.

 

Ansonsten hat es in dem im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Zeitraum von April 2015 bis September 2020 ohnehin keine Heranziehung Dritter auf Seiten der Klägerin für die von ihr im Auftrag der Praxis wahrzunehmenden Arbeiten in einem mehr als völlig geringfügigen Umfang gegeben.

 

Soweit die Klägerin schriftsätzlich vorgetragen hat, dass sie die von ihr für die Studios eingestellte Trainerin W. „regelmäßig“ auch für die von ihr für die Praxis zu erbringenden Dienstleistungen eingesetzt hat, hat sie dies im Erörterungstermin im Dezember 2021 wie folgt relativiert: Ihre Tochter, die Zeugin X., werde von ihr mit allen insgesamt anfallenden Büroarbeiten betraut. Bei den Mitarbeitern aus dem Bereich des Studios habe sie hingegen Hemmungen, diese mit privaten Angelegenheiten im Büro zu betrauen. Damit wird im Ergebnis von ihr selbst nicht mehr eine kontinuierliche Heranziehung der (für Bürotätigkeiten beruflich gar nicht qualifizierten) Trainerin Z. im Zuge der von ihr für die Praxis wahrzunehmenden Aufgaben geltend gemacht.

 

Dabei hat die Klägerin bezüglich der angesprochenen Beschäftigung ihrer Tochter V. in diesem Erörterungstermin zu erläutert, dass ihre Tochter in vielen Bereichen von ihr eingesetzt werde. Sie sei insbesondere auch im Bereich des Marketings und des Internet-Auftritts der Studios tätig. Darüber hinaus stehe sie mitunter auch auf der Trainerfläche. Daneben unterstütze sie sie auch bei Büroarbeiten, etwa im Zusammenhang mit den für die Praxis wahrzunehmenden Büroarbeiten und im Zusammenhang mit der Verwaltung der Eigentumswohnungen.

Die als Zeugin gehörte Tochter hat dazu klargestellt, dass sie ohnehin nur etwa in den drei Monaten von Mai bis Juli 2020 „relativ viel“ für ihre Mutter gearbeitet habe. Seit dem Beginn ihrer Berufsausbildung im August 2020 habe sie ohnehin nur noch nebenbei „ein bisschen“ ihre Mutter unterstützt; seit einem Umzug nach Bremen zum 1. April 2021 habe sie ihre frühere Tätigkeit für ihre Mutter ganz eingestellt.

Da die Tochter mithin schwerpunktmäßig in den Bereichen Marketing und Internetauftritt für die Fitnessstudios eingesetzt worden ist und sie daneben auch mit Trainingseinsetzen und Verwaltungsarbeiten im Bereich der Eigentumswohnungen der Klägerin befasst war, bleibt selbst in den lediglich drei Monaten von Mai bis Juli 2020, in denen sie noch „relativ viel“ für ihre Mutter gearbeitet haben will, kein ins Gewicht fallender Zeitaufwand für eine Einbindung in Verwaltungsarbeiten für die Praxis, wobei diesbezüglich auf Seiten der Tochter auch keine verwertbaren fachlichen Kenntnisse vorhanden waren. In den nachfolgenden Monaten bis zur Aufgabe der Unterstützung ihrer Mutter im März 2021 war sie ohnehin insgesamt nur noch nebenbei „ein bisschen“ für ihre Mutter im Rahmen der angesprochenen vielfältigen Aufgaben insbesondere in den Bereichen in den Bereichen Marketing und Internetauftritt für die Fitnessstudios tätig.

Eine ins Gewicht fallende weitergehende Heranziehung Dritter kam für die Klägerin letztlich schon wirtschaftlich nicht in Betracht. Schon für einfach strukturierte Hilfsarbeiten, für deren Erledigung ggfs. auch Kräfte zum Mindestlohn zu finden waren, reichte die Entlohnung der Klägerin kaum aus, um die Arbeitskosten einer solchen Hilfskraft (unter Einbeziehung der bei geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern von Seiten des Arbeitgebers an die sog. Minijobzentrale abzuführenden Abgaben sowie der gesetzlich geschuldeten Lohnfortzahlung insbesondere bei Urlaub und im Krankheitsfall) abzudecken. Soweit die Klägerin von dieser Möglichkeit überhaupt Gebrauch gemacht hat, war dies schwerpunktmäßig auf ihre starke zeitliche Einbindung in die ab 2018 aufgenommenen (und in den vorausgegangenen Monaten vorbereiteten) selbständigen unternehmerischen Tätigkeiten im Bereich der Fitnessbranche zurückzuführen.

 

Wesentlich geprägt wurde die Tätigkeit der Klägerin für die Praxis der Beigeladenen in dem von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum von April 2015 bis September 2020 aber von der ihr obliegenden fachgerechten inhaltlichen Bearbeitung der Unterlagen und der anderen Arbeitsaufträge. Dafür war Fachwissen erforderlich. Dementsprechend erwarten entsprechend qualifizierte Arbeitskräfte auch eine leistungsrechte Vergütung. Eine Einschaltung Dritter konnte die Klägerin diesbezüglich aus der von Seiten der Beigeladenen gewährten Vergütung gar nicht finanzieren.

 

Die Überbürdung des Risikos, bei krankheitsbedingten Ausfällen kein Entgelt zu erhalten, spricht nach der Rechtsprechung des BSG nur dann für Selbständigkeit, wenn dem auch eine größere Unabhängigkeit oder höhere Verdienstchancen gegenüberstehen. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen wie auch im vorliegenden Zusammenhang nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt hingegen nicht die Annahme von Selbständigkeit (vgl. etwa BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 - B 12 KR 17/00 R -, SozVers 2001, 329). Ohnehin hat die Klägerin das vereinbarte monatliche Entgelt von 585 € regelmäßig erhalten; sie war in dem zu beurteilenden Zeitraum nie so schwer erkrankt, als dass sie die ihr übertragenen Aufgaben nicht verrichten konnte. Angesichts der ihr ohnehin einräumten Freiheiten bei der Ausgestaltung der Arbeitszeit kann es natürlich vorgekommen sein, dass die Klägerin ein Vorhaben, an einem bestimmten Tag Arbeiten für die Beigeladenen zu verrichten, krankheitsbedingt auf einen anderen Tag verschieben musste; eine Reduktion der ihr gewährten monatlichen Vergütung war damit jedoch nicht verbunden.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.

Rechtskraft
Aus
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