Ein durch eine Behinderung in Form einer geistigen Minderbegabung bedingter Analphabetismus kann im Rahmen der gebotenen Gesamtbewertung die Annahme einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen, so dass bei Nichtbenennbarkeit einer noch ausübbaren Verweisungstätigkeit eine Erwerbsminderungs- rente zuzusprechen ist.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G R Ü N D E:
I.
Der 1987 geborene Kläger begehrt eine Erwerbsminderungsrente.
Der Versicherungsverlauf des Klägers (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten Bl. 245 ff. GA) weist folgende Beitragszeiten von insgesamt 41 Monaten aus: Beitragszeiten aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II von Juni 2007 bis September 2009 sowie von Juli bis September 2010 und zudem Beitragszeiten aufgrund der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von Oktober bis Dezember 2010 (beitragspflichtiges Einkommen in diesem Zeitraum insgesamt 416,83 €) sowie von Januar bis Juli 2012 (insgesamt 5.400 €).
Ansonsten weist der Versicherungsverlauf Zeiten eines Fachschulbesuchs bis Juli 2005 und von April 2013 bis März 2014, Zeiten geringfügiger nicht versicherungspflichtiger Beschäftigungen sowie nicht mit Beitragszahlungen einhergehende Zeiträume des Bezuges von SGB II-Leistungen aus.
Den Erwerbsminderungsrentenantrag des Klägers vom 30. März 2015 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Dezember 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016 mit der Begründung ab, dass der Kläger nicht die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Rente erfülle.
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 1. April 2021, dem Kläger zugestellt am 18. Mai 2021, nach Einholung insbesondere eines internistischen Gutachtens von Dr. E. vom 15. Mai 2019 abgewiesen, da der Kläger weiterhin nicht die medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente erfülle.
Mit der am 15. Juni 2021 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass er aufgrund seiner Erkrankungen nicht mehr zu den dort üblichen Bedingungen am Erwerbsleben teilnehmen könne.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte auf Aufforderung des Senates mit Schriftsatz 14. Juli 2021 einen aktuellen Versicherungsverlauf des Klägers vorgelegt, ausweislich dessen dieser lediglich 41 Beitragsmonate zurückgelegt hat. Hieran anknüpfend weist die Beklagte darauf hin, dass die Gewährung der begehrten Rente schon aus Rechtsgründen im Hinblick darauf nicht in Betracht komme, dass der Kläger die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt habe.
Der diesbezüglich um Stellungnahme gebetene Kläger hat im Schriftsatz vom 2. August 2021 verbunden mit einem Antrag auf Prozesskostenhilfe ausgeführt, dass er eine solche Stellungnahme nicht abgeben könne. Als Laie kenne er sich mit den gesetzlichen Vorgaben nicht aus.
Den Antrag auf Prozesskostenhilfe hat der Senat mit Beschluss vom 13. Oktober 2021 unter näherer Darlegung der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben mangels der gesetzlich geforderten hinreichenden Erfolgsaussichten abgelehnt.
Nachfolgend hat der Kläger mitgeteilt, dass er Rücksprache mit seinem Anwalt halten wolle; soweit es eine solche gegeben haben mag, sind ihre Ergebnisse jedenfalls nicht dem Senat mitgeteilt worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
1. das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 1. April 2021 und den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016 aufzuheben und
2. die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Rentenantragstellung zu verpflichten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die vorliegende zulässige Berufung weist der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten (vgl. Verfügungen vom 15. Oktober 2021 und vom 2. August 2022) durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachtet. Die Berufung ist nicht begründet. Ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente kommt schon angesichts dessen nicht in Betracht, weil der Kläger nicht einmal die dafür erforderliche Wartezeit erfüllt hat.
Die begehrte Bewilligung einer Rente wegen voller oder jedenfalls wegen teilweiser Erwerbsminderung hat nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zur Voraussetzung, dass der Versicherte vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Die allgemeine Wartezeit umfasst nach § 50 Abs. 1 SGB VI fünf Jahre, also 60 Monate. Auf sie sind gemäß § 51 Abs. 1 SGB VI lediglich Kalendermonate mit Beitragszeiten anzurechnen.
Nach dem Datenbestand im Rentenkonto des Klägers erfüllt dieser die genannte Voraussetzung schon deshalb nicht, weil er die erforderliche Mindestanzahl von 60 Beitragsmonaten bis heute nicht erreicht hat. Er hat vielmehr lediglich 41 Beitragsmonate zurückgelegt.
Erst recht lag diese Voraussetzung nicht bereits vor einem eventuellen Leistungsfall vor. Auch von Seiten des Klägers ist nichts dafür aufgezeigt worden, dass er weitere im Versicherungskonto bislang nicht erfasste Beitragsmonate zurückgelegt haben könnte. Der Senat hat daher keinen Zweifel an der Vollständigkeit des von der Beklagten dokumentierten Versicherungsverlaufs (vgl. Mitteilung vom 14. Juli 2021, Bl. 245 ff. GA).
Die Nichterfüllung der allgemeinen Wartezeit wäre nur dann nicht ausschlaggebend, wenn einer der gesetzlich in § 53 Abs. 1 und 2 SGB VI aufgeführten Tatbestände einer vorzeitigen Wartezeiterfüllung gegeben wäre. Im Einzelnen treffen § 53 Abs. 1 und 2 SGB VI folgende Regelungen:
Die allgemeine Wartezeit ist vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte
1. wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit,
2. wegen einer Wehrdienstbeschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz als Wehrdienstleistende oder Soldaten auf Zeit,
3. wegen einer Zivildienstbeschädigung nach dem Zivildienstgesetz als Zivildienstleistende oder
4. wegen eines Gewahrsams (§ 1 Häftlingshilfegesetz)
vermindert erwerbsfähig geworden oder gestorben sind. Satz 1 Nr. 1 findet nur Anwendung für Versicherte, die bei Eintritt des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit versicherungspflichtig waren oder in den letzten zwei Jahren davor mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben…
Die allgemeine Wartezeit ist auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung oder des Todes verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren.
Im vorliegenden Fall ist keiner der genannten Ausnahmetatbestände einer vorzeitigen Wartezeiterfüllung gegeben. Dafür wird auch von Seiten des Klägers nichts aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.