L 13 SB 97/20

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
1. Instanz
SG Stade (NSB)
Aktenzeichen
S 2 SB 40/19
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 13 SB 97/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchs- und Klageverfahrens, für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um die Frage, ob bei dem Kläger die Feststellung des Merkzeichens H (Hilflosigkeit) i. S. d. Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zu treffen ist.

Der Kläger ist 1939 geboren und es bestehen bei ihm bereits seit Jahren erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen. Zuletzt stellte der Beklagte mit Bescheid vom 15. August 2018 den Grad der Behinderung (GdB) des Klägers ab dem 3. April 2014 mit 100 neu fest. Bei der Entscheidung berücksichtigte der Beklagte als Funktionsbeeinträchtigungen eine Belastbarkeitsminderung und Funktionsbehinderung beider Kniegelenke bei Verschleiß und nach operativen Eingriffen mit einem Einzel-GdB von 50, eine Hirnleistungsschwäche mit psychovegetativen Störungen bei Hirnmangeldurchblutung mit einem Einzel-GdB von 40, ein Parkinsonsyndrom mit einem Einzel-GdB von 30, eine Schwerhörigkeit beidseits mit einem Einzel-GdB von 30, eine Lungenfunktionseinschränkung mit einem Einzel-GdB von 30 und Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 20. Gleichgewichtsstörungen und Bewegungseinschränkungen der Schulter seien jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 festzustellen. Keinen Einzel-GdB begründeten eine Zuckerstoffwechselstörung, ein Bluthochdruck, eine Adipositas und eine Prostatavergrößerung.

Am 7. August 2018 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Feststellung der Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), H und B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson). Dem Antrag beigefügt war unter anderem ein Arztbrief des Krankenhauses G. vom 20. März 2017, wonach der Kläger über einen Zeitraum von fünf Wochen mehrfach (einmal beim Autofahren) für kurze Zeit bewusstlos geworden sei. Darüber hinaus forderte der Beklagte u.a. einen Bericht der Praxis für Neurologie des Medizinischen Versorgungszentrums im H. vom 27. September 2018 an, wonach der Kläger sich dort am 27. August und 5. September 2019 vorgestellt habe. Dort gab der Kläger an, dass er seit 3-4 Wochen durchgängig auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Er könne maximal 5-6 Schritte gehen und leide unter Gleichgewichtsstörungen und einer schmerzhaften Verkrampfung der Muskulatur.

Der Beklagte holte sodann eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vom 11. Dezember 2018 ein, wonach die beantragten Merkzeichen nicht festgestellt werden könnten. Es müsse abgewartet werden, ob die Beschwerden und die Rollstuhlabhängigkeit auf Dauer blieben.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2018 lehnte der Beklagte den Antrag auf Feststellung der Merkzeichen aG, H und B ab. Hinsichtlich des Merkzeichens H führte der Beklagte aus, dass der Kläger nicht für eine Reihe von häufig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfe.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, dass die Gleichgewichtsstörungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Auch könne er keinen Schritt mehr ohne unerträgliche Schmerzen gehen.

Aufgrund des Widerspruchs holte der Beklagte eine weitere Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vom 27. Januar 2019 ein. Danach seien die Merkzeichen aG und H weiterhin nicht festzustellen. Der Kläger sei ausweislich der medizinischen Unterlagen in der Lage, aus dem Rollstuhl aufzustehen und auf der Stelle zu treten. Aufgrund der Gleichgewichtsstörungen und der Gangunsicherheit sei aber das Merkzeichen B anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2019 half der Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und stellte ab dem 7. August 2018 bei dem Kläger das Merkzeichen B fest. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. 

Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 5. März 2019 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass bei ihm auch die Merkzeichen aG und H festzustellen seien. Seine Gehfähigkeit sei so sehr eingeschränkt, dass er sich außerhalb seines Kraftfahrzeugs nur mit großer Anstrengung und nur mit fremder Hilfe bewegen könne, denn spätestens nach dem dritten Schritt werde ihm aufgrund der großen Kraftanstrengung schwindelig. Er habe zwar noch die Fähigkeit zu stehen, dies aber maximal für 90 Sekunden und eine Fortbewegung scheitere dann daran, dass er das Gleichgewicht nicht halten könne. Er sei auch dauerhaft auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen und sowohl tagsüber als auch nachts auf fremde Hilfe angewiesen. Er habe darüber hinaus ein Schmerzsyndrom entwickelt und leide an Parkinson und erheblichen Gleichgewichtsstörungen.

Das SG hat Befundberichte des behandelnden Hausarztes Dr. I. vom 29. August 2019 und der behandelnden Neurologin Dr. J. vom 18. September 2019 eingeholt. Dr. I. hat ausgeführt, dass der Kläger unter chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates leide und körperlich kaum belastbar sei. Ihm seien die Diagnosen chronisches Schmerzsyndrom bei Gonarthrose beidseits, Omarthrose beidseits, Lumbalstenose, Lendenwirbelsäulendegeneration, Kniegelenksdysplasie, Osteochondrose, Spondylarthrose, Hypertonie, diabetische Polyneuropathie bei Diabetes mellitus IIb und Adipositas per magna, grenzwertig kompensierte Herzinsuffizienz, chronische Obstipation, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Hyperlipidämie und obstruktive Schlafapnoe bekannt.

Das SG hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. K. vom 12. November 2019. Dieser hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass bei dem Kläger Funktionsbeeinträchtigungen der Kniegelenke mit einem Einzel-GdB von 40, der Schultergelenke mit einem Einzel-GdB von 20, der Hüfte mit einem Einzel-GdB von 20, der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 30, der Unterschenkel und Füße mit einem Einzel-GdB von 30, eine Schwerhörigkeit mit einem Einzel-GdB von 70 und ein Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 30 festzustellen seien. Anhaltspunkte für eine Parkinson-Erkrankung oder eine Hirnleistungsschwäche mit psychovegetativer Störung bei Hirnmangeldurchblutung habe er nicht feststellen können, diese ergäben sich insbesondere nicht aus den in der Akte befindlichen medizinischen Unterlagen. In der Gesamtschau habe er den GdB mit 80 feststellen können. Hinsichtlich des Merkzeichens H habe er nicht feststellen können, dass der Kläger während des gesamten Tages und der Nacht fremder Hilfe bedürfe, denn der Kläger könne alleine die Toilette aufsuchen, sei in der Lage, seine Kleidung selbst an- und auszuziehen und benötige auch keine ständige Überwachung und Hilfe. Die Voraussetzungen des Merkzeichens aG lägen jedoch vor.

Der Beklagte hat sodann eine weitere Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vorgelegt, wonach weder die Voraussetzungen zur Feststellung des Merkzeichens aG, noch die des Merkzeichens H vorlägen.

Mit Urteil vom 3. September 2020, das mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat das SG Stade den Bescheid vom 19. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2019 geändert und den Beklagten verurteilt, zu Gunsten des Klägers ab dem 7. August 2018 das Merkzeichen aG festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen des Dr. K. in seinem Gutachten vom 12. November 2019 verwiesen.

Der Kläger hat am 22. September 2019, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Berufung gegen das Urteil des SG Stade vom 3. September 2020 eingelegt, zur Begründung auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass er entgegen der Auffassung des SG sehr wohl auf regelmäßige Hilfe angewiesen sei, insbesondere wegen seiner Gehbehinderung. Er sei nun seit über zwei Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen und werde in diesem regelmäßig in Fahrstuhltüren eingeklemmt. Des Weiteren hat der Kläger einen Befundbericht des Orthopäden L. vom 17. September 2021 vorgelegt, wonach der Kläger sich dort wegen Schmerzen in den Knien in Behandlung befinde und unter degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule leide.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Stade vom 3. September 2020 und den Bescheid vom 19. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei dem Kläger ab dem 7. August 2018 das Merkzeichen H festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

       die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Entscheidung des SG und führt ergänzend aus, dass die Notwendigkeit einer hauswirtschaftlichen Unterstützung nicht mit Hilflosigkeit gleichzusetzen sei.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2022 hat die Berichterstatterin den Beteiligten mitgeteilt, es werde erwogen, über den Rechtsstreit durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet in Anwendung von § 153 Abs. 4 SGG durch einstimmigen zurückweisenden Beschluss der Berufsrichter des Senats, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Insbesondere ist eine mündliche Verhandlung nicht deshalb erforderlich, weil das SG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 6. August 2019 - B 13 R 233/18 B - juris Rn. 11).

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG), aber nicht begründet. Das Urteil des SG Stade vom 3. September 2020 und der Bescheid vom 19. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, soweit die Feststellung des Merkzeichens H abgelehnt worden ist.

Grundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H sind § 152 Abs. 4 SGB IX in der zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG, BGBl. I 2016, 3234 ff.; zuvor: § 69 Abs. 4 SGB IX a. F.) in Verbindung mit § 33b Abs. 3 Satz 3, Abs. 6 Satz 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) und § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Schwerbehinderten-Ausweisverordnung (SchwbAwV). Gemäß § 33b Abs. 6 Satz 3 EStG ist eine Person hilflos im Sinne dieser Regelungen, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 3 dieser Vorschrift genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (§ 33b Abs. 6 S. 4 EStG). Dieser Begriff der Hilflosigkeit geht auf Umschreibungen zurück, die von der Rechtsprechung des BSG im Schwerbehindertenrecht bezüglich der steuerlichen Vergünstigung und im Versorgungsrecht hinsichtlich der gleich lautenden Voraussetzungen für die Pflegezulage nach § 35 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) entwickelt worden sind. Dabei hat sich der Gesetzgeber bewusst nicht an den Begriff der Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 14, 15 Elftes Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) angelehnt (vgl. BSG, Urteile vom 12. Februar 2003 – B 9 SB 1/02 R –, juris Rn. 11 und vom 24. November 2005 - B 9a SB 1/05 R - juris Rn. 13).

Bei den gemäß § 33b Abs. 6 EStG zu berücksichtigenden Verrichtungen handelt es sich um solche, die im Ablauf eines jeden Tages unmittelbar zur Wartung, Pflege und Befriedigung wesentlicher Bedürfnisse des Betroffenen gehören sowie häufig und regelmäßig wiederkehren. Dazu zählen zunächst die auch von der Pflegeversicherung (vgl. § 14 Abs. 4 SGB XI) erfassten Bereiche der Körperpflege (Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleerung), Ernährung (mundgerechtes Zubereiten und Aufnahme der Nahrung) und Mobilität (Aufstehen, Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung). Diese Bereiche werden unter dem Begriff der so genannten Grundpflege zusammengefasst (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 3 SGB XI; § 37 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch). Hinzu kommen jene Verrichtungen, die in den Bereichen der psychischen Erholung, geistigen Anregung und der Kommunikation (Sehen, Hören, Sprechen, Fähigkeit zu Interaktionen) anfallen. Nicht vom Begriff der Hilflosigkeit umschlossen ist der Hilfebedarf bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen (vgl. BSG, Urteile vom 12. Februar 2003 – B 9 SB 1/02 R –, juris Rn. 12 und vom 24. November 2005 - B 9a SB 1/05 R - juris Rn. 15). Bei psychisch oder geistig behinderten Menschen liegt Hilflosigkeit auch dann vor, wenn sie bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens zwar keiner Handreichungen bedürfen, sie diese Verrichtungen aber infolge einer Antriebsschwäche ohne ständige Überwachung nicht vornähmen. Die ständige Bereitschaft ist z. B. anzunehmen, wenn Hilfe häufig und plötzlich wegen akuter Lebensgefahr notwendig ist (vgl. Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung - Versorgungsmedizinische Grundsätze - [VMG], Teil A Nr. 4 c).

Die tatbestandlich vorausgesetzte „Reihe von Verrichtungen“ kann regelmäßig erst dann angenommen werden, wenn es sich um mindestens drei Verrichtungen handelt, die einen Hilfebedarf in erheblichem Umfang erforderlich machen. Die Beurteilung der Erheblichkeit orientiert sich an dem Verhältnis der dem Beschädigten nur noch mit fremder Hilfe möglichen Verrichtungen zu denen, die er auch ohne fremde Hilfe bewältigen kann. In der Regel wird dabei neben der Zahl der Verrichtungen auf den wirtschaftlichen Wert der Hilfe und den zeitlichen Aufwand abzustellen sein, wobei Maßstab für die Erheblichkeit des Hilfebedarfs in erster Linie der tägliche Zeitaufwand für erforderliche Betreuungsleistungen ist. Gemessen an diesem Maßstab ist nicht hilflos, wer nur in relativ geringem Umfang, täglich etwa eine Stunde, auf fremde Hilfe angewiesen ist. Daraus ergibt sich jedoch nicht schon, dass bei einem Überschreiten dieser Mindestgrenze in jedem Fall Hilflosigkeit zu bejahen ist. Typisierend ist vielmehr Hilflosigkeit grundsätzlich erst dann anzunehmen, wenn der tägliche Zeitaufwand für erforderliche Betreuungsleistungen mindestens zwei Stunden erreicht, was dem Grundpflegeerfordernis für die Pflegestufe II der Pflegeversicherung entspricht. Um den individuellen Verhältnissen Rechnung tragen zu können, ist aber nicht allein auf den zeitlichen Betreuungsaufwand abzustellen; vielmehr sind auch die weiteren Umstände der Hilfeleistung, insbesondere deren wirtschaftlicher Wert zu berücksichtigen. Dieser wird wesentlich durch die Zahl und die zeitliche Verteilung der Verrichtungen bestimmt (vgl. BSG, Urteile vom 12. Februar 2003 – B 9 SB 1/02 R – juris Rn. 14ff und vom 24. November 2005 – B 9a SB 1/05 R – juris Rn. 16f).

Ein Hilfebedarf in einem derartigen Umfang ist bei dem Kläger nicht gegeben. Der gerichtliche Sachverständige Dr. K. hat in seinem Gutachten vielmehr in sich schlüssig und widerspruchsfrei festgestellt, dass der Kläger in der Lage ist, die Toilette selbständig aufzusuchen und seine Kleidung selbständig an- und abzulegen. Auch gelingt ihm danach der Transfer auf die Untersuchungsliege sowie das Hinlegen auf die Liege selbständig. Des Weiteren war ausweislich des Gutachtens auch die Kommunikation des gerichtlichen Sachverständigen mit dem Kläger ungestört. Zwar ist er schwerhörig, aber der Kläger war dennoch in der Lage, dem gerichtlichen Sachverständigen seine Beschwerden zu schildern und mit diesem seine medizinische und soziale Vorgeschichte zu besprechen.

Diesen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen ist der Kläger auch nicht substantiiert entgegengetreten, sondern hat vielmehr pauschal vorgetragen, dass er rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen sei. Konkrete Ausführungen dazu, welche Bereiche der Selbstversorgung eingeschränkt sind, fehlen. Auch die Anstellung einer Haushaltshilfe führt nicht zwingend dazu, dass bei dem Kläger das Merkzeichen H festzustellen ist, denn die hauswirtschaftliche Versorgung ist bei der Feststellung des Merkzeichens H gerade nicht zu berücksichtigen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers im Rahmen des Berufungsverfahrens. Auch hier hat der Kläger keine konkreten Verrichtungen benannt, bei denen er auf Hilfe angewiesen ist. Vielmehr handelt es sich bei den geschilderten Schwierigkeiten bei der Nutzung von Fahrstühlen und dem daraus resultierenden Hilfebedarf nicht um eine Verrichtung, die dem Bereich der Grundpflege oder einem Bereich der psychischen Erholung, geistigen Anregung und der Kommunikation zuzuordnen ist. Auch aus dem Bericht des Dr. L. vom 17. September 2021 ergeben sich keine Hilfebedarfe in diesen Bereichen. Vielmehr beschreibt Dr. L. lediglich den bereits bekannten gesundheitlichen Zustand des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger hinsichtlich des Merkzeichens aG im Klageverfahren obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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