L 9 SO 441/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 62 SO 148/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 441/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 15/22 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das BSG hat mit Beschluss vom 06.10.2022 die Streitsache an das LSG zurückverwiesen. 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 15.06.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII von Oktober 2013 bis September 2014.

 

Der 1936 geborene Kläger ist verheiratet. Die Eheleute mieteten zum 15.12.2003 eine Wohnung U-Straße11 in B an. Es handelt sich um eine Drei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 88 qm, davon entfallen nach den Angaben des Klägers 10 qm auf ein Zimmer, das er als Büro nutzt. Die vereinbarte Kaltmiete belief sich auf 400 € und der Abschlag für die Betriebskosten auf 120 €. Die Wohnung wurde mit Gas beheizt. Die Eheleute sprachen vor der Anmietung am 02.12.2003 bei der Beklagten im Zusammenhang mit einem Antrag auf Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) vor. Sie erklärten ihre Absicht, die Wohnung U-Straße 11 anzumieten. Sie benötigten diese Wohnung, da der Kläger nach der Konjunkturbelebung sein Gewerbe als Handelsvermittler wieder aufnehmen wolle und daher ein Zimmer als Büro nutzen müsse. Die Beklagte teilte ihnen mit, sozialhilferechtlich sei nur eine Wohnfläche von ca. 60 qm angemessen. Bei der Berechnung der Sozialhilfe und der Grundsicherung werde daher nur eine Kaltmiete von 255 € zuzüglich angemessener Betriebskosten anerkannt. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem GSiG mit Bescheid vom 05.12.2003 ab. Ein Anspruch bestehe auch nach dem Umzug in die neue Wohnung am 15.12.2003 nicht, da weiterhin ein Einkommensüberschuss von 5,57 € gegeben sei. Der Beklagte wies nochmals darauf hin, dass im Rahmen der Grundsicherung nur ein Anspruch auf angemessene Unterkunftskosten bestehe.

 

Die Eheleute wohnten im streitgegenständlichen Zeitraum noch U-Straße 11 in B. Die Kaltmiete belief sich weiter auf 400 €. Der Kläger bezog eine Altersrente, die sich ab dem 01.07.2013 auf 540,91 € belief.

 

Der Hochsauerlandkreis hatte die Fa. Analyse & Konzepte mit der Erstellung eines Konzepts zur Ermittlung der Angemessenheit der Unterkunftskosten in seinem Kreisgebiet beauftragt. Nach dem Endbericht von Juli 2013 beläuft sich die Angemessenheitsgrenze für einen Zwei-Personen-Haushalt in Arnsberg auf 377,65 € bruttokalt. Aufgrund der Entscheidungen des BSG vom 30.01.2019 (B 14 AS 11/18 R u.a.) wurde eine Neuausrichtung der Vergleichsräume erforderlich. Diese erfolgte durch einen Korrekturbericht von Dezember 2019. Darin wird die Stadt Arnsberg weiterhin als eigener Vergleichsraum angesehen, die angemessene Bruttokaltmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt erhöht sich auf 378,30 €. Die Beklagte wandte das Konzept im streitigen Zeitraum noch nicht auf den Kläger und seine Ehefrau an, sondern bewilligte die Unterkunftskosten auf der Grundlage der Tabelle zu § 12 WoGG zzgl Sicherheitszuschlag von 10%. Die Stadt Arnsberg gehörte in den Jahren 2013 und 2014 zu der Mietenstufe II nach dem WoGG.

 

Mit Bescheid vom 28.09.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen von Oktober 2013 bis September 2014 iHv 43,59 € pro Monat. Die Unterkunftskosten seien lediglich bis zur Mietobergrenze für zwei Personen von 418 € anzuerkennen, so dass sich zuzüglich der Heizkosten von 61 € ein Bedarf an Unterkunfts- und Heizkosten von 239,50 € pro Person ergebe. Der Kläger habe daher einen Bedarf von 584,50 € (Regelsatz 345 € und Unterkunftskostenanteil von 239,50 €), auf den die Altersrente anzurechnen sei.

 

Mit Schreiben vom 02.10.2013 forderte die Beklagte den Kläger und seine Ehefrau auf, die Unterkunftskosten ab dem 01.10.2014 auf die neue Mietobergrenze für zwei Personen von 377,65 € zu senken. Bislang seien 418 € anerkannt worden, nunmehr sei jedoch eine Analyse des örtlichen Wohnungsmarktes durchgeführt worden, durch die sich die neue Mietobergrenze ergeben habe.

 

Mit Bescheid vom 28.10.2013 änderte die Beklagte die Bewilligung ab November 2013 auf 13,09 € ab. Der Heizkostenanteil iHv 30,50 € sei vorläufig nicht mehr anzuerkennen, da die Höhe der neuen Gasabschlagszahlungen nicht bekannt sei. Am 18.12.2013 legte der Kläger die Rechnung über den Jahresbeitrag für seine Haftpflichtversicherung iHv 126,02 € bei der Beklagten vor, der Betrag wurde am 01.01.2014 fällig. Mit Bescheid vom 28.12.2013 änderte die Beklage die Bewilligung ab Januar 2014 auf 21,09 €, da ab dem 01.01.2014 der neue Regelbedarf von 353 € zu berücksichtigen sei. Der Kläger legte am 10.01.2014 Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.12.2013 ein. Aus einer von ihm vorgelegten Abrechnung des Gasversorgers vom 04.01.2014 ergibt sich ein Abschlag iHv 73 € monatlich ab Januar 2014. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 22.01.2014 weitere Heizkosten iHv 119,14 €. Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen den tatsächlichen Heizkosten im Zeitraum 08.12.2012 bis 27.11.2013 iHv 848,08 € und den bewilligten Heizkosten in diesem Zeitraum iHv 728,94 €. Mit Schreiben vom 22.01.2014 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass die Kosten für die Haftpflichtversicherung nur bis zu einem Betrag von 71,40 € vom Einkommen abgesetzt werden könnten, da der Beitrag von 126,02 € nicht angemessen sei. Mit Bescheid vom 28.01.2014 setzte die Beklagte die Kosten für die Haftpflichtversicherung iHv 71,40 € von dem Einkommen des Klägers ab. Sie änderte die Bewilligung ab Januar 2014 auf 57,59 €. Es sei zusätzlich der auf den Kläger entfallende Anteil an den Heizkosten iHv 36,50 € zu übernehmen, nachdem dieser die monatlichen Abschläge iHv 73 € nachgewiesen habe.

 

Der Kläger legte gegen das Schreiben vom 22.01.2014 und den Bescheid vom 28.01.2014 jeweils am 07.02.2014 Widerspruch ein. Er habe die Haftpflichtversicherung seit 45 Jahren und werde diese aus vernünftigen und angemessenen Gründen nicht wechseln. Der Hochsauerlandkreis könne keine Richtlinien beschließen, nach der der Betrag fortlaufend gemindert werde und sich nur noch auf 71,40 € belaufe.

 

Der Hochsauerlandkreis wies den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide vom 28.12.2013 und vom 28.01.2014 mit (zwei) Widerspruchsbescheiden vom 12.03.2014 zurück. Es seien der derzeit gültige Regelsatz und die angemessenen Unterkunftskosten bewilligt worden. Diese seien auf der Grundlage von § 12 WoGG zzgl eines Sicherheitszuschlages von 10% festgesetzt worden, da bislang noch kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten erstellt worden sei. Ein solches liege jetzt jedoch vor, so dass der Betrag von 418 € nur noch bis zum 30.09.2014 anerkannt werde. Die Heizkosten seien iHv 36,50 € zu berücksichtigen (Hälfte des Abschlages von 73 €). Dem Widerspruch gegen das Schreiben vom 22.01.2014 half der Beklagte mit Bescheid 18.03.2014 ab und setzte die Kosten für die private Haftpflichtversicherung von 126,02 € in voller Höhe vom Einkommen ab. Der Betrag iHv 54,62 € wurde nachgezahlt.

 

Der Kläger hat am 11.04.2014 Klage gegen die Bescheide vom 28.12.2013 und 28.01.2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.03.2014 erhoben. Er habe eine höhere Regelleistung zu beanspruchen, die er mit 570 € veranschlage. Darüber hinaus seien die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Bei der angemessenen Wohnungsgröße sei sein Bedarf für ein Wohnbüro zu berücksichtigen. In diesem betreibe er weiter eine Unternehmensberatung und führe wissenschaftliche Arbeiten durch, für die er aber keine Geldzahlungen, sondern lediglich Lebensmittel erhalte. Die zum Ende des Jahres versagten Heizkosten sowie die zu berücksichtigenden Beträge für die Haftpflichtversicherung und die Hausratversicherung mache er nicht mehr zum Gegenstand des Verfahrens.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

die Bescheide vom 28.12.2013 und 28.01.2014 in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 12.03.2014 und des Abhilfebescheides vom 18.03.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.10.2013 bis 30.09.2014 höhere Leistungen der Grundsicherung unter Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iHv monatlich 475,15 € für Bruttokaltmiete zzgl Heizkosten zu gewähren.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide verteidigt. Der Kläger habe keinen weitergehenden Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII.

 

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.06.2018, zugestellt am 04.07.2018, abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung. Ihm sei der Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 2 für Ehegatten bewilligt worden, die Höhe der Regelsätze sei nicht verfassungswidrig. Es bestehe auch kein höherer Anspruch auf Übernahme von Unterkunftskosten. Da die Beklagte im streitigen Zeitraum nicht über ein schlüssiges Konzept verfügt habe, seien dem Kläger und seiner Ehefrau die Unterkunftskosten auf der Grundlage von § 12 WoGG zzgl eines Sicherheitszuschlags von 10% bewilligt worden. Ein weitergehender Anspruch bestehe auch unter dem Gesichtspunkt der konkreten Angemessenheit nicht. Bei den Kosten für das Büro handele es sich schon nicht um einen Wohnbedarf und weitere personenbezogene Umstände des Einzelfalles seien nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

 

Mit der Berufung vom 10.07.2018 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.2018 zu ändern, die Bescheide vom 28.12.2013 und 28.01.2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.03.2014 und des Abhilfebescheides vom 18.03.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit von Oktober 2013 bis September 2014 höhere Leistungen der Grundsicherung unter Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iHv monatlich 475,15 € für Bruttokaltmiete zzgl Heizkosten zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

 

Der Senat hat den Kläger mit Verfügung vom 21.09.2020 darauf hingewiesen, dass ab dem 10.09.2020 RiLSG T als Berichterstatter für das Verfahren zuständig ist, der im Jahr 2014 bereits als Richter des SG Dortmund über eine Klage des Klägers entschieden hat. Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 03.10.2020 erklärt, mit einem Antrag auf Ablehnung des gesamten Spruchkörpers sei dem Bemühen und Begehren nach einer endlichen korrekten und gerechten Entscheidung nicht gedient.

 

Der Kläger und die Beklagte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben. Der Senat konnte in der geschäftsplanmäßigen Besetzung über die Berufung entscheiden, ohne gegen das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) zu verstoßen. Der Umstand, dass der Berichterstatter im Jahr 2014 bereits als Richter des SG Dortmund über eine andere Klage des Klägers entschieden hat, führt nicht zu seinem Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes (§ 60 SGG iVm § 41 ZPO).

 

Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wird erreicht, denn der Kläger macht nicht nur einen Anspruch auf höhere Unterkunftskosten, sondern auch auf eine höhere Regelleistung geltend. Dies ergibt sich aus seiner Erklärung im Rahmen des Erörterungstermins am 15.06.2016, wonach ihm eine Regelleistung von 570 € zustehe und auch sein Antrag lässt sich meistbegünstigend entsprechend auslegen.

 

Beteiligter des Berufungsverfahrens ist auf Klägerseite nur der Kläger, nicht auch seine Ehefrau. Zwar hat der Kläger die Berufungsschrift – abweichend von der Klageschrift – unter der Überschrift „immer auch in Gemeinschaft und im Auftrage meiner Ehefrau F“ verfasst. Dies ist jedoch nicht als Berufung auch der Ehefrau auszulegen. Der Kläger hat das erstinstanzliche Verfahren allein unter seinem Namen geführt und das Sozialgericht hat allein über einen Anspruch des Klägers entschieden. Einen Urteilsergänzungsantrag (§ 140 SGG) hat die Ehefrau des Klägers bezüglich des Urteils des Sozialgerichts nicht gestellt. Auch aus der Berufungsschrift ergibt sich eine Rüge der Nichteinbeziehung der Ehefrau nicht. Bei einer Einbeziehung der Ehefrau in das Berufungsverfahren würde es sich damit um eine Klageänderung iSd § 99 SGG handeln, in die die Beklagte nicht eingewilligt hat und die auch angesichts der Bestandskraft der angefochtenen Bescheide gegenüber der Ehefrau sowie der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen nicht sachdienlich wäre. Eine entsprechende Auslegung der Überschrift der Berufungsschrift ist daher auch nach dem Meistbegünstigungsprinzip, wonach die Auslegung prozessualer Erklärungen sich daran zu orientieren hat, was als Leistung möglich ist, wenn jeder vernünftige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würde und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (BSG Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R mwN), nicht geboten.

 

Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zurecht abgewiesen, denn die Bescheide vom 28.12.2013 und 28.01.2014 in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 12.03.2014 und des Abhilfebescheides vom 18.03.2014 sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII.

 

Gegenstand des Verfahrens ist der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII von Oktober 2013 bis September 2014, denn in den Bescheiden vom 28.12.2013 und 28.01.2014 sind die Leistungen für diesen Zeitraum bewilligt worden. Der Bescheid vom 18.03.2014 ist gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, da er die ursprüngliche Bewilligung geändert hat (zur Anwendung von § 96 SGG auf Änderungsbescheide, die nach dem Widerspruchsbescheid aber vor Klageerhebung ergangen vergl. BSG Urteil vom 30.01.2019 – B 14 AS 11/18 R mwN).

 

Der Kläger hat im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf eine höhere Regelleistung. Nach § 42 Nr. 1 SGB XII in der bis zum 31.12.2015 gF umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28. Dem Kläger ist im streitigen Zeitraum der Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 2 iHv 345 € und ab dem 01.01.2014 iHv 353 € bewilligt worden. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestehen nicht (vgl. BVerfG Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12). Gründe für eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes nach § 27a Abs. 4 SGB XII macht der Kläger nicht geltend und sind auch sonst nicht ersichtlich.

 

Der Kläger hat im streitigen Zeitraum 01.10.2013 bis 30.09.2014 auch keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der bis zum 31.12.2015 gF werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Wenn die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Abs. 2 SGB XII zu berücksichtigen sind, anzuerkennen. Dies gilt so lange, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII aF).

 

Grundsätzlich sind gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung zu übernehmen, eine Absenkung auf die angemessenen Kosten kommt erst in Betracht, wenn der Leistungsberechtigte Kenntnis davon hat, dass ihn die Obliegenheit trifft, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen (BSG Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 19/09 R zur Parallelvorschrift im SGB II). Insoweit ist eine Kostensenkungsaufforderung im Regelfall, aber nicht notwendig in jedem Leistungsfall, Voraussetzung dafür, dass der Leistungsträger die Kosten der Unterkunft und Heizung auf die angemessenen Kosten beschränken kann. Wenn ein Leistungsberechtigter auch ohne Kostensenkungsaufforderung Kenntnis von der Verpflichtung zur Senkung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung hat, kann er nur noch die angemessenen Unterkunftskosten beanspruchen (BSG Beschluss vom 29.12.2016 – B 4 AS 277/16 B). So liegt der Fall hier. Der Kläger ist zwar erst mit dem Schreiben der Beklagten vom 02.10.2013 zur Kostensenkung aufgefordert worden. Der Kläger und seine Ehefrau sind aber bereits vor der Anmietung der Wohnung U-Straße 11 von der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass im Rahmen der Grundsicherung nur die angemessenen Unterkunftskosten übernommen werden können und die Kaltmiete von 400 € nicht angemessen ist. Sie hatten also von Anfang an Kenntnis von der Unangemessenheit der Unterkunftskosten. Der Kläger und seine Ehefrau hatten darüber hinaus dadurch Kenntnis von ihrer Kostensenkungsobliegenheit, da sie in jedem Leistungsbescheid auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen worden sind.

 

Ein Anspruch auf weitere Leistungen im Rahmen der angemessenen Unterkunftskosten besteht nicht.

 

Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung hat in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (Bruttokaltmiete), zu ermitteln. Sodann ist die konkrete Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen - insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen einschließlich eines Umzugs - zu prüfen. Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der sog. Produkttheorie (Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen. Zunächst ist die (abstrakt) angemessene Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en) zu bestimmen, sodann der angemessene Wohnungsstandard. Anschließend ist die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept unter Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten zu ermitteln (ständige Rechtsprechung, siehe nur BSG Urteile vom 05.08.2021 – B 4 AS 82/20 R und vom 17.09.2020 – B 4 AS 22/20 R mwN).

 

Für einen Zwei-Personen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen ist nach Nr. 8.2 der insoweit maßgeblichen (BSG Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R) Wohnraumnutzungsbestimmungen (Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr NRW vom 12.12.2009, IV.5-619-1665/09) eine Wohnfläche von 65 qm angemessen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 14.02.2019 – L 7 AS 1048/16).

 

Für einen angemessenen Wohnungsstandard muss die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (stRspr zuletzt BSG Urteil vom 21.07.2021 – B 14 AS 31/20 R mwN).

 

Es kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob das von der Fa. Analyse & Konzepte erstellte Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit der Unterkunftskosten im Hochsauerlandkreis (Endbericht von Juli 2013 in der Fassung des Korrekturberichts von Dezember 2019) die Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept erfüllt. Ungeachtet der – hier eingehaltenen – objektiv-rechtlichen Verpflichtung der Träger der Grundsicherungsleistungen, ein Konzept zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zu erstellen (hierzu BSG Urteile vom 12.12.2013 – B 4 AS 87/12 R und vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R) und ihres damit korrespondierenden Anspruchs, im gerichtlichen Verfahren bei Schlüssigkeitsmängeln Gelegenheit zur Nachbesserung zu erhalten (dazu BSG Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 892/20), stehen Unterkunftskosten maximal iH der Werte nach dem WoGG plus Zuschlag von 10 % zu. Hierbei handelt es sich um eine Angemessenheitsobergrenze, die die Finanzierung extrem hoher und per se unangemessener Mieten verhindert (BSG Urteil vom 21.07.2021 – B 14 AS 31/20 R; BSG Beschluss vom 28.04.2020 – B 4 AS 25/20 B).

 

Leistungen in dieser Höhe sind dem Kläger und seiner Ehefrau bereits bewilligt worden, denn die Beklagte hat im streitigen Zeitraum Unterkunftskosten iHv 418 € berücksichtigt. Dabei handelt es sich um den Wert nach § 12 WoGG in der Fassung bis 31.12.2015 (Zwei-Personen-Haushalt in der Mietenstufe II = 380 €) zzgl des Sicherheitszuschlages von 10%.

 

Der Senat lässt offen, ob die Tabellenwerte nach § 12 WoGG zuzüglich des Sicherheitszuschlags auch dann eine absolute Obergrenze für die angemessenen Unterkunftskosten darstellt, wenn nachweisbar ist, dass diese die realen Verhältnisse auf dem betroffenen Wohnungsmarkt nicht abbilden, etwa weil dieser aufgrund besonderer Umstände besonders teuer ist. Denn ein solcher Fall liegt in der hier betroffenen Kommune Arnsberg im Hochsauerlandkreis ersichtlich nicht vor, was durch das von der Beklagten erstellte Konzept einschließlich des Korrekturberichts belegt wird, mit dem die angemessene Bruttokaltmiete deutlich unterhalb der Werte nach § 12 WoGG zuzüglich des Sicherheitszuschlags festgelegt wird.

 

Ein Anspruch auf höhere Unterkunftskosten ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Kläger ein Zimmer in der Wohnung als Büro eingerichtet hat. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung dienen der Befriedigung des Grundbedürfnisses, eine Wohnung als räumlichen Lebensmittelpunkt zu besitzen (BSG Urteil vom 17.02.2016 – B 4 AS 2/15 R). Nicht berücksichtigungsfähig sind daher die Kosten für Geschäftsräume, die nicht der Verwirklichung privater Wohnbedürfnisse dienen (BSG Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 1/08 R). Die Kosten für das Büro sind somit nicht anspruchserhöhend zu berücksichtigen, sondern der Kläger könnte diese allenfalls von Einkommen aufgrund der selbständigen Tätigkeit absetzen, das er im streitigen Zeitraum jedoch nicht erwirtschaftet hat.

 

Der Kläger ist auch im Hinblick auf die Heizkosten nicht beschwert, denn die Beklagte hat mit den Bescheiden vom 22.01.2014 und 28.01.2014 sowohl die bereits entstandenen Kosten als auch die laufenden Abschläge in tatsächlicher Höhe übernommen. Gleiches gilt für den Beitrag zur Haftpflichtversicherung, der in tatsächlicher Höhe vom Einkommen abgesetzt worden ist.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.

 

 

Rechtskraft
Aus
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