I. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 31.03.2020 in Fassung des Bescheides vom 27.07.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2021 verurteilt, der Klägerin im Leistungszeitraum 01.03.2020 bis 28.02.2021 höhere Leistungen dadurch zu gewähren, dass die monatlichen Sterbegeldversicherungsbeiträge in Höhe von 24,28 € das anzurechnende Einkommen der Klägerin mindern.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Der Rechtsstreit wird im Zusammenhang mit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) geführt. Es ist zwischen den Beteiligten die Höhe der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII streitig.
Die 1949 geborene Klägerin schloss im Jahr 2012 eine Sterbegeldversicherung für ihre spätere Bestattung ab. Die Versicherungssumme lautete auf 3.000 EUR, zu zahlen mit Eintritt des Versicherungsfalles. Hinzu kommen noch Bonuszahlungen, die mit der Dauer der Vertragslaufzeit anwachsen. Ab März 2035, wenn die Klägerin 85 Jahre alt ist, wird der Vertrag beitragsfrei gestellt.
Im Jahr 2013 beantragte die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann bei der Beklagten Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII, die das Ehepaar in der Folgezeit auch erhielt. Zuletzt wurden ihnen mit Bescheid vom 31.03.2020 für den Zeitraum März 2020 bis Februar 2021 Leistungen in Höhe von monatlich 326,85 EUR gewährt, wobei vom Bedarf das Einkommen aus Altersruhegeld und Witwenrente abgesetzt wurde. Dagegen erhob die Klägerin mit der Begründung Widerspruch, dass die Versicherungsbeiträge für die Sterbegeldversicherung in Höhe von monatlich 24,28 EUR auf das Einkommen anzurechnen seien. Mit Bescheid vom 27.07.2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Versicherungsbeiträge seien unangemessen. Außerdem bestehe keine besondere Härte, da Angehörige vorhanden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2021 wies die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Sterbegeldversicherung sei schon dem Grunde nach unangemessen, weil es sehr unwahrscheinlich sei, dass die Klägerin für ihre Bestattung überhaupt Sozialhilfe benötige. Sie habe mehrere leibliche Kinder. Einer ihrer Söhne sei Eigentümer der von der Klägerin bewohnten Wohnung. Er könne voraussichtlich die Bestattungskosten tragen.
Am 18.03.2021 hat die Klägerin beim Sozialgericht N. Klage erhoben. Sie begehrt höhere Leistungen im Zeitraum 01.03.2020 bis 28.02.2021. Der Bestattungsvorsorgevertrag sei angemessen, da er bereits vor Beginn des Leistungsbezuges abgeschlossen worden sei. Die Beklagte könne eine Sterbegeldversicherung auch nicht grundsätzlich als unangemessen ansehen, denn in § 33 SGB XII sei sogar die Übernahme der Beiträge als sozialhilferechtlicher Bedarf vorgesehen. Dies verbiete es, im Rahmen des Abzuges von laufendem Einkommen derartige Versicherungen dem Grunde nach für unangemessen zu halten. Es sei im Übrigen völlig unklar, wer Erbe werde und ob die Kinder der Klägerin die Erbschaft annehmen würden. Zudem verweist die Klägerin auf das Urteil des SG Karlsruhe vom 12. Januar 2021 (S 12 SO 3577/18).
Die Klägerin beantragt:
1. Der Bewilligungsbescheid der Stadt B-Stadt, Sozialamt, Wirtschaftliche Hilfe vom 31.03.2020 betreffend Bewilligungszeitraum 01.03.2020 bis 28.02.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2021 wird abgeändert.
2. Der Klägerin werden im Bewilligungszeitraum 01.03.2020 bis 28.02.2021 Leistungen gemäß SGB XII, 4. Kapitel, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gewährt unter Berücksichtigung einer Sterbegeldversicherung, E. Vorsorge in Höhe von monatlich 24,28 €.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen darauf, dass eine Sterbegeldversicherung schon dem Grunde nach unangemessen sei. Sie komme klassischerweise nur den Erben zugute, nicht jedoch der Sozialhilfeempfängerin selbst. Letztere treffe aber kein Kostenrisiko. Der Vertrag sei im konkreten Fall auch unwirtschaftlich, denn die Klägerin werde bei Erreichen des Durchschnittsalters von 82 Jahren insgesamt 6.040,80 EUR eingezahlt haben, damit sie bzw. die Bestattungspflichtigen im Gegenzug ein Sterbegeld in Höhe von 3.000,00 EUR zuzüglich Bonus erhielten. Eine würdevolle Bestattung koste in N. nur ca. 3.600 EUR. Selbst wenn die Versicherung grundsätzlich einkommensmindernd berücksichtigt werden könne, dürfte nach einer internen Weisung der Beklagten ohnehin nur ein monatlicher Versicherungsbeitrag von bis zu drei Euro anerkannt werden. Eine Teilanerkennung zumindest dieses Betrages scheide im Falle der Klägerin aus, da die Versicherung bereits dem Grunde nach nicht angemessen sei. Das von der Klägerin angeführte Urteil des SG Karlsruhe stelle eine Mindermeinung dar, die nicht geteilt werde.
Das Gericht hat im Internet auf dem Portal check24.de einen Versicherungsvergleich eingeholt. Die Abfrage mit einer Versicherungssumme von 3.000 EUR und einer um zehn Jahre jüngeren Klägerin (da der Versicherungsvertrag schon 10 Jahre läuft) hat eine Preisspanne zwischen 15,00 € und 25,00 € pro Monat ergeben.
Die Leistungsakte der Beklagten ist beigezogen worden. Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird hierauf verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage hat vollumfänglich Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Gegenstand dieses Rechtsstreites ist der Bescheid vom 31.03.2020 (Bl. 100 Aktenband IV) in Fassung des Ablehnungsbescheides vom 27.07.2020 (Bl. 173 Aktenband IV) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2021 (Bl. 232 Aktenband IV), mit dem die Beklagte die Bewilligung höherer Leistungen im Zeitraum 01.03.2020 bis 28.02.2021 abgelehnt hat. Dabei ist der Ablehnungsbescheid vom 27.07.2020 nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit in das bereits laufende Widerspruchsverfahren einbezogen worden.
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 87, 90 und 92 SGG). Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
Die Klage ist begründet, weil die Sterbegeldversicherung der Klägerin nach Auffassung der Kammer sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach als angemessen anzusehen ist. Sie muss somit bei der Leistungsberechnung das Einkommen mindern.
Rechtsgrundlage ist § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII. Danach sind Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, vom Einkommen abzusetzen.
Eine private Sterbegeldversicherung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Die Beiträge hierzu sind aber dennoch vom Einkommen abzusetzen, da diese im vorliegenden Falle dem Grunde nach angemessen sind. Die Beklagte kann sie nicht von vornherein als unangemessen ansehen. Denn Beiträge zu einer Sterbegeldversicherung können gemäß § 33 Abs. 2 SGB XII sogar ausdrücklich einen sozialhilferechtlichen Bedarf darstellen. Diese Vorschrift enthält einen Bezug auf § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII ("soweit sie nicht nach § 82 Abs. 2 Nummer 3 vom Einkommen abgesetzt werden"). Dem ist die gesetzgeberische Wertung zu entnehmen, dass Aufwendungen für eine Sterbegeldversicherung für ältere Menschen zweckmäßig sind und insbesondere auch, dass der Gesetzgeber die Aufwendungen für eine Sterbegeldversicherung im Grundsatz für absetzungsfähig hält (vgl. Schlette in: Hauck/Noftz SGB XII, § 82 Begriff des Einkommens, Rn. 91; so auch SG Karlsruhe, Urteil vom 12.01.2021, S 12 SO 3577/18; Hohm, in: Schellhorn, SGB XII, 20. Aufl., § 82 Rz 62; Giere, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. § 82 Rz 94). Zwar wird dies in der Literatur mitunter kritisch gesehen (BeckOK SozR/Siebel-Huffmann, 64. Ed. 1.12.2021, SGB XII § 82 Rn. 20-24), allerdings ist auch nach dieser kritischen Ansicht zumindest dann von grundsätzlicher Angemessenheit auszugehen, wenn die Sterbegeldversicherung vor Beginn des Leistungsbezuges abgeschlossen worden ist.
Die Klägerin hat die Versicherung im Jahr 2012 und damit deutlich vor Beginn des Leistungsbezuges abgeschlossen. Somit ist auch nach der oben genannten Mindermeinung im vorliegenden Fall die Sterbegeldversicherung angemessen. Unschädlich ist, dass die Klägerin mehrere Kinder hat, die als Erben in Betracht kommen. Denn die Erben sind immer bestattungspflichtig (§ 1986 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB), egal ob eigene Kinder oder sonstige Personen. Sie werden regelmäßig die Erbschaft ausschlagen, wenn der Nachlass - wie bei einem Sozialhilfeempfänger häufig der Fall - überschuldet ist oder die Erbmasse nicht einmal die Bestattungskosten abdeckt. Zur Unangemessenheit führt auch nicht der Umstand, dass die Klägerin bei Erreichen des Durchschnittsalters durch ihre Versicherungsbeiträge mehr einbezahlt haben wird als sie am Ende an Versicherungsleistung und Zuschlägen erhält. Zum einen ist der Eintritt des Versicherungsfalles bei einer Sterbegeldversicherung zu 100 Prozent sicher, so dass das Versicherungsunternehmen bei der Tarifkalkulation lediglich die Dauer der voraussichtlichen Vertragslaufzeit in den Blick nehmen kann. Zum anderen ist die Versicherungsleistung häufig auch noch zur laufenden Grabpflege gedacht, so dass ein bloßes Abstellen auf die einmaligen durchschnittlichen Bestattungskosten zu kurz greift. Eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise verbietet sich nach Auffassung der Kammer im Übrigen bereits deshalb, weil auch der nachvollziehbare Wille der Leistungsempfänger, eine seinen Vorstellungen entsprechende Bestattung und Grabpflege zu ermöglichen, eine nicht unwesentliche Rolle für den Vertragsabschluss spielt, die es zu respektieren gilt.
Die Höhe der Sterbegeldversicherung ist im vorliegenden Fall ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat monatlich 24,28 EUR zu bezahlen. Die Preisspanne des eingeholten Tarifvergleiches lag zwischen rund 15 - 25 EUR. Eine Unverhältnismäßigkeit lässt sich demzufolge nicht erkennen. Soweit die Klägerin in einer internen Weisung einen Monatsbeitrag von bis zu 3,00 EUR für angemessen hält, sollte diese Auffassung mit Blick auf die Recherchen des Gerichts überdacht bzw. der Wert auf das Jahr 2022 aktualisiert werden.
Im Ergebnis war die Klage somit erfolgreich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Berufung war gemäß § 144 SGG nicht zuzulassen.