L 6 KR 72/22 B ER

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 25 KR 143/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 72/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Im Rahmen des § 130a Abs 8 SGB V ist die Anknüpfung des vertraglich vereinbarten Rabatts an den "Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers" zulässig.
2. Der Abschlag nach § 130a Abs 3 SGB V ist nicht auf den Rabatt nach § 130a Abs 8 SGB V anzurechnen.
3. Ein Beitritt zu gleichen Bedingungen bedeutet nicht, dass für jedes zu Lasten der Krankenkasse abgegebene Arzneimittel mit einem vergleichbaren Wirkstoff der gleiche Gesamt-Rabattsatz verbindlich vorgegeben wird.
4. Bei der Prüfung der Unzulässigkeit des Antrags wegen Unbestimmtheit ist zu beachten, dass hier der Krankenkasse zur Ausgestaltung eines Rabatt-Vertrages ein nur beschränkt überprüfbarer Ermessenspielraum zusteht.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert für das Verfahren wird für beide Instanzen auf 5.000 € festgesetzt.

 

Gründe:

 

I.

 

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Weiteren nur Antragstellerin) begehrt im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes die Berücksichtigung der von ihr gezahlten Herstellerrabatte (§ 130a Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V) bei der Berechnung des Preisnachlasses aus einem Rabattvertrag gemäß § 130a Abs. 8 SGB V.

 

Die Antragstellerin bringt als pharmazeutisches Unternehmen das Arzneimittel  D mit dem Wirkstoff Cholecalciferol in Form von Weichkapseln (ATC Code A11CC05) auf den Markt. Als Cholecalciferol bezeichnet man das von tierischen Organismen aus Cholesterin synthetisierte Vitamin D3. Ende des Jahres 2018 bekundete die Antragsgegnerin ihre Absicht, mit allen interessierten pharmazeutischen Unternehmen nicht-exklusive Rabattvereinbarungen über diesen Wirkstoff nach § 130a Abs. 8 SGB V zu schließen. Am 30. Januar 2019 schlossen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin einen Vertrag ab, der einen Rabattsatz von 17 % auf der Basis des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers (des sogenannten ApU) vorsah. Dieser Vertrag hatte eine Laufzeit bis zum 28. Februar 2021.

 

Die Antragsgegnerin machte Anfang Januar 2021 ihre Absicht bekannt, erneut Arzneimittel-Rabattverträge zu diesem Wirkstoff mit allen interessierten Unternehmen im Wege eines Open-House-Verfahrens abzuschließen. Ein solcher Vertrag wurde zwischen den Beteiligten nach Durchführung eines solchen Verfahrens im Februar 2021 zum frühestmöglichen Vertragsbeginn am 1. März 2021 geschlossen. In der Präambel heißt es: „Nach Maßgabe des § 130a Abs. 8 SGB V besteht für Krankenkassen oder ihre Verbände die Möglichkeit, für die zu Lasten der Krankenkassen abgegebenen Arzneimittel mit pharmazeutischen Unternehmen vertraglich Rabatte zusätzlich zu den übrigen gesetzlich vorgesehenen Abschlägen zu vereinbaren. Vor diesem Hintergrund schließen die Vertragsparteien den nachfolgenden Rabattvertrag.“

 

§ 2 dieses Vertrags lautet:

 

Rabattgewährung und Rabattberechnung

 

Die vom Vertrag umfassten Arzneimittel sind mit ihrer jeweiligen Pharmazentralnummer (PZN) in der Anlage 1 zum Vertrag aufgeführt. Der Anspruch auf die Rabattzahlung entsteht, sobald ein Arzneimittel des pharmazeutischen Unternehmers aus der Anlage 1 zu Lasten der AOK abgegeben wurde. Die Pflicht zur Zahlung von Rabatten nach diesem Paragraphen besteht fort, für während der Vertragslaufzeit abgegebene Arzneimittel, auch nach Beendigung des Vertrags, als nachgelagerte Vertragspflicht. Der pharmazeutische Unternehmer gewährt der AOK nachfolgende Rabatte.

 

Der pharmazeutische Unternehmer gewährt der AOK einen Rabattsatz von 18 % je verordneter Arzneimittelpackung, auf das gesamte Abrechnungsvolumen. Zur Berechnung des Abrechnungsvolumens wird folgendermaßen verfahren: Für jedes in Anlage 1 genannte Arzneimittel des pharmazeutischen Unternehmers (je PZN) wird die Anzahl der Packungen jeweils mit dem am Tag der Abgabe des vertragsgegenständlichen Arzneimittels durch die Apotheke aktuellen ApU zzgl. Umsatzsteuer multipliziert. Die jeweiligen Ergebnisse werden addiert; die Summe bildet das Abrechnungsvolumen im Abrechnungsquartal. Dieses wird mit dem Rabattsatz multipliziert und ergibt den Gesamtrabatt.

 

Übersteigt der Apothekenverkaufspreis (AVP) eines in der Anlage 1 genannten Arzneimittels den bestehenden oder nach Abschluss des Vertrages festgesetzten Festbetrag nach § 35 oder 35a SGB V, übernimmt der pharmazeutische Unternehmer zusätzlich zu den Rabatten nach Abs. 2 und 3 die Mehrkosten i. S. d. § 31 Abs. 2 S. 3 SGB (Differenz zwischen Festbetrag und AVP).

 

Die gesetzlichen Abschläge bleiben von der vertraglichen Rabattgewährung nach § 2 dieser Vereinbarung unberührt (§ 130a Abs. 8 Satz 6 SGB V).

 

Nach einer kurzen Zeit ohne vertragliche Bindung ist die Antragstellerin dem Vertrag zum 1. April 2022 erneut beigetreten. Weiter nahmen an diesem Vertrag zunächst drei weitere Hersteller und zuletzt zum 1. April 2022 auch eine vierte Firma teil.

 

Am 6. Mai 2022 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Dessau-Roßlau einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Berücksichtigung und Einberechnung von „etwaig zu zahlenden Herstellerrabatten gemäß § 130a Abs. 3a SGB V bei der Rabatt- und Preisberechnung“ verlangt. Zur Begründung hat die Antragstellerin vorgetragen, bei den sogenannten Open-House-Verfahren müsse jedem geeigneten Unternehmen eine Teilnahme ermöglicht werden. Dabei seien nach der einschlägigen Rechtsprechung die Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, gegenseitigen Anerkennung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz zu berücksichtigen. Aufgrund des Mechanismus des § 129 Abs. 1 S. 2 SGB V (gemeint: § 129 Abs. 1 S. 3 SGB V) bestehe ein gewisser Zwang, Arzneimittelrabatte mit gesetzlichen Krankenkassen abzuschließen. Im Laufe der Jahre habe die Antragstellerin die Preise des Arzneimittels angehoben. Dementsprechend sei sie zur Zahlung von Herstellerrabatten gemäß § 130a Abs. 3a SGB V verpflichtet. Unter ihren Konkurrenten finde sich auch das Unternehmen A-Pharma GmbH, welches am 3. März 2022 dem Rabattvertrag beigetreten sei. Dieses sei nicht zur Zahlung eines Herstellerrabattes gemäß § 130a SGB V verpflichtet. Anschließend sei auch sie selbst dem Vertrag beigetreten, um überhaupt noch Arzneimittel zu Lasten der Antragsgegnerin abgeben zu können. Aufgrund des vertraglichen Rabattsatzes i.H.v. 18 % und dem zusätzlich zu gewährenden Herstellerrabatt erfolge jedoch eine für sie unwirtschaftliche Abgabe des Arzneimittels zu Lasten der Antragsgegnerin. Dies gelte insbesondere im Vergleich zu den Unternehmen, die nicht zur Zahlung eines Herstellerrabattes verpflichtet seien.

 

Die Antragsgegnerin hat kritisiert, der gestellte Antrag auf Fortführung des Open-House-Verfahrens „unter Berücksichtigung und Einberechnung etwaig zu zahlender Herstellerrabatte gemäß § 130a Abs. 3a SGB V“ lasse mehrere Interpretationen zu. Gemeint sein könne ein Abzug des Herstellerrabatts von dem errechneten vertraglich vereinbarten Rabattvertrag (im Ergebnis mit Freistellung von der Rabattzahlung) oder auch ein vorheriger Abzug des Herstellerrabatts von dem festgelegten Abgabepreis des pharmazeutischen Herstellers (d.h. eine Veränderung der Basis zur Berechnung des Nachlasses).

 

Sie hat weiter darauf hingewiesen, zur Absenkung des Rabattes gemäß § 130a

 

Abs. 3a SGB V stände gegebenenfalls das Verfahren nach § 130a Abs. 4 S. 2 SGB V zur Verfügung. Eine einstweilige Anordnung bezüglich des Rabattes gemäß § 130a  Abs. 3a SGB V sei rechtlich problematisch, solange die Antragstellerin nicht auf eine Abhilfe durch einen entsprechenden Antrag bei dem Bundesministerium für Gesundheit nachgesucht habe.

 

Mit Beschluss vom 11. Juli 2022 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau den Antrag abgelehnt und zur Begründung dargelegt, dieser sei unzulässig, soweit die Antragstellerin die Reduzierung der Herstellerrabatte erstrebe. Hier sei das Verfahren nach § 130a Abs. 4 S. 2 SGB V vorrangig. Sofern die Antragstellerin sich auf eine Diskriminierung im Rahmen des Open-House-Verfahrens berufe, sei der Antrag zulässig, aber unbegründet. Weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch lägen vor. Für eine Abänderung des Vertrages zugunsten der Antragstellerin sehe das Gericht keine gesetzliche Grundlage und mangels Ungleichbehandlung und/oder Diskriminierung der Antragstellerin auch kein Erfordernis. Allein der Umstand, dass die pharmazeutischen Unternehmen ihre Preise unterschiedlich kalkulierten und verschiedene gesetzliche Rabatte abzuführen hätten, führe nicht zu einer Diskriminierung des Anbieters mit dem höchsten Preis oder dem geringsten Gewinn. Soweit die Antragsgegnerin in dem streitigen Vertrag auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers abstelle, sei dies nicht zu beanstanden. Es handele sich hierbei um eine leicht feststellbare Rechengröße zur Ermittlung des vertraglichen Rabattsatzes, auf die auch der Gesetzgeber vielmals Bezug nehme.

 

Gegen den ihr am 25. Juli 2022 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am

 

25. August 2022 Beschwerde eingelegt und ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Eine Reduzierung der Herstellerrabatte nach § 130a Abs. 3a SGB V habe sie nie angestrebt; hier habe das Sozialgericht ihren Antrag unrichtig ausgelegt.

 

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau aufzuheben sowie

im Wege der einstweiligen Anordnung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung der Antragsgegnerin aufzugeben, dass Open-House Verfahren mit der EU-Bekanntmachungsnummer 2021/S 013-027101 zu dem Arzneimittel mit dem Wirkstoff Cholecalciferol, ATC A11CC05 bis zum Abschluss der Hauptsache unter Berücksichtigung und Einberechnung etwaig zu zahlender Herstellerrabatte gem. § 130a Abs. 3a SGB V bei der Rabatt- und Preisberechnung bei fortbestehender Beschaffungsabsicht fortzuführen;

2. Der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die jeweiligen Anordnungen jeweils ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR anzudrohen.

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen und hilfsweise,

im Falle des vollständigen oder teilweisen Obsiegens der Antragstellerin dieser eine angemessene Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage zu setzen.

Zur Begründung vertieft und wiederholt sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.

 

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

 

II.

A. Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber unbegründet.

 

Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist für den vorliegenden Eilantrag, da die Antragstellerin die Erweiterung ihrer Rechtsposition begehrt, die Vorschrift des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG.

 

Hiernach kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG liegt nicht vor (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), da keine Anfechtungsklage in der Hauptsache statthaft ist. Die angegriffene Regelung beruht auf einer vertraglichen Grundlage. Die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den das Begehren gestützt wird - voraus. Die Angaben hierzu hat die Antragstellerin glaubhaft zu machen, wobei auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Amtsermittlungsgrundsatz gilt (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], stattgebender Kammerbeschluss vom 25.02.2009, 1 BvR 120/ 09, Rn. 18, juris; § 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG; s.a. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 41). Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang für das Obsiegen in der Hauptsache eine erhöhte Wahrscheinlichkeit spricht. Ist beziehungsweise wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.

 

Soweit existenziell bedeutsame Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers zu entscheiden. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlangt dann eine besondere Ausgestaltung, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Soweit sich das Gericht an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert, sind diese abschließend zu prüfen (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 08.07.2020, 1 BvR 932/20, juris).

 

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Antragstellerin einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren. Der Antrag ist zwar zulässig (dazu bei 1.); jedoch liegt weder ein Anordnungsgrund vor noch ist ein Anordnungsanspruch (dazu bei 2. und 3.) erkennbar.

 

1. a) Ein Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG setzt nicht voraus, dass bereits in der Hauptsache eine Klage erhoben worden ist. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Regelung des § 86b Abs. 3a SGG.

 

b) Der Antrag ist ebenfalls nicht wegen seiner Unbestimmtheit unzulässig.

 

Denn der Antragsgegnerin steht zur Ausgestaltung des Vertrages ein nur beschränkt überprüfbarer Ermessenspielraum zu (vgl. EuGH, Urteil vom 26.03.2015, C-601/13, juris Rn. 28; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.12.2021, Verg 53/20, juris Rn. 53; Luthe in: Hauck/Noftz, SGB V, § 130a Rn. 46c). Nach § 130a Abs. 8 Satz 2 SGB V kann die Krankenkasse insbesondere eine mengenbezogene Staffelung des Preisnachlasses, ein jährliches Umsatzvolumen mit Ausgleich von Mehrerlösen oder eine Erstattung in Abhängigkeit von messbaren Therapieerfolgen vereinbaren, wobei es sich um Regelbeispiele handelt und die Vorschrift mithin nicht abschließend ist (vgl. Luthe in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 130a Rn. 38). Dementsprechend ist ein Antrag, die Antragstellerin zu einem konkreten Handeln bzw. Berechnung zu verpflichten, unzulässig. Daher ist es zulässig, nur die Gesichtspunkte aufzuzeigen, die die Antragsgegnerin aus Sicht der Antragstellerin zukünftig bei der Durchführung des Vertrags oder einem neuen Vertragsschluss zu beachten hat. Dem wird der gestellte Antrag unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen dazu gerecht.

 

2. Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht worden.

 

a) Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist die Eilbedürftigkeit einer Angelegenheit. Damit unterscheidet sich das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wesentlich vom Hauptsacheverfahren. Das Bedürfnis für die im einstweiligen Rechtsschutz zu treffende Zwischenregelung ergibt sich daraus, dass es der Antragstellerin unzumutbar ist, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt daher Umstände voraus, aus denen sich die besondere Dringlichkeit der vorläufigen Regelung, also der Anordnungsgrund, ergibt. Ein Anordnungsgrund ist dann anzunehmen, wenn bei einem Abwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache schwere und unzumutbare Nachteile drohen würden, die nicht anders als durch den Erlass der einstweiligen Anordnung abgewendet und ohne eine solche Anordnung auch nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Ein Anordnungsgrund baut auf rechtlich geschützten Interessen auf, insbesondere Grundrechtsbeeinträchtigungen.

 

Die Frage, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist, darf nicht schematisch beurteilt werden. Erforderlich ist vielmehr eine wertende Betrachtung im Rahmen einer Einzelfallentscheidung, nämlich ob im konkreten Einzelfall ein wesentlicher Nachteil vorliegt, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen kann. Bei dieser Abwägung ist zu beachten, dass das Interesse an einer vorläufigen Regelung umso weniger zurückgestellt werden darf, umso schwerer die sich aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und umso geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass diese Belastungen im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können. Insbesondere darf nicht durch eine übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften der Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar verkürzt werden. Dies hat auch zur Folge, dass zur Gewährleistung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht überspannt werden dürfen (zur Rspr. des BVerfG zum Anordnungsgrund in sozialgerichtlichen Eilverfahren siehe nur BVerfG, Beschluss vom 01.10.2020, 1 BvR 1106/20, juris).

 

Eine Eilbedürftigkeit vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Antragstellerin ist (zunächst) dem Rabattvertrag rund ein Jahr vor Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 1. Februar 2021 beigetreten. Objektiv hat sich - außer der Bewertung durch die Antragstellerin - im letzten Jahr vor Antragstellung nichts geändert. Nach den vorgelegten Unterlagen bestand zudem ein weitgehend ähnlicher Vertrag mit der Antragstellerin und ähnlich vielen Wettbewerbern seit Februar 2019. Warum sich diese Situation nunmehr nach fast vier Jahren so verändert haben sollte, dass das weiterhin nur angekündigte Hauptsacheverfahren im Falle einer eventuellen Rechtsgutverletzung nicht mehr genügen sollte, hat die Antragstellerin trotz entsprechender Rüge der Antragsgegnerin nicht dargelegt oder gar glaubhaft gemacht.

 

Sofern die Antragstellerin vorträgt, sie habe bei einer Rahmenvereinbarung mit bis zu drei Teilnehmern anders kalkulieren können als wie nun bei vier, so fehlen hierzu nachvollziehbare Angaben. Die Intensität des Wettbewerbs hängt primär nicht von der Zahl der Mitbewerber ab, sondern von ihren jeweiligen Marktanteilen und ihrer Marktmacht. Substantiiert trägt die Antragsgegnerin hierzu vor, dass die Antragstellerin in den Abrechnungsmonaten 1/2022 und 2/2022 sowie auch 5/2022 (also nach Beitritt eines weiteren Herstellers zum Vertrag) einen Marktanteil von 87 % bzw. 88 % hatte. Dies lässt eine für die Antragstellerin kritische Lage nicht erkennen; zur Wirtschaftlichkeit hat sie keine Angaben gemacht. Auffällig ist auch, dass die Antragstellerin im Rahmen der Anfrage des Senats zum Streitwert ausführt, die Höhe ihres (befürchteten) Schadens hinge von weiteren Faktoren ab und ließe sich nicht beziffern. Es obliegt allerdings der Antragstellerin, die Unzumutbarkeit des Abwartens (aufgrund des zu erwartenden Schadens) darzulegen.

 

b) Es ist zudem nicht glaubhaft gemacht, dass eine Kündigung des Rabattvertrags für die Antragstellerin unzumutbar wäre. Hierzu hat die Antragsgegnerin substantiiert und unwidersprochen vorgetragen, dass im März 2022 Rabattverträge mit anderen Herstellern, nicht aber mit der Antragstellerin bestanden haben. Dies hat die Antragstellerin dadurch bestätigt, dass sie am 31. März 2022 den Abschluss eines solchen Rabattvertrags anbot. Im März 2022 betrug der Marktanteil nach den Darlegungen der Antragsgegnerin 66 %. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, dass eine Kündigung des Vertrages dazu führen würde, dass das von der Antragstellerin produzierte Arzneimittel mit dem hier streitigen Wirkstoff „nur noch in sehr geringen Ausnahmefällen zu Lasten der Antragsgegnerin abgegeben werde“, wie die Antragstellerin behauptet. Bei einem Marktanteil von 2/3 ist die Verordnung des von der Antragstellerin vertriebenen Medikaments kein Ausnahmefall. Nähere Angaben zu ihrer Preiskalkulation, Umsätzen oder Wirtschaftlichkeit hat die Antragstellerin trotz entsprechender Rüge durch die Antragsgegnerin nicht gemacht, so dass ihre Behauptung drohender Nachteile nicht glaubhaft gemacht ist. Zudem berücksichtigt sie nicht den Umstand, dass das vorliegende Präparat in der Regel nur ein einziges Mal zu Lasten der Antragsgegnerin verordnet und anschließend über einen längeren Zeitraum vom Versicherten selbst bezahlt wird.

 

3. Auch ein Anordnungsanspruch ist nicht erkennbar. Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn der Antragsteller nach materiellem Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat (Burkiczak, jurisPK-SGG, § 86b SGG, Rn. 384). Gegen den nach dem abgeschlossenen Rabattvertrag und danach zu gewährenden Preisnachlass bestehen keine Bedenken.

 

a) Insbesondere ist die Anknüpfung des vertraglich vereinbarten Rabatts an den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zulässig. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass dieser Preis an mehreren Stellen des SGB V genannt wird (z.B. § 31 Abs. 3 Satz 3 SGB V). Insbesondere sieht § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V „einen Abschlag in Höhe von 7 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers“ vor, den die Apotheken zu zahlen haben. Auch das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof haben eine Anknüpfung an diesen Preis im Zusammenhang mit § 130a Abs. 3a SGB V nicht beanstandet (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.5.2007, 1 BvR 866/07, Rn. 3, juris; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 13.9.2005, 2 BvF 2/03, juris Rn. 244; EuGH, Urteil vom 2.06.2016, C-410/14, juris Rn. 42).

 

Schließlich ist hier zu Gunsten dieses Anknüpfungspunktes die Vertragsfreiheit beider Beteiligten nach § 53 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V zu berücksichtigen. Wie bereits ausgeführt, steht der Antragsgegnerin zur Ausgestaltung des Vertrages ein nur beschränkt überprüfbarer Ermessenspielraum zu (vgl. Luthe in: Hauck/Noftz, SGB V, § 130a Rn. 46c). Beanstandungen können lediglich darauf gestützt werden, dass die Vergabestelle einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt, aus willkürlichen bzw. sachfremden Erwägungen heraus gehandelt oder Bieter ungleich behandelt hat. Mit einer vertraglichen Rabattregelung bezogen auf den Abgabepreis fördert die Antragsgegnerin den Wettbewerb und mithin das Ziel des Gesetzgebers, die Kosten der gesetzlichen Krankenkassen zu senken (vgl. dazu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.02.21, L 4 KR 200/21 ER-B, juris).

 

b) Eine Anordnung des Senats, dass die Antragstellerin insgesamt nicht mehr als die von der Antragsgegnerin vorgegebenen 18 % Rabatt bezahlen müsste, wäre rechtswidrig. § 130a SGB V stellt nach seiner Gesamtsystematik und dem Wortlaut nicht auf einen Gesamtrabatt ab. Im Gegenteil heißt es ausdrücklich in § 130a Abs. 8 Satz 6 SGB V, dass eine solche Rabattvereinbarung mit der Krankenkasse die Abschläge nach den Absätzen 3a und 3b nicht berührt; Abschläge nach den Absätzen 1, 1a und 2 können danach abgelöst werden, sofern dies ausdrücklich vereinbart ist. Dies steht im deutlichen Unterschied zu § 130a Abs. 3a S. 8 SGB V, wonach Rabattbeträge, die auf Preiserhöhungen nach Absatz 1 und 3b zu gewähren sind, den Abschlag nach den Sätzen 1 bis 6 entsprechend vermindern (siehe auch die Verrechnung nach § 130a Abs. 1a S. 3 SGB V).

 

Selbst wenn man - wie die Antragstellerin - die These aufstellt, die Regelung des

 

§ 130a Abs. 8 S. 5 SGB V erfasse ein Open-House-Verfahren nicht, ergibt sich nichts anderes. Denn der abgeschlossene Vertrag enthält weder nach seinem Wortlaut noch nach den Darlegungen der Antragstellerin eine Regelung zur Berücksichtigung der Herstellerrabatte nach § 130a Abs. 3a SGB V. Im Gegenteil heißt dort in § 2 Abs. 4: „Die gesetzlichen Abschläge bleiben von der vertraglichen Rabattgewährung nach § 2 dieser Vereinbarung unberührt (§ 130a Abs. 8 Satz 6 SGB V)“.

 

c) Als mögliche Anspruchsgrundlage für ihr Begehren nennt die Antragstellerin vor allem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat aber bereits ausdrücklich zu Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V entschieden, dass diese keine öffentlichen Aufträge im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 darstellen (EuGH, Urteil vom 2.06.2016, C-410/14, juris Rn. 42).

 

Zwar gelten hier gleichwohl die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung, der gegenseitigen Anerkennung, der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz (vgl. Art. 2 der Richtlinie 2004/18; weiter EuGH, a.a.O., juris Rn. 3, 34, 44). Dieser Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist. Die Merkmale unterschiedlicher Sachverhalte und somit deren Vergleichbarkeit sind u. a. im Licht des Ziels und des Zwecks der unionsrechtlichen Maßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den diese Maßnahme fällt (EuGH, Urteil vom 26.09.2013, C-195/12, juris).

 

Eine Verletzung dieser Grundsätze kann der Senat nicht erkennen. Die Verträge sind für alle Anbieter völlig identisch; etwas anderes behauptet die Antragstellerin auch nicht. Ein Beitritt zu gleichen Bedingungen kann nur einen Beitritt entsprechend den gleichen gesetzlichen Vorgaben meinen, an die die Antragsgegnerin ohnehin gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG).

 

Ein Beitritt zu gleichen Bedingungen bedeutet insoweit entgegen der Ansicht die Antragstellerin nicht, dass für jedes zu Lasten der Antragsgegnerin abgegebene Arzneimittel mit einem vergleichbaren Wirkstoff der gleiche Gesamt-Rabattsatz verbindlich vorgegeben wird. Das Gegenteil folgt aus § 130a Abs. 3a SGB V; die danach im Sinne eines Preismoratoriums festgesetzten Herstellerrabatte unterscheiden sich zwangsläufig danach, um welchen Betrag die Hersteller die Preise angehoben haben (siehe dazu BSG, Urteil vom 25.10.2018, B 3 KR 10/16 R, juris; die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschluss vom 29.10.2021 - 1 BvR 1708/19, unveröffentlicht). Es beruht auf der freien unternehmerischen Entscheidung der Antragstellerin, ihre Preise zu erhöhen. Dies kann nicht zu Lasten der Antragsgegnerin gehen.

 

Diese Regelung des § 130a Abs. 3a SGB V hat die Antragstellerin ausdrücklich als „hinzunehmen“ bezeichnet. Dieser Herstellerrabatt ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens, so dass die Kritik der Antragstellerin schon aus diesem Grund nicht nachvollziehbar ist. Insbesondere können die von der Antragstellerin behaupteten unterschiedlichen Erlöse pro verkauftes Medikament von über 10 € bei ihren Konkurrenten und nur 1,48 € bei ihr nicht auf den Rabatt von 18 % der streitigen Vereinbarung zurückgeführt werden, falls diese Behauptungen der Antragstellerin zutreffend sind. Die Antragstellerin hat selbst ausgeführt, dass der im Vertrag geregelte Rabatt von

 

18 % zu Nachlässen bei ihr bzw. den Konkurrenten von 4,40 € bzw. 3,21 € führe und dies als „annähernd identisch“ bezeichnet. Eine diskriminierende Wirkung des Rabattvertrags ist nicht ersichtlich.

 

Etwas Anderes würde aber gelten, wenn die Antragstellerin mit einem Antrag durchdringen würde, nach dem der Abschlag nach § 130a Abs. 3 SGB V auf den Rabatt nach § 130a Abs. 8 SGB V anzurechnen wäre. Sollte wie hier vorgetragen der Herstellerrabatt gemäß § 130a Abs. 3a SGB V höher liegen als der Rabatt nach § 130a Abs. 8 SGB V, so würde ein Beitritt zu einem Rabattvertrag ohne Zahlung eines Rabattes erfolgen. Damit würden die Regelung des § 130a Abs. 8 SGB V und der Vertrag selbst leerlaufen und die Antragstellerin unzulässig von den vertraglich vereinbarten Rabatten vollständig freigestellt. Die Preisreduktion bei den jeweiligen Teilnehmern des Open-House-Verfahrens wäre dann unterschiedlich, was nach der von der Antragstellerin abstrakt zutreffend dargelegten Rechtsprechung des EuGHs unzulässig ist.

 

d) Aus denselben Gründen scheidet eine Verletzung des Art. 3 GG aus. Dieser gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12.12.2012, 1 BvR 69/09, BVerfGK 20, 159-164, Rn. 9 m.w.N.). Der Abschlag ist prozentual für aller Anbieter gleich hoch.

 

e) Ein Eingriff in die Berufsfreiheit liegt nicht vor.

 

aa) Dies wäre anzunehmen, wenn die grundrechtlich geschützte Tätigkeit ganz oder teilweise unterbunden wird oder sie aufgrund der staatlichen Maßnahme nicht mehr in der gewünschten Weise ausgeübt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 12.06.1990, 1 BvR 355/86, juris Rn. 62). Eine solche Folge ist weder mit der Ausschreibung der Rabattverträge und erst recht nicht durch den freiwilligen Beitritt der Antragstellerin unmittelbar verbunden. Die Antragstellerin ist durch diese nicht gehindert, Arzneimittel mit dem Wirkstoff Cholecalciferol herzustellen, in den Verkehr zu bringen und auf dem Markt anzubieten. Die Ausschreibung der Antragsgegnerin bietet ihr vielmehr eine Möglichkeit, ihre Produkte auch im Rahmen der Arzneimittelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung zu verkaufen (so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.02.2021, L 4 KR 200/21 ER-B, juris Rn. 63).

 

bb) Der besondere Freiheitsraum, den das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG sichern will, kann auch dann berührt sein, wenn die Auswirkungen hoheitlichen Handelns geeignet sind, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen. Das ist insbesondere bei staatlicher Planung und Subventionierung mit berufsregelnder Tendenz möglich (BVerfG, Beschluss vom 12.6.1990, 1 BvR 355/86, juris Rn. 63). Daran fehlt es aber vorliegend. Denn die ausgeschriebenen Rahmenverträge enthalten keine planerischen Elemente. Eine Subventionierung erfolgt nicht. Vielmehr treten die Antragstellerin und ihre Konkurrenten auf der Angebotsseite auf dem Arzneimittelmarkt so auf, wie sie dies auch ohne Vertrag tun.

 

cc) Das Grundrecht umfasst auch die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit den Interessenten auszuhandeln (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.5.2007, 1 BvR 866/07, juris Rn. 16). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass eine Regelung, die einen (anders als hier) zwangsweise zu gewährenden Preisabschlag zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen vorsieht, an der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen ist (vgl. BVerfG, a.a.O.). Aufgrund des freiwilligen Beitritts zum Vertrag liegt kein solcher Eingriff vor.

 

Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags beeinflusst die handelnde staatliche Stelle den Wettbewerb nicht von außen, sondern wird selbst auf der Nachfrageseite wettbewerblich tätig und eröffnet so einen Wettbewerb zwischen den potenziellen Anbietern. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Nachfragers, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren er das günstigste Angebot auswählt. Dementsprechend trägt ein Wettbewerber auf der Angebotsseite stets das Risiko, dass seinem Angebot ein anderes, für den Nachfrager günstigeres vorgezogen wird (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.5.2007, 1 BvR 866/07, juris Rn. 16). Art. 12 GG umfasst keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006, 1 BvR 1160/03, juris Rn. 61 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01.11. 2010, 1 BvR 261/10, juris Rn. 11 m.w.N.).

 

Selbst wenn man infolge des (behaupteten) indirekten Zwangs aufgrund der Regelung des § 129 Abs. 1 S. 3 SGB V, einen solchen Vertrag abzuschließen, einen Eingriff in Art. 12 GG annehmen würde, wäre dieser durch einen vernünftigen Grund des Gemeinwohls gerechtfertigt (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 17, juris zu § 130a Abs. 3b SGB V). Ein solcher Grund liegt in dem seitens des Gesetzgebers verfolgten Ziel der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit festgestellt, dass sogar die Senkung der Arzneimittelpreise durch Einführung eines zwangsweise zu gewährenden Abschlags im Hinblick auf dieses Ziel geeignet und erforderlich ist (vgl. BVerfG, a.a.O. m.w.N.). Auch die Angemessenheit begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass die Arzneimittelhersteller zwar Belastungen unterworfen sind, sie aber zugleich von der Einbindung in das System der gesetzlichen Krankenversicherung profitieren. Insofern sind Belastungen grundsätzlich hinzunehmen, soweit sie die Betroffenen nicht unzumutbar belasten (BVerfG, a.a.O. m.w.N.). Dies muss hier bei einem vertraglich freiwillig vereinbarten Rabatt erst recht gelten.

 

Der Senat geht davon aus, dass in Fallkonstellationen wie der vorliegenden wirtschaftlich abzuwägen ist, ob die u.U. geringen Gewinne oder vielleicht sogar Verluste bei einer Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse hinzunehmen sind, um anschließend bei dem freien Verkauf entsprechende Gewinne zu erzielen. Solche Kalkulationen sind in vielen Bereichen des Wirtschaftslebens anzustellen. Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang dargelegt, dass die Antragstellerin einen Großteil ihres Präparates außerhalb des Versorgungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung absetzt. Denn normalerweise wird nur die erste Aufsättigungspackung des Präparats zur Normalisierung des Vitamin-D-Mangels - zu nichts anderem dient der Wirkstoff Cholecalciferol - zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet. Viele Versicherte nehmen jedoch aus Gründen der Prophylaxe das Arzneimittel langfristig und bezahlen es selbst. Bei derartigen Privatrezepten fließt der Antragstellerin der gesamte Abgabepreis ohne Rabatte zu. Es dürfte daher für die Antragstellerin eine gesamtwirtschaftliche Prüfung und Berechnung unter Berücksichtigung der Abgabenmengen zulasten der Krankenkassen und auf Privatrezept sein, zu welchem Preis sie ihr Arzneimittel auf dem Markt anbietet.

 

Falls die Antragstellerin dieses Produkt - anders als ihre Konkurrenten - insgesamt nicht mehr wettbewerbsfähig herstellen könnte, so ist dies auch im Lichte des Art.12 GG hinzunehmen. Hier gelten auf dem Arzneimittelmarkt keine Besonderheiten.

 

Ins Leere geht der Hinweis der Antragstellerin, sie sei ein forschendes Unternehmen. Dem Ertragsrahmen entsprechender Forschung wird durch das Patentrecht und entsprechende Alleinvertriebsrechte Rechnung getragen, wie die Antragsgegnerin unwidersprochen dargelegt hat.

 

B. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung die Antragstellerin.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG nicht anfechtbar.

 

C. Der Streitwert bemisst sich nach § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Das Gericht entnimmt § 53 Abs. 2 Nr. 4 GKG den bindenden Verweis, (auch) den Wert eines Verfahrens nach § 86b SGG ggf. nach dem Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen. Für eine nachgesetzliche Ableitung von Bruchteilen dieses Streitwerts ist kein Raum (so im Ergebnis auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.3.2021, L 1 P 27/20 B ER, juris Rn. 32; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.11.2010, L 9 KA 2/10 ER KL, juris Rn. 35; LSG NRW, Beschluss vom 08.09.2021, L 11 KR 772/20 ER, juris Rn. 34). Dies ist auch vor dem Hintergrund sachlich gerechtfertigt, dass der Streitwert nach § 52 Abs. 2 GKG mangels Schätzbarkeit als gegriffene Größe bestimmt wird. Er ist im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes genauso wenig widerlegbar, wie er im Rahmen endgültigen Rechtsschutzes belegbar ist.

 

Der Senat hat die Streitwertbestimmung gem. § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG auf das erstinstanzliche Verfahren erstreckt.

 

Auch dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.

Rechtskraft
Aus
Saved