1. Eine ununterbrochene fünfjährige Meldung im Bundesgebiet nach dem Bundesmeldegesetz (BMG) ist keine gesetzliche Voraussetzung einer Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB II.
2. Nach erstmaliger Anmeldung ist lediglich der Nachweis eines fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthalts erforderlich.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2022 abgeändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 22. Juli 2022 bis 30. Juni 2023, längstens jedoch bis zur Bestandskraft eines Bescheides über den am 22. Juli 2022 gestellten Leistungsantrag, monatlich in Höhe von 80 Prozent des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie zwei Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Antragsteller ist am 1972 geboren und p Staatsangehöriger. Er hält sich derzeit ohne festen Wohnsitz in Deutschland auf. Nach eigenen Angaben ist er 1999 erstmals eingereist. Der Antragsteller war wie folgt in Berlin gemeldet: Erste Meldeadresse in der Wstr. in B F-K, Einzug zum 11. September 2009 (Abmeldung am 2. Dezember 2009); am 6. November 2012 Einzug in die Sstr. in BL (Abmeldung am 4. Mai 2014); am 17. Februar 2021 meldete er sich in der Wstr. in BL zum 4. Februar 2021 an.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 bestätigte der Bürgerhilfe e. V. Wohnungslosentagesstätte gegenüber der Caritas-Krankenwohnung für Wohnungslose, dass sie den Antragsteller seit Jahren als regelmäßigen Besucher der Einrichtung kennen würde. Die Pfarrerin der evangelischen Tr Kirchengemeinde erklärte mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 gegenüber der Caritas-Krankenwohnung für Wohnungslose, dass es nach Erinnerungen eines schon lange in der Kirchengemeinde tätigen (namentlich bezeichneten) Mitarbeiters als gesichert gelten könne, dass der Antragsteller mindestens seit dem Winter 2013/2014 das von der Gemeinde im Winterhalbjahr betriebene Nachtcafé für Obdachlose regelmäßig aufgesucht habe.
Im Januar 2021 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er gab an, obdachlos zu sein und über kein Einkommen oder Vermögen zu verfügen. Mit Bescheid vom 1. März 2021 lehnte der Antragsgegner die Leistungsgewährung ab.
Mit Bescheinigungen vom 4., 10. und 25. Februar 2021, 4. und 15. März 2021 bestätigte die Soziale Wohnhilfe des Bezirksamtes L die Reservierung eines Einzelschlafplatzes zum Tagessatz von 24,25 € für die Zeit vom 4. Februar bis 23. März 2021 für den Antragsteller.
Im August 2021 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er gab an, aus Pfandflaschenerlösen und Spenden monatliche Einkünfte von durchschnittlich 35,00 Euro zu erzielen. Er fügte dem Antrag eine schriftliche Erklärung an, aus der sich ergab, dass er seinen Lebensunterhalt bestreite, indem er Unterstützungs-Angebote von sozialen Einrichtungen wie der Bürgerhilfe oder von Kirchen, z. B. von Suppenküchen, annehme. Daneben sammle er Pfandflaschen und erhalte von Menschen im Kiez Sach- oder Geldspenden.
Mit Bescheid 25. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2022 lehnte der Antragsgegner die Leistungsgewährung für die Zeit ab August 2021 erneut ab. Hiergegen ist eine Klage am Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 107 AS 442/22 anhängig. Am 22. Juli 2022 stellte der Antragsteller bei dem Antragsgegner erneut einen Leistungsantrag.
Ebenfalls am 22. Juli 2022 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er hat zunächst laufende Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts einschließlich Kranken- und Pflegeversicherung und Unterkunftskosten seit dem 13. September 2021 begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei ohne festen Wohnsitz und benötige Geld für Nahrungsmittel, Krankenkasse und Übernachtungsmöglichkeiten. Er übernachte zur Zeit auf der Straße und sei gehbehindert. Durch die Gehbehinderung seien auch seine Selbsthilfemöglichkeiten, z. B. durch Flaschensammeln, stark eingeschränkt.
Mit Beschluss vom 25. Juli 2022 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine rückwirkende Erbringung von Leistungen für die Zeit vor der Entscheidung komme nicht in Betracht. Für die Vergangenheit sei grundsätzlich kein Anordnungsgrund gegeben, für diese Zeit habe sich der Antragsteller bereits selbst geholfen und seinen Bedarf anderweitig gedeckt, der Antragsteller bestreite seit eineinhalb Jahren seinen Lebensunterhalt anderweitig. Auch aktuell seien seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als ungeklärt anzusehen, da er in der Vergangenheit über einen langen Zeitraum schließlich in der Lage gewesen sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Darüber hinaus sei nicht nachgewiesen, dass der Antragsteller sich seit mehr als fünf Jahren durchgehend in Deutschland aufhalte. Der Beschluss wurde am 9. September 2022 zugestellt.
Am 7. Oktober 2022 hat der Antragsteller hiergegen Beschwerde beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhoben, soweit ihm ab dem Zeitpunkt, zu dem er sich an das Sozialgericht gewandt hat (22. Juli 2022), Leistungen versagt worden sind. Zur Begründung hat er ausgeführt, es sei zynisch, dass das Sozialgericht seinen Antrag im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt habe, dass er mehr als eineinhalb Jahre ohne Leistungen ausgekommen sei, dann werde er auch weiterhin ohne Leistungen auskommen. Am 28. Oktober 2022 hat der Antragsteller eine Erklärung seiner Schwester, Frau M D, vom 25. Oktober 2022 und eine Erklärung einer Mitarbeiterin des Obdachlosen-Nachtcafés der Evangelischen Taborkirchengemeinde, Frau U K, vom 11. Oktober 2022 vorgelegt. Die Schwester des Klägers hat an Eides statt erklärt, dass sie selbst 2010 nach Deutschland gekommen sei, zu dieser Zeit sei ihr Bruder schon in Deutschland gewesen. Ob er sich in den folgenden Jahren ständig in Deutschland aufgehalten habe, könne sie nicht mehr sagen. Sie erinnere sich jedoch gut an die neuere Zeit bis zum Jahre 2017, in dieser Zeit hätten sie, ihr Mann und ihre Kinder den Bruder öfters auf der Straße in ihrem Kiez (W-Kiez) gesehen und würden ihn bis heute dort sehen. Er komme auch in unregelmäßigen Abständen zu ihr zum Essen und Duschen. Ihr Bruder habe dabei nie von irgendwelchen längeren Aufenthalten außerhalb von B berichtet. Auch durch seine Gehbehinderung sei ihm ein Standortwechsel stark erschwert. Sie habe daher den festen Eindruck gewonnen, dass sich ihr Bruder seit 2017 ständig in B aufhalte. Die Mitarbeiterin des Obdachlosen-Nachtcafés hat an Eides statt erklärt, dass sich der Antragsteller nach ihrer Wahrnehmung mindestens seit Oktober 2017 ständig in Deutschland aufgehalten habe. Im Winterhalbjahr von Mitte Oktober bis Ende April habe er nahezu regelmäßig in dem wöchentlichen Obdachlosen-Nachtcafé übernachtet. Seit der Coronapandemie seien die Übernachtungen dort auch namentlich erfasst worden.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2022 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm für die Zeit ab 22. Juli 2022 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen und Kosten der Unterkunft zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist auf die den Beschluss tragenden Gründe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2022 teilweise erhobene Beschwerde des Antragstellers ist frist- und formgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Beschwerde ist in dem tenorierten Umfang auch begründet. Der Antragsgegner ist im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, dem Antragsteller für die Zeit vom 22. Juli 2022 bis 30. Juni 2023 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts monatlich in der tenorierten Höhe des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 nach dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz zu gewähren. Darüber hinaus ist die Beschwerde unbegründet.
Der Antragsteller hat vorläufig einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II in Gestalt des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 Abs. 1, § 20 SGB II, der auch die Versicherungspflicht des Antragstellers in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung begründet (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Abs. 2 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch). Grundlage hierfür ist im Ergebnis eine verfassungsrechtlich gebotene Folgenabwägung im Hinblick auf die im gerichtlichen Eilverfahren nicht abschließend zu klärende Frage, ob der Antragsteller einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 und 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch SGB II (SGB II) unterliegt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs voraus, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen - § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2019 - 1 BvR 169/19 – , Rn 15, wohl zuletzt Beschlüsse vom 10. März 2022 – 1 BvR 484/22 – und vom 8. Juli 2020 – 1 BvR 932/20 –,juris). Vorliegend ist das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG berührt (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, Rn 62; sowie Beschluss vom 19. Oktober 2022 – 1 BvL 3/21 –, Rn. 53 ff; jeweils juris).
1. Ein Anordnungsgrund ergibt sich für die vorläufige Erbringung existenzsichernder Leistungen an den Antragsteller bereits daraus, dass nichts dafür ersichtlich ist, dass dem Antragsteller über die von ihm genannten Einnahmen aus Betteln und Flaschensammeln in Höhe von monatlich etwa 35,00 Euro und die Nutzung caritativer Einrichtungen hinaus Mittel zur Verfügung standen oder stehen, um sein in Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verbürgtes Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum aus eigener Kraft zu sichern. Vor dem Hintergrund, dass die Pfarrerin der evangelischen T Kirchengemeinde gegenüber der Caritas-Krankenwohnung für Wohnungslose mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 mitgeteilt hat, dass es als gesichert gelten könne, dass der Antragsteller mindestens seit dem Winter 2013/2014 das von der Gemeinde im Winterhalbjahr betriebene Nachtcafé für Obdachlose regelmäßig besucht, was auch die Mitarbeiterin des Nachtcafés, Frau K, jedenfalls für die Zeit ab Oktober 2017 bestätigt hat, geht es zur Überzeugung des Senates an der Lebensrealität vorbei, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers als „ungeklärt“ zu bezeichnen. Auch die Schwester des Antragstellers, Frau D, hat bestätigt, dass der Antragsteller sich auf der Straße, überwiegend in ihrem Kiez, aufhalte und gelegentlich bei ihr essen und duschen dürfe. Es ist zwar nicht gänzlich auszuschließen, dass sich ein Mensch den Strapazen eines Lebens auf der Straße, verbunden mit dem täglichen Betteln, der Suche nach einer Mahlzeit und einer Möglichkeit zur Übernachtung in einer Obdachlosenunterkunft oder unter freiem Himmel aussetzt, obwohl er nicht aus wirtschaftlichen Gründen hierzu gezwungen ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens dieser Tatsache steht jedoch der Glaubhaftmachung der Mittellosigkeit des Antragstellers zur Deckung seines Existenzminimums nicht entgegen. Denn eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Hierfür genügt es, wenn nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Danach ist nach der Gesamtwürdigung der Umstände davon auszugehen, dass der Antragsteller über keine Mittel verfügt, mit denen er sein Existenzminimum und damit ein menschenwürdiges Dasein aus eigener Kraft sichern kann. Ohne die vorläufige Gewährung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts drohen dem Antragsteller daher schwere und unzumutbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können, weil der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden kann, in dem er besteht (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 –, BVerfGE 125, 175-260, Rn. 140, juris).
2. Ob der Antragsteller einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II in Gestalt des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 Abs. 1, § 20 SGB II hat, ist in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vollständig aufzuklären. Es spricht jedoch gegenwärtig überwiegendes für einen solchen Anspruch.
a. Die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners ist von diesem nicht bestritten. Sie ergibt sich aus Nr. I der Vereinbarung zwischen dem Land Berlin und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit zur Regelung über die örtliche Zuständigkeit für wohnungslose Leistungsberechtigte nach dem SGB II in der ab 1. Juli 2019 gültigen Fassung i. V. m. der entsprechend anwendbaren Regelung in Nr. 3.1 der Ausführungsvorschriften über die örtliche Zuständigkeit für die Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII vom 9. Mai 2019 (AVZustSoz; Anlage 1 zur Vereinbarung). Danach ist der Antragsgegner örtlich zuständig, da der Antragsteller in dessen Amtsbezirk seinen Wohnsitz im Sinne der Ausführungsvorschriften hat. Als Wohnsitz gilt danach die letzte durch Eintrag im Personalausweis nachgewiesene bzw. durch Rückfrage beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO)/Bürgeramt ermittelte melderechtliche Anmeldung in einer Wohnung. Am 17. Februar 2021 erfolgte die Anmeldung des Einzugs des Antragstellers in die Wstr. in B L zum 4. Februar 2021. Auch die letzte zuvor gemeldete Wohnanschrift in der Snstr. (Einzug zum 6. November 2012, Abmeldung am 4. Mai 2014) befand sich in BL.
b. Nach § 19 Abs. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Als alleinstehender Leistungsberechtigter hat der Antragsteller bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf einen Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1, der seit dem 1. Januar 2022 449,00 Euro monatlich beträgt (§ 20 Abs. 1a SGB II i. V. m. § 28 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch i. V. m. dem Regelbedarfsermittlungsgesetz vom 9. Dezember 2020 [BGBl. I S. 2855] i. V. m. der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2022 vom 13. Oktober 2021 [BGBl. I S. 4674]).
Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Diese Voraussetzungen sind für den Antragsteller erfüllt. Er ist Unionsbürger p Staatsangehörigkeit, der ohne nennenswerte Einkünfte und Vermögen, mit denen er sein Existenzminimum aus eigener Kraft sichern könnte, auf der Straße lebt. Die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers hat der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt. Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, genauer in B, hat und dass er hilfebedürftig ist. Die Schwester des Antragstellers, Frau D, hat bestätigt, dass der Antragsteller sich auf der Straße, überwiegend in ihrem Kiez aufhält und gelegentlich zu ihr kommt, um dort zu essen oder zu duschen. Auch die Pfarrerin der evangelischen T Kirchengemeinde hat versichert, dass der Antragsteller mindestens seit dem Winter 2013/2014 das von der Gemeinde im Winterhalbjahr betriebene Nachtcafé für Obdachlose regelmäßig besucht, was auch die Mitarbeiterin des Nachtcafés, Frau K, jedenfalls für die Zeit ab Oktober 2017 bestätigt hat. Damit spricht nach der Gesamtwürdigung aller Umstände alles dafür, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in B in Deutschland hat. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Wie bereits unter 1. dargestellt, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Antragsteller über die von ihm genannten Einnahmen aus Betteln und Flaschensammeln in Höhe von etwa 35,00 Euro monatlich und die Nutzung caritativer Einrichtungen hinaus Mittel zur Verfügung standen oder stehen, um ein menschenwürdiges Existenzminimum aus eigner Kraft zu sichern. Auch dass der Antragsteller offenbar von seiner Schwester gelegentlich mit Essen versorgt wird, steht der Annahme einer Hilfebedürftigkeit nicht entgegen, da diese Hilfe keinesfalls ausreichend erscheint, um das menschenwürdige Existenzminimum des Antragstellers umfassend zu sichern.
c. Nicht vollständig aufklärbar ist nach der im vorläufigen Rechtschutzverfahren nur möglichen, aber grundsätzlich auch nur gebotenen summarischen Prüfung, ob der Antragsteller von den Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SGB II ausgeschlossen ist. Nach der Bestimmung sind von einer Leistungsberechtigung nach dem SGB II ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr. 1), Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr. 2), sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (Nr. 3). § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nr. 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des FreizügG/EU festgestellt wurde, was hier jedoch nicht der Fall ist. Die Frist beginnt nach § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.
Der Antragsteller ist als p Staatsangehöriger Ausländer ohne erkennbares anderweitiges Freizügigkeits- oder Aufenthaltsrecht. Er hat zur Überzeugung des Senates glaubhaft gemacht, dass er seit mindestens fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.
Die Frist beginnt – so § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II – mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Die Leistungsberechtigung kraft tatsächlichen Inlandsaufenthalts setzt zur Überzeugung des Senates nicht voraus, dass der Antragsteller ununterbrochen bei der Meldebehörde gemeldet war. Erforderlich ist lediglich, dass nach einer erstmaligen Anmeldung, die länger als fünf Jahre zurückliegt, ein fünfjährige Aufenthalt nachgewiesen ist, ggf. auch mit nicht melderechtlich erfassten Zeiten (vgl. hierzu bereits die Entscheidung des Senates mit Beschluss vom 21. Oktober 2021 – L 19 AS 929/21 B ER –, Rn. 5 f; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Mai 2020 – L 18 AS 1812/19 –, Rn. 20; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9. Dezember 2019 – L 6 AS 152/19 B ER –, Rn. 9; LSG Hamburg, Beschluss vom 20. Juni 2019 – L 4 AS 34/19 B ER –, Rn. 5 alle juris; Leopold, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. Stand 29. November 2021, § 7 Rn. 165; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 31. Mai 2021 – L 5 AS 457/21 B ER –, Rn. 7 und vom 4. Mai 2020 – L 31 AS 602/20 B ER –, Rn. 4; Hessisches LSG, Beschluss vom 16. Oktober 2019 – L 7 AS 343/19 B ER –, Rn. 24, alle juris). Dass eine Anmeldung nach dem Bundesmeldegesetz während der gesamten Dauer der Fünfjahresfrist ununterbrochen ist, ist keine gesetzliche Voraussetzung eines Leistungsanspruchs. Eine solche Deutung findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze. Der Wortlaut deutet vielmehr auf eine gegenteilige Auslegung, nämlich dass die Anmeldung lediglich den Lauf der Fünfjahresfrist auslöst. Es hätte nahe gelegen, das vermeintliche Erfordernis einer melderechtlichen Kontinuität an dieser Stelle im Gesetz aufzunehmen. Dies ist aber gerade nicht geschehen. Für eine wortlauterweiternde Auslegung, die zu einem größeren Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II führte, besteht kein Anlass. Gegen eine solche Auslegung spricht nicht zuletzt, dass Obdachlosigkeit kein eintragungsfähiger Inhalt im Melderegister ist. Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber Obdachlose, die sich nachweislich seit über fünf Jahren in Deutschland aufhalten und hier auch bereits gemeldet waren, von Leistungen ausschließen wollte, sind nicht ersichtlich (vgl. auch Geiger, in: Münder/Geiger, SGB II, 7. Aufl. 2021, § 7 Rn. 42).
Ausweislich des am 9. November 2022 vom Gericht online aus dem Melderegister abgerufenen erweiterten Datensatzes zum Antragsteller bestand eine erste Meldeadresse in der Wstr. in B F-K mit Einzug zum 11. September 2009. Am 6. November 2012 ist ein Einzug in die Sstr. in B L gemeldet. Am 17. Februar 2021 erfolgte die Anmeldung des Einzugs in die Wstr. in B L zum 4. Februar 2021. Damit war der Antragsteller jedenfalls im September 2009 und im November 2012 bei der zuständigen Meldebehörde angemeldet, die Frist des § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II ist inzwischen abgelaufen. Es kann daher offenbleiben, ob § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II mit dem Erfordernis einer Meldung bei der Meldebehörde mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG vereinbar ist, ob also eine mindestens fünf Jahre zurückliegende Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde auch in den Fällen erforderlich ist, in denen für denselben Zeitraum der Aufenthalt in Deutschland nachgewiesen ist (vgl. für die gleichlautende Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 8 SGB XII etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2021 – L 9 SO 56/21 B ER –Rn. 17 ff; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Juni 2017 - L 15 SO 112/17 B ER –, Rn 25, jeweils juris).
Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass er seit mindestens fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Zur Überzeugung des Senates steht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Antragsteller jedenfalls seit Anfang 2017 seinen gewöhnlichen Aufenthalt durchgängig in B in Deutschland hat. Seine Schwester hat hierzu am 25. Oktober 2022 erklärt, dass sie sich gut an die neuere Zeit bis zum Jahre 2017 zurückerinnern kann. In dieser Zeit hätten sie, ihr Mann und ihre Kinder den Bruder öfters auf der Straße in ihrem Kiez (W-Kiez) gesehen und sie würden ihn auch bis heute dort sehen. Sie hat weiter geschildert, dass ihr Bruder in unregelmäßigen Abständen zu ihr zum Essen und Duschen komme und dabei nie von irgendwelchen längeren Aufenthalten außerhalb von B berichtet habe. Auch durch seine Gehbehinderung sei ihm ein Standortwechsel stark erschwert. Ihr aus diesen Gesamtumständen gewonnener fester Eindruck, dass sich ihr Bruder seit 2017 ständig in B aufhalte, ist für den Senat durch ihre plastische, lebensnahe Darstellung gut nachvollziehbar. Die Schwester des Antragstellers hat weitergehend erklärt, der Antragsteller habe bereits in B gelebt, als sie 2010 nach B gekommen sei, er, der Antragsteller, habe seinerzeit mit ihrem Ehemann zusammengearbeitet. Der Aufenthalt wird weiter bestätigt durch die Erklärung einer Mitarbeiterin des Obdachlosen-Nachtcafés der Evangelischen T Kirchengemeinde, Frau U K, vom 11. Oktober 2022. Sie hat ebenfalls ausgeführt, dass sich der Antragsteller nach ihrer Wahrnehmung mindestens seit Oktober 2017 ständig in Deutschland aufgehalten habe und in dieser Zeit im Winterhalbjahr von Mitte Oktober bis Ende April nahezu regelmäßig in dem wöchentlichen Obdachlosen-Nachtcafé übernachtet habe. Dass die Mitarbeiterin den Antragsteller erst ab Oktober 2017 sicher wahrgenommen hat, steht nicht in Widerspruch zu den Angaben der Schwester des Antragstellers, denn das Obdachlosencafé der T Kirchengemeinde wird nur im Winterhalbjahr ab Oktober jeden Jahres betrieben. Auch die Pfarrerin der evangelischen T Kirchengemeinde hat bestätigt, dass der Antragsteller mindestens seit dem Winter 2013/2014 das von der Kirchengemeinde betriebene Nachtcafé für Obdachlose regelmäßig besucht. Hinzu kommt, dass auch ein Mitarbeiter der Bürgerhilfe e. V. Wohnungslosentagesstätte mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 gegenüber der Caritas-Krankenwohnung für Wohnungslose bestätigt hat, dass er seit Jahren den Antragsteller als regelmäßigen Besucher der Einrichtung kenne.
Es ist zwar anhand der Erklärungen der Pfarrerin der T Kirchengemeinde und der Mitarbeiterin des Obdachlosen Nachtcafés nicht vollständig auszuschließen, dass der Antragsteller sich nur im Winterhalbjahr durchgängig in B aufhält und im Sommer z. B. in P lebt. Überwiegend wahrscheinlich ist jedoch, dass er das ganze Jahr über in B ist. Denn nach der Gesamtwürdigung aller Umstände sind keine Gründe erkennbar, warum er trotz erheblicher Einschränkung durch seine Gehbehinderung B verlassen sollte. Der Antragsteller benötigt ständig Gehhilfen. Es ist weder erkennbar noch vorgetragen, dass er in P oder an einem anderen Ort außerhalb Deutschlands Lebensbedingungen vorfinden könnte, die es auch nur als halbwegs realistisch erscheinen lassen, dass er für sich für eine gewisse Zeit zwischen April und Oktober außerhalb Deutschlands aufhält. Dagegen spricht auch die Erklärung der Schwester, dass der Antragsteller ihr gegenüber nie erwähnt hat, dass er Bvorübergehend verlassen habe oder dies plane und sie ihn zwar unregelmäßig, aber das ganze Jahr über im Kiez gesehen habe oder er sogar bei ihr zum Essen oder Duschen gewesen sei.
3. Nicht glaubhaft gemacht hat der Antragsteller hingegen einen aktuellen Bedarf für Unterkunft nach § 22 SGB II. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Der Antragsteller hat nichts dafür vorgetragen, dass ihm in der mit der Beschwerde nur noch geltend gemachten Zeit ab dem 22. Juli 2022 Unterkunftskosten tatsächlich entstanden sind oder entstehen werden. Die vorgelegten Bescheinigungen vom 4., 10. und 25. Februar 2021 und vom 4. und 15. März 2021, mit denen die Soziale Wohnhilfe des Bezirksamtes L die Reservierung eines Einzelschlafplatzes zum Tagessatz von 24,25 € für die Zeit vom 4. Februar bis 23. März 2021 für den Antragsteller bestätigt hat, betreffen die Zeit vor Einleitung dieses vorläufigen Rechtschutzverfahrens, für die mit der Beschwerde Ansprüche nicht mehr geltend gemacht worden sind. Mit Blick auf diese Bedarfe ist die Beschwerde zurückzuweisen.
4. Selbst wenn offen bliebe, ob der Antragssteller in den letzten fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt wirklich durchgehend in Deutschland hatte oder ob § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II - über seinen Wortlaut hinaus - eine fortwährende Meldung während der gesamten Dauer der Fünfjahresfrist voraussetzt, hat der Antrag gleichwohl Erfolg.
Wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können, darf sich das Gericht nur dann an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, wenn es die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. November 2018 - 2 BvR 80/18 –, Rn 8 und vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 1241/16 –, Rn 11, beide juris). Ist eine der drohende Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren hingegen nicht möglich, ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. März 2019 - 1 BvR 169/19 –, Rn. 15 m. w. N.; vom 20. November 2018 - 2 BvR 80/18 –, Rn. 8 und vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 1241/16 – , Rn 11, jeweils juris). Die grundrechtlichen Belange der Grundrechtsberechtigten sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, Rn. 26, juris).
Auch diese Folgenabwägung geht zugunsten des Antragstellers aus. Vorliegend ist – wie bereits dargestellt – der Anspruch auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG betroffen, dessen Beeinträchtigung auch nachträglich bei einem erfolgreichen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr ausgeglichen werden kann, weil nachträglich der elementare Lebensbedarf nicht befriedigt werden kann. Die Folgen einer vorübergehend abgelehnten Leistung wären für ihn irreparabel, auch wenn er in der Zukunft im Hauptsacheverfahren für einen dann zurückliegenden Zeitraum obsiegen würde. In die Abwägung einzustellen ist ferner auch, dass nach summarischer Prüfung jedenfalls eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Gestalt des Regelbedarfes tatsächlich zustehen. Das den Interessen des Antragstellers entgegenstehende öffentliche Interesse, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nur zu erbringen, wenn ein Anspruch auf diese Leistungen besteht, tritt hinter der drohenden Grundrechtsverletzung durch Unterdeckung des existenzsichernden Bedarfes und wegen der eher geringen Wahrscheinlichkeit, dass ein Anspruch nicht besteht, zurück.
5. Der Leistungszeitraum war in Anlehnung an § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II auf ein Jahr zu begrenzen, er beginnt mit dem (neuen) Leistungsantrag des Antragstellers am 22. Juli 2022. Zur Vermeidung der Vorwegnahme der Hauptsache war nach Ermessen und der ständigen Praxis des Senates ein Abzug von 20 Prozent vom Regelbedarf vorzunehmen. Die vorläufige Gewährung von 80 Prozent des Regelbedarfs erscheint zur Erreichung des Zwecks der einstweiligen Anordnung erforderlich, aber auch ausreichend (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Dabei wurde berücksichtigt, dass vor dem Sozialgericht noch ein zeitlich weitergehender, erfolglos gebliebener Anspruch geltend gemacht worden ist, der nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.