Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.03.2019 wird zurückgewiesen.
Die Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Vorsorgeaufwendungen (freiwillige Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung).
Bei dem 1973 geborene Kläger bestehen ua ein schweres Asperger- und ADHS-Syndrom, ein hochgradiges gemischtes Zwangssyndrom, eine Depression und multiple Phobien. Er ging ab September 1993 bis März 1997 einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Danach bezog er bis zum 31.12.2004 Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und vom 01.01.2005 bis zum 31.01.2013 Grundsicherung nach dem SGB II. Seit Februar 2013 erhielt er Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (DRV) mit Bescheid vom 20.04.2017 ab dem 01.12.2015 Dauerrente wegen voller Erwerbsminderung iHv 270,19 €/Monat bewilligte, erhält er Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Er bezieht außerdem eine Rente aus Polen iHv ca. 10 € monatlich.
Am 18.05.2017 beantragte der Kläger die Übernahme von freiwilligen Höchstbeiträgen zur Rentenversicherung ab dem 01.02.2013 bis zum 30.11.2040 iHv monatlich 1.131,35 € für 2015, 1.159,40 € ab 2016 und 1.187,45 € ab 2017. Der Kläger legte ein Schreiben der DRV vor, nach dem er zur Entrichtung freiwilliger Rentenversicherungsbeiträge berechtigt sei. Aus der beigelegten Rentenauskunft ergibt sich bei Einzahlung der genannten Beträge eine Regelaltersrente iHv 1.946,43 € ab dem 01.12.2040. Der Kläger trug vor, mit der Zahlung der Höchstbeträge sei er bei Eintritt in das Rentenalter nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig.
Mit Bescheid vom 31.08.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Ausgehend von den genannten Beträgen würden Kosten in Höhe von ca. 370.000 € entstehen. Nach der aktuellen Sterbetafel des statistischen Bundesamtes ergebe sich für den Kläger noch eine Lebenserwartung von 36,44 Jahren (80 Jahre). Die Beklagte würde daher ab dem 67. Lebensjahr 13 Jahre Leistungen einsparen. Für den Kläger ergebe sich derzeit ein Sozialhilfeanspruch von 738,85 €, der auf 13 Jahre hochgerechnet zu einer Entlastung der Beklagten iHv 115.260,60 € führen würde. Auch unter Berücksichtigung von künftigen Regelsatz- und Mieterhöhungen könne sich nur eine Einsparsumme unterhalb der begehrten Rentenbeiträge ergeben. Der monatliche freiwillige Betrag zur Rentenversicherung iHv aktuell 1.187,45 € übersteige den derzeitigen monatlichen Grundsicherungsanspruch von 738,85 € erheblich. Die beantrage Leistung stehe daher in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu dem Aufwand und der späteren Entlastung der Sozialhilfe. Nachdem der Kläger geltend machte, diesen Bescheid nicht erhalten zu haben, wurde der Bescheid erneut unter dem 19.02.2018 an den Kläger versandt.
Mit Schreiben vom 14.03.2018 legte der Kläger Widerspruch ein. Im Fall der freiwilligen Beitragszahlungen könne er mit Erreichen des Rentenalters seinen Lebensunterhalt unabhängig von Sozialleistungen bestreiten. Für die Beklagte ergebe sich hier eine Ersparnis, da die steigenden Lebenserhaltung und Wohnkosten in 20 Jahren in etwa die Höhe des aktuell errechneten Höchstbeitrags zur Rentenversicherung betragen würde. Wenn er mit 62 Jahren in Rente gehen würde, könne das Sozialamt über 100.000 € sparen. Die Ersparnis sei sogar noch größer, wenn er bereits im Alter von 60 Jahren mit dem Rentenbezug beginnen würde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei einem Renteneintritt mit 60 Jahren ergäben sich durchschnittliche Gesamtaufwendungen iHv 227.990,40 €, bei einem Renteneintritt mit 62 Jahren iHv 256.489 € und bei einem Renteneintritt mit 65 Jahren iHv 299.237,40 €. Auch ohne konkrete Vorhersage in Bezug auf die Entwicklung der Regelsätze und die Kosten der Unterkunft in den kommenden Jahren seien die Einsparungen erheblich geringer als die errechneten Beiträge. Zudem sei selbst bei einem Renteneintritt mit 67 Jahren bei einem prognostizierten Rentenhöchstsatz von 1.946,43 € nicht sichergestellt, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt vollständig ohne weitere Sozialleistungen bestreiten könne und keine besonderen Pflegeleistungen oder Leistungen für die Unterbringung in einer stationären Einrichtung benötige. Niemand könne vorhersehen, wie sich die Erkrankung des Klägers mit zunehmenden Alter entwickeln werde. Daher könne auch der Vortrag des Klägers, er benötige im Alter Stabilität, Sicherheit und Ruhe und dies werde durch ausreichende finanzielle Mittel gewährleistet, nicht überzeugen.
Der Kläger hat am 25.06.2018 bei dem Sozialgericht Duisburg Klage erhoben. Der angestrebte Rentenbezug würde auch die Kosten für einen Betreuer und ambulante Betreuungskosten decken. Darüber hinaus führe der Rentenbezug zu einer Stabilisierung seines Gesundheitszustandes, weil er keine Anträge stellen, Formulare ausfüllen, Kostennachweise einreichen oder Widersprüche verfassen müsse. Solche Belastungen seien bei einem psychisch erkrankten Menschen im Rentenalter unbedingt zu vermeiden. Die Beklagte übersehe, dass der Leistungsbezug sein Leben sehr negativ präge und er im Rentenalter nicht in der Lage sein werde, sich gegen die vielen falschen Bescheide zu wenden. Er sei bereits jetzt aufgrund seiner psychischen Verfassung, insbesondere wegen seiner emotionalen Zustände, den Depressionen und Zwängen nicht jederzeit in der Lage, ohne die Unterstützung seines Vaters allein die Probleme des täglichen Lebens zu bewältigen und den Tagesablauf zu organisieren.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.08.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2018 zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB XII in Form der Übernahme der Kosten für eine angemessene Alterssicherung - Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung - zu gewähren, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.08.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.06.2018 zu verpflichten, erneut ermessensfehlerfrei über den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine angemessene Alterssicherung zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Höchstbeiträge zur Rentenversicherung. In der Vergangenheit habe er keine freiwilligen Beiträge geleistet. Aufgrund nicht vorhersehbarer Entwicklungen beim zukünftigen Rentenniveau könne die später zu erwartende Rente zum heutigen Zeitpunkt keineswegs garantiert werden. Darüber hinaus könne der Kläger nicht wissen, welches Lebensalter er erreichen werde. Sollte der Kläger im Alter nicht mehr durch seinen Vater, sondern durch einen gerichtlich bestellten Betreuer oder sonst durch Familienangehörige versorgt werden, bestehe für ihn keine Notwendigkeit, sich mit Anträgen, Rechnungen und Ähnlichem auseinanderzusetzen.
Mit Urteil vom 25.03.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB XII seien nicht erfüllt. Die Vorschrift ziele in erster Linie darauf ab, die notwendigen Beiträge zu übernehmen, damit eine mit eigenen Mitteln begonnene Alterssicherung weitergeführt werden könne, um die für den Bezug des Altersruhegeldes vorgeschriebene Wartezeit zu erfüllen. Der Kläger habe die erforderliche Wartezeit bereits erfüllt. Das Begehren des Klägers, eine Rente über dem Sozialhilfeniveau zu erreichen, könne nur mit sehr hohen jahrzehntelangen monatlichen Zahlungen aus den Mitteln der Sozialhilfe erreicht werden, was nicht gerechtfertigt sei. Es stehe der Erforderlichkeit der Beitragszahlung entgegen, wenn eine finanzielle Verbesserung und eine Entlastung der Sozialhilfe erst nach vielen Jahren zu erreichen und völlig ungewiss sei. Auch Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Die Beklagte habe alle relevanten Umstände und Einwendungen des Klägers in ihre Entscheidung einbezogen und gewertet.
Gegen das am 12.04.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.04.2019 Berufung eingelegt. Unabhängigkeit von der Sozialhilfe sei für ihn aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich. Seit er von seinem Vater in allen Angelegenheiten vertreten und seiner Familie unterstützt werde, falle er deutlich weniger in depressive Zustände. Darüber hinaus übersehe die Beklagte die Kostenersparnis, die eintrete, wenn die Rentenbeiträge bis zum Eintritt in die Altersrente übernommen würden. Das Sozialgericht habe es unterlassen, eine konkrete Berechnung der Kostenersparnis durchzuführen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.03.2019 sowie den Bescheid vom 31.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2018 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm bis zum 60., spätestens bis zum 62. Lebensjahr Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen, hilfsweise erneut über seinen Antrag auf Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Eine konkrete Berechnung der Kostenersparnis bei einer Rentenbeitragszahlung durch den Sozialhilfeträger sei faktisch unmöglich. Zum jetzigen Zeitpunkt sei weder bekannt, in welchem Alter der Kläger seine Rente erreichen werde, noch welche Lebenserwartung der Kläger habe, noch wie hoch die Leistungen der Rentenversicherung wären.
Die DRV hat auf Nachfrage durch den Senat einen Versicherungsverlauf vorgelegt und mitgeteilt, der Kläger werde voraussichtlich ab dem 01.12.2040 eine Rente iHv 380,43 € erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der begehrten Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung oder auf Neubescheidung seines Antrags.
Die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 SGG) auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Höchstbeiträge ist unbegründet. Nach § 33 Abs. 1 SGB XII besteht kein gebundener Rechtsanspruch auf Leistung. Die Bewilligung der Kosten für eine angemessene Alterssicherung steht im Ermessen der Beklagten. Gesichtspunkte für eine Ermessenreduzierung auf Null und einen daraus folgenden Anspruch auf Zahlung der Beiträge hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Auch der hilfsweise im Wege der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 2, 131 Abs. 3 SGG) gestellte Antrag auf Neubescheidung ist unbegründet. Nach § 42 Nr. 2 iVm § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XII können für Personen, die Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII erhalten, Beiträge zur Rentenversicherung als Bedarf berücksichtigt werden, um die Voraussetzungen auf einen Anspruch auf eine angemessene Alterssicherung zu erfüllen, soweit die Beiträge nicht nach § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB XII vom Einkommen abgesetzt werden.
Eine Übernahme der Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ist iSd § 33 Abs. 1 SGB XII unangemessen und war der Beklagten als Ermessensleistung nicht möglich. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil an und nimmt auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Nach Grund und Höhe angemessen sind freiwillige Versicherungsbeiträge zur Alterssicherung nur, wenn aus der Sicht der maßgeblichen Bedarfszeit der Versicherungsaufwand und der Ertrag in einem wirtschaftlichen sinnvollen Verhältnis stehen (zu der Vorgängerregelung in § 14 BSHG BVerwG Urteil vom 24.06.1999 – 5 C 18/98). Nach der Eigenart der Sozialhilfe stellt die Vorsorge für einen erst künftig entstehenden und gegenwärtig noch nicht einmal notwendigen Bedarf eine Ausnahme dar (BVerwG Urteil vom 27.06.2002 - 5 C 43/01). Daher ist eine höhere Sozialhilfe als Folge der zusätzlichen freiwilligen Zahlungen zur Alterssicherung nur zu leisten, wenn diese absehbar zu einer Entlastung der Sozialhilfe führen wird. An der Angemessenheit fehlt es, wenn mit einer solchen Entlastung erst nach vielen Jahren zu rechnen ist, weil dann völlig ungewiss ist, ob die Erwartungen sich auch erfüllen (BVerwG Urteil vom 24.06.1999 – 5 C 18/98 zu einem Zeitraum von 17 Jahren).
Selbst wenn der im Jahre 2013 noch 40 jährige Kläger bereits mit 60 Jahren in Rente ginge, würden die neben dem tatsächlich anfallenden Sozialhilfebedarf zu zahlenden monatlichen Höchstbeiträge erst nach zwanzig Jahren zu einer Entlastung der Sozialhilfe führen. Dieser Zeitraum ist mit vielen umstrittenen Unwägbarkeiten verbunden, weil die Entwicklung der maßgeblichen Faktoren wie Lebenshaltungskosten, der Rentenversicherungsbeiträge, der späteren Rentenzahlungen sowie der Lebenserwartung des Klägers nicht absehbar sind. Gegen die Angemessenheit der Zahlung von Höchstbeiträgen spricht zudem der Umstand, dass Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze mangels finanzieller Kapazitäten keine Höchstbeiträge in dem vom Kläger begehrten Umfang zu tätigen pflegen, weil es nicht deren individuellen Lebenssituation entspricht (BVerwG Urteil vom 27.06.2022 – 5 C 43/01). Ist aber den in bescheidenen Verhältnissen lebenden, aber nicht sozialhilfebedürftigen Bürger nicht möglich, Höchstbeiträge zur Rentenversicherung zu erbringen, dann sind solche Aufwendungen auch nicht angemessen iSd § 33 SGB XII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) bestehen nicht.