Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.09.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Die am 00.00.1956 geborene Klägerin beantragte am 06.05.2016 die Feststellung eines Grades der Behinderung und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs „G“ („erhebliche Gehbehinderung“) mit der Begründung, sie leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Nach Beiziehung ärztlicher Befund- und Behandlungsberichte und der Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme vom 30.06.2016 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2016 einen GdB von 20 fest und erkannte als Beeinträchtigung eine seelische Störung an. Eine daneben bestehende Minderbelastbarkeit des rechten Kniegelenkes könne nicht berücksichtigt werden, da diese keinen Grad der Behinderung von 10 begründe. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“ seien nicht gegeben, da kein GdB von 50 bestehe. Auf den Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 26.07.2016 Widerspruch ein und führte aus, es liege eine nachhaltige posttraumatische Belastungsstörung vor, die zur Feststellung eines höheren GdB berechtige. Sie verwies ergänzend auf einen ärztlichen Bericht der Frau Dr. E, Hannover, vom 22.08.2016.
Nach Beiziehung weiterer Befund- und Behandlungsberichte und deren gutachterlicher Auswertung (Stellungnahme des Herrn Dr. X, C, vom 02.11.2016) wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.11.2016).
Mit der am 16.12.2016 zum Sozialgericht Detmold erhobenen Klage hat die Klägerin das auf die Feststellung eines GdB von mindestens 50 gerichtete Klagebegehren weitergeführt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie leide an einer massiven posttraumatischen Belastungsstörung mit Panikattacken und massiven Angstzuständen nach seit Jahrzehnten nicht behandelten Traumata. Zuletzt habe ihr ein Polizeieinsatz komplett den Boden unter den Füßen weggezogen, als Polizisten sich unbegründet Zugang zu ihrer Wohnung verschafft hätten. Die Bewertung ihres gesundheitlichen Leidens mit einem GdB von nur 20 sei nicht sachgerecht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2016 zu verurteilen, bei ihr ab dem 06.05.2016 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Art und Ausmaß der Behinderungen seien – so die Beklagte zur Begründung – zutreffend bewertet worden. Objektive Befunde, die die Zuerkennung eines GdB von 50 rechtfertigen könnten, lägen nicht vor.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung von Befund- und Behandlungsberichten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau D, C (Bericht vom 05.04.2017) und des Facharztes für Innere und Allgemeinmedizin Dr. U, C.
Sodann hat das Gericht zum Ausmaß der bestehenden Gesundheitsstörungen von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf orthopädischem und auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.
Herr Dr. H, Facharzt für Orthopädie, H, stellte in seinem aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 07.06.2017 erstatteten Sachverständigengutachten eine Funktionsstörung der Wirbelsäule, beider Kniegelenke sowie eine Funktionsstörung des linken Rückfußes fest. Die Funktionsstörung der Wirbelsäule sowie die Funktionsstörung beider Kniegelenke begründeten jeweils einen GdB von 10. Die Funktionsstörung des linken Rückfußes begründe keinen GdB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens vom 27.06.2017 Bezug genommen.
Herr T, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin, F, gelangte in seinem nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 28.08.2017 erstatteten Gutachten zu der Einschätzung, dass die Klägerin unter einer mittelschweren depressiven Episode leide, die einen Einzel-GdB von 30 begründe (VMG Ziff. 3.7). Unter Berücksichtigung der auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Funktionsstörungen sei ein Gesamt-GdB von 30 festzustellen.
Nachdem die Klägerin unter Vorlage diverser ärztlicher Atteste (Attest der Frau D vom 26.11.2017, Attest des Herrn Dr. U vom 28.11.2017) sowie eines psychiatrischen Gutachtens aus einem familiengerichtlichen Verfahren (Gutachten des Herrn Dr. R, C, vom 01.12.2016) Einwände gegen die Feststellungen des Sachverständigen T erhoben hatte, hat das Gericht von diesem eine ergänzende Stellungnahme eingeholt. Auf Inhalt und Ergebnisse dieser am 09.04.2018 erstatteten Stellungnahme wird verwiesen.
Mit Urteil vom 10.09.2018 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2016 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 06.05.2016 einen GdB von 30 festzustellen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 17.09.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.09.2018 schriftlich Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG verkenne, dass sie unter einer chronischen schweren posttraumatischen Belastungsstörung leide, die zu maßgeblichen Beeinträchtigungen des alltäglichen Ablaufs führe. So sei ihr eine Arbeitstätigkeit – auch nur mit geringer Belastung und geringer Stundenzahl – nicht möglich. Auch die Teilhabe am Sozialleben sei auf ein Mindestmaß beschränkt. Sie leide sogar unter scheren sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Zudem bestünden Angst- und Schlafstörungen, Rückzugstendenzen, Störungen der Konzentrationsfähigkeit sowie schwere Panikattacken und schwere Depressionen. Dem stehe auch der Umstand nicht entgegen, dass sie in einigermaßen regelmäßigen Abständen Therapietermine wahrnehme. Die Klägerin sieht sich durch ärztliche Atteste der Frau D, C vom 26.11.2017, vom 26.06.2018, vom 05.11.2018 und vom 15.02.2019, Dr. U, C vom 14.02.2019 in ihrer medizinischen Einschätzung bestätigt.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.09.2018 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2018 zu verurteilen, bei ihr ab dem 06.05.2016 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die angefochtene Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt gutachterlicher Stellungnahmen der Frau Dr. A, C, vom 09.01.2019, vom 22.03.2019, vom 09.04.2019, vom 20.08.2021.
Der Senat hat nach Vorlage eines ärztlichen Attestes der Frau D, C, vom 26.06.2019, sowie des Herrn Dr. U, C, vom 02.07.2019 wonach eine Begutachtung die Gesundheit der Klägerin gefährden könne, den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 21.07.2021 Bezug genommen.
Sodann hat der Senat die vollständigen Patientendokumentationen der behandelnden Ärzte und Therapeuten der Klägerin beigezogen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Dokumentationen der Frau Dr. E, Hannover, des Herrn Dr. N, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Krankenhauses Z, des Herrn Dr. U, C, verwiesen. Anschließend hat der Senat von Amts wegen eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen T, F, eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Stellungnahme vom 09.05.2022 verwiesen.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 08.08.2022 und vom 16.08.2022 ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Dieser ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.09.2018 entscheiden, weil die Beteiligten hierzu übereinstimmend ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Die Berufung ist zulässig (hierzu I.), aber nicht begründet (hierzu II.).
I. Die am 28.09.2018 bei dem erkennenden Gericht schriftlich eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 17.09.2018 zugestellte Urteil des SG Detmold ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 und 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG Detmold ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2016 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 06.05.2016 einen GdB von 30 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der angefochtene Bescheid beschwert die Klägerin nur insoweit im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, als er die bei der Klägerin bestehenden Funktionseinbußen mit einem GdB von weniger als 30 bewertet. Zu Recht hat das SG die auf einen höheren GdB gerichtete Klage abgewiesen, da die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsstörungen die Feststellung eines höheren GdB, insbesondere einen solchen in Höhe von 50, nicht begründen.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 gültigen Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der ab dem 1. Januar 2018 gültigen Fassung [zuvor § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX]). Nach § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 gültigen Fassung (zuvor § 159 Abs. 7 SGB IX) gelten – in Ermangelung einer Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen – insbesondere der Anlage zur Versorgungsmedizinverordnung (Versorgungsmedizinische Grundsätze - VMG) – entsprechend und zwar im Gesetzesrang (vgl. BSG, Urteil vom 24.10.2019 - B 9 SB 1/18 R -, juris, Rn. 12 a.E.).
Die Bemessung des (Gesamt-)GdB ist in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 10; BSG, Beschluss vom 09.12.2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rn. 5 m.w.N.). In einem ersten Schritt sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann, in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der maßgebliche (Gesamt-)GdB zu bilden (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2009 - B 9 SB 4/08 R - juris, Rn. 18 m.w.N.). Außerdem sind nach Teil A Nr. 3b VMG bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der VMG feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R - juris, Rn. 25).
1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehen bei der Klägerin eine psychische Störung in Form einer mittelschweren depressiven Episode sowie Funktionsstörungen der Wirbelsäule und beider Kniegelenke.
a) Infolge der mittelschweren depressiven Episode bestehen bei der Klägerin Teilhabeeinschränkungen in Form einer nicht nur die Erlebnisfähigkeit in erheblichen Maße beeinträchtigenden psychischen Störung von Krankheitswert; vielmehr ist in der Gesamtschau auch eine stärkere Beeinträchtigung der Gestaltungsfähigkeit gegeben, wobei die bei der Klägerin vorliegende Störung in der Gesamtheit nicht in Richtung einer schweren psychischen Störung hin tendiert. Die auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen und deren Teilhabebeeinträchtigungen ergeben sich aus dem überzeugenden Gutachten des im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen gehörten Sachverständigen T vom 19.09.2017 sowie seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.04.2018. Der erfahrene Sachverständige hat sein Gutachten nach sorgfältiger Anamnese- und Befunderhebung sowie unter vollständiger Würdigung des Sachverhaltes und des persönlichen bzw. schriftsätzlichen Beschwerdevortrags der Klägerin schlüssig und in sich widerspruchsfrei begründet.
Auch die im Berufungsverfahren von der Klägerin vorgelegten und von dem Senat von Amts wegen beigezogenen Befund- und Behandlungsdokumentationen lassen eine hiervon abweichende und die Klägerin in der gesellschaftlichen Teilhabe in einem stärkeren Maße beeinträchtigende Gesundheitsstörung nicht objektivieren. Die beigezogenen medizinischen Erkenntnisgrundlagen stützen vielmehr die Ergebnisse der Beweisaufnahme des erstinstanzlichen Rechtszuges. Dem entsprechend gelangt der Sachverständige T in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.05.2022 schlüssig und widerspruchsfrei zu der Feststellung, dass keine Anhaltspunkte gegeben sind, die geeignet wären, zu einer anderen Einschätzung zu kommen, wie dies in dem Gutachten vom 19.09.2017 zum Ausdruck gekommen ist. Der Senat ist auch nicht gehindert, diese ergänzende Stellungnahme zu verwerten, nachdem die Klägerin ein zuvor gegen den Sachverständigen ausgebrachtes Ablehnungsgesuch (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 406 Abs. 1 bis 4 Zivilprozessordnung) am 21.07.2021 wirksam zurückgenommen hat.
b) Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen bei der Klägerin eine Funktionsstörung der Wirbelsäule in Form einer schmerzintendierten myostatischen Insuffizienz mit Haltungsbalance im Sinne einer vermehrten Holrückenbildung sowie eine Funktionsstörung beider Kniegelenke im Sinne eines femopatellaren Schmerzsyndroms bei beginnender Retropatellararthrose. Schließlich ist bei der Klägerin eine Funktionsstörung des linken Rückfußes in Form belastungsabhängiger Schmerzen nach chirurgischer Versorgung einer Achillessehnenruptur, ohne funktionelle Beeinträchtigungen und mit reizloser Narbenbildung gegeben.
Bei seiner Entscheidung kann sich der Senat insoweit auf das überzeugende Gutachten des im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen gehörten Sachverständigen Dr. H vom 19.06.2017 stützen. Auch dieser Sachverständige hat sein Gutachten nach sorgfältiger Anamnese- und Befunderhebung auf Grundlage einer ambulanten Untersuchung der Klägerin sowie unter vollständiger Würdigung des Sachverhaltes und des persönlichen bzw. schriftsätzlichen Beschwerdevortrags der Klägerin schlüssig und in sich widerspruchsfrei begründet. Dass die auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen unvollständig erfasst sind, macht die Klägerin weder geltend, noch ergeben sich entsprechende Anhaltspunkte aus den im Berufungsverfahren beigezogenen Patientendokumentationen. Insbesondere erwähnt der die Klägerin behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin und Innere Medizin Dr. U, C, keine orthopädischen Gesundheitsstörungen, die über die von Herrn Dr. H diagnostizierten Krankheiten hinausgehen.
2. a) Die bei der Klägerin vorliegende psychische Störung ist dem Funktionssystem „Nervensystem und Psyche“ zuzuordnen und begründet zur Überzeugung des Senats unter Zugrundelegung der Ziff. 3.7 der VMG als stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochrondische, asthenische oder phobische Störungen) einen Einzel-GdB von 30. Diese Gesundheitsstörung tendiert nach der Beurteilung des Sachverständigen T weniger in Richtung einer schweren psychischen Störung, für die ein höherer GdB anzusetzen wäre. Für diese Beurteilung spricht auch der erhobene psychische Befund, der eine erhebliche Affektlabilität zeigt, andererseits aber auch eine gewisse Persönlichkeitsakzentuierung mit passiv aggressiven Zügen offenbart. Allerdings ist die Klägerin zumindest punktuell auflockerbar. Bei der Würdigung der Tagesstruktur der Klägerin zeigte sich im Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung durch den Sachverständigen T, dass die Klägerin zum Teil mehrfach wöchentlich mit dem Zug zu einer Therapeutin nach Hannover fährt. Zudem nahm sie einmal wöchentlich an Veranstaltungen eines Chores teil und hat überdies auch an einem Wochenendurlaub teilnehmen können. Gegen eine stärker behindernde psychische Störung, die einen GdB von mehr als 30 rechtfertigt, spricht auch der Umfang der in Anspruch genommenen medizinischen Ressourcen. Die Klägerin nimmt zwar eine ambulant psychiatrische Behandlung mit adäquater psychopharmakologischer antidepressiver Behandlung und eine hochfrequente ambulante Psychotherapie in Anspruch; eine weiterführende stationäre oder teilstationäre Behandlung erfolgte indes nicht. Dass sich die Inanspruchnahme der medizinischen Ressourcen im Berufungsverfahren substanziell verändert haben, lässt sich nach Auswertung der beigezogenen Patientendokumentationen nicht feststellen.
b) Die dem Funktionssystem „Haltungs- und Bewegungsorgane“ zuzuordnende Funktionsstörung der Wirbelsäule begründet zur Überzeugung des Senats in der Ausprägung als leichtes Wirbelsäulensyndrom aufgrund einer schmerzintendierten myostatischen Insuffizienz mit Haltungsdysbalance einen Einzel-GdB von 10 (Ziff. 18.9 VMG). Soweit die versorgungsmedizinischen Grundsätze für Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen Einzel-GdB von 20 vorsehen, sind Einschränkungen dahingehenden Ausmaßes nicht objektivierbar. An der Halswirbelsäule liegen endgradig eingeschränkte Bewegungsweiten vor. Hinweise auf eine segmentale Funktionsstörung bestehen klinisch nicht. Die Schulter-Nacken-Muskulatur ist mäßig endgradig druckempfindlich. Aus neuro-orthopädischer Sicht liegen an den oberen Gliedmaßen keine Hinweise auf senso-motorische Defizite oder Nervenwurzelreizungen vor. Brust- und Lendenseitig liegt bei Beckengradstand ein lotgerechter Aufbau vor. Die Funktionsprüfung ergab eine mittel- bis geringgradig eingeschränkte Entfaltbarkeit der Brust- und Lendensegmente. Die Rumpfseitneige- und Rumpfdrehbewegungen sind leichtgradigen beeinträchtigt. Die Rückenlage wird zügig eingenommen, die Aufrichtung zum Langsitz ist mit einer Armunterstützung möglich. Im Langsitz kann die Wirbelsäule etwas weitergehend als Umstand entfaltet werden. Im Stehen und Sitzen besteht keine Druckschmerzhaftigkeit über den Dornfortsätzen der Brust- und Lendenwirbelsäule, muskelassoziierte Schmerzen sind nicht gegeben. Aus neuro-orthopädischer Sicht bestehen an den unteren Gliedmaßen nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme keine sensormotorischen Defizite oder Nervenwurzelreizzeichen.
c) Die dem Funktionssystem „Haltungs- und Bewegungsorgane“ zuzuordnende Funktionsstörung der Kniegelenke begründen in Anwendung der Ziff. 18.14 der VMG einen GdB von 10. Der Sachverständige hat schlüssig dargelegt, dass eine funktionelle Beeinträchtigung des Gelenkes nicht besteht. Die wechselnde Schmerzproblematik (vorwiegend belastungsinduziert) an den Kniegelenken begründet sich durch ein femoropatellares Schmerzsyndrom. Hierbei handelt es sich um einen belastungsinduzierten Schmerz der Kniescheiben im Oberschenkelgleitlager, bedingt durch leichte Rückbildungsveränderungen der Knorpelgleitfläche im Sinne einer Chondropathie. Im Rahmen der durch den Sachverständigen durchgeführten klinischen Untersuchung wiesen beide Beine eine gerade Achsausbildung auf. Die Kniegelenke waren physiologisch konturiert. Eine Schwellung der Kniegelenke und muskuläre Defizite waren nicht objektivierbar. Bei stabiler Bandführung lagen die Bewegungsweiten beidseits für die Streckung und Beugung mit 0-0-125° im Normbereich, in Beugung wurde endgradig eine Schmerzhaftigkeit angegeben. Bei der Bewegungsprüfung bestand kein Reibegeräusch an der Kniescheibenrückfläche. Eine Verrenkungsneigung der Kniescheibe bestand nach den Feststellungen des Sachverständigen gleichfalls nicht. Hinweise auf eine schonungsbedingte Muskelminderung ließen sich an den unteren Gliedmaßen weder klinisch noch messtechnisch objektivieren. Eine Einschränkung der Stand- und Gangfunktion resultierte aus der Funktionsstörung des Kniegelenkes ebenfalls nicht.
d) Soweit die Klägerin schließlich auf Funktionsstörungen des linken Fußes verweist, ergibt sich nach Maßgabe der in Ziff. 18.14 VMG niedergelegten Grundsätze kein Einzel-GdB. Insoweit ist infolge der chirurgischen Versorgung der im November 2016 erlittenen Achillessehnenruptur am linken Fuß reizlose Narben sowie eine leichtgradige Einschränkung der Beugefähigkeit des linken Fußes verblieben. Die Klägerin war mit Konfektionsschuhen in der Lage, ein mittelschrittiges raumgreifendes Gangbild zu demonstrieren, wenngleich mit einem linksseitigen Schonhinken. Das Abrollen des Fußes war nicht wesentlich beeinträchtigt. Im Barfußgang hat die Klägerin ein Gangbild mit mittelschrittiger Abfolge und erkennbarem linksseitigem Schonhinken demonstriert. Bei der Ganganalyse ließ sich eine wesentliche Beeinträchtigung der Stand- und Gangfunktion nicht feststellen.
3. Der Gesamt-GdB ist zur Überzeugung des Senates mit 30 zu bemessen. Nach § 152 Abs. 3 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Gesundheitsstörungen, die eine Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft verursachen, der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Gemäß Teil A Ziff. 3 VMG ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Maß der Behinderung größer wird. Eine Addition der Einzel-GdB-Werte ist dabei nicht zulässig. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass gemäß Teil A Ziff. 3 d) ee) VMG leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Die bei der Klägerin im Vordergrund stehende Gesundheitsstörung ist die psychische Störung, die nach Maßgabe von Ziff. 3.7 VMG mit einem GdB von 30 zu bemessen ist. Nach Teil A Ziffer 3 d) ee) VMG führen die Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und der Kniegelenke als leichte Gesundheitsstörungen mit einem GdB von jeweils 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB.
Die Kostenentscheidung folgt §§ 183, 193 SGG.
Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG zur Zulassung der Revision bestehen nicht.