L 7 R 203/22 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 13 R 238/19
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 203/22 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Nach Ausschöpfung aller im konkreten Einzelfall gebotenen Ermittlungen kommt in Konstellationen der Glaubhaftmachung des Zuflusses von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien die Glaubhaftmachung von Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes des einzelnen Beschäftigten in Betracht. Dies gilt nur für die Zeit von Juli 1968 bis Dezember 1982 und damit für die Planjahre von 1968 bis 1982.

Bemerkung

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes

   
   
 

 

  1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 21. Februar 2022 abgeändert. Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 30. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2019, verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 6. Oktober 2003 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 11. September 2018 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1974 bis 1983 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind:

Für das Jahr:             

1974

226,19 Mark

1975

236,31 Mark

1976

259,25 Mark

1977

261,25 Mark

1978

245,40 Mark

1979

292,43 Mark

1980

315,23 Mark

1981

322,62 Mark

1982

327,38 Mark

1983

347,51 Mark

 

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

  1. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu einem Viertel.

 

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1963 bis 1990 (Zuflussjahre) in Form von Jahresendprämien festzustellen.

 

Der 1944 geborene Kläger war – nach Beendigung seiner Berufsausbildung – vom 1. September 1963 bis 14. Dezember 1966 als Werkzeugmacher im volkseigenen Betrieb (VEB) Geräte- und Werkzeugbau Z...., vom 15. Dezember 1966 bis 31. Dezember 1969 als Sekretär der Grundorganisation der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in der FDJ-Kreisleitung Y....  und vom 1. Januar 1970 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Kooperateur, Mitarbeiter des kaufmännischen Direktors, Ingenieur für planmäßige vorbeugende Instandhaltung, Ingenieur für Anlagen und Maschinen, Gruppenleiter Instandhaltung und amtierender Leiter Instandhaltung im VEB Geräte- und Werkzeugbau Z....  beschäftigt. Er ist, nach erfolgreichem Abschluss eines berufsbegleitend im Zeitraum bis Juni 1973 absolvierten Fachschulstudiums in der Fachrichtung Technologie der Umformtechnik an der Ingenieurschule für Maschinenbau X.... , seit 26. Juni 1973 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er erhielt zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) keine Versorgungszusage und war nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Am 4. März 2002 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte – im Laufe des Verfahrens – eine Entgeltbescheinigung der Gewerbepark Z....  GmbH vom 6. Mai 2002 (für den Beschäftigungszeitraum vom 1. Juni 1973 bis 30. Juni 1990) vor. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2003 stellte die Beklagte die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Juni 1973 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen jeweils erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der Entgeltbescheinigung der Gewerbepark Z....  GmbH vom 6. Mai 2002, fest.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 31. August 2007 (Eingang bei der Beklagten am 31. August 2007) begehrte der Kläger die Berücksichtigung von Jahresendprämien bei den festgestellten Arbeitsentgelten entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Mit weiterem Überprüfungsantrag vom 2. Dezember 2007 (Eingang bei der Beklagten am 4. Dezember 2007) begehrte der Kläger die Berücksichtigung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige in Betrieben mit spezieller Produktion bei den festgestellten Arbeitsentgelten. Die Beklagte forderte daraufhin vom Kläger mit Schreiben vom 28. März 2008 genau bezeichnete Unterlagen an und erinnerte mit Schreiben vom 30. Mai 2008 an deren Übersendung, unter Hinweis darauf, dass sie den Vorgang schließen werde, sollte der Kläger weiterhin die Unterlagen nicht übersenden. Nachdem der Kläger die benannten Unterlagen weiterhin nicht übersandte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Juni 2008 mit, dass sie die Überprüfungsanträge auf unbestimmte Zeit zurückstelle und bei einem späteren Antrag das Verfahren wiederaufnehmen werde.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 6. Januar 2013 (Eingang bei der Beklagten am 10. Januar 2013) begehrte der Kläger erneut die Berücksichtigung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige in Betrieben mit spezieller Produktion bei den festgestellten Arbeitsentgelten. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2013 ab. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 11. Februar 2013 Widerspruch und legte arbeitsvertragliche Unterlagen über den Bezug von zusätzlichen Belohnungen ab Januar 1976 vor. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2013 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 3. Juli 2013 Klage zum Sozialgericht Chemnitz (im Verfahren S 13 RS 1001/13) und legte im Laufe des Verfahrens weitere arbeitsvertragliche Unterlagen vor. Mit Gerichtsbescheid vom 6. Juni 2016 wies das Sozialgericht Chemnitz die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger am 22. Juni 2016 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) (im Verfahren L 4 RS 464/16) ein, legte – im Laufe des Verfahrens – eine schriftliche Erklärung des Zeugen D.... (über im Betrieb gezahlte Jahresendprämien) vom 11. Januar 2017 vor und erweiterte sein Berufungsbegehren mit Schreiben vom 4. Februar 2017 in Bezug auf die Jahresendprämien. Nach gerichtlichen Hinweisen vom 2. Mai 2017 und vom 17. Juli 2017 erklärte sich die Beklagte bereit, das Ansinnen des Klägers in Bezug auf die Jahresendprämien als Überprüfungsantrag (außerhalb des Berufungsverfahrens) zu werten und als Antragsdatum den 4. Februar 2017 zu Grunde zu legen. Das Sächsische LSG führte am 5. Oktober 2017 einen Erörterungstermin durch und holte eine schriftliche Auskunft des Zeugen D.... vom 22. November 2017 zur Zahlung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige in Betrieben mit spezieller Produktion im Beschäftigungsbetrieb des Klägers ein. Mit Urteil vom 21. August 2018 hob es den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 6. Juni 2016 und den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 5. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2013 auf, verpflichtete die Beklagte, unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 6. Oktober 2003, in den Jahren 1976 bis 1990 zusätzlich zu den bisherigen Datenfeststellungen weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender zusätzlicher Belohnungen für Werktätige in Betrieben mit spezieller Produktion in genau bezifferter Höhe festzustellen und wies die Berufung des Klägers im Übrigen zurück. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe den Zufluss und die Höhe der begehrten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige in Betrieben mit spezieller Produktion im Einzelfall glaubhaft gemacht.

 

In Ausführung des Urteils des Sächsischen LSG vom 21. August 2018 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 11. September 2018 abermals die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Juni 1973 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie für die Jahre 1976 bis 1990 höhere Entgelte wegen glaubhaft gemachter zusätzlicher Belohnungen für Werktätige in Betrieben mit spezieller Produktion, in der vom Sächsischen LSG im Urteil vom 21. August 2018 konkret bezifferten Höhe, fest. Den Ablehnungsbescheid vom 5. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2013 hob sie auf. Den Feststellungsbescheid vom 6. Oktober 2003 hob sie auf, soweit er entgegenstehe.

 

In der Zwischenzeit fragte die Beklagte – entsprechend ihrer Zusage vom 31. Juli 2017 – mit Schreiben vom 4. August 2017 beim Hauptstaatsarchiv Dresden nach dem Vorliegen von Jahresendprämiennachweisen an. Das Staatsarchiv Chemnitz teilte mit Schreiben vom 29. August 2017 mit, dass keine Nachweise ermittelbar sind. Eine gleichlautende Antwort des Bundesarchivs vom 28. September 2017 übermittelte der Kläger.

 

Mit Schreiben vom 5. November 2018 erinnerte der Kläger die Beklagte an seinen Überprüfungsantrag vom 31. August 2007 in Bezug auf die Berücksichtigung von Jahresendprämien bei den festgestellten Arbeitsentgelten entsprechend der Rechtsprechung des BSG.

 

Den Überprüfungsantrag (vom 31. August 2007) lehnte die Beklagte, bezogen auf den Zusatzversorgungszeitraum vom 1. Juni 1973 bis 30. Juni 1990, mit Bescheid vom 30. November 2018 ab.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 (Eingang bei der Beklagten am 14. Dezember 2018) Widerspruch ein und begehrte weiterhin die Anerkennung von Jahresendprämien auf der Grundlage der Glaubhaftmachung für den Zeitraum ab 1963.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss und die Höhe der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die Höhe der Jahresendprämien des Einzelnen sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen. Allgemeine Zeugenerklärungen seien nicht ausreichend.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 18. März 2019 Klage zum Sozialgericht Chemnitz und begehrte weiterhin die Berücksichtigung von Jahresendprämien für die Jahre 1963 bis 1990 als glaubhaft gemachte Entgelte. Zur Glaubhaftmachung legte er unter anderem die schriftlichen Erklärungen des Zeugen D.... vom 11. Januar 2017 und vom 22. November 2017 sowie ein betriebliches Säulendiagramm (seit 1960) zur Zahlung von Lohn und Prämie im Betrieb ein.

 

Das Sozialgericht Chemnitz hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden verwiesen und ergänzend ausgeführt: Eine Neubewertung der Zeugenaussage von D.... sei nicht vorzunehmen, da der Kläger keine neuen Tatsachen vorgetragen oder neue Unterlagen beigebracht habe, die eine Änderung der Sachlage bewirken könnten.

 

Gegen den am 4. März 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21. März 2022 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren nach Feststellung von Jahresendprämien für die Jahre 1963 bis 1990 (Zuflussjahre) weiterverfolgt. Das Sozialgericht sei auf seine Argumente gar nicht eingegangen. Unterlagen seien nicht mehr vorhanden, weil die Beklagte viel zu spät auf seinen Antrag reagiert habe. Die Jahresendprämienzahlungen seien durch die Zeugenaussagen des D.... glaubhaft gemacht worden.

 

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 21. Februar 2022 aufzuheben und die Beklagte, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 30. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2019, zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 6. Oktober 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 11. September 2018 abzuändern und Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1963 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und führt ergänzend aus: Die Gewährung einer Jahresendprämie sei auch in einer Mindesthöhe rechtlich nicht zulässig. Die Prämienverordnungen der DDR hätten keine individuelle Mindesthöhe einer Jahresendprämie vorgesehen. Das unzulässige Schätzergebnis würde nur mit einem anderen Namen versehen. Die bloß einfache Möglichkeit, dass den Anspruchsstellern Arbeitsentgelt im Minimum zugeflossen sei, genüge keinesfalls. Ein solches Ergebnis beruhe hauptsächlich auf Annahmen. Die Vorgehensweise des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts sei mit den rechtlichen Regularien unvereinbar. So habe sich der 4. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts nun auch "rechtsförmlich" mit seinen Entscheidungen vom 21. April 2020 (in den Verfahren L 4 R 703/19 ZV und L 4 R 461/19 ZV) gegen die "Mindest-JEP"-Judikatur des 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts gestellt. Ebenso habe sich bereits das Bayerische Landessozialgericht "als erstes Obergericht" mit rechtskräftigem Urteil vom 24. Oktober 2019 (im Verfahren L 1 RS 2/16) positioniert. Im Übrigen habe das Landessozialgericht Berlin/Brandenburg mit Urteilen vom 10. März 2022 (im Verfahren L 17 R 471/19) und vom 24. März 2022 (im Verfahren L 17 R 360/19) ihre Ansicht gestärkt, sodass sie sich deren Begründungen zu eigen mache und zum Gegenstand ihrer Berufungserwiderung erkläre.

 

Das Gericht hat arbeitsvertragliche Unterlagen vom Kläger angefordert, eine schriftliche Auskunft der Zeugin C.... am 2. November 2022 eingeholt und den Zeugen D.... im Beweisaufnahmetermin am 1. Dezember 2022 persönlich einvernommen.

 

Mit Schriftsätzen vom 8. Dezember 2022 (Beklagte) sowie vom 16. Mai 2022 und vom 8. Dezember 2022 (Kläger) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

 

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet, weil das Sozialgericht Chemnitz die Klage teilweise zu Unrecht abgewiesen hat. Denn der Kläger hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher, ihm in den Jahren 1974 bis 1983 zugeflossener, weiterer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits mit Bescheid vom 6. Oktober 2003 in der Fassung des Bescheides vom 11. September 2018 festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben. Unbegründet hingegen ist die Berufung des Klägers soweit er Jahresendprämien auch für die Zuflussjahre 1963 bis 1973 sowie 1984 bis 1990 begehrt.

 

Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 30. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2019 (§ 95 SGG) ist (teilweise) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil mit dem Feststellungsbescheid vom 6. Oktober 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 11. September 2018 das Recht (teilweise) unrichtig angewandt bzw. von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich (teilweise) als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Deshalb waren der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 21. Februar 2022 abzuändern, der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 30. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 6. Oktober 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 11. September 2018 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1974 bis 1983 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe, wie tenoriert, festzustellen sind. Soweit der Kläger höhere, als die tenorierten, Entgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämien sowie Jahresendprämien auch für die Zuflussjahre 1963 bis 1973 sowie 1984 bis 1990 begehrt, war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

 

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X, der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

 

Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 11. September 2018 ist teilweise rechtswidrig.

 

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 6. Oktober 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 11. September 2018 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie jedoch zu Unrecht teilweise nicht berücksichtigt.

 

Soweit der Kläger Jahresendprämien auch für die Planjahre 1962 bis 1972 und damit für die Zuflussjahre 1963 bis 1973 begehrt, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Anspruch von vornherein nicht besteht, weil der Kläger – ausweislich des Feststellungsbescheides vom 6. Oktober 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 11. September 2018 – erst ab 1. Juni 1973 fingiert Zusatzversorgungsberechtigter ist. Dem Feststellungsbescheid vom 6. Oktober 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 11. September 2018 kommt insoweit "Tatbestands(Drittbindungs-)wirkung" auch im gerichtlichen Verfahren zu (so ausdrücklich: BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 13), sodass das Berufungsgericht lediglich diesen (von der Beklagten anerkannten) Zusatzversorgungszeitraum zu Grunde legen kann. Jahresendprämien als weitere, rentenentgeltpunkterhöhende Arbeitsentgelte sind lediglich für Zeiten einer (tatsächlichen oder fingierten) Zusatzversorgung zu berücksichtigen. Aus diesem Grund hat die Beklagte im Überprüfungsablehnungsbescheid vom 30. November 2018 zu Recht auch lediglich über das Jahresendprämienfeststellungsbegehren des Klägers im Zeitraum vom 1. Juni 1973 bis 30. Juni 1990 entschieden. Nur dieser Zeitraum ist im Übrigen auch lediglich streitgegenständlich im Berufungsverfahren, weil die Beklagte für die Feststellung von Arbeitsentgelten für den Zeitraum vor dem 1. Juni 1973 ohnehin nicht (sachlich) zuständig ist.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [nachfolgend: DDR-AGB] vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I 1977, Nr. 18, S. 185]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 DDR-AGB). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB bestand ein „Anspruch“ auf Jahresendprämie, wenn

  • die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, 
  • der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und 
  • der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war.

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 DDR-AGB erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend und diese Beweislast, unter Ablehnung einer Schätzungsmöglichkeit, betonend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14).

 

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden, ist.

 

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

 

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch für die Zuflussjahre 1974 bis 1990, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 1.). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die zur Auszahlung an ihn gelangten, hat er zwar ebenfalls nicht nachgewiesen, zum Teil allerdings, und zwar für die Zuflussjahre 1974 bis 1983, in einer Mindesthöhe glaubhaft machen können; eine Schätzung – wie vom Kläger sinngemäß begehrt – hingegen ist nicht möglich (dazu nachfolgend unter 2.).

 

1.

Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter a), jedoch für die begehrten Zuflussjahre 1974 bis 1990, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter b):

 

a)

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst ausführte.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien im VEB Geräte- und Werkzeugbau Z....  liegen auch nicht mehr vor, wie sich den Auskünften des Staatsarchivs Chemnitz vom 29. August 2017 und des Bundesarchivs vom 28. September 2017 entnehmen lässt.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV).

 

b)

Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall für die begehrten Zuflussjahre 1974 bis 1990, glaubhaft gemacht.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

 

Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 DDR-AGB) für den Bezug einer Jahresendprämie für die begehrten Zuflussjahre 1974 bis 1990, vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

 

aa)

Der Kläger war in den Jahren 1973 bis 1989 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB Geräte- und Werkzeugbau Z....  (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 DDR-AGB), wie sich aus den vorgelegten Arbeits- und Änderungsverträgen sowie aus den Eintragungen in seinen Ausweisen für Arbeit und Sozialversicherung ergibt.

 

bb)

Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 DDR-AGB). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 DDR-AGB zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 DDR-AGB in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 DDR-AGB die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) vom 12. Januar 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 70, S. 810) sowie in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973) vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30, S. 293), mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, sowie die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet wurden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

 

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, „Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?“, rv [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können.

 

cc)

Ausgehend von den Auskünften der Zeugen C.... und D.... sowie den sonstigen Hinweistatsachen ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 DDR-AGB).

 

Die Zeugin C...., die von 1960 bis 1988 im kaufmännischen Bereich des Betriebes in verschiedenen Funktionen beschäftigt war, gab in ihrer schriftlichen Auskunft vom 2. November 2022 an, dass es im Betrieb "diese Jahresendprämien gab". Konkretere oder weitergehendere Erinnerungen hat sie, infolge der Länge des Zeitablaufs – nachvollziehbar – nicht mehr, wie sie ausdrücklich und eindrucksvoll angab.

 

Die Zahlung von Jahresendprämien im Betrieb (seit dem Jahr 1960) ergibt sich zudem plausibel aus dem vom Kläger wiederholt im Verfahren (als Mikrofische) eingereichten Säulendiagramm.

 

Der Zeuge D...., der mit dem Kläger im gleichen Direktorat des Betriebes (Direktorat für Technik) seit September 1982 zusammenarbeitete, gab in seiner schriftlichen Auskunft vom 11. Januar 2017 an, dass die Jahresendprämie in den Jahren 1982 bis 1989 im VEB Geräte- und Werkzeugbau Z....  gezahlt wurde. Die Auszahlung erfolgte auf Sammellisten für die jeweilige Abteilung. In seiner schriftlichen Auskunft vom 22. November 2017 gab der Zeuge D.... zudem an, dass er ab 1982 in die Auszahlung der Jahresendprämien einbezogen und ab 1987 unmittelbar dafür verantwortlich war. In seiner persönlichen Zeugeneinvernahme im Rahmen des vom Berufungsgerichts am 1. Dezember 2022 durchgeführten Beweisaufnahmetermins bestätigte er diese Angaben und führte weitergehend Folgendes aus: Der Zeuge war in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter für ökonomische Grundsatzfragen beim Direktor für Technik (1982 bis 1986) und als Hauptbuchhalter (1987 bis 1989) im Betrieb unter anderem auch für die Ermittlung der Auszahlhöhe der Jahresendprämie verantwortlich. Die Höhe der Jahresendprämie wurde an der Planerfüllung des Betriebes festgemacht. Das Ergebnis des Jahresabschlusses des Betriebsergebnisses wurde regelmäßig im Februar festgestellt. Auf dieser Grundlage wurden dann die einzelnen Jahresendprämienzahlungen festgesetzt und nach Feststellung dieses Ergebnisses auf die einzelnen Abteilungen sowie die einzelnen Beschäftigten heruntergebrochen. Im Betrieb erhielt jeder Beschäftigte Jahresendprämien; auch der Kläger, weil er Beschäftigter des Betriebes war. Im Betrieb gab es sogenannte Jahresendprämienlisten, auf denen die Mitarbeiternamen mit den monatlichen durchschnittlichen Bruttogehältern standen. Daneben wurde prozentmäßig der Jahresendprämienbetrag für jeden Mitarbeiter ausgerechnet, je nachdem welcher Prozentsatz von der Unternehmensleitung festgelegt wurde. Wesentliche Krankheitszeiten wurden bei dem Jahresendprämienbetrag dann zu einem mindernden, nach Ansicht des Zeugen eher geringfügigen Teil, berücksichtigt. Eine individuelle Abstufung des Jahresendprämienbetrages des einzelnen Werktätigen nach individueller Arbeitsleistung fand nach Ansicht des Zeugen im Betrieb nicht statt. Im Betrieb wurden in der Zeit seiner Tätigkeit von 1982 bis 1989 immer die Plankennziffern erfüllt. Auch im konkreten Arbeitskollektiv, in dem der Kläger und der Zeuge arbeiteten (Direktorat Technik), wurden die jährlichen Plankennziffern immer erfüllt. Der Zeuge gab ausdrücklich an, dass der Kläger ab dem Jahr 1982 immer eine Jahresendprämie erhalten hat. Er gab weiterhin zudem an, dass ihm nicht bekannt ist, dass der Kläger auch in den Jahren vor 1982 keine Jahresendprämien erhalten hat, zumal ihm sowohl vom Direktor für Technik des Betriebes als auch vom vorgesetzten Hauptbuchhalter des Kombinates, der die Jahresendprämien jährlich bestätigt hatte, versichert wurde, dass die Jahresendprämien auch vor seiner Zeit der Beschäftigung im Betrieb an alle Mitarbeiter, und damit auch an den Kläger, ausgezahlt wurden. Die Jahresendprämien wurden im Betrieb regelmäßig im Februar oder März des Folgejahres, das auf das vorangegangene Planjahr folgte, für das die Jahresendprämien gezahlt wurden, ausgezahlt. Erst zu diesem Zeitpunkt stand das Betriebsergebnis des Betriebes fest und konnten die Jahresendprämien daran ausgerichtet berechnet werden. Die Jahresendprämien wurden im Betrieb in bar ausgezahlt. Das Bargeld war regelmäßig eingetütet und die Mitarbeiter mussten auf den Jahresendprämienlisten dann den Betrag quittieren. Grundlage der Jahresendprämienzahlung war die Planerfüllung sowie die Befüllung des Prämienfonds mit Geldern. Mindernd berücksichtigt wurden bei der Jahresendprämienauszahlung lediglich langwierige Krankheitszeiten der Mitarbeiter. Der Zeuge führte abschließend aus: Weil der Kläger als Mitarbeiter des Betriebes an der Planerfüllung beteiligt war, hat auch er Jahresendprämien vom VEB Geräte- und Werkzeugbau Z....  erhalten.

 

Unzulänglichkeiten des Klägers, die gegebenenfalls eine Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämie in den Zuflussjahren 1974 bis 1990 zur Folge hätten haben können, ergeben sich auch nicht aus anderweitigen Indizien oder Hinweistatsachen. Im Gegenteil: Die Angaben des Zeugen D.... sind vor dem Hintergrund der beigezogenen arbeitsvertraglichen Unterlagen plausibel und bestätigen die berechtigte Annahme, dass der Kläger die individuellen Leistungskennziffern konkret erfüllte:

 

Den Arbeitsänderungsverträgen ist zu entnehmen, dass der Kläger kontinuierliche Gehaltssteigerungen wegen seiner guten betrieblichen Arbeitsleistungen erreichte. Wiederholt wurden dem Kläger vom Betrieb Lohnerhöhungen in Anerkennung seiner guten Leistungen gewährt. So wird beispielsweise im Änderungsvertrag vom 19. Januar 1981 ausgeführt, dass der Kläger auf Grund der von ihm gezeigten gute Leistungen wesentlich mit dazu beitrug, dass der Betrieb seine gestellten politischen und ökonomischen Ziele erreichen konnte, weshalb er in Anerkennung dessen eine Gehaltserhöhung erhielt.

 

In einem betrieblichen Schreiben vom 18. Januar 1978 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er in der Einzelauswertung des Neuererwettbewerbes im Jahr 1977 den ersten Platz in der Einzelauswertung erreichte, weshalb ihm vom Betrieb eine Prämie in Höhe von 1.005,00 Mark gewährt wurde.

 

Mit betrieblichem Schreiben vom 5. Juli 1979 wurden dem Kläger hervorragende Leistungen und ständige Einsatzbereitschaft für die betrieblichen Belange bescheinigt, weshalb er vom Betrieb die Mitteilung bekam, dass er sein bestelltes Fahrzeug (Trabant) im 3. Quartal 1979 vorfristig geliefert erhält. Diese vorfristige Bellieferung wurde ausdrücklich als "Auszeichnung des Betriebes" deklariert.

 

Für vorbildliche sozialistische Arbeit wurde dem Kläger vom Betrieb zudem mit Urkunde vom 7. Oktober 1979 der Titel "Bestarbeiter" verliehen.

 

Mit betrieblichem Schreiben vom 6. Oktober 1982 wurde dem Kläger eine hervorragende Mitarbeit bei der Inbetriebnahme eines neuen Produktionsgebäudes bescheinigt.

 

Unterstrichen wird diese vorbildliche und weder zu Kritik noch Tadel Anlass gebende Arbeitsweise des Klägers im Übrigen durch die ihm von seinem Beschäftigungsbetrieb mit Urkunden vom 6. Oktober 1982 und vom 27. Februar 1986 verliehenen Auszeichnungen (Ehrentitel) jeweils als "Aktivist der sozialistischen Arbeit". Mit diesen Auszeichnungen wurden jeweils unter anderem hervorragende und beispielgebende Arbeitsleistungen gewürdigt (vgl. dazu: § 1 der „Ordnung über die Verleihung des Ehrentitels ‚Aktivist der sozialistischen Arbeit‘“, die Bestandteil der „Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen“ vom 28. Juni 1978 [DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war).

 

Zusammenfassend wird dem Kläger damit insgesamt bescheinigt, dass er die ihm übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an der Erfüllung der vorgegebenen Leistungskriterien aufdrängen.

 

2.

Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1973 bis 1989) in den Zuflussjahren 1974 bis 1990 zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte er zwar nicht nachweisen (dazu nachfolgend unter a), jedoch für die Zuflussjahre 1974 bis 1983 zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter b). Die Höhe einer dem Grunde nach lediglich glaubhaft gemachten Jahresendprämie darf – entgegen der früheren Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts – allerdings nicht geschätzt werden (dazu nachfolgend unter c).

 

a)

Die dem Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1973 bis 1989) in den Jahren 1974 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach nicht nachgewiesen:

 

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst ausführte.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien im VEB Geräte- und Werkzeugbau Z....  liegen auch nicht mehr vor, wie sich den Auskünften des Staatsarchivs Chemnitz vom 29. August 2017 und des Bundesarchivs vom 28. September 2017 entnehmen lässt.

 

Auszahlungs- bzw. Quittierungslisten oder Anerkennungsschreiben der Abteilung des Betriebes konnten auch die Zeugen D.... und C.... nicht vorlegen.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV). Von einer Anfrage an das Bundesarchiv wurde im vorliegenden Verfahren abgesehen, da dort – wie aus entsprechenden Anfragen in anderen Verfahren gerichtsbekannt wurde und wie sich im Übrigen gleichlautend aus dem, vom Kläger im Verfahren wiederholt vorgelegten, Schreiben des Bundesarchivs vom 28. September 2017 ausdrücklich ergibt – lediglich statistische Durchschnittwerte der in den Kombinaten gezahlten durchschnittlichen Jahresendprämienbeträge pro Vollbeschäftigteneinheit aus verschiedenen Jahren vorhanden sind, die keinerlei Rückschluss auf die individuelle Höhe der an den Kläger in einem konkreten Betrieb gezahlten Jahresendprämienhöhe erlauben.

 

b)

Die konkrete Höhe der an den Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1973 bis 1989) in den Jahren 1974 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge ist zwar ebenfalls nicht glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter aa). Allerdings sind die für die Planjahre 1973 bis 1982 in den Zuflussjahren 1974 bis 1983 ausgezahlten Jahresendprämienbeträge zumindest zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bb):

 

aa)

Den Angaben des Klägers sowie des Zeugen D.... kann lediglich entnommen werden, dass sich die Jahresendprämie am Monatsgehalt des jeweiligen Werktätigen orientierte. Der Kläger selbst tätigte keinerlei Angaben zu den konkreten Höhen der Jahresendprämienbeträge. Er konnte lediglich angeben, dass Basis der Berechnung der jeweils einzelnen individuellen Jahresendprämien das Monatsgehalt des jeweiligen Beschäftigten war und die Prämienbeträge auf der Grundlage der Planerfüllung und des Monatsgehalts berechnet wurden. Der Zeuge D.... bestätigte dieses grundsätzliche Prozedere und führte aus, zu den Höhen der Jahresendprämienbeträge des Klägers keine konkreten Angaben tätigen zu können. Die individuelle Festlegung erfolgte durch die Betriebsleitung (in Abstimmung mit der Gewerkschaftsleitung), ausgerichtet nach dem Betriebsergebnis und differenziert im Einzelnen mit Abschlägen bei länger andauernden Krankheitszeiten. Eine weitergehende Präzisierung erbrachte auch die persönliche Zeugenbefragung im Rahmen des gerichtlichen Beweisaufnahmetermins am 1. Dezember 2022 nicht. Vielmehr gab der Zeuge D.... – nachvollziehbar – ausdrücklich an: "In welcher einzelnen konkreten Höhe der [Kläger] Jahresendprämien erhalten hat, kann ich jetzt natürlich nicht mehr sagen."

 

Soweit der Zeuge D.... prozentuale Angaben zur Höhe der Jahresendprämien im Betrieb machte, ist nach Bewertung der einzelnen Angaben im konkreten Fall darauf hinzuweisen, dass diese uneindeutig sind und nicht auf tatsächlichen Gegebenheiten beruhen, weshalb sie im konkreten Einzelfall nicht als glaubhaft gemacht zu Grunde gelegt werden können. So gab der Zeuge in seiner schriftlichen Erklärung vom 11. Januar 2017 ausdrücklich an, die Höhe der Jahresendprämien habe "10 Prozent des Jahresbruttoverdienstes" betragen. In seiner persönlichen Zeugenvernehmung am 1. Dezember 2022 gab er hingegen, ebenso ausdrücklich, an, die Höhe der Jahresendprämien habe "mindestens 90 Prozent bis maximal 100 Prozent seines durchschnittlichen monatlichen Bruttodurchschnittsentgeltes" betragen. Diese unterschiedlichen Wertangaben sind jedoch nicht kompatibel und weisen eine – weder stichhaltig begründete, noch ansonsten plausible – Schwankungsbreite von bis zu einem Viertel auf, denn bei einem (fiktiven) monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von (beispielsweise) 1.000,00 Mark ergeben "10 Prozent des Jahresbruttoverdienstes" einen Betrag von 1.200,00 Mark und "mindestens 90 Prozent des durchschnittlichen monatlichen Bruttodurchschnittsentgeltes" lediglich einen Betrag von 900,00 Mark. Daraus wird ersichtlich, dass es sich bei den vom Zeugen geschilderten Prozentangaben um keine realen Wertangaben, sondern um fiktionale Erinnerungsangaben handelt, zumal diese Angaben jeglicher Tatsachenbasis entbehren, da weder dargelegt noch nachvollziehbar erläutert wird, aus welchen konkreten Kennziffern und Berechnungselementen sich der (völlig unterschiedlich geschilderte) Durchschnittsbetrag ergibt. Die Glaubhaftmachung einer bestimmten Höhe ist mit solchen fiktionalen Erinnerungsangaben nicht verbunden, denn es handelt sich bei ihnen um eine reine Mutmaßung, die im Ergebnis auf eine – vom BSG inzwischen abschließend als nicht möglich dargelegte (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.) – Schätzung hinausläuft, die nicht zu Grunde gelegt werden kann. Konkretere oder präzisierende Angaben konnten nämlich gerade weder vom Zeugen noch vom Kläger getätigt werden.

 

In der Gesamtbetrachtung sind die Angaben des Klägers sowie des Zeugen zur Höhe der an den Kläger geflossenen Jahresendprämienbeträge insgesamt zum einen vage und beruhen zum anderen allein auf dem menschlichen Erinnerungsvermögen, das mit der Länge des Zeitablaufs immer mehr verblasst und deshalb insbesondere in Bezug auf konkrete, jährlich differierende Beträge kaum einen geeigneten Beurteilungsmaßstab im Sinne einer "guten Möglichkeit" gerade der vom Zeugen angegebenen (unterschiedlichen und damit ohnehin uneindeutigen) Prozentangaben abzugeben geeignet ist.

 

Darüber hinaus ist zu beachten, dass es im Ergebnis grundsätzlich (zu den Ausnahmen nachfolgend unter bb) an einem geeigneten Maßstab fehlt, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämien beurteilt werden kann und der vom Kläger und dem Zeugen behauptete Maßstab, nämlich der durchschnittliche Bruttomonats- oder Bruttojahreslohn, nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs- oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war:

 

Nicht der Durchschnittslohn des Werktätigen war Ausgangsbasis für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämie, sondern die Erfüllung der konkreten Leistungs- und Planzielvorgaben (vgl. dazu deutlich: Eckhardt u.a., „Lohn und Prämie – Erläuterungen zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR“ [Heft 4 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 1989, S. 112; Langanke, „Wirksame Leistungsstimulierung durch Jahresendprämie“, NJ 1984, 43, 44). Aus diesem Grund zählte zu den betriebsbezogenen, in einem Betriebskollektivvertrag festgelegten Regelungen über die Bedingungen der Gewährung einer Jahresendprämie auch die Festlegung und Beschreibung der Berechnungsmethoden, aus denen dann individuelle Kennziffern für den einzelnen Werktätigen zur Berechnung der Jahresendprämie abgeleitet werden konnten.

 

Dies verdeutlichen auch sonstige rechtliche Regelungen unterhalb des DDR-AGB: So legten die Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 und in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973 sowie die Prämienfond-VO 1982 fest, wie die Jahresendprämie wirksamer zur Erfüllung und Übererfüllung der betrieblichen Leistungsziele beitragen konnte (§ 7 Prämienfond-VO 1972, § 9 Prämienfond-VO 1982). Danach waren den Arbeitskollektiven und einzelnen Werktätigen Leistungskennziffern vorzugeben, die vom Plan abgeleitet und beeinflussbar waren, die mit den Schwerpunkten des sozialistischen Wettbewerbs übereinstimmten und über das Haushaltsbuch oder durch andere bewährte Methoden zu kontrollieren und abzurechnen waren (§ 7 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Prämienfond-VO 1982). Die durchschnittliche Jahresendprämie je Beschäftigten war in der Regel in der gleichen Höhe wie im Vorjahr festzulegen, wenn der Betrieb mit der Erfüllung und Übererfüllung seiner Leistungsziele die erforderlichen Prämienmittel erarbeitet hatte; für den Betrieb war dieser Durchschnittsbetrag grundsätzlich beizubehalten (§ 9 Abs. 2 Prämienfond-VO 1982). Hervorzuheben ist dabei, dass der Werktätige und sein Kollektiv die ihnen vorgegebenen Leistungskriterien jeweils erfüllt haben mussten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972), die Leistungskriterien kontrollfähig und abrechenbar zu gestalten waren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" [nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1972] vom 24. Mai 1972 [DDR-GBl. II 1972, Nr. 34, S. 379]) und bei der Differenzierung der Höhe der Jahresendprämie von den unterschiedlichen Leistungsanforderungen an die Abteilungen und Bereiche im betrieblichen Reproduktionsprozess auszugehen war (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972). Außerdem war geregelt, dass die Jahresendprämien für Arbeitskollektive und einzelne Werktätige nach der Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren waren (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982), wobei hinsichtlich der Kriterien für die Zulässigkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Jahresendprämie im Betrieb konkrete Festlegungen nach Maßgabe des § 6 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 598) in der Fassung der "Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 3. Februar 1986 (DDR-GBl. I 1986, Nr. 6, S. 50) zu treffen waren. Danach spielte zum Beispiel der Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader in den Betrieben und deren "wesentliche Erhöhung" sowie die "Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit" eine Rolle (§ 6 Abs. 2 Satz 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die konkreten Festlegungen erfolgten in betrieblichen Vereinbarungen (§ 6 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die endgültige Festlegung der Mittel zur Jahresendprämierung für die einzelnen Bereiche und Produktionsabschnitte einschließlich ihrer Leiter erfolgte nach Vorliegen der Bilanz- und Ergebnisrechnung durch die Direktoren der Betriebe mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitungen, die entsprechend der im Betriebskollektivvertrag getroffenen Vereinbarung abhängig vom tatsächlich erwirtschafteten Prämienfonds durch den Betrieb und von der Erfüllung der den Bereichen und Produktionsabschnitten vorgegebenen Bedingungen war (§ 8 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 5 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982).

 

Weder zu den individuellen Leistungskennziffern des Klägers noch zu den sonstigen, die Bestimmung der Jahresendprämienhöhe maßgeblichen Faktoren konnten der Kläger oder der Zeuge nachvollziehbare Angaben tätigen.

 

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall nicht erfüllt. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen Jahresendprämien berücksichtigt worden sind – etwa, weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten –, genügen nicht, um den Zufluss von Jahresendprämien in einer bestimmten oder berechenbaren Höhe konkret an den Kläger glaubhaft zu machen. Denn hierfür wäre – wie ausgeführt – erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des vom Kläger geltend gemachten Zeitraumes eine entsprechende Jahresendprämie nachgewiesen worden wäre, und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitraumes, sondern auch hinsichtlich der Erfüllung der individuellen Leistungskennziffern, um eine konkrete Höhe als berechenbar erscheinen zu lassen.

 

bb)

Allerdings kommt für die Zeiträume der Geltung

  • der "Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1968) vom 26. Juni 1968 (DDR-GBl. II 1968, Nr. 67, S. 490) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1968) vom 10. Dezember 1969 (DDR-GBl. II 1969, Nr. 98, S. 626),
  • der "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für das Jahr 1971" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1971) vom 20. Januar 1971 (DDR-GBl. II 1971, Nr. 16, S. 105) und
  • der Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 sowie in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973, mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden,

von Juli 1968 bis Dezember 1982 (also bis zum Inkrafttreten der Prämienfond-VO 1982 am 1. Januar 1983) eine Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe in Betracht.

 

Für diese Zeiträume legten

  • § 9 Abs. 7 Prämienfond-VO 1968,
  • § 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971 und
  • § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Prämienfond-VO 1972

nämlich verbindlich fest, dass der Prämienfond (auch) bei leistungsgerechter Differenzierung der Jahresendprämie ermöglichen musste, dass die Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen ein Drittel seines (durchschnittlichen) Monatsverdienstes betrug. Diese Mindesthöhe der an den einzelnen Werktätigen zu zahlenden Jahresendprämie durfte nach § 12 Nr. 6 Satz 2 Prämienfond-VO 1971 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 nur dann unterschritten werden, wenn der Werktätige nicht während des gesamten Planjahres im Betrieb tätig war und einer der Ausnahmefälle des § 5 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 vorlag. Diese Regelungen bestätigen damit, insbesondere durch die Formulierung, dass die für "diese Werktätigen zu zahlende … Jahresendprämie … die Mindesthöhe von einem Drittel eines monatlichen Durchschnittsverdienstes" nur in Ausnahmefällen unterschreiten konnte, dass die Vorschriften an eine individuelle und nicht an eine generelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages des einzelnen Werktätigen anknüpften. Diese maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen sind im hier vorliegenden Zusammenhang der Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen daher als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw. als "generelle Tatsachen" heranzuziehen (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) und bestätigen – im Zeitraum ihrer Geltung – zumindest eine individuelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages jedes einzelnen Werktätigen, der die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllte. Soweit die Beklagte meint, bei dem in den vorbenannten Vorschriften enthaltenen Mindestbetrag der Jahresendprämie habe es sich lediglich um einen statistischen Wert bzw. um eine betriebliche Kennziffer gehandelt, die keine auf den einzelnen Werktätigen bezogene Individualisierung beinhaltet habe, trifft dies ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Regelungen, des systematischen Zusammenhangs der Vorschriften sowie des Sinnes und Zwecks der Normen nicht zu. Denn die Regelungen knüpfen nicht an einen "durchschnittlichen Monatsverdienst" bzw. an einen "monatlichen Durchschnittsverdienst" aller Beschäftigten des Betriebes sondern an den "durchschnittlichen Monatsverdienst" bzw. "monatlichen Durchschnittsverdienst" des, also des einzelnen, Werktätigen an (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Prämienfond-VO 1972) bzw. regeln ausdrücklich, dass "die Mindesthöhe der Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen" ein Drittel des, also des einzelnen, monatlichen Durchschnittsverdientes zu betragen hatte (§ 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971). Der durchschnittliche Monatsverdienst bzw. der monatliche Durchschnittsverdienst – der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der "Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 1. Durchschnittsentgelt-VO) vom 21. Dezember 1961 (DDR-GBl. II 1961, Nr. 83, S. 551, berichtigt in DDR-GBl. II 1962, Nr. 2, S. 11) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 2. Durchschnittsentgelt-VO) vom 27. Juli 1967 (DDR-GBl. II 1967, Nr. 73, S. 511, berichtigt in DDR-GBl. II 1967, Nr. 118, S. 836) richtete – war stets eine individuelle und gerade keine generelle (etwa alle Beschäftigten in ihrer Gesamtheit erfassende) Bezugsgröße. Zutreffend ist zwar, wie auch die Beklagte vorträgt, dass ein grundsätzlicher Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämie nur dann bestanden hat, wenn es der Prämienfonds ermöglichte, mindestens ein Drittel eines durchschnittlichen Monatsverdienstes für diese Form der materiellen Interessiertheit zur Verfügung zu stellen. Zutreffend ist auch, wie die Beklagte weiterhin vorträgt, dass Voraussetzung dafür war, dass Werktätige einen Rechtsanspruch auf die Leistungsprämienart "Jahresendprämie" dem Grunde nach hatten, dass der Betrieb erarbeitete Prämienmittel zumindest in diesem Umfang für die Jahresendprämie bereitstellte. Dass der konkrete betriebliche Prämienfond des Beschäftigungsbetriebes des Klägers in den betroffenen Jahresendprämienjahren diese Voraussetzungen konkret erfüllte, ist im konkreten Fall aber hinreichend tatsächlich glaubhaft gemacht worden, weil der Kläger sämtliche konkrete Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Jahresendprämie in den streitgegenständlichen Jahresendprämienjahren erfüllte. Die Beklagte verwischt mit ihrer Argumentation, dass die Anspruchsvoraussetzungen im konkreten Einzelfall dem Grunde nach vollständig glaubhaft gemacht worden sind, wenn sie meint, eine Glaubhaftmachung der Höhe nach von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes käme nicht in Betracht, weil unklar geblieben sei, ob der Prämienfond den Mindestbetrag in der Mindesthöhe überhaupt zur Verfügung gestellt habe bzw. ob der Betrieb erarbeitete Prämienmittel im Mindestumfang überhaupt für die Jahresendprämie bereitgestellt habe, mithin, ob der Kläger dem Grunde nach überhaupt Anspruch auf Jahresendprämien gehabt habe. Deshalb beinhaltet die Argumentation der Beklagten einen unzulässigen, und deshalb unbeachtlichen, Zirkelschluss (sog. petitio principii).

 

Für den Zeitraum ab dem Planjahr 1983 unter Geltung der am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen Prämienfond-VO 1982 kann ein derartiges oder ähnliches Ergebnis im Hinblick auf einen individuellen Mindestbetrag einer Jahresendprämie nicht mehr festgestellt werden. Die Prämienfond-VO 1982 legte einen Mindestbetrag oder eine berechenbare Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen nicht mehr fest. § 9 Abs. 3 Satz 5 Prämienfond-VO 1982 bestimmte vielmehr nur noch, dass die einzelnen Werktätigen (bei Erfüllung der für sie festgelegten Leistungskriterien und bei Erfüllung und Übererfüllung der für den einzelnen Betrieb festgelegten Leistungsziele) eine Jahresendprämie annähernd in gleicher Höhe wie im Vorjahr erhalten sollten. Damit wurde in der Prämienfond-VO 1982 abweichend von den bisherigen Regelungen der Prämienfond-VO’en 1968, 1971 und 1972 weder eine Mindesthöhe noch eine zwingende Mindestvorgabe festgeschrieben. Insbesondere die Verwendung des Verbs "sollen" in der vorbezeichneten Vorschrift verdeutlicht, dass zwingende oder aus bundesrechtlicher Sicht "justiziable" Mindestbeträge nicht vorgegeben waren, die als generelle Anknüpfungstatsachen gewertet werden könnten. Auch eine „statische Fortschreibung“ der zuletzt im Planjahr 1982 unter der Geltung der Prämienfond-VO 1972 ausgezahlten Jahresendprämie des Einzelnen war damit nicht verbunden.

 

Soweit sich die Beklagte im Übrigen auf die Urteile des – seit 1. Juni 2021 nicht mehr für das Recht der Zusatzversorgung zuständigen – 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. April 2020 in den Verfahren L 4 R 703/19 ZV (JURIS-Dokument, RdNr. 60) und L 4 R 461/19 ZV (JURIS-Dokument, RdNr. 63) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass der erkennende Senat – trotz Überprüfung – keinen Anlass sieht seine begründete und ausgewogene Rechtsauffassung aufzugeben oder abzuändern. Denn die von der Beklagten zitierten Urteile des 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts setzen sich mit der eingehend begründeten Argumentation des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts nicht auseinander, sondern gehen lediglich vom Gegenteil aus und weisen noch dazu darauf hin, dass diese Rechtsfrage in den dort entschiedenen Fällen gerade nicht entscheidungstragend war (wörtlich heißt es dort: "unabhängig von der Rechtsfrage, ob die Prämien-Verordnungen – wie vom 5. Senat des Sächsischen LSG und dem Sozialgericht angenommen – in den vorliegend streitigen Zuflussjahren von 1977 bis 1983 überhaupt als ausreichende Rechtsgrundlage für einen Rechtsanspruch auf Auszahlung von Jahresendprämien an den einzelnen Werktätigen in einer gesetzlich bestimmten Höhe herangezogen werden können, …"). Im Übrigen behandelt der erkennende Senat die Prämienverordnungen der DDR auch nicht – wie die Beklagte meint – "als Rechtsgrundlage für die Auszahlung der Jahresendprämien an den einzelnen Werktätigen"; der Auszahlungsanspruch ergibt sich allein aus § 117 Abs. 1 DDR-AGB; insoweit besteht auch keinerlei Divergenz zur Rechtsansicht des 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2019 im Verfahren L 1 RS 2/16 (JURIS-Dokument). Denn auch in diesem wird – neben dem lediglich fast zehnseitigem "Abschreiben" aus den Urteilen des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts – nur angeführt, dass die Prämienverordnungen keinen konkreten individuellen Anspruch des einzelnen Beschäftigten vermitteln. Davon geht – nochmals – auch der erkennende Senat aus. Die Prämienverordnungen werden vom erkennenden Senat lediglich als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw. als "generelle Tatsachen" (vgl. zu diesem Aspekt nochmals: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) für die Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen herangezogen, wenn und soweit dieser einzelne Werktätige im konkreten Verfahren aufgrund individueller Umstände glaubhaft gemacht hat, dass er im jeweils konkreten Jahresendprämienjahr die Anspruchsvoraussetzungen nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB konkret erfüllt hatte. Einen "Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämien aus den Prämienverordnungen" nimmt der erkennende Senat – entgegen der wiederholten Behauptungen der Beklagten – weder an, noch leitet er ihn hieraus ab. Die Prämienverordnungen dienen lediglich als Hilfsmittel der Glaubhaftmachung der Höhe bei Glaubhaftmachung der Bezugsvoraussetzungen dem Grunde nach. Aus diesen – bereits aufgezeigten – Gründen kann die Beklagte auch nicht mit ihrem Hinweis auf die Urteile des Landessozialgerichts Berlin/Brandenburg vom 10. März 2022 im Verfahren L 17 R 471/19 (JURIS-Dokument, RdNr. 33 ff.) und vom 24. März 2022 im Verfahren L 17 R 360/19 (JURIS-Dokument, RdNr. 37 ff.) durchdringen. Denn – wie bereits dargelegt – handelt es sich bei der vom erkennenden Senat angewandten Heranziehung der Prämienverordnungen (als Hilfsmittel der Glaubhaftmachung der Höhe bei Glaubhaftmachung der Bezugsvoraussetzungen dem Grunde nach) nicht um eine – wie vom Landessozialgericht Berlin/Brandenburg behauptete – "konservative Schätzung der Höhe der Jahresendprämie".

 

Für die vorliegende Sachverhaltskonstellation haben die erläuterten Regelungen damit für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre 1973 bis 1982 und damit für die Zuflussjahre 1974 bis 1983 Bedeutung, weil der Kläger in diesen Jahren den Zufluss von Jahresendprämien, und damit das Vorliegen der Zahlungsvoraussetzungen, dem Grunde nach glaubhaft gemacht hat. Die Mindesthöhe ist auch konkret berechenbar, weil sich der durchschnittliche Monatsverdienst des Klägers, ausgehend von dem im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2003 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelten (Entgeltbescheinigung der Gewerbepark Z....  GmbH vom 6. Mai 2002), hinreichend individualisiert ermitteln lässt. Etwaigen Ungenauigkeiten bei der so zu Grunde gelegten Bestimmung des durchschnittlichen Monatsverdienstes bzw. des monatlichen Durchschnittsverdienstes, der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der 1. Durchschnittsentgelt-VO in der Fassung der 2. Durchschnittsentgelt-VO richtete, trägt die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG hinreichend Rechnung, nach der glaubhaft gemachte Entgelte nur zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung sind Schwankungen die sich aus dem Durchschnittsentgelt nach Maßgabe der vorbenannten Durchschnittsentgeltverordnungen ergeben könnten, hinreichend aufgefangen, zumal diese Verordnungen sowohl für die Berechnung des Brutto- als auch des Nettodurchschnittsverdienstes galten (§ 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO) und der Berechnung des Durchschnittsverdienstes alle Lohn- und Ausgleichszahlungen zu Grunde lagen (§ 3 Abs. 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), mit Ausnahme von ganz besonderen Zahlungen (§ 3 Abs. 2 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), die ohnehin nicht Grundlage des bescheinigten Bruttoarbeitsentgelts waren (unter anderem Überstundenzuschläge, zusätzliche Belohnungen, besondere Lohnzuschläge, bestimmte lohnsteuerfreie Prämien, Untertageprämien, Ausgleichszahlungen bei Teilnahme an Lehrgängen über 14 Kalendertagen, Ausgleichszahlungen infolge ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Entschädigungen). Anhaltspunkte dafür, dass derartige besondere Zuschläge und Prämien Bestandteil der im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2003 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelte (Entgeltbescheinigung der Gewerbepark Z....  GmbH vom 6. Mai 2002) sind, ergeben sich aus keinem zu berücksichtigenden Blickwinkel, zumal die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige in Betrieben mit spezieller Produktion erst im Feststellungsbescheid vom 11. September 2018 enthalten sind.

 

Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger Jahresendprämienzahlungen für die in den Planjahren 1973 bis 1982 erwirtschafteten und in den Zuflussjahren 1974 bis 1983 ausgezahlten Jahresendprämien wie folgt zu berücksichtigen:

 

JEP-An-spruchsjahr

Jahresarbeits-verdienst

Monatsdurch-schnittsverdienst

JEP-Mindest-betrag (= 1/3)

davon 5/6

(exakt)

JEP-Zuflussjahr

06-12/1973

5.700,00 M

814,29 M

271,43 M

226,19 M

1974

1974

10.208,56 M

850,71 M

283,57 M

236,31 M

1975

1975

11.198,55 M

933,31 M

311,10 M

259,25 M

1976

1976

11.286,00 M

940,50 M

313,50 M

261,25 M

1977

1977

10.601,22 M

883,44 M

294,48 M

245,40 M

1978

1978

12.632,94 M

1.052,75 M

350,92 M

292,43 M

1979

1979

13.617,90 M

1.134,83 M

378,28 M

315,23 M

1980

1980

13.937,00 M

1.161,42 M

387,14 M

322,62 M

1981

1981

14.142,98 M

1.178,58 M

392,86 M

327,38 M

1982

1982

15.012,20 M

1.251,02 M

417,01 M

347,51 M

1983

  

c)

Weil der Kläger den Bezug (irgend-)einer Jahresendprämie für die Planjahre 1973 bis 1989 in den Zuflussjahren 1974 bis 1990 dem Grunde nach nur glaubhaft gemacht hat, deren Höhe aber weder nachweisen noch – über die Mindesthöhe hinaus konkret – glaubhaft machen konnte, kommt eine Schätzung der Höhe dieser Prämienbeträge nicht in Betracht (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.). Denn eine weitere Verminderung des Beweismaßstabes im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat. Auch aus § 6 Abs. 5 AAÜG in Verbindung mit § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO, die nach § 202 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und "entsprechend" anzuwenden ist, greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 Abs. 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs. 6 AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene Schätzung scheidet damit aus. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter ausgestalten und festlegen müssen, ob und gegebenenfalls wie mit dem Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung in § 6 Abs. 6 AAÜG als geschlossenes Regelungskonzept (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Eine Schätzung ist deshalb nur bei dem Grunde nach nachgewiesenen Zahlungen möglich (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17).

 

3.

Die (in der Mindesthöhe in den Jahren 1974 bis 1983 glaubhaft gemachten) zugeflossenen Jahresendprämien als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33-41, ebenso nunmehr: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt anteilig das Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen. Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostengrundentscheidung war eine einheitliche Kostenquote für das gesamte Verfahren zu bilden.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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