L 10 KR 18/19

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 6 KR 362/17
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 10 KR 18/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Bei der Wochenfrist für die Meldeobliegenheit einer Arbeitsunfähigkeit in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V handelt es sich um eine Ereignisfrist iSv § 187 Abs. 1 BGB. Dafür sprechen der Gesetzeswortlaut, die Gesetzessystematik sowie der Sinn und Zweck der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Regelungen.

2. Nach § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB ist deshalb der erste Tag der (ggf. weiteren) Arbeitsunfähigkeit in die Fristberechnung der Meldeobliegenheit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nicht mit einzubeziehen. 

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 29. November 2018 wird zurückgewiesen.

 

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Klägerin auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

 

 

T a t b e s t a n d

 

Streitig ist die Gewährung von Krankengeld.

 

Die 1958 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie erkrankte am 21. April 2017 wegen einer Sehnenverkalkung im Schultergelenk arbeitsunfähig und bezog von der Beklagten ab dem 2. Juni 2017 ein kalendertägliches Krankengeld iHv 76,69 EUR brutto bzw 67,11 EUR netto.

 

Am 23. Mai 2017 attestierte ein im Gelenkzentrum K________ tätiger Arzt bei der Klägerin eine weitere Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 4. Juni 2017 (Pfingstsonntag). Bereits am 1. Juni 2017 stellte sich die Klägerin dort erneut vor, erhielt diesmal eine bis einschließlich 2. Juli 2017 geltende (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheini­gung und übersandte diese postalisch an die Beklagte.

 

Im Anschluss teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die (Folge-)Arbeitsunfähigkeits­be­scheinigung vom 1. Juni 2017 bei ihr erst am 13. Juni 2017 eingegangen sei. Da die Meldung der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit somit nicht innerhalb von einer Woche seit ihrer Feststellung – mithin nicht rechtzeitig – erfolgt sei, ruhe der Krankengeldanspruch bis zu dem Tag des Eingangs der Bescheinigung, weshalb die Klägerin erst vom 13. Juni 2017 an wieder Krankengeld beziehen könne. Für den Zeitraum vom 5. Juni bis einschließlich 12. Juni 2017 könne ihr indes kein Krankengeld gewährt werden (Bescheid vom 14. Juni 2017).

 

Am 29. Juni 2017 erhob die Klägerin Widerspruch gegen diesen Bescheid. Sie habe sowohl die für die Beklagte bestimmte (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 1. Juni 2017 als auch die für ihre Arbeitgeberin bestimmte Bescheinigung von jenem Tag noch am 1. Juni 2017 auf den Postweg an die jeweiligen Adressaten gebracht, indem sie sie um 14:45 Uhr in einen Briefkasten in A_______ eingeworfen habe, der an jenem Tag um 16:15 Uhr geleert worden sei. Die für die Krankenkasse bestimmte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe sie an die Geschäftsstelle der Beklagten in der H_____straße in K1____ adressiert. Es sei daher davon auszugehen, dass die Bescheinigung dort entweder bereits am 2. Juni 2017 oder aber am Dienstag nach dem Pfingstwochenende, dem 6. Juni 2017, eingegangen sei. Bei ihrer Arbeitgeberin sei die für diese bestimmte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Verlauf der 23. Kalenderwoche des Jahres 2017 – also der Pfingstwoche – eingegangen. Sie bitte um Prüfung, ob sich möglicherweise der Transfer der an die Beklagte versandten Bescheinigung von der dortigen Geschäftsstelle in K1______ in die Zentralstelle in W_________, wo die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Versicherten der Beklagten gescannt würden, verzögert habe.

 

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin jedoch mit der Begründung zurück, dass Postlaufzeiten für die Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in die Risikosphäre der Versicherten fielen, die die Gefahr des nicht rechtzeitigen Eingangs oder auch des Verlusts solcher Bescheinigungen zu tragen hätten. Für die Geschäftsstelle der Beklagten K1_____ bestehe ein Weiterleitungsauftrag bei der Deutsche Post AG, nach dem „die gesamte Post ohne Zeitversatz an das jeweilige Dienstleistungszentrum“ der Beklagten ausgeliefert werde. In ihrer Niederlassung in W_________ würden eingehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen noch am Tag ihres Eingangs gescannt, weshalb das Scandatum mit dem Eingangsdatum identisch sei. Aus dem Archivierungsprozess im Hinblick auf die der Klägerin ausgehändigten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 1. Juni 2017 sei als Scandatum der 13. Juni 2017 ersichtlich. Ein früherer Eingang der Bescheinigung bei der Beklagten lasse sich nicht nachweisen. Dies gehe zu Lasten der Klägerin (Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2017, zugestellt am 16. Oktober 2017).

 

Die Klägerin hat dagegen am 13. November 2017 Klage vor dem Sozialgericht Schleswig erhoben und dort zunächst in Zweifel gezogen, dass die (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbe­scheinigung vom 1. Juni 2017 der Beklagten tatsächlich erst am 13. Juni 2017 zugegangen sei. Zum einen sei die ebenfalls am 1. Juni 2017 versandte Bescheinigung bei ihrer Arbeitgeberin in der Pfingstwoche (Werktage vom 6. bis 9. Juni 2017) auf dem Postweg eingegangen; weshalb bei dem Versand an die Beklagte eine derart längere Postlaufzeit zu beobachten sein solle, sei nicht einleuchtend. Zudem dürfe sich derjenige, der sich auf den Zugang eines Schriftstücks berufe, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf verlassen können, dass ein zu Anfang oder in der Mitte einer Woche zur Post aufgegebener Brief den Empfänger am folgenden oder am übernächsten Zustelltag erreiche. Sollte die Bescheinigung vom 1. Juni 2017 tatsächlich erst am 13. Juni 2017 bei der Beklagten eingegangen sein, fiele dies jedoch in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Dies folge daraus, dass es der Beklagten nicht möglich sei, anzugeben, wo und wann die Bescheinigung in ihren Machtbereich gelangt sei; dies habe die Mitarbeiterin H_____ der Beklagten gegenüber der Klägerin am 16. Juni 2017 auch telefonisch eingeräumt. Dass es sich bei dem von der Beklagten nachgewiesenen Scandatum (dem 13. Juni 2017) zugleich auch um das postalische Eingangsdatum handele, werde bestritten. Ein Eingangsstempel der Geschäftsstelle der Beklagten in K1____ sei ebenso wenig vorhanden, wie ein Nachweis darüber, wann die Bescheinigung wohin weitergeleitet worden sei. Erkundigungen der Klägerin hätten ergeben, dass für die Entscheidungen über ihren Krankengeldanspruch in der Sache die zentrale Krankengeldstelle der Beklagten in B____________ zuständig sei. Diese Ungereimtheiten hinsichtlich des organisatorischen Ablaufs innerhalb der Beklagten müssten dazu führen, dass das Risiko des verspäteten Eingangs der Bescheinigung vom 1. Juni 2017 bei der zuständigen bzw der Stelle, die für das Scannen der Bescheinigung zuständig gewesen sei, ausnahmsweise die Beklagte treffe. Schließlich sei der Krankengeldanspruch aber selbst dann im streitbefangenen Zeitraum nicht zum Ruhen gekommen, wenn man von einem Zugang der Bescheinigung vom 1. Juni 2017 bei der Beklagten erst am 13. Juni 2017 ausginge; denn selbst in diesem Fall sei die Wochenfrist des § 49 Abs 1 Nr 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gewahrt. Dies folge daraus, dass die Klägerin von Rechts wegen zur Aufrechterhaltung ihres lückenlosen Krankengeldanspruchs gehalten war, sich spätestens am 6. Juni 2017, dem Dienstag nach Pfingstmontag, bei einem Arzt vorzustellen und sich die Fortdauer ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen. Dies sei nach Sinn und Zweck des Ruhenstatbestands das maßgebliche Datum für den Beginn der gesetzlichen Wochenfrist. Dass sie sich tatsächlich bereits am 1. Juni 2017 die Fortdauer ihrer Arbeitsunfähigkeit habe bescheinigen lassen, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Die so berechnete Frist habe indes erst mit Ablauf des 13. Juni 2017 geendet, so dass der Zugang der Bescheinigung vom 1. Juni 2017 noch am 13. Juni 2017 als fristgemäß und mithin rechtzeitig anzusehen sei.

 

Dem hat die Beklagte entgegengehalten, dass auf ihrer Seite kein Organisationsmangel hinsichtlich der Dokumentation des Eingangs von Schriftstücken bestehe. Aufgrund des im Widerspruchsbescheid erwähnten Weiterleitungsauftrags würden an ihre Filiale in K1_______ adressierte Schreiben die dortige Niederlassung tatsächlich nicht auf dem Postweg erreichen, sondern unmittelbar an das zentrale Dienstleistungszentrum der Beklagten in W_______ ausgeliefert. Dort würden die Schriftstücke im Wege der Signatur nach dem Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (Signaturgesetz; SigG) mit einem digitalen Eingangsstempel versehen. Insoweit ergebe sich auch aus dem mit Schriftsatz vom 23. November 2017 vorgelegten Scan, dass hinsichtlich der (Folge-)Ar­beitsunfähig­keitsbescheinigung vom 1. Juni 2017 das Signaturdatum (= Eingangsdatum) mit dem Paginierdatum (= Scandatum) identisch sei; es handele sich jeweils um den 13. Juni 2017. Das Original der Bescheinigung vom 1. Juni 2017 sei – ebenso wie der verwendete Briefumschlag – in Übereinstimmung mit den Vorgaben in den §§ 110a bis 110d Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vernichtet worden. Außerdem habe die Deutsche Post AG der Beklagten mit Schreiben vom 29. Januar 2018 bestätigt, dass die „Umroutung“ ihrer Schreiben ohne eine Laufzeitverzögerung erfolge. Soweit schließlich die (Folge-)Arbeits­unfähigkeitsbescheinigung vom 1. Juni 2017 einen Eingangsstempel vom 13. Juni 2017 aufweise, handele es sich dabei nicht um einen – etwa in der Niederlassung der Beklagten in K1_____ – bei Eingang der Bescheinigung aufgebrachten Stempel, sondern um einen internen Bearbeitungsvermerk, den der im Krankengeldzentrum der Beklagten in B_________ tätige Mitarbeiter im Rahmen der Bearbeitung des Widerspruchsverfahrens dort angebracht habe.

 

Das Sozialgericht Kiel hat mit Urteil vom 29. November 2018 die streitgegenständlichen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin (auch) für den Zeitraum vom 5. bis 12. Juni 2017 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Zwar sei im Tatsächlichen davon auszugehen, dass die (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 1. Juni 2017 erst am 13. Juni 2017 bei der Beklagten eingegangen sei. Dieser Eingang wahre aber die Wochenfrist nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V. Denn die Frist beginne nach Sinn und Zweck der Vorschrift bei (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erst von dem Tag an zu laufen, der – ausgehend von der Feststellung in der vorangehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – noch ausreichend sei, um eine Nahtlosigkeit der ärztlichen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit im Rechtssinne zu gewährleisten. Dies sei gemäß § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V hier der 6. Juni 2017 gewesen. Die maßgebliche Frist habe sich daher bis zum 13. Juni 2017 einschließlich erstreckt, der Zugang der Bescheinigung an eben jenem Tag sei rechtzeitig erfolgt, um ein Ruhen des Anspruchs zu vermeiden. Nicht angängig sei es, die Wochenfrist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V vom Tag der Ausstellung der (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an zu berechnen, wenn sich die versicherte Person – wie hier die Klägerin – bereits frühzeitig um die Sicherstellung einer lückenlosen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bemüht habe. Denn auch bei einer Berechnung der Wochenfrist von dem Tag an, an welchem das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit spätestens ärztlich festgestellt werden müsse, um eine zeitlich lückenlose Feststellung von Arbeitsunfähigkeit zu gewährleisten, erhalte die Krankenkasse so zeitnah Kenntnis von der weiteren Arbeitsunfähigkeit, dass sie bei Zweifeln eine Prüfung derselben einleiten könne.

 

Die Beklagte hat gegen das ihr am 17. Januar 2019 zugestellte Urteil am 13. Februar 2019 (die vom Sozialgericht Kiel im Tenor ausdrücklich zugelassene) Berufung bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt.

 

Zur Begründung der Berufung bringt die Beklagte vor, sie vermöge sich der Auffassung des Sozialgerichts, wonach von einem „fiktiven Feststellungstermin“ am 6. Juni 2017 mit einer sich anschließenden Wochenfrist im Sinne des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V vom 7. bis 13. Juni 2017 auszugehen sei, nicht anzuschließen. Die Sach- und Rechtslage sei eindeutig: Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin sei – mit Bescheinigung vom 23. Mai 2017 – bis zum 4. Juni 2017 festgestellt worden. Die Wochenfrist habe daher spätestens am 5. Juni 2017 zu laufen begonnen und habe daher bereits mit Ablauf des 12. Juni 2017 (einem Montag) geendet. Denkbar sei aber auch, dass die Frist bereits am Tag nach neuerlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 1. Juni 2017 – mithin am 2. Juni 2017 – zu laufen begonnen habe; dann habe die maßgebliche Wochenfrist sogar bereits mit Ablauf des 8. Juni 2017 geendet. Der Zugang der Bescheinigung vom 1. Juni 2017 erst am 13. Juni 2017 sei daher in jedem Fall verspätet erfolgt.

 

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 29. November 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

 

                         die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und legt nochmals dar, dass sie ihrer gesetzlichen Obliegenheit zur Erhaltung eines durchgehenden Krankengeldanspruchs schon genügt hätte, wenn sie sich erst am Dienstag nach Pfingsten 2017, also am 6. Juni 2017, das Fortbestehen ihrer Arbeitsunfähigkeit hätte ärztlich bescheinigen lassen. Denn der Krankengeldanspruch entstehe bei über mehrere Feststellungszeiträume hinweg andauernder Arbeitsunfähigkeit dann, wenn sich der Versicherte spätestens am Tag nach Ablauf des vorangehend attestierten Arbeitsunfähigkeitszeitraums das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lasse. Dies sei vorliegend nicht der 5. Juni 2017 gewesen, obgleich sich der vorher bescheinigte Arbeitsunfähigkeitszeitraum bis zum 4. Juni 2017 erstreckt habe; weil der 5. Juni 2017 ein gesetzlicher Feiertag gewesen sei, habe sich die Frist nach § 26 Abs 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bis zum Ablauf des 6. Juni 2017 verlängert. Von diesem Tag an laufe die Wochenfrist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt habe. Würde man dagegen für den Fristbeginn auf das Datum der tatsächlichen Ausstellung einer Folgebescheinigung abstellen, führe dies zu einer rechtswidrigen Schlechterstellung des besonders vorsorglichen Versicherten. Im Übrigen halte sie an ihrem erstinstanzlichen Vortrag zum Vorliegen eines Organisationsverschuldens auf Seiten der Beklagten im Zusammenhang mit der Dokumentation des Eingangs von Briefpost fest, den sie auch zum Gegenstand ihres Berufungsvorbringens mache.

 

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte, die Gegenstand der Berufungsverhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

 

Das Sozialgericht Kiel hat die Beklagte auf die erhobene und insgesamt zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) hin zu Recht verurteilt, der Klägerin auch vom 5. Juni bis einschließlich 12. Juni 2017 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

 

1. Gegenstand des Verfahrens ist die in dem Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11. Oktober 2017 getroffene Entscheidung, wonach der Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Krankengeld für einen Zeitraum von insgesamt 8 Tagen ruht. Diese Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

 

2. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin auch für den Zeitraum vom 5. Juni bis einschließlich 12. Juni 2017 geltend gemachten Leistungsanspruch sind die Regelungen in den §§ 44 und 46 SGB V. Danach hat ein Versicherter ua dann einen Anspruch auf Krankengeld, wenn – wie hier zwischen den Beteiligten unstreitig – eine Krankheit ihn arbeitsunfähig gemacht hat (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB V) und dieser Umstand ärztlicherseits festgestellt worden ist (§ 46 Satz 1 Nr 2 SGB V). Dieser Anspruch bleibt dabei jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit wiederum ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage (§ 46 Satz 2 SGB V).

 

Diese Voraussetzungen liegen im hier streitbefangenen Zeitraum auch vor; insbesondere hat der Krankengeldanspruch der Klägerin vom 5. Juni bis einschließlich 12. Juni 2017 nicht wegen einer verspäteten Meldung der (Folge-)Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V geruht.

 

3. Nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, „solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit (…) erfolgt.“ Dieser Umstand hat nach der mittlerweile ständigen höchstrichterlichen Rspr zur Folge, dass den Versicherten hinsichtlich einer ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit eine dem Grunde nach strikt zu handhabende Meldeobliegenheit gegenüber seiner Krankenkasse trifft, die eine zeitnahe Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die (ggf Weiter-)Gewährung von Krankengeld bezweckt bzw ermöglichen soll. Auf diese Weise werden die Krankenkassen davon freigestellt, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Krankengeldanspruchs mit den damit einhergehenden praktischen Schwierigkeiten im Nachhinein noch aufklären zu müssen. Daneben soll den Krankenkassen die Möglichkeit erhalten bleiben, die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den Medizinischen Dienst überprüfen zu lassen, um einem Leistungsmissbrauch entgegenwirken und ggf Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Die Wochenfrist in § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V, innerhalb derer die Meldung der Arbeitsunfähigkeit an die Krankenkasse zu erfolgen hat, ist deshalb auch eine Ausschlussfrist (vgl zu alledem Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 8. August 2019 – B 3 KR 6/18 R – juris mwN).

 

Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung der (ggf Folge-)Ar­beits­unfähigkeit hat dabei regelmäßig der Versicherte zu tragen. IdZ kann von einer ausreichenden Meldung entsprechend der Regelung in § 130 Abs 1 und 3 des Bürgerlichen Ge­setzbuchs (BGB) erst bei einem Zugang an die Krankenkasse ausgegangen werden. Bei einer verspäteten Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist die Gewährung von Krankengeld hingegen selbst dann ausgeschlossen, wenn die übrigen Leistungsvoraussetzungen unstreitig vorliegen. Auch wenn den Versicherten kein Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft, ruht dessen Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld (vgl hierzu BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – B 3 KR 23/17 R – juris mwN).

 

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin aber die bei ihr am 1. Juni 2017 ärztlich festgestellte (Folge-)Arbeitsunfähigkeit (noch) rechtzeitig am 13. Juni 2017 gemeldet. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob in dem hier maßgeblichen Sachverhalt – wie von der Klägerin fortlaufend geltend gemacht – besondere Umstände in Form eines Organisationsverschuldens der beklagten Krankenkasse vorgelegen haben, die ausnahmsweise zu einer Abweichung von dem Regel-Erfordernis der einwöchigen Meldefrist iSv § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V führen. Daran hat der Senat im Übrigen erhebliche Zweifel, weil angesichts des tatsächlichen Postlaufs, wonach an die Niederlassung der Beklagten in K1:_____ gerichtete Schriftstücke nachweislich sogleich und ohne Zeitverlust von der Deutsche Post AG an das Dienstleistungszentrum der Beklagten in W________ ausgeliefert werden, vorliegend keine Anhaltspunkte für ein Organisationsdefizit der Krankenkasse ersichtlich sind.     

 

a) Unabhängig davon meint die Beklagte, dass die einwöchige Meldefrist für die bei der Klägerin am 1. Juni 2017 (einem Donnerstag) ärztlich festgestellten (Folge-)Ar­beits­un­fähigkeit entweder am darauffolgenden Tag, also dem 2. Juni 2017, spätestens aber an dem Tag nach der zuletzt ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit, also dem 5. Juni 2017, zu laufen begonnen hat. In beiden Fällen würde die hier maßgebliche Wochenfrist vor dem 13. Juni 2017 – an dem die postalisch von der Klägerin versendete (Folge-)Arbeits­unfähigkeitsbescheinigung vom 1. Juni 2017 nach den Angaben der Beklagten bei ihr eingegangen ist – mit der Folge enden, dass der Krankengeldanspruch der Klägerin in dem Zeitraum vom 5. Ju­ni bis einschließlich 12. Juni 2017 geruht hat.

 

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

 

b) Zunächst ist höchstrichterlich bereits geklärt, dass bei einer – wie hier – fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit die Klägerin als Versicherte der GKV eine erneute Meldeobliegenheit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V erst dann trifft, wenn wegen der Befristung der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung von Krankengeld neu zu befinden ist. Dann beginnt aber auch die Wochenfrist der Meldeobliegenheit erst mit dem Ablauf der Befristung der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit bzw mit dem Beginn der „weiteren“ Arbeitsunfähigkeit; das konkrete Ausstellungsdatum der (Folge-)Arbeitsunfähig­keitsbescheinigung ist dabei ebenso irrelevant, wie bei einer erstbescheinigten Arbeitsunfähigkeit (vgl hierzu BSG, Beschluss vom 4. Juni 2019 – B 3 KR 48/18 B – juris).

 

Hieraus folgt, dass im Fall der Klägerin die Wochenfrist für die Meldung ihrer weiteren Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vor dem 4. Juni 2017 – als der Tag, bis zu dem vor dem hier maßgeblichen Zeitraum wegen derselben Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ärztlich festgestellt worden ist – zu laufen begonnen haben kann. Der Auffassung der Beklagten, wonach die einwöchige Meldefrist für die bei der Klägerin bereits am 1. Juni 2017 ärztlicherseits festgestellte weitere (Folge-)Arbeitsunfähigkeit schon am darauffolgenden Tag begonnen haben soll, kann daher nicht gefolgt werden.

 

c) Entgegen der weiteren Auffassung der Beklagten beginnt vorliegend die Wochenfrist der Meldeobliegenheit aus § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V aber auch nicht am 5. Juni 2017. Zwar ist an diesem Tag die Befristung der bisher (bis einschließlich 4. Juni 2017) attestierten Ar­beitsunfähigkeit abgelaufen, sodass die Beklagte der Klägerin Krankengeld nach der Regelung in § 26 Abs 4 SGB X grundsätzlich auch dann nur bis zu dem Ablauf dieses Tages zu leisten hat, wenn es sich dabei – wie hier – um einen gesetzlichen Feiertag handelt. Allerdings hat der Gesetzgeber in § 46 Satz 2 SGB V spezialgesetzlich geregelt, dass der Anspruch eines Versicherten auf Krankengeld auch über den bisher attestierten Zeitraum „jeweils bis zu dem Tag bestehen (bleibt), an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt“. Dabei ergibt sich hinreichend deutlich bereits aus dem Gesetzeswortlaut („<…> spätestens <…>“), dass diese ua die Entstehung des Krankengeldanspruchs verlängernde Regelung auch dann zugunsten der Versicherten Anwendung findet, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit ärztlicherseits nicht erst am „nächsten Werktag“, sondern (wie im Fall der Klägerin) schon vor Ablauf der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird.

 

Vor diesem Hintergrund hat das SG Schleswig in der hier angefochtenen Entscheidung im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass der Klägerin nach den dargelegten gesetzlichen Vorgaben im SGB V und unter Berücksichtigung der besonderen zeitlichen Konstellation (ärztliche Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit am 1. Juni 2017, Ablauf der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit am 4. Juni 2017, gesetzlicher Feiertag am 5. Juni 2017, nächster Werktag am 6. Juni 2017) sogar unabhängig von dem Umstand, ob die weitere Arbeitsunfähigkeit der Beklagten am 13. Juni 2017 rechtzeitig gemeldet worden ist oder nicht, für den Tag des 5. Juni 2017 nach § 46 Satz 2 SGB V ein Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld zusteht. Zumindest kann die spezialgesetzliche Regelung – wonach der hier entstandene Anspruch auf Krankengeld jeweils bis zu dem nächsten Werktag bestehen bleibt, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit spätestens ärztlich festgestellt wird – aus Sicht des Senats nicht anders verstanden werden, um den vom Bundesgesetzgeber damit beabsichtigten „nahtlosen Leistungsbezug“ (vgl hierzu BR-Drucks 641/14, zu Nr 15 <§ 46> Buchst b, S 94) überschneidungsfrei und ohne eine feiertagsbedingte Verkürzung der Meldeobliegenheit aus § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V tatsächlich sicherzustellen.

 

d) Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Klägerin die am 1. Juni 2017 festgestellte (Folge-)Arbeitsunfähigkeit der Beklagten am 13. Juni 2017 (noch) recht­zeitig gemeldet hat.

 

aa) Dabei ergibt sich bereits aus den vorangestellten Ausführungen, dass in der vorliegenden Konstellation der Beginn der Wochenfrist für die Meldeobliegenheit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V nur der 6. Juni 2017 sein kann, weil an diesem Tag wegen der Verlängerung des Krankengeldanspruchs um einen gesetzlichen Feiertag nach § 46 Satz 2 SGB V die weitere (Folge-)Arbeitsunfähigkeit der Klägerin erst begonnen hat („<…> Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit <…> erfolgt“). Insoweit ist hier für die Berechnung der Wochenfrist nach § 26 Abs 1 SGB X maßgeblich, ob es sich bei diesem Beginn um eine Ereignisfrist iSv § 187 Abs 1 BGB oder um eine Beginnfrist iSv § 187 Abs 2 BGB handelt. Bei einer Ereignisfrist würde nach § 188 Abs 2 Alt 1 BGB die Wochenfrist für die Meldeobliegenheit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche enden, welcher dem Tag entspricht, in den das Ereignis gefallen ist (hier: am 13. Juni 2017); demgegenüber würde bei einer Beginnfrist nach § 188 Abs 2 Alt 2 BGB die Wochenfrist einen Tag vorher enden (hier: am 12. Juni 2017).

 

bb) In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung wird allerdings die Frage, ob es sich bei der Wochenfrist für die Meldeobliegenheit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V um eine Ereignis- oder eine Beginnfrist nach § 187 Abs 1 bzw 2 BGB handelt, bisher uneinheitlich beurteilt (vgl hierzu den Überblick des Sozialgerichts <SG> Berlin, Urteil vom 21. Oktober 2021
S 56 KR 358/21 – juris Rn 42 ff)
. Teilweise wird in Bezug auf die höchstrichterliche Rspr vertreten, dass bei einer (Folge-)Arbeitsunfähigkeit die Wochenfrist erst mit dem Ablauf der Befristung der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit bzw mit der „weiteren“ Arbeitsunfähigkeit beginnt (so ausdrücklich BSG, Beschluss vom 4. Juni 2019 – B 3 KR 48/18 B – juris Rn 11). Insoweit wird davon ausgegangen, dass es sich bei der Wochenfrist um eine Beginnfrist iSv § 187 Abs 2 BGB handelt, die mit dem Tag der (Folge-)Arbeits­unfähigkeit (und nicht einem gesonderten Ereignis) beginnt. Demgegenüber wird unter Hinweis auf den Umstand, dass der Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld neben der Arbeits­unfähigkeit ausdrücklich auch eine entsprechende Feststellung durch einen Arzt (als Ereignis) voraussetzt, vertreten, dass es sich bei der Wochenfrist um eine Ereignisfrist iSv § 187 Abs 1 BGB handelt (vgl hierzu ua SG Stralsund, Urteil vom 28. Februar 2020 – S 3 KR 183/18 – juris Rn 33 ff). Schließlich wird bei der Fristberechnung zum Teil auch danach differenziert (vgl hierzu Landessozialgericht <LSG> Hamburg, Urteil vom 26. August 2020 – L 1 KR 76/19 R – juris Rn 17), ob die weitere Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt worden ist (dann soll § 187 Abs 2 BGB gelten, sodass die Frist mit dem ersten Tag der <Folge->Arbeitsunfähigkeit beginnt), oder ob die Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit erst am ersten Werktag nach der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit erfolgt (dann soll § 187 Abs 1 BGB gelten, sodass die Frist erst mit Ablauf des ersten Tages der <Folge->Arbeitslosigkeit beginnt).

 

cc) Aus Sicht des Senats handelt es sich bei der Wochenfrist der Meldeobliegenheit in § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V jedoch um eine Ereignisfrist nach § 187 Abs 1 BGB. Das ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der hier maßgeblichen Regelungen.

 

Dabei deutet schon der Gesetzeswortlaut in § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V („<…> innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit <…>“) darauf hin, dass der erste Tag der (ggf weiteren) Arbeitsunfähigkeit in die Berechnung der Wochenfrist nicht mit einfließt. Sofern demgegenüber eine unmittelbare Anknüpfung der Meldeobliegenheit an den Beginn der Arbeitsunfähigkeit beabsichtigt gewesen wäre, hätte es nahegelegen, im Gesetzestext die Präposition „seit“ (statt „nach“) zu verwenden.

 

Systematische Erwägungen bestätigen das aufgezeigte Ergebnis. Nach dem Normgefüge zum Krankengeld im SGB V ist die Meldeobliegenheit der Versicherten aus § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V eng mit dem Anspruch auf Krankengeld verknüpft. So muss – nach der Stellung der einzelnen Regelungen im Gesetz – zunächst der Anspruch auf Krankengeld entstehen, was nach den §§ 44, 46 SGB V zum einen eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und zum anderen eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erfordert. Dabei entsteht der Anspruch auf Krankengeld nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V „von dem Tag der ärztlichen Feststellung <…> an“. Erst der insoweit entstandene Anspruch kann nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V ruhen, solange die (ggf weitere) Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Demnach setzt die Meldeobliegenheit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V ua zwingend eine vorherige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und damit ein die konkrete Verpflichtung des Versicherten erst auslösendes Ereignis iSv § 187 Abs 1 BGB voraus. Zudem wird die vom Arzt festgestellte Arbeitsunfähigkeit des Versicherten gemäß der Regelung in § 5 Abs 1 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses auch auf einem dafür vorgesehenen Vordruck attestiert, der Ausfertigungen für den Versicherten zur Vorlage beim Arbeitgeber und der Krankenkasse beinhaltet. Vor diesem Hintergrund kann aus Sicht des Senats nicht davon ausgegangen werden, dass für die Fristberechnung der Meldeobliegenheit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V allein der Beginn des Tages maßgeblich sein soll, an dem die (weitere) Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist (Beginnfrist); vielmehr ist darauf abzustellen, dass für das Entstehen der Meldeobliegenheit als solcher und damit ebenfalls für den Beginn der Meldefrist ein konkretes Ereignis als Auslöser – nämlich die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit – erforderlich ist (Ereignisfrist).  

 

Auch Sinn und Zweck der Meldeobliegenheit in § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V sprechen dafür, den Tag des Beginns der (weiteren) Arbeitsunfähigkeit in die Fristenberechnung nicht mit einzubeziehen. Denn die unter Ziffer 3 dargelegte und mit der Regelung bezweckte Überprüfungsmöglichkeit durch den Medizinischen Dienst hinsichtlich eines eventuellen Leistungsmissbrauchs bzw zur Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit knüpft ebenfalls an die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Diese Feststellung ist nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V nicht nur eine der Voraussetzungen für die Entstehung des Krankengeldanspruchs, sondern auch Grundlage der möglichen Überprüfung der aus Sicht des untersuchenden Arztes bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Versicherten. Damit ist die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sowohl bei einer Erst- als auch bei einer Folgebescheinigung selbst unter dem Gesichtspunkt der Zweckbestimmung der Meldeobliegenheit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V als das maßgebliche bzw diese Frist erst auslösende Ereignis anzusehen, wobei sich an diesem Umstand vorliegend auch nichts dadurch ändert, dass die ärztliche Feststellung (am 1. Juni 2017) und der Beginn der weiteren Arbeitsunfähigkeit der Klägerin (am 6. Juni 2017) nicht am selben Tag erfolgt sind, sondern zeitlich geringfügig auseinanderfallen.

 

d) Nach alledem ist im Fall der Klägerin der erste Tag ihrer weiteren Arbeitsunfähigkeit (hier: der 6. Juni 2017) in die Fristberechnung der Meldeobliegenheit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V nicht mit einzubeziehen, sodass die Wochenfrist nach § 26 Abs 1 SGB X iVm den §§ 187 Abs 1 und 188 Abs 2 Alt 1 BGB erst am 13. Juni 2017 geendet hat. Die Klägerin hat ihre (Folge-)Arbeitsunfähigkeit der Beklagten (noch) rechtzeitig gemeldet; der zu ihren Gunsten vom 5. Juni bis einschließlich 12. Juni 2017 unstreitig entstandene Krankengeldanspruch hat nicht geruht. Die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten haben daher – wie vom SG Schleswig bereits ausgeurteilt – keinen Bestand und die Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil keinen Erfolg haben können.

 

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Obwohl die Vertragsärzte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seit dem 1. Januar 2021 den Krankenkassen bereits elektronisch übermitteln (§ 5 Abs 1 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie), hat der Senat die Revision angesichts der bisher uneinheitlichen Rechtsprechung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zugelassen.

Rechtskraft
Aus
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